716/J XXIII. GP
Eingelangt am 26.04.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Maga. Melitta Trunk und GenossInnen
an den Bundesminister für Landesverteidigung
betreffend finanzieller Nutzen des Bundeslandes Kärnten vom Österreichischen Bundesstaat
Seit einiger Zeit wird vom
Kärntner BZÖ, insbesondere von Landeshauptmann Jörg Haider, die
etwas eigentümliche Idee einer
„Sonderstellung Kärntens " sowie eines darauf basierenden
„Freistaates" lanciert und gleichzeitig verschwiegen, welchen
(insbesondere finanziellen) Nutzen
das Bundesland Kärnten durch seine Zugehörigkeit zum
Bundesstaat Österreich erfährt.
(1) Aktuelle Entwicklungen und öffentliche Ankündigungen betreffend „Freistaat Kärnten"
Bereits im Jänner 1991 und im
Jahre 2003 hatte Jörg Haider die Freistaats-Idee lanciert, ohne
damals aber v/eitere Schritte zu setzen. Heuer hat der Kärntner
Landeshauptmann anlässlich seiner
Aschermittwochsrede in Griffen zum Ende des Faschings diesen Begriff wieder
entdeckt. Am 21.
Februar 2007 gab er unter dem recht
merkwürdigen Slogan „Freistaat Kärnten - Wir sind
Wir" eine
„Freistaat-Erklärung"
ab.
Bereits auf Grund der
Ankündigung dieser Rede kam es im Vorfeld zu einhelliger Kritik durch
ALLE anderen im Kärntner Landtag vertretenen Parteien. Neben der SPÖ
und den Grünen
kritisierten auch die Kärntner
ÖVP und die FPÖ die Wiederentdeckung dieser früheren
Haider-Idee,
wobei ÖVP-Nationalrat Auer feststellte:
"Nur weil das
BZÖ auf Bundesebene keine Rolle mehr spielt, sollen sich plötzlich
alle
Kärntnerinnen und Kärntner hinter einem Grenzzaun verbarrikadieren.
Wollen sie uns mit
aller Gewalt von Österreich abnabeln und das ganze Land in orange
Geiselhaft nehmen. ...
Viele haben die Nase voll von dieser Art von Politik und fühlen sich in
ihrem Heimatgefühl
verletzt. Dass ein gebürtiger Oberösterreicher und sein steirischer
Adlatus an der Spitze des
BZÖ die echte Heimat nicht im Herzen tragen, sondern bestenfalls mit einer
orangen Jacke
die sie immer wieder wechseln können
mag schon sein, aber dann sollen sie unser Land nicht
pausenlos lächerlich machen und ständig Unruhe stiften. "
(ÖVP-NR Auer, OTS 046 vom 12.
Februar 2007)
Der Kritik
an dieser medialen Inszenierung begegnete das BZÖ mit seiner etwas
eigentümlichen
Auffassung der
Kärntner Landesgeschichte und der angeblichen „Sonderstellung"
Kärntens in
Österreich:
"Die Idee eines Freitstaates Kärnten geht
schließlich bis ins Jahr 1920 zurück. Bei einem Freistaat
handelt es sich auch um keinen Faschingsscherz oder eine hirnrissige
Idee, sondern um ein
Bekenntnis zu Kärnten, dessen Geschichte, Eigenart und
Sonderstellung in Österreich. ... So ist
auch der
Slogan Wir sind Wir" zu verstehen, der sich eine tiefer gehende
Betrachtung verdient, um
dessen Botschaft auch zu verstehen "
(GF. BZÖ-Kärnten Obmann Petzner, OTS 227 vom 9. Februar
2007)
Jörg Haider selbst meinte bereits im Vorfeld seiner Rede zu den möglichen Auswirkungen:
„
Sicherlich gehören hier eine eigene Volksanwaltschaft und ein eigener
Bürgeranwalt dazu. "
Als „Gegengewicht zum rot-schwarzen Richterstaat"
wäre "ein eigenes
Landesverfassungsgericht
wünschenswert"
(LH Jörg Haider, Tageszeitung Österreich, 20. Februar 2007)
Im Rahmen
seiner „Freistaat-Erklärung" am Aschermittwoch 21. Februar 2007
legte Haider seine
„Vision"
vom „Freistaat
Kärnten" dar und verknüpfte die Idee zugleich mit seinem
zutiefst
persönlichen politischen Schicksal:
„Haider
verwies in seiner Rede darauf, dass die Freistaatidee nicht etwa erst gestern
entstanden
wäre, "sie ist in ganz Europa tief verwurzelt", wie etwa auch
Bayern oder
Thüringen beweise. ... Bereits vor 30 Jahren habe er diese Vision eines
Freistaates
entwickelt. Kärnten sollte aus seiner
Schlusslichtposition herausgeholt werden, in die dieses
Land durch die schlechte Behandlung durch Wien geriet. Von Straßen- oder
Bahnprojekten,
Betriebsansiedelungen bis hin zur Bildungspolitik - Kärnten bekam
als letztes Bundesland
eine Universität - sei Kärnten von Wien sträflich
vernachlässigt worden. Die Freistaat-Idee
sei ein "Bekenntnis zur Heimat und zur stolzen Geschichte, Eigenart und
Sonderstellung
Kärntens", so Haider. ...In
Kärnten ist immer vom eigenen Volk für die Landeseinheit
gesorgt worden", erinnerte Haider an
den Abwehrkampf und an das Bekenntnis
zu
Österreich
durch die Volksabstimmung 1918/20. ... Ein Bekenntnis zu Demokratie und
Freistaat habe die Kärntner Bevölkerung bereits 1989 geleistet, indem
die absolute
Mehrheit der SPÖ gebrochen wurde. ... Wir wollen das Modell Kärnten
Wien
gegenüberstellen". Der Freistaat
Kärnten als Bekenntnis zur Demokratie solle auch Antwort
auf die ständigen Versuche sein, einen demokratisch gewählten
Landeshauptmann
abzusetzen."
(LHJörg Haider, OTS 137 vom 22. Februar 2007)
Abgesehen
von faktischen Irrtümern in seiner Rede (falls Kärnten
tatsächlich als letztes Bundesland
eine Universität erhielt, müsste es bekanntlich in Eisenstadt und
Bregenz bereits eine geben) bedient
sich Haider des
alterprobten „Anti-Wien-Reflexes" und negiert dabei völlig,
dass Kärnten allein
schon auf Grund seiner wirtschaftlichen Situation
„Nettoempfänger" ist (ganz im Gegensatz zum
zitierten Beispiel Bayern). Wichtige Kärntner Infrastrukturprojekte
wären bekanntlich ohne Hilfe
des Bundes nicht möglich gewesen, insbesondere die hochrangigen
Straßen- und Schienennetze.
Daher wurden bereits zu diesem
Zeitpunkt kritische Stimmen über mögliche finanzielle
Auswirkungen eines solchen Schrittes laut,
die das Kärntner BZÖ jedoch sofort zurückwies:
„Ein Freistaat Kärnten hätte ebenso wie die bereits
existierenden Freistaaten Bayern,
Sachsen und
Thüringen keine verfassungsrechtlichen Auswirkungen, sondern eine rein
symbolische Bedeutung. Der Freistaat Kärnten stellt ein Bekenntnis zu
Freiheit,
Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und
Demokratie dar. Ein Freistaat Kärnten hat folglich
absolut keine negativen finanziellen Auswirkungen, weder auf
Bundesgelder für Kärnten,
noch auf EU-Gelder für
Kärnten." (GF. BZÖ-Kärnten Obmann Petzner, OTS 170 vom 7.
März 2007)
Bereits
an den obenstehenden Ausführungen zeigt sich der generelle Widerspruch des
Vorschlages:
Soll ein
„Freistaat Kärnten" nun tatsächlich faktische
Rechtswirkungen haben (wie von Haider
selbst angedacht) oder doch bloß nur reine Symbolik sein (wie von Petzner
erläutert)?
(2) BZÖ-Antrag auf Änderung der Landesverfassung im Kärntner Landtag
Nachdem Haider auch
medial vorgeworfen wurde, wieder einmal nur Worte ohne Taten zu
produzieren (vgl. u.a. Anneliese Rohrer in
der Tageszeitung Kurier vom 14. Februar 2007), brachte
das BZÖ jedenfalls in der
Sitzung des Kärntner Landtages vom 15. März 2007 einen formellen
Antrag für eine entsprechende Änderung des Artikel 1 der
Kärntner Landesverfassung ein, der dem
Verfassungsausschuss zugewiesen wurde:
„Artikel 1, Abs. 1 lautet: „Kärnten
ist ein Bundesland der demokratischen Republik
Österreich und führt die Bezeichnung Freistaat Kärnten.
"
(BZÖ-Antrag im Kärntner Landtag, 15. 3. 2007, Antragsteil)
„ Kärnten hat neben Vorarlberg im Österreichischen
Bundesstaat immer eine besondere
Rolle
eingenommen. Im Jahre 1918 hat Kärnten den Beitritt zur Republik Deutsch-
Österreich erklärt. Doch bereits
am 05. November 1918 drangen Truppen des Königreiches
der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS-Staat) in
Süd-Ost-Kärnten ein. Die SHS-Polizei
rückte in das Rosen- und in das untere Gailtal vor. Ferlach und
Völkermarkt wurden
besetzt. Die Landesregierung verlegte ihren Sitz angesichts dieser Bedrohung
nach Spittal
an der Drau. Am 5. Dezember 1918 beschloss
die provisorische Kärntner Landesregierung
unter dem Landesverweser Arthur Lemisch dem (sic!) bewaffneten Widerstand gegen
ein
weiteres Vordringen der SHS-Truppen. Dies geschah ohne Unterstützung durch
die Wiener
Regierung, sogar gegen deren Willen. Dieser Befreiungskampf, in der
Geschichte als
Kärntner Abwehrkampf bekannt, begann
im Gailtal mit der Rückeroberung von Arnoldstein
und Ferlach. Schließlich war
dies Voraussetzung für die am 10. Oktober 1920 stattfindende
Volksabstimmung über die
Gebietsansprüche Jugoslawiens in Süd-Kärnten. Das Beispiel
des Kärntner Abwehrkampfes zeigt, wie eigenständig
Kärnten bereits zu Beginn der
Österreichischen Republik handeln
musste.
Das Bundesland Vorarlberg bezeichnet sich in seiner Landesverfassung in
Art. 1 Abs. 2 als
selbständiger
Staat. Diese Bewertung der Vorarlberger hat keine verfassungsrechtlichen
Auswirkungen, aber unterstreicht die Besonderheit und Eigenständigkeit
dieses
Bundeslandes. Ähnliches soll mit der
Bezeichnung „ Freistaat" für Kärnten erreicht werden.
Dabei sollte auch ausdrücklich
der föderale Aufbau der Republik unterstrichen werden. ...
Durch die Bezeichnung „Freistaat"
könnte Kärnten selbstbewusster gegenüber der
Bundeshauptstadt auftreten und besser seine Rechte
einfordern. "
(BZÖ-Antrag im Kärntner Landtag, 15. 3. 2007, Begründungsteil)
Der Antrag selbst hat kaum Chancen
auf Umsetzung, da eine Zwei-Drittel-Mehrheit durch die
Ablehnung ALLER anderen Landtagsparteien
wohl nicht gegeben scheint (Ganz abgesehen von
allfälligen Fragestellungen im Zusammenspiel mit der
österreichischen Bundesverfassung).
Unabhängig davon leidet der
Antrag am bereits erwähnten Widerspruch zwischen reiner Symbolik
(„keine verfassungsrechtlichen Auswirkungen") und der
Ableitung faktischer Rechtswirkungen
gegenüber dem Bundesstaat („besser
seine Rechte einfordern "), auch im Begründungstext bleiben
beide Optionen offen. Außerdem gibt der Antrag ein verzerrtes Bild
der Ereignisse zwischen 1918
und 1920 wieder, als sich die Österreichisch-Ungarische Monarchie (samt
ihrer Armee) aufgelöst
hatte und die Erste Republik
Österreich noch nicht gegründet war, sondern das
Übergangskonstrukt
„Deutschösterreich" bestand (sodass erst ein
völkerrechtlicher Friedensvertrag ausgehandelt werden
musste und lange Zeit nicht klar war, welche Gebiete Österreich
letztlich zugesprochen werden).
(3) Historischer Kontext zur angeblichen „Sonderstellung"Kärntens in Österreich
Der
BZÖ-Antrag selbst, wie auch BZÖ-Obmann Petzner und BZÖ-LAbg.
Kurt Scheuch betonen:
„Kärnten hat neben Vorarlberg im Österreichischen
Bundesstaat immer eine besondere Rolle
eingenommen"
(BZÖ-Antrag);
Kärntens „Eigenart und Sonderstellung in Österreich" (Petzner);
die „Besonderheit des Bundeslandes
Kärnten, das schon bei der Republik-Werdung eine besonders
wichtige Rolle gespielt habe " (Petzner) sowie „die
historische Einzigartigkeit Kärntens" (Scheuch)
Mit derselben
rückwärtsgewandten Logik müsste der Österreichische
Bundesstaat wohl heute -
basierend auf den Ereignissen zwischen 1918
und 1920 — umgekehrt auch den Bundesländern
Burgenland, Tirol und Vorarlberg eine Sonderbehandlung zugestehen
(letzterem auf Grund seiner
damaligen Abspaltungstendenzen aber wohl
eine nachteilige). Doch niemand im österreichischen
Bundesstaat käme heute - nach fast 90 Jahren - noch auf
solch eine Idee, aus den damaligen
Nachkriegswirren eine Sonderstellung
irgendeines Bundeslandes abzuleiten, im positiven wie
auch im negativen Sinne! Die historischen Fakten und der politische Kontext in
Folge des
Ersten Weltkrieges sind jedenfalls wesentlich komplexer als der BZÖ-Antrag
im Kärntner
Landtag suggerieren möchte:
• Während
sich der militärische Zusammenbruch und der Zerfall
Österreich-Ungarns bereits
abzeichnete, und Kaiser Karl nur mehr versuchte sich durch Abgabe des
Oberkommandos an
der
italienischen Front um die persönliche Verantwortung für die
Kapitulation zu drücken,
handelten die gewählten Abgeordneten. Die Reichsratsabgeordneten der
deutschsprachigen
Gebiete der Donaumonarchie traten am 21. Oktober 1918 im Landhaus in der Wiener
Herrengasse
zusammen, um sich als „Provisorische Nationalversammlung des
selbständigen
deutsch-österreichischen Staates " zu konstituieren.
Staatskanzler wurde Karl Renner, wobei
es
bis zum 11. November 1918 eine Parallelität von alter und neuer Regierung
gab.
• Kaiser Karl
selbst verzichtete am 11. November 1918 schließlich auf jegliche
Beteiligung
an
den Staatsgeschäften. Daraufhin beschloss am folgenden Tag, dem 12.
November 1918,
die provisorische Nationalversammlung in Wien die Ausrufung der Republik
„Deutschösterreich", formell mit dem „Gesetz
über die Staats- und Regierungsform von
Deutschösterreich ". Zu diesem Zeitpunkt war für niemanden
klar, wie es nach dem
Zusammenbruch
weitergeht, und so beanspruchte die provisorische Nationalversammlung
am 22. November 1918 mit einem eigenen
Gesetz „die Gebietshoheit über das geschlossene
Siedlungsgebiet der Deutschen innerhalb der im Reichsrat
vertretenen Königreiche und
Länder " (Das umfasste neben den heutigen
österreichischen Bundesländern auch Südtirol,
Gebiete in Böhmen und Mähren, das Sudetenland, usw.). All diese
Fragen mussten erst
völkerrechtlich geklärt werden. Neben den Gebietsfragen
standen die Republiksgründer
noch vor ganz anderen Herausforderungen:
Die österreichische Wirtschaft, bis dahin auf das
Gebiet der gesamten Monarchie ausgerichtet und dimensioniert, verlor
schlagartig wichtige
Teile ihrer bisherigen Struktur, insbesondere Rohstoffzugänge und
Industrieanlagen.
• Politische
Probleme ergaben sich zugleich aus der nur unvollständigen Abdankung
Kaiser
Karls,
der im Gegensatz zum deutschen Kaiser Wilhelm II. niemals formell
abdankte,
sondern
am 11. November 1918 lediglich auf die Regierungsgeschäfte verzichtete.
Als Karl
mitsamt seiner
Familie am 23. März 1919 dann in die Schweiz ausreiste, widerrief er noch
an der Grenze im „Feldkircher Manifest seine Erklärung vom
11. November 1918.
Daraufhin beschloss die Nationalversammlung
am 3. April 1919 die Habsburgergesetze,
welche bis heute gültig sind (Landesverweisung und Beschlagnahmung des
Familienfonds,
Rückkehr nur bei formellem Verzicht auf allfällige
Herrschaftsrechte).
• Ebenso
problematisch war, dass nach rund 600 Jahren Habsburgerherrschafl die gesamte
staatliche
Ordnung auseinanderbrach, angefangen mit der demobilisierten Armee, und die
Nationalversammlung somit wenig reale Macht zur Durchsetzung ihrer
Beschlüsse hatte.
Dazu kam, dass die Politiker aus dem ehemaligen Vielvölkerreich keine
Erfahrung mit
„kleinstaatlichen" Lösungen hatten und den neuen Staat auch aus
wirtschaftlichen und
sonstigen Gründen für nicht überlebensfähig hielten, sodass
auf Bundesebene einige einen
Anschluss an Deutschland forcierten. Einzelne Bundesländer trieben solche
Bestrebungen
auch eigenmächtig voran, es gab diese in Salzburg ebenso wie in Tirol, wo
im Hinblick auf
Südtirol auch eine Hinwendung zu Italien diskutiert wurde. Am weitesten
ging aber
Vorarlberg,
das in einer formellen Volksabstimmung am 11. Mai 1919 mit
überwältigender
Mehrheit für den Anschluss an die Schweiz stimmte, was letztlich nur durch
die Schweizer
Regierung
und deren Sorge um das innerschweizerische Volksgruppengleichgewicht
verhindert wurde. Vor genau diesem chaotischen Hintergrund sowie in Anbetracht
des
Zusammenbruches der staatlichen Ordnung und der Demobilisierung der
österreichischen
Armee beanspruchte
auch das SHS-Königreich (Slowenien, Kroatien, Serbien) plötzlich
Teile Kärntens für sich (sowie
auch Teile Ungarns, wo ebenfalls SHS-Truppen vorrückten).
• Im Wissen um
all diese Entwicklungen fanden 1919 in Pariser Vororten die
Friedensverhandlungen mit den Siegermächten statt, wobei die
österreichische Delegation
unter Staatskanzler Karl Renner nur Beobachterstatus hatte und nicht selbst
mitverhandeln
durfte. Am 10. September 1919 wurde schließlich der Vertrag von
Saint-Germain-en-Laye
zwischen Österreich und den Alliierten unterzeichnet. Dem Haus Habsburg
und dem
Deutschen Kaiserreich wurde die Alleinschuld am Krieg zugewiesen. Die
Bezeichnung
„Deutschösterreich" sowie ein Anschluss an Deutschland wurden
verboten. Zahlreiche
Gebiete mussten abgetreten werden, unter anderem Böhmen und Mähren,
Südtirol und
Istrien, usw.
Für den Raum Südkärnten (südlich der Drau) wurde - auch
Dank der
politischen Unterstützung Italiens - eine Volksabstimmung vereinbart, die
am 10. Oktober
1920 eindeutig (auch mit mehrheitlicher
Unterstützung der Kärntner Slowenen) für den
Verbleib bei Österreich endete. Dieser Abstimmung gingen heftige
Kämpfe von Kärntner
Heimwehrverbänden gegen die
SHS-Einheiten voran. Schließlich erhielt Österreich mit dem
deutschsprachigen Teil Westungarns
sein jüngstes Bundesland, das Burgenland, wobei
Ungarn heftig protestierte und nach jahrelangem Tauziehen und dem Vertrag von
Trianon
die endgültige Übertragung des Burgenlands erst im Jänner
1921 erfolgte (davor hatten
ungarische Kämpfer die
österreichische Gendarmerie beschossen und vorerst die Verwaltung
durch Österreich blockiert). Für den Raum Ödenburg
(Sopron), das eigentlich als
Landeshauptstadt vorgesehen war, gab es ebenfalls eine Volksabstimmung, die
aber
mehrheitlich gegen die Eingliederung in die
Republik Österreich ausging. Im Jahre 1923
kam es nochmals in zehn
burgenländischen Gemeinden zu Volksabstimmungen, die allesamt
mit der Wiedereingliederung in Ungarn endeten. Gleichzeitig kam es in
Folge des Ersten
Weltkrieges auch in anderen Staaten zu Konflikten im Grenzgebiet, etwa zwischen
Ungarn
und seinen Nachbarstaaten, wo ebenso wie in
Kärnten Truppen auf fremdes Gebiet kamen.
• Am 21. Oktober 1919 ratifizierte
die österreichische Nationalversammlung den Vertrag
von St. Germain und änderte den Namen „Deutschösterreich"
vertragsgemäß in „Republik
Österreich". Der Vertrag selbst trat schließlich am 16. Juli
1920 förmlich in Kraft und
bestätigte völkerrechtlich die endgültige Auflösung
Österreich-Ungarns. Die
Nationalversammlung beschloss schlussendlich am 1. Oktober 1920 die von Hans
Kelsen
maßgeblich ausgearbeitete
Bundesverfassung als Fundament der Ersten Republik Österreich.
(4) Kärnten in der Geschichte Österreichs
Im Gegensatz zur BZÖ-Theorie
von der angeblichen Sonderstellung'''' ist Kärnten einer der am
längsten zu Österreich gehörenden Landesteile und hat historisch
gesehen genau die gleiche
wechselvolle Geschichte durchlebt wie die meisten anderen Länder
Österreichs (Zur Geschichte
Kärntens vergleiche unter anderem
Claudia Fräss-Ehrfeld: „Geschichte Kärntens", Band
I-III sowie
Stefan Karner: „Kärnten
und die nationale Frage im 20. Jahrhundert").
Bereits zu Beginn der
Habsburger-Regentschaft unter Rudolf I. war
Kärnten mit Österreich
verbunden, nachdem der Böhmenkönig Ottokar I. am 26. August 1278 bei der Schlacht auf dem
Marchfeld getötet wurde und die Babenberger die Macht in Österreich
abgeben mussten. Im Jahre
1335 wurde Kärnten dann vom Bayrischen
König Ludwig formell an die Habsburger übertragen
und mit Österreich, der Steiermark und Krain vereint, wozu im Jahre
1363 noch Tirol hinzugefügt
wurde. Während diese habsburgischen Gebiete im 14. und 15. Jahrhundert
durch Erbteilungen und
Besatzungen immer wieder voneinander
getrennt wurden, gelang Friedrich V. am Ende des 15.
Jahrhunderts die endgültige Vereinigung. Im Jahre 1518 schenkte Kaiser
Maximilian den Kärntnern
Klagenfurt, das 1514 abgebrannt war und sich in Folge zur Landeshauptstadt
entwickelte. Daneben
war Kärnten
genauso wie andere Teile Österreichs von Türkenkriegen, Bauernaufständen,
der
Reformation und der Gegenreformation betroffen.
Die gesamtstaatlichen Reformen
Maria Theresias und Joseph II.
machten auch vor
Kärnten nicht
halt, sodass dieses schrittweise seine administrative Selbständigkeit
verlor und in der Verwaltung
der Habsburgermonarchie aufging. In der Zeit Napoleons und der
„Koalitionskriege" wurde
Kärnten zwar immer wieder von französischen Truppen besetzt (so wie
auch andere Teile
Österreichs), was mit dem Wiener
Kongress 1814/1815 aber letztlich ein definitives Ende fand. Im
Jahre 1849, nach dem Ende der Märzrevolution von 1848, erhielt das
Herzogtum Kärnten wieder
seine Selbständigkeit und Verwaltungseinheit sowie den Status eines
Kronlandes in der
Habsburgermonarchie.
Nichts von
alledem unterscheidet Kärnten im speziellen von den zahlreichen anderen
ehemaligen
Kronländern der
Habsburgermonarchie die heute österreichische Bundesländer sind und
nichts
davon würde eine angebliche „Sonderstellung"
Kärntens gegenüber dem Bundesstaat sowie den
anderen Bundesländern rechtfertigen. Andere Landesteile kamen erst
viel später zu Österreich -
Salzburg etwa erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts und das Burgenland erst 1921
- während
Kärnten spätestens mit Aufstieg der Habsburger ein integraler
Landesteil von Österreich wurde.
In Relation zu dieser langen und
wechselvollen Geschichte Kärntens in Österreich ist die
Zeitspanne zwischen 1918 und 1920 ein
kurzer historischer Augenblick. Dabei war die Abwehr und
Zurückdrängung der SHS-Truppen zwischen Dezember 1918 und Mai
1919 sicherlich ein mutiger
und wesentlicher Schritt, der aber auch parallel zum Beginn der
Friedensverhandlungen mit den
Siegermächten zu sehen ist, ohne deren
politische, diplomatische und völkerrechtliche Zustimmung
letztlich auch ganz andere Entwicklungen möglich gewesen
wären. Die durch den Friedensvertrag
von St. Germain und die nachfolgende
Volksabstimmung völkerrechtlich festgelegten Grenzen des
Kärntner Gebietes sind daher bis heute unverändert geblieben. Diese
Ereignisse aber aus dem
Kontext der damaligen Nachkriegswirren im
gesamten Österreich herauszulösen und daraus
nach fast 90 Jahren eine „Sonderstellung" Kärntens und
einen „Freistaat" abzuleiten, gleicht
einer Missachtung der Ereignisse rund um Burgenland, Vorarlberg oder
Tirol wie auch der
sonstigen mannigfaltigen Herausforderungen an die Gründer der Ersten
Republik nach dem
militärischen und politischen Zusammenbruch des Habsburgerreiches!
(5) „Freistaat" als mehrdeutiger und historisch geprägter Begriff
A) Bereits im 18. Jahrhundert wurde der Begriff im Zusammenhang mit der Schweiz verwendet:
„Das Wort
"Freistaat" ist erstmals 1731 belegt, und zwar zur Kennzeichnung der
Unabhängigkeit der Schweizer
Eidgenossenschaft vom Hl. Römischen Reich Deutscher
Nationen seit 1648."
(Vgl.: Johannes Merz, "Freistaat Bayern — Metamorphosen eines Staatsnamens ",
In: Vierteljahrshefte für
Zeitgeschichte 45/1997, 121 ff.
Online im Historischen Lexikon Bayerns)
„ Nach dem heutigem Stand der Forschung wurde das deutsche Wort
Freistaat erstmals im
Jahr 1754 von Johann Jacob Moser, dem führenden deutschen Staatsrechtler
seiner Zeit,
verwendet.
Moser bezeichnete die Schweiz als "Freystaat". 1768 sprach der
Schweizer
Pfarrer und Landeskundler Johann Conrad
Fäsi in seiner "Staats- und Erdbeschreibung der
ganzen Helvetischen Eidgenoßschaft" vom "Eidgenössischen
Freystaat". Fäsi erklärt nicht,
in welchem Sinn er diesen Begriff verwendet, es fällt aber auf,
daß er ihm explizit das
monarchisch geführte und adelig
strukturierte Deutsche Reich gegenüberstellt. Es ist kein.
Zufall, daß das Wort Freistaat zuerst in der Schweiz verwendet
wurde und daß es einem
Schweizer dazu diente, die staatsrechtlichen und sozialen Besonderheiten seines
Landes
bereits im Namen kenntlich zu machen. Die Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts
rühmten die
Freiheitsliebe der Schweizer. Auch der Zeitpunkt der Verwendung kann relativ
gut erklärt
werden: Die schweizerische Aufklärung des 18. Jahrhunderts förderte
die Herausbildung
eines Nationalbewußtseins. Die Eidgenossenschaft wurde inmitten eines
monarchischen
Europas als Modell einer besseren Welt
angesehen. "
(Dr. Andreas Dornheim, Institut für Geschichte der Pädagogischen Hochschule Erfurt)
In
diesem Sinne wäre der Begriff „Freistaat" mit weitreichenden,
auch Staats- und
verfassungsrechtlichen Konsequenzen verbunden, da es sich bei der Schweiz
immerhin um einen
eigenständigen
Staat handelt, der sich damals mit diesem Begriff klar von seinen
(monarchistischen) Nachbarländern abgrenzte. Die Anwendung des Begriffes
auf die heutige
Situation Kärntens im
Österreichischen Bundesstaat ist daher absolut unangemessen!
B) Daneben
war das Wort „Freistaat" oftmals auch ein deutsches Pendant zum
ursprünglich
französischen Wort „Republik" (Ebenso wie im englischen
Sprachraum):
„Ursprünglich
bedeutete "Freistaat" die Freiheit vom deutschen Reich und im 19.
Jahrhundert war der Begriff Freistaat ein von Sprachpuristen eingeführtes
deutsches
Synonym für Republik."
(Vgl.: Johannes Merz, "Freistaat Bayern - Metamorphosen eines Staatsnamens ",
In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 45/1997, 121ff.)
„ England erklärte sich nach der Hinrichtung Karls I. in einem
Gesetz vom 19. Mai 1649 zur
Republik und
nannte sich fortan "Commonwealth and Free State". Begründet und
erläutert
wurde das nur aus einem Satz bestehende
Gesetz nicht. ...Im 20. Jahrhundert knüpfte Irland
an die Tradition an: Von 1922 bis 1948 war "Free State" der
amtliche Name des irischen
Staates. ...In der Reaktionszeit
benutzten Georg Büchner und Friedrich Ludwig Weidig das
Wort Freistaat im Hessischen Landboten:
"Deutschland, das jetzt die Fürsten schinden, wird
als ein Freistaat mit einer vom Volk gewählten Obrigkeit wieder
auferstehen. "
(Dr. Andreas Dornheim, Institut für Geschichte der Pädagogischen Hochschule Erfurt)
C) Erst mit
dem Ende der Monarchien und der Gründung der Weimarer Republik im Jahre
1918
kam der
Begriff „Freistaat" erstmals in die Landesverfassungen deutscher
Bundesländer:
„Im
Anschluß an die Novemberrevolution des Jahres 1918 gaben sich Reich und
Länder
neue
Verfassungen, in denen oft der Begriff'" Freistaat" verwendet wurde.... Der
erste, der
während der Novemberrevolution des Jahres 1918 von Freistaat sprach, war
der libertäre
Sozialist, Publizist und USPD-Politiker
Kurt Eisner, der am Morgen des 8. November 1918,
einen Tag nach seiner erfolgreichen Revolution in München und einen
Tag, bevor
Scheidemann die "deutsche Republik" ausrief, folgenden Aufruf
"An die Bevölkerung
Münchens" verkündete: "Bayern ist fortan ein Freistaat.
Eine Volksregierung, die von dem
Vertrauen der Massen getragen wird, soll
unverzüglich eingesetzt werden. Eine
konstituierende Nationalversammlung, zu der alle mündigen
Männer und Frauen das
Wahlrecht haben, wird so schnell wie
möglich einberufen werden. Eine neue Zeit hebt an."
(Dr. Andreas Dornheim, Institut für Geschichte der Pädagogischen Hochschule Erfurt)
„ Der bayerische Staatsname lautet seit 1919 offiziell ,Freistaat Bayern' "
(Vgl: Johannes Merz, s.o.)
D) Nach 1945 wurde der Begriff in Bayern als rein symbolisches Wort
ohne verfassungsrechtliche
Konsequenzen wieder etabliert, sowie nach 1989 auch in Sachsen und
Thüringen:
„Seit
Bestehen der Bundesrepublik Deutschland mit ihrer föderalen Struktur hat
der Begriff
Freistaat
keine maßgebliche rechtliche Bedeutung mehr, da alle Bundesländer
die gleiche
verfassungsrechtliche Stellung besitzen. Dadurch ergeben sich für jene
deutschen
Bundesländer, welche sich mit diesem Titel (vornehmlich aus historischen
Gründen)
schmücken, auch keinerlei
föderalen Sonderstellungen. Der Titel Freistaat ist somit nur noch
als "schmückendes Beiwerk" zu sehen.
(Vgl.: Johannes Merz, "Freistaat Bayern -
Metamorphosen eines Staatsnamens ", In:
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 45/1997, 121ff; Online im
Historischen Lexikon Bayerns)
„ Sowohl der Entwurf der bayerischen Verfassung als auch die
Verwendung des Begriffes
"Freistaat"
gehen auf Wilhelm Hoegner zurück [...] bayerischer Ministerpräsident
[...].
Hoegner schreibt: "Der Ausdruck 'Freistaat' war von mir als deutsche
Übersetzung des
Fremdwortes 'Republik' vorgeschlagen
und genehmigt worden. ... Die Diskussion zeigt aber,
daß es
noch andere Gründe gab: Der CSU-Abgeordnete Schwalber führte aus: Er
wolle
"nicht bloß vom Land"
sprechen, man habe bereits "im Jahr 1919 nicht gewußt, ob Bayern
noch ein Staat" sei. Schwalber fuhr fort: "Heute handelt es
sich darum, einen Staat zu
schaffen (...). Wir wollen einen Staat,
nicht bloß ein Land bilden. (...) Ich glaube, Bayern hat
alle Voraussetzungen eines wirklichen Staates. Solche
Äußerungen ließen Kritiker davon
sprechen, Bayern betreibe die Lostrennung von Deutschland. ... Von den neuen
Bundesländern haben sich Sachsen und Thüringen zu Freistaaten
erklärt. ... Bei einer
Bewertung ist vor allem zu
berücksichtigen, daß die Staatsbezeichnung "Freistaat" zur
Zeit
keine verfassungsrechtlichen Auswirkungen hat. "
(Dr. Andreas Dornheim, Institut für Geschichte der Pädagogischen Hochschule Erfurt)
Die drei im
BZÖ-Antrag genannten Beispiele der deutschen Bundesländer Bayern,
Sachsen und
Thüringen zeigen daher, dass hier - gewollt
oder ungewollt - ein historisch geprägter Begriff
unzulässigerweise auf Kärnten übertragen
werden soll.
-
Gerade der Hinweis auf
„Südstaaten", also offensichtlich auf Bayern, macht das
deutlich:
Während Kärnten historisch gesehen immer nur ein Herzogtum war, das
von früh an eng
mit dem Habsburgerreich verbunden war, existierte immerhin ab 1805 das
Königreich
Bayern, das sowohl im Deutschen Bund als
auch in seinen Nachfolgekonstruktionen eine
politisch und militärisch eigenständige Position als Staat
innehatte (und sich trotzdem
mittlerweile dem deutschen Bundesstaat eingegliedert hat). Kärnten mit
Bayern zu
vergleichen wäre daher nicht nur wirtschaftlich sondern auch historisch
ein völlig
unzulässiger Vergleich.
- Das gleiche gilt für die Beispiele Thüringen und Sachsen, bei denen ihre damalige
Zugehörigkeit
zur Deutschen Demokratischen Republik (bzw. der einzelnen Landesteile)
und die Eingliederung
in das wiedervereinigte Deutschland nach dem Fall des Eisernen
Vorhangs 1989 den historisch-politischen
Rahmen für ihre heutigen Landesverfassungen
bilden. Auch in dieser Hinsicht wäre ein Vergleich zwischen der
Geschichte Kärntens
und jener der ehemaligen Staaten Ostdeutschlands völlig fehlgeleitet
(Wobei das BZÖ-
Kärnten in seinem Antrag im Kärntner Landtag den oben zitierten
Artikel teilweise
wortwörtlich kopiert und selektiv
Passagen über den Zentralismus des NS-Staates und der
DDR übernommen hat, ohne seriöserweise die Quelle und den
Autor Dr. Andreas
Dornheim vom Institut für Geschichte
der Pädagogischen Hochschule Erfurt zu nennen!).
Auf Grund
der Mehrdeutigkeit des Begriffes „ Freistaat" wie auch der
unterschiedlichen Aussagen
und Interpretationen
durch das BZÖ selbst ist unklar, was LH Haider wirklich will:
"Als
Freistaat kann sich Kärnten stärker mit seinen regionalen Eigenheiten
positionieren: Die
Bezeichnung Freistaat bietet die Chance, in Kärnten in vielen Bereichen einen
eigenständigen Weg
zu
gehen ...
Die Aufwertung Kärntens zum Freistaat habe vor allem eine symbolische
Bedeutung.
denn damit werde die historische Einzigartigkeit Kärntens betont...
Als Freistaat kann Kärnten
selbstbewusster gegenüber Wien auftreten und besser seine Rechte
einfordern. "
(BZÖ-Scheuch, OTS 198 vom 13. März 2007)
Wie soll das funktionieren?
Entweder ist das Wort „Freistaat" in der Kärntner
Landesverfassung
reine Symbolik, dann entfaltet es keinerlei Rechtswirkungen auf das
Verhältnis im und zum
Bundesstaat, sodass ein eigenständiger Weg und das bessere Einfordern von
Rechten nicht daraus
abgeleitet werden kann. Oder aber es handelt sich um eine tatsächliche
(weitergehende)
Unabhängigkeit und Eigenständigkeit mit all ihren Konsequenzen, auch
den negativen
Auswirkungen im finanziellen Bereich! Daher
stellt sich bei diesem Vorstoß letztendlich die Frage,
wo das noch hinfuhren soll: Fühlt sich Landeshauptmann Haider
möglicherweise nicht mehr dem
Bundesstaat verpflichtet, weil dessen Höchstgerichte für ihn
unangenehme Entscheidungen treffen
und er den gesamtösterreichischen Rechtsstaat öffentlich in Frage
gestellt hat (vergleiche seine
Wortmeldungen zum
Verfassungsgerichtshof— insbesondere zu dessen Präsidenten Adamovich
und
Korinek - sowie auch zum Verwaltungsgerichtshof und dessen
Präsidenten Jabloner). Will LH
Haider also sein persönliches Politschicksal mit dem Kärntens
verbinden und das Bundesland
tatsächlich unabhängig machen
oder geht es ihm wieder einmal nur um einen „politischen Gag", um
eine reine Symbolik in der Landesverfassung, um auch von anderen
relevanten Themen wie der
Kärntner Wirtschaftsentwicklung abzulenken?
(6) Bedenken zu (drastischen) finanziellen Auswirkungen eines „Freistaat Kärnten"
Bereits kurz
nach dem Wiederauftauchen der Idee eines „Freistaat Kärnten"
sind seriöse Bedenken
über
die möglichen finanziellen Auswirkungen eines solchen Schrittes
geäußert worden, immerhin
ist Kärnten „Nettoempfänger" vom Österreichischen
Bundesstaat. Die Tageszeitung „Der
Standard" fasst daher unter dem Titel „Ein
Freistaat des leeren Geldbeutels " zusammen:
„Jörg Haider wirbt wieder einmal für
einen Freistaat Kärnten - Doch der Freistaat wäre
finanziell arm
dran ... Finanziell käme der Freistaat vom ersten Atemzug an schwer unter
Druck: Allein heuer wird der Bund 620
Millionen Euro an Ausgleichszahlungen nach
Kärnten überweisen. ... Die totale Verselbstständigung
würde die Republik wohl leichter
verschmerzen als ihr einstiges Armenhaus im Süden. Bis heute ist
Kärnten Nettoempfänger
des Bundes und der EU. Aus den Wirtschaftsdaten ist trotz leichter Erholung in
den letzten
Jahren kein Platz an der Spitze des Bundesländer-Rankings
ablesbar. Was also würden
Haiders Sezessionsgelüste den Kärntnerinnen und Kärntnern
bringen, vor allem aber: Was
würden sie kosten?
Zuallererst müssten die Kärntner das Gehalt
ihres künftigen Landesherren und seines ersten
Stellvertreters Gerhard Dörfler selbst bezahlen. Denn für die
beiden berappte die Republik
im Jahr 2005 insgesamt 376.914 Euro. Und die beiden werden laut
Landesvoranschlag
2007 dank einer Gehaltsaufbesserung auf 390.000 Euro noch teurer.
Ausgeträumt wäre
wohl der Traum
von der Fußball-Europameisterschaft. Da zahlt der Bund bekanntlich ein
Drittel der rund 66 Millionen
Errichtungskosten für das Klagenfurter Stadion, nebst
Rückbau und Ballsportzentrum. Die
finanzmarode Landeshauptstadt könnte da kaum
einspringen. ... Der freie Staat Kärnten würde auch für
die Pflichtschul-, Bundes- und
Berufschullehrer aufkommen müssen,
ebenso für den Landes- und Bezirksschulrat und für
die Universität. Dazu kommen
Ausgaben für Teile der Infrastruktur, etwa die Autobahnen,
Bahnhöfe und das Schienennetz. Für den Koralmtunnel müssten
bilaterale Verträge mit der
Republik und der benachbarten Steiermark geschlossen werden. Teuer zu stehen
käme den
Freistaat auch der Verlust der
Co-Finanzierung der EU-Förderungen durch den Bund:
Kärnten müsste ein zusätzliches
Drittel, das ihm als EU-Zuschussgebiet zusteht, aufbringen.
Allein der Landwirtschaft würden rund 100 Millionen Euro abgehen. Der
Freistaat Kärnten
müsste beim derzeitigen
Schuldenstand von rund 1,8 Milliarden Euro seine
Wirtschaftsleistung massiv ankurbeln,
die Steuern erhöhen und Leistungen der
Gebietskrankenkasse herunterfahren.
Nur
1,6 Prozent Wirtschaftswachstum ... Generell ist es mit der Wirtschaft nicht
sehr gut
bestellt: So wuchs Kärntens Wirtschaft von 2000 bis 2005 durchschnittlich
nur 1,6 Prozent
(Österreich: plus zwei Prozent) und ist
damit laut jüngster Standort-Studie des
Management-Clubs Vorletzter im
Bundesländer-Ranking. Bei den Löhnen ist Kärnten
Drittletzter: Laut Statistik Austria
verdienen Kärntner Arbeitnehmer durchschnittlich 23.400
Euro brutto. Österreichweit
beträgt der Einkommensschnitt immerhin 24.853 Euro brutto
pro Jahr. ... Auch bei der
Arbeitslosenquote liegt Kärnten mit 7,9 Prozent bei den
schlechteren Bundesländern (Österreich: 6,8 Prozent).
Spitzenreiter ist es dagegen bei der
Armut. Die Pensionen liegen um neun Prozent
unter dem Bundesschnitt. Insgesamt zahlte
der Bund 2005 rund 603 Millionen Euro nach Kärnten, 2007 werden es
rund 620 Millionen
sein. Vielleicht wird Haider dieses Thema ja
beim Gespräch mit Bundeskanzler Alfred
Gusenbauer ebenfalls anschneiden,
bei dem es in erster Linie um die Ortstafeln gehen soll."
(DER STANDARD, Printausgabe 24./25.2.2007, Elisabeth Steiner)
Die finanziellen Auswirkungen einer
tatsächlichen „Unabhängigkeit" Kärntens vom
österreichischen Bundesstaat
wären jedenfalls drastisch, denn Kärnten profitiert von Subventionen
und den Fördertöpfen des Bundes, zum Teil auch durch gemeinsame
Subventionen des Bundes mit
der EU. Außerdem hat Kärnten einen wirtschaftlichen Nutzen
durch Einrichtungen des Bundes in
Kärnten (Bildungseinrichtungen wie
Universitäten, Sozialeinrichtungen, Militärische Anlagen wie
Kasernen usw.) sowie auch durch den gesamtösterreichischen Finanzausgleich
zwischen dem Bund
und allen Bundesländern. Auf Grund der undurchsichtigen Pläne
des BZÖ-Kärnten und im Lichte
des neuen Regierungsprogrammes und der neuen Ressortzuständigkeiten durch
das novellierte
Bundesministeriengesetz ist eine aktuelle Übersicht aller relevanten
Zahlungsflüsse und des
sonstigen Nutzens des Bundeslandes Kärnten vom österreichischen
Bundesstaat notwendig.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage
1.
Welche
finanziellen Förderungen, Subventionen und sonstigen Zuwendungen für
das
Bundesland Kärnten sowie die
Kärntner Gemeinden sind in ihrem Ressort auf Grund der
Budgetansätze für 2007 und 2008 sowie auch auf Grund der
Ermessensausgaben bereits
beantragt, bewilligt oder zumindest im
laufenden Planungsstadium? (Bitte um detaillierte
Aufschlüsselung)
2.
Welche allgemeinen Fördermöglichkeiten bestehen entsprechend
dem Regierungsprogramm
und dem neuen
Bundesministeriengesetz (§ 2 BMG sowie Anlage zu § 2 BMG und die
daraus ersichtlichen Wirkungsbereiche) in ihrem Ressort sowie den ihrem Ressort
unterstehenden Bundeseinrichtungen für das Bundesland Kärnten sowie
Kärntner
Gemeinden, unabhängig davon ob diese tatsächlich genützt werden
oder nicht? (Bitte um
detaillierte Angabe der einzelnen „Fördertöpfe",
Budgetansätze usw. für die ein Ansuchen
um Förderung möglich ist bzw. der dafür zuständigen
Verwaltungsgliederung).
3.
a) Welche Subventionsmöglichkeiten bestehen darüber hinaus
für das Bundesland Kärnten
und die Kärntner
Gemeinden aus den unterschiedlichsten Fördertöpfen der
Europäischen
Union in jenen Bereichen, die gemäß § 2 BMG in den
Wirkungsbereich Ihres Ressorts
fallen? (Bitte um detaillierte Angabe)
b) Welche
dieser Möglichkeiten beinhalten mögliche Kofinanzierungen zwischen
der EU
und der Republik
Österreich? (Bitte um detaillierte Angabe)
c) Wie viele dieser beiden
Möglichkeiten wurden vom Land Kärnten und den Kärntner
Gemeinden im Jahr 2005 und 2006
genützt und wie viele werden es nach derzeitigem Stand
im Jahr 2007 sein? (Bitte um detaillierte Angabe)
4.
Welche Einrichtungen des Bundes die gemäß § 2 BMG dem
Wirkungsbereich Ihres
Ressorts
unterstehen sind derzeit in Kärnten angesiedelt? Wie viele Mitarbeiter(innen)
sind
in
jeder diesen Einrichtungen tätig und welches Jahresbudget erhält jede
dieser
Einrichtungen vom Bund? (Bitte um detaillierte Angabe für die einzelnen
Einrichtungen)
5.
Wie beurteilen Sie daher im Hinblick auf die Ihrem Ressort
unterstehenden
Wirkungsbereiche
gemäß § 2 BMG die möglichen Auswirkungen eines „Freistaat
Kärnten"
für das Land Kärnten und die Kärntner Gemeinden in
finanzieller Hinsicht? Bitte um
detaillierte Angabe)