4952/J XXIII. GP

Eingelangt am 12.09.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Fichtenbauer, Neubauer

und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend „Stößt der Rechtsstaat an seine Grenzen? (II)"

In der Beantwortung der zur Zahl 1648/J-NR/2007 ergangenen parlamentarischen Anfrage zum Thema „Stößt der Rechtsstaat an seine Grenzen?" haben Sie das Parlament im Dezember 2007 informiert, dass gegen den der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) nahestehenden Schulverein der jüdisch-orthodoxen Talmud-Thora Privatschule in Wien-Leopoldstadt (Israelitischer Tempel-und Schulverein Machsike Handass „Talmud-Thora-Schule", Malzgasse 16, 1020 Wien) wegen Zuwiderhandelns gegen eine einstweilige Verfügung des Oberlandesgerichtes Wien (trotz gegen-teiligen Gerichtsbeschlusses wurde Schulkindern lange Zeit der Zugang zur Schule verwehrt) das als Exekutionsgericht tätig gewordene Bezirksgericht Leopoldstadt ein Eintreibungsverfahren über den Betrag von 460.008 Euro eingeleitet habe.

Jedoch wurden inzwischen Beschwerden laut, dass bis vor kurzem gar keine Vorlage zur Einkas-sierung erfolgt sei und dass bis heute nicht einmal ein Cent von den bisher über den besagten Schulverein wegen beharrlicher Rechtsverweigerung verhängten Beugestrafen - dem Vernehmen nach in Höhe von insgesamt fast 2 Millionen Euro! - eingehoben worden seien. Daraus entsteht der Republik Österreich ein schwerer finanzieller Schaden sowie ein Schaden für den Rechts-staat. Die Israelitische Kultusgemeinde soll sich sogar öffentlich dessen gerühmt haben, dass es nie zu einer Eintreibung der gerichtlich verhängten Beugestrafen kommen würde.

Angesichts der beharrlichen Rechtsverweigerung des besagten Schulvereins und der offensichtli-chen Ineffizienz der verhängten Beugestrafen erhebt sich die Frage, ob nicht die Verhängung von Beugehaft unabdinglich wäre. Angesichts des Umstandes, dass auch erhebliche staatliche Sub-ventionen an den besagten Schulverein durch die Kultusgemeinde fließen, besteht auch die Ge-fahr, dass diese Förderungen einer zweckwidrigen Verwendung zugeführt werden, insofern sie nämlich für die Abdeckung des rechtswidrigen Verhaltens des besagten Schulvereins, der ange-sichts der über ihn verhängten Beugestrafen insolvent erscheint, aufgebraucht werden könnten. Dies würde bei entsprechendem Vorsatz den Verdacht auf strafrechtliche Delikte wie Untreue, Förderungsmissbrauch, Exekutionsvereitelung und Krida begründen.

Überdies mehrt sich der Verdacht auf Amtsmissbrauch hinsichtlich der unterlassenen Eintreibung der Beugestrafen, wobei diese Unterlassung einen erheblichen Schaden für die öffentliche Hand darstellt.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Justiz folgende


Anfrage:

1.  Wenn - wie Sie im Dezember 2007 dem Parlament mitteilten - das als Exekutionsgericht tätig gewordene Bezirksgericht Leopoldstadt ein Eintreibungsverfahren über den Betrag von 460.008 Euro eingeleitet hatte, warum wurde dann dieser Betrag bisher nicht eingetrieben?

2.             Ist daraus der Republik Österreich ein zumindest temporärer Schaden entstanden?

3.             Wann wird dieser Betrag eingetrieben werden?

4.             Werden Zinsen hinzugeschlagen und eingetrieben werden?

5.             Werden die bisherigen Verzögerungen in der Eintreibung disziplinarrechtliche Folgen zeiti-gen?

6.             Ist es zutreffend, dass über den besagten Schulverein wegen beharrlicher Rechtsverweigerung mittlerweile Beugestrafen in Höhe von insgesamt fast 2 Millionen Euro verhängt worden sind?

7.             Wenn ja, wann werden diese eingetrieben werden?

8.             Gilt für der Israelitischen Kultusgemeinde nahestehende Vereine eine Sonderbehandlung?

9.             Könnte bei Ineffizienz der Beugestrafen mit Beugehaft vorgegangen werden?

10.      Ist Ihnen aus der jüngeren Rechtslehre die Abhandlung von Burgstaller „Beugestrafen zur Durchsetzung von Zivilurteilen", veröffentlicht in der Österreichischen Juristen-Zeitung 2000 (S 134, S145) und aus der älteren Rechtslehre die Monographie von Jelinek „Zwangsvollstre-ckung zur Erwirkung von Unterlassungen" (S 213), bekannt, denen zufolge Haftstrafen gegen die Organwalter juristischer Personen zu verhängen sind, wenn dies erforderlich ist, um deren beharrlicher Verweigerung entgegenzuwirken?

11.      Ist Ihnen aus der Judikatur des Obersten Gerichtshofes die Entscheidung 3 Ob 42/95 (mehr-fach veröffentlicht in: SZ 68/83; JBl 1995, 734; EvBl 1995/125; ÖB1 1996, 48; GesRZ 1996, 117) bekannt, in welcher das Höchstgericht die Auffassung vertrat, dass Beugehaft gegen den Organwalter einer Kommanditgesellschaft   in einem nur gegen die Gesellschaft geführten Exekutionsverfahren möglich sei?

12.      Wann wird angesichts der beharrlichen Rechtsverweigerung des Schulvereins Machsike Handass „Talmud-Thora-Schule" mit Beugehaft gegen diesen vorgegangen werden?

13.      Wurde Beugehaft bereits beantragt?

14.      Wenn ja, wie wurde über die Anträge auf Beugehaft entschieden?

15.      Wurden die in der Einleitung der gegenständlichen Anfrage erwähnten - aus dem Sachverhalt bei unbefangener Analyse hervorstechenden - strafrechtlichen Verdachtsmomente geprüft?


16.      Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?

17.      Wenn nein, warum nicht?

18.      Stößt der Rechtsstaat in dieser Causa an seine Grenzen?

19.      Sind politische Motivationen dafür verantwortlich?

20.      Wurde in dieser Causa von der Israelitischen Kultusgemeinde bei Ihnen oder in Ihrem Minis-terium in irgendeiner Form interveniert?

21.      Wurde über einen Parteikollegen bei Ihnen in dieser Causa interveniert?

22.      Hat Sie jemand - außer den Anfragestellern im Zuge ihrer ersten parlamentarischen Anfrage - in dieser Causa angesprochen oder sonst kontaktiert?

23.      Wenn ja, wer und wann?

24.      Wurde dem Verdacht auf Exekutionsvereitelung durch den Verein Schulverein Machsike Handass „Talmud-Thora-Schule" nachgegangen?

25.      Wie viele Beugestrafen in welcher Höhe wurden in der gegenständlichen Causa (19 E 1657/07) bisher beim Bezirksgericht Leopoldstadt beantragt?

26.      Wie viele Beugestrafen in welcher Höhe wurden in der gegenständlichen Causa vom Be-zirksgericht Leopoldstadt verhängt?

27.      Wie viele Beugestrafen in welcher Höhe wurden in der gegenständlichen Causa bisher beim Verein Schulverein Machsike Handass „Talmud-Thora-Schule" einkassiert?

28.      Hat die Richterin Alice Prutsch alle verhängten Beugestrafen-Entscheidungen unverzüglich der Eintreibungsstelle des Oberlandesgerichtes vorgelegt?

29.      Wenn ja, welche und wann?

30.      Was wurde dann jeweils nach Vorlage getan?

31.      Welche finanziellen Nachteile sind der Republik Österreich durch die Nichteinkassierung von bereits verhängten Beugestrafen in dieser Causa bisher erwachsen?

32.      Haben Sie diesbezüglich eine Prüfung durch den Rechnungshof veranlasst?

33.      Wenn nein, werden Sie das noch tun?

34.      Wurde dem Verdacht auf Amtsmissbrauch durch Nichtvorlage oder Nichteinkassierung der verhängten Beugestrafen nachgegangen?

35.      Wenn ja, wann und in welcher Form?


36.       Wenn nein, warum nicht?

37.       Wenn bereits Beugestrafen verhängt worden sind und zumindest teilweise beim Oberlandes-gericht zur Einkassierung vorliegen, wieso wurde bisher nicht gegen den Schulverein Mach-sike Handass „Talmud-Thora-Schule" mit Pfändungen, Zwangsversteigerungen von Liegen-schaften und dergleichen vorgegangen?

38.       Genießt der Schulverein Machsike Handass „Talmud-Thora-Schule" auch diesbezüglich eine Sonderbehandlung durch die Justiz?

39.       Können Sie angesichts des Umstandes, dass die hinter dem Schulverein Machsike Handass „Talmud-Thora-Schule" stehende Israelitische Kultusgemeinde unter verschiedenen Titeln laufend Subventionen und Zuwendungen von der Republik Österreich erhält, die Gefahr einer Quersubventionierung von Beugestrafen ausschließen?

40.       Erscheint Ihnen das Verhalten des Schulvereins Machsike Handass „Talmud-Thora-Schule" in Anbetracht dessen sowie angesichts der beharrlichen Rechtsverweigerung nicht als Gefahr für den Rechtsstaat?