722/J XXIII. GP

Eingelangt am 26.04.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Maga. Melitta Trunk und GenossInnen

an den Bundeskanzler

betreffend finanzieller Nutzen des Bundeslandes Kärnten vom Österreichischen Bundesstaat

Seit einiger Zeit wird vom Kärntner BZÖ, insbesondere von Landeshauptmann Jörg Haider, die
etwas eigentümliche Idee einer „Sonderstellung Kärntens " sowie eines darauf basierenden
„Freistaates" lanciert und gleichzeitig verschwiegen, welchen (insbesondere finanziellen) Nutzen
das Bundesland Kärnten durch seine Zugehörigkeit zum Bundesstaat Österreich erfährt.

(1) Aktuelle Entwicklungen und öffentliche Ankündigungen betreffend „Freistaat Kärnten "

Bereits im Jänner 1991 und im Jahre 2003 hatte Jörg Haider die Freistaats-Idee lanciert, ohne
damals aber weitere Schritte zu setzen. Heuer hat der Kärntner Landeshauptmann anlässlich seiner
Aschermittwochsrede in Griffen zum Ende des Faschings diesen Begriff wieder entdeckt. Am 21.
Februar 2007 gab er unter dem recht merkwürdigen Slogan „Freistaat Kärnten - Wir sind Wir" eine
„Freistaat-Erklärung" ab.

Bereits auf Grund der Ankündigung dieser Rede kam es im Vorfeld zu einhelliger Kritik durch
ALLE anderen im Kärntner Landtag vertretenen Parteien. Neben der SPÖ und den Grünen
kritisierten auch die Kärntner ÖVP und die FPÖ die Wiederentdeckung dieser früheren Haider-Idee,
wobei ÖVP-Nationalrat Auer feststellte:

"Nur weil das BZÖ auf Bundesebene keine Rolle mehr spielt, sollen sich plötzlich alle
Kärntnerinnen und Kärntner hinter einem Grenzzaun verbarrikadieren. Wollen sie uns mit
aller Gewalt von Österreich abnabeln und das ganze Land in orange Geiselhaft nehmen....
Viele haben die Nase voll von dieser Art von Politik und fühlen sich in ihrem Heimatgefühl
verletzt. Dass ein gebürtiger Oberösterreicher und sein steirischer Adlatus an der Spitze des
BZÖ die echte Heimat nicht im Herzen tragen, sondern bestenfalls mit einer orangen Jacke
die sie immer wieder wechseln können mag schon sein, aber dann sollen sie unser Land nicht
pausenlos lächerlich machen und ständig Unruhe stiften. " (ÖVP-NR Auer, OTS 046 vom 12.
Februar 2007)

Der Kritik an dieser medialen Inszenierung begegnete das BZÖ mit seiner etwas eigentümlichen
Auffassung der Kärntner Landesgeschichte und der angeblichen „Sonderstellung" Kärntens in
Österreich:

"Die Idee eines Freitstaates Kärnten geht schließlich bis ins Jahr 1920 zurück. Bei einem Freistaat
handelt es sich auch um keinen Faschingsscherz oder eine hirnrissige Idee, sondern um ein
Bekenntnis zu Kärnten, dessen Geschichte, Eigenart und Sonderstellung in Österreich. ... So ist
auch der Slogan 'Wir sind Wir' zu verstehen, der sich eine tiefer gehende Betrachtung verdient, um
dessen Botschaft auch zu verstehen" (GF. BZÖ-Kärnten Obmann Petzner, OTS 227 vom 9. Februar
2007)

 


Jörg Haider selbst meinte bereits im Vorfeld seiner Rede zu den möglichen Auswirkungen:

Sicherlich gehören hier eine eigene Volksanwaltschaft und ein eigener Bürgeranwalt dazu. "
Als „Gegengewicht zum rot-schwarzen Richterstaat" wäre "ein eigenes
Landesverfassungsgericht wünschenswert"

(LH Jörg Haider, Tageszeitung Österreich, 20. Februar 2007)

Im Rahmen seiner „Freistaat-Erklärung" am Aschermittwoch 21. Februar 2007 legte Haider seine
„Vision" vom „Freistaat Kärnten" dar und verknüpfte die Idee zugleich mit seinem zutiefst
persönlichen politischen Schicksal:

Haider verwies in seiner Rede darauf, dass die Freistaatidee nicht etwa erst gestern
entstanden wäre, "sie ist in ganz Europa tief verwurzelt", wie etwa auch Bayern oder
Thüringen beweise.
... Bereits vor 30 Jahren habe er diese Vision eines Freistaates
entwickelt. Kärnten sollte aus seiner Schlusslichtposition herausgeholt werden, in die dieses
Land durch die schlechte Behandlung durch Wien geriet. Von Straßen- oder Bahnprojekten,
Betriebsansiedelungen bis hin zur Bildungspolitik - Kärnten bekam als letztes Bundesland
eine Universität - sei Kärnten von Wien sträflich vernachlässigt worden. Die Freistaat-Idee
sei ein "Bekenntnis zur Heimat und zur stolzen Geschichte, Eigenart und Sonderstellung
Kärntens", so Haider. ...In Kärnten ist immer vom eigenen Volk für die Landeseinheit
gesorgt worden", erinnerte Haider an den Abwehrkampf
und an das Bekenntnis zu
Österreich durch die Volksabstimmung 1918/20. ... Ein Bekenntnis zu Demokratie und
Freistaat habe die Kärntner Bevölkerung bereits 1989 geleistet, indem die absolute
Mehrheit der SPÖ gebrochen wurde. ... Wir wollen das Modell Kärnten Wien
gegenüberstellen ". Der Freistaat Kärnten als Bekenntnis zur Demokratie solle auch Antwort
auf die ständigen Versuche sein, einen demokratisch gewählten Landeshauptmann
abzusetzen."

(LHJörg Haider, OTS 137 vom 22. Februar 2007)

Abgesehen von faktischen Irrtümern in seiner Rede (falls Kärnten tatsächlich als letztes Bundesland
eine Universität erhielt, müsste es bekanntlich in Eisenstadt und Bregenz bereits eine geben) bedient
sich Haider des alterprobten „Anti-Wien-Reflexes" und negiert dabei völlig, dass Kärnten allein
schon auf Grund seiner wirtschaftlichen Situation „Nettoempfänger" ist (ganz im Gegensatz zum
zitierten Beispiel Bayern). Wichtige Kärntner Infrastrukturprojekte wären bekanntlich ohne Hilfe
des Bundes nicht möglich gewesen, insbesondere die hochrangigen Straßen- und Schienennetze.

Daher wurden bereits zu diesem Zeitpunkt kritische Stimmen über mögliche finanzielle
Auswirkungen eines solchen Schrittes laut, die das Kärntner BZÖ jedoch sofort zurückwies:

„Ein Freistaat Kärnten hätte ebenso wie die bereits existierenden Freistaaten Bayern,
Sachsen und Thüringen keine verfassungsrechtlichen Auswirkungen, sondern eine rein
symbolische Bedeutung
. Der Freistaat Kärnten stellt ein Bekenntnis zu Freiheit,
Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Demokratie dar. Ein Freistaat Kärnten hat folglich
absolut keine negativen finanziellen Auswirkungen, weder auf Bundesgelder für Kärnten,
noch auf EU-Gelder für Kärnten." (GF. BZÖ-Kärnten Obmann Petzner,OTS 170 vom 7.
März 2007)

Bereits an den obenstehenden Ausführungen zeigt sich der generelle Widerspruch des Vorschlages:
Soll ein „Freistaat Kärnten" nun tatsächlich faktische Rechtswirkungen haben (wie von Haider
selbst angedacht) oder doch bloß nur reine Symbolik sein (wie von Petzner erläutert)?

 


(2) BZÖ-Antrag auf Änderung der Landesverfassung im Kärntner Landtag

Nachdem Haider auch medial vorgeworfen wurde, wieder einmal nur Worte ohne Taten zu
produzieren (vgl. u.a. Anneliese Rohrer in der Tageszeitung Kurier vom 14. Februar 2007), brachte
das BZÖ jedenfalls in der Sitzung des Kärntner Landtages vom 15. März 2007 einen formellen
Antrag für eine entsprechende Änderung des Artikel 1 der Kärntner Landesverfassung ein, der dem
Verfassungsausschuss zugewiesen wurde:

„Artikel 1, Abs.   1  lautet: „Kärnten ist ein Bundesland der demokratischen Republik
Österreich und führt die Bezeichnung Freistaat Kärnten. "

(BZÖ-Antrag im Kärntner Landtag, 15. 3. 2007, Antragsteil)

„ Kärnten hat neben Vorarlberg im Österreichischen Bundesstaat immer eine besondere
Rolle eingenommen. Im Jahre 1918 hat Kärnten den Beitritt zur Republik Deutsch-
Österreich erklärt. Doch bereits am 05. November 1918 drangen Truppen des Königreiches
der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS-Staat) in Süd-Ost-Kärnten ein. Die SHS-Polizei
rückte in das Rosen- und in das untere Gailtal vor. Ferlach und Völkermarkt wurden
besetzt. Die Landesregierung verlegte ihren Sitz angesichts dieser Bedrohung nach Spittal
an der Drau. Am 5. Dezember 1918 beschloss die provisorische Kärntner Landesregierung
unter dem Landesverweser Arthur Lemisch dem (sic!) bewaffneten Widerstand gegen ein
weiteres Vordringen der SHS-Truppen. Dies geschah ohne Unterstützung durch die Wiener
Regierung, sogar gegen deren Willen. Dieser Befreiungskampf, in der Geschichte als
Kärntner Abwehrkampf bekannt, begann im Gailtal mit der Rückeroberung von Arnoldstein
und Ferlach. Schließlich war dies Voraussetzung für die am 10. Oktober 1920 stattfindende
Volksabstimmung über die Gebietsansprüche Jugoslawiens in Süd-Kärnten. Das Beispiel
des Kärntner Abwehrkampfes zeigt, wie eigenständig Kärnten bereits zu Beginn der
Österreichischen Republik handeln musste.

Das Bundesland Vorarlberg bezeichnet sich in seiner Landesverfassung in Art. 1 Abs. 2 als
selbständiger Staat. Diese Bewertung der Vorarlberger hat keine verfassungsrechtlichen
Auswirkungen,
aber unterstreicht die Besonderheit und Eigenständigkeit dieses
Bundeslandes. Ähnliches soll mit der Bezeichnung „Freistaat" für Kärnten erreicht werden.
Dabei sollte auch ausdrücklich der föderale Aufbau der Republik unterstrichen werden. ...
Durch die Bezeichnung „Freistaat" könnte Kärnten selbstbewusster gegenüber der
Bundeshauptstadt auftreten und besser seine Rechte einfordern.
"

(BZÖ-Antrag im Kärntner Landtag, 15. 3. 2007, Begründungsteil)

Der Antrag selbst hat kaum Chancen auf Umsetzung, da eine Zwei-Drittel-Mehrheit durch die
Ablehnung ALLER anderen Landtagsparteien wohl nicht gegeben scheint (Ganz abgesehen von
allfälligen Fragestellungen im Zusammenspiel mit der österreichischen Bundesverfassung).

Unabhängig davon leidet der Antrag am bereits erwähnten Widerspruch zwischen reiner Symbolik
(„keine verfassungsrechtlichen Auswirkungen ") und der Ableitung faktischer Rechtswirkungen
gegenüber dem Bundesstaat („besser seine Rechte einfordern "), auch im Begründungstext bleiben
beide Optionen offen. Außerdem gibt der Antrag ein verzerrtes Bild der Ereignisse zwischen 1918
und 1920 wieder, als sich die Österreichisch-Ungarische Monarchie (samt ihrer Armee) aufgelöst
hatte und die Erste Republik Österreich noch nicht gegründet war, sondern das Übergangskonstrukt
„Deutschösterreich" bestand (sodass erst ein völkerrechtlicher Friedensvertrag ausgehandelt werden
musste und lange Zeit nicht klar war, welche Gebiete Österreich letztlich zugesprochen werden).

 


(3) Historischer Kontext zur angeblichen „Sonderstellung" Kärntens in Österreich

Der BZÖ-Antrag selbst, wie auch BZÖ-Obmann Petzner und BZÖ-LAbg. Kurt Scheuch betonen:
„Kärnten hat neben Vorarlberg im Österreichischen Bundesstaat immer eine besondere Rolle
eingenommen" (BZÖ-Antrag); Kärntens „Eigenart und Sonderstellung in Österreich" (Petzner);
die „Besonderheit des Bundeslandes Kärnten, das schon bei der Republik-Werdung eine besonders
wichtige Rolle gespielt habe "
(Petzner) sowie „die historische Einzigartigkeit Kärntens" (Scheuch)

Mit derselben rückwärtsgewandten Logik müsste der Österreichische Bundesstaat wohl heute -
basierend auf den Ereignissen zwischen 1918 und 1920 - umgekehrt auch den Bundesländern
Burgenland, Tirol und Vorarlberg eine Sonderbehandlung zugestehen (letzterem auf Grund seiner
damaligen Abspaltungstendenzen aber wohl eine nachteilige). Doch niemand im österreichischen
Bundesstaat käme heute - nach fast 90 Jahren - noch auf solch eine Idee, aus den damaligen
Nachkriegswirren eine Sonderstellung irgendeines Bundeslandes abzuleiten, im positiven wie
auch im negativen Sinne! Die historischen Fakten und der politische Kontext in Folge des
Ersten Weltkrieges sind jedenfalls wesentlich komplexer als der BZÖ-Antrag im Kärntner
Landtag suggerieren möchte:

    Während sich der militärische Zusammenbruch und der Zerfall Österreich-Ungarns bereits
abzeichnete, und Kaiser Karl nur mehr versuchte sich durch Abgabe des Oberkommandos an
der italienischen Front um die persönliche Verantwortung für die Kapitulation zu drücken,
handelten die gewählten Abgeordneten. Die Reichsratsabgeordneten der deutschsprachigen
Gebiete der Donaumonarchie traten am 21. Oktober 1918 im Landhaus in der Wiener
Herrengasse zusammen, um sich als „Provisorische Nationalversammlung des selbständigen
deutsch-österreichischen Staates "
zu konstituieren. Staatskanzler wurde Karl Renner, wobei
es bis zum 11. November 1918 eine Parallelität von alter und neuer Regierung gab.

    Kaiser Karl selbst verzichtete am 11. November 1918 schließlich auf jegliche Beteiligung
an den Staatsgeschäften. Daraufhin beschloss am folgenden Tag, dem 12. November 1918,
die provisorische Nationalversammlung in Wien die Ausrufung der Republik
„Deutschösterreich", formell mit dem „Gesetz über die Staats- und Regierungsform von
Deutschösterreich ".
Zu diesem Zeitpunkt war für niemanden klar, wie es nach dem
Zusammenbruch weitergeht, und so beanspruchte die provisorische Nationalversammlung
am 22. November 1918 mit einem eigenen Gesetz „die Gebietshoheit über das geschlossene
Siedlungsgebiet der Deutschen innerhalb der im Reichsrat vertretenen Königreiche und
Länder "
(Das umfasste neben den heutigen österreichischen Bundesländern auch Südtirol,
Gebiete in Böhmen und Mähren, das Sudetenland, usw.). All diese Fragen mussten erst
völkerrechtlich geklärt werden. Neben den Gebietsfragen standen die Republiksgründer
noch vor ganz anderen Herausforderungen: Die österreichische Wirtschaft, bis dahin auf das
Gebiet der gesamten Monarchie ausgerichtet und dimensioniert, verlor schlagartig wichtige
Teile ihrer bisherigen Struktur, insbesondere Rohstoffzugänge und Industrieanlagen.

    Politische Probleme ergaben sich zugleich aus der nur unvollständigen Abdankung Kaiser
Karls, der im Gegensatz zum deutschen Kaiser Wilhelm II. niemals formell abdankte,
sondern am 11. November 1918 lediglich auf die Regierungsgeschäfte verzichtete. Als Karl
mitsamt seiner Familie am 23. März 1919 dann in die Schweiz ausreiste, widerrief er noch
an der Grenze im „Feldkircher Manifest seine Erklärung vom 11. November 1918.
Daraufhin beschloss die Nationalversammlung am 3. April 1919 die Habsburgergesetze,
welche bis heute gültig sind (Landesverweisung und Beschlagnahmung des Familienfonds,
Rückkehr nur bei formellem Verzicht auf allfällige Herrschaftsrechte).


    Ebenso problematisch war, dass nach rund 600 Jahren Habsburgerherrschaft die gesamte
staatliche Ordnung auseinanderbrach, angefangen mit der demobilisierten Armee, und die
Nationalversammlung somit wenig reale Macht zur Durchsetzung ihrer Beschlüsse hatte.
Dazu kam, dass die Politiker aus dem ehemaligen Vielvölkerreich keine Erfahrung mit
„kleinstaatlichen" Lösungen hatten und den neuen Staat auch aus wirtschaftlichen und
sonstigen Gründen für nicht überlebensfahig hielten, sodass auf Bundesebene einige einen
Anschluss an Deutschland forcierten. Einzelne Bundesländer trieben solche Bestrebungen
auch eigenmächtig voran, es gab diese in Salzburg ebenso wie in Tirol, wo im Hinblick auf
Südtirol auch eine Hinwendung zu Italien diskutiert wurde. Am weitesten ging aber
Vorarlberg, das in einer formellen Volksabstimmung am 11. Mai 1919 mit überwältigender
Mehrheit für den Anschluss an die Schweiz stimmte, was letztlich nur durch die Schweizer
Regierung und deren Sorge um das innerschweizerische Volksgruppengleichgewicht
verhindert wurde. Vor genau diesem chaotischen Hintergrund sowie in Anbetracht des
Zusammenbruches der staatlichen Ordnung und der Demobilisierung der österreichischen
Armee beanspruchte auch das SHS-Königreich (Slowenien, Kroatien, Serbien) plötzlich
Teile Kärntens für sich (sowie auch Teile Ungarns, wo ebenfalls SHS-Truppen vorrückten).

    Im Wissen um all diese Entwicklungen fanden 1919 in Pariser Vororten die
Friedensverhandlungen mit den Siegermächten statt, wobei die österreichische Delegation
unter Staatskanzler Karl Renner nur Beobachterstatus hatte und nicht selbst mitverhandeln
durfte. Am 10. September 1919 wurde schließlich der Vertrag von Saint-Germain-en-Laye
zwischen Österreich und den Alliierten unterzeichnet. Dem Haus Habsburg und dem
Deutschen Kaiserreich wurde die Alleinschuld am Krieg zugewiesen. Die Bezeichnung
„Deutschösterreich" sowie ein Anschluss an Deutschland wurden verboten. Zahlreiche
Gebiete mussten abgetreten werden, unter anderem Böhmen und Mähren, Südtirol und
Istrien, usw. Für den Raum Südkärnten (südlich der Drau) wurde - auch Dank der
politischen Unterstützung Italiens - eine Volksabstimmung vereinbart, die am 10. Oktober
1920 eindeutig (auch mit mehrheitlicher Unterstützung der Kärntner Slowenen) für den
Verbleib bei Österreich endete. Dieser Abstimmung gingen heftige Kämpfe von Kärntner
Heimwehrverbänden gegen die SHS-Einheiten voran. Schließlich erhielt Österreich mit dem
deutschsprachigen Teil Westungarns sein jüngstes Bundesland, das Burgenland, wobei
Ungarn heftig protestierte und nach jahrelangem Tauziehen und dem Vertrag von Trianon
die endgültige Übertragung des Burgenlands erst im Jänner 1921 erfolgte (davor hatten
ungarische Kämpfer die österreichische Gendarmerie beschossen und vorerst die Verwaltung
durch Österreich blockiert). Für den Raum Ödenburg (Sopron), das eigentlich als
Landeshauptstadt vorgesehen war, gab es ebenfalls eine Volksabstimmung, die aber
mehrheitlich gegen die Eingliederung in die Republik Österreich ausging. Im Jahre 1923
kam es nochmals in zehn burgenländischen Gemeinden zu Volksabstimmungen, die allesamt
mit der Wiedereingliederung in Ungarn endeten. Gleichzeitig kam es in Folge des Ersten
Weltkrieges auch in anderen Staaten zu Konflikten im Grenzgebiet, etwa zwischen Ungarn
und seinen Nachbarstaaten, wo ebenso wie in Kärnten Truppen auf fremdes Gebiet kamen.

    Am 21. Oktober 1919 ratifizierte die österreichische Nationalversammlung den Vertrag
von St. Germain und änderte den Namen „Deutschösterreich" vertragsgemäß in „Republik
Österreich". Der Vertrag selbst trat schließlich am 16. Juli 1920 förmlich in Kraft und
bestätigte völkerrechtlich die endgültige Auflösung Österreich-Ungarns. Die
Nationalversammlung beschloss schlussendlich am 1. Oktober 1920 die von Hans Kelsen
maßgeblich ausgearbeitete Bundesverfassung als Fundament der Ersten Republik Österreich.

 


(4) Kärnten in der Geschichte Österreichs

Im Gegensatz zur BZÖ-Theorie von der angeblichen „Sonderstellung'''' ist Kärnten einer der am
längsten zu Österreich gehörenden Landesteile und hat historisch gesehen genau die gleiche
wechselvolle Geschichte durchlebt wie die meisten anderen Länder Österreichs (Zur Geschichte
Kärntens vergleiche unter anderem Claudia Fräss-Ehrfeld: „Geschichte Kärntens", Band I-III sowie
Stefan Karner: „Kärnten und die nationale Frage im 20. Jahrhundert").

Bereits zu Beginn der Habsburger-Regentschaft unter Rudolf I. war Kärnten mit Österreich
verbunden, nachdem der Böhmenkönig Ottokar
I. am 26. August 1278 bei der Schlacht auf dem
Marchfeld getötet wurde und die Babenberger die Macht in Österreich abgeben mussten. Im Jahre
1335 wurde Kärnten dann vom Bayrischen König Ludwig formell an die Habsburger übertragen
und mit Österreich, der Steiermark und Krain vereint, wozu im Jahre 1363 noch Tirol hinzugefügt
wurde. Während diese habsburgischen Gebiete im 14. und 15. Jahrhundert durch Erbteilungen und
Besatzungen immer wieder voneinander getrennt wurden, gelang Friedrich
V. am Ende des 15.
Jahrhunderts die endgültige Vereinigung. Im Jahre 1518 schenkte Kaiser Maximilian den Kärntnern
Klagenfurt, das 1514 abgebrannt war und sich in Folge zur Landeshauptstadt entwickelte. Daneben
war Kärnten genauso wie andere Teile Österreichs von Türkenkriegen, Bauernaufständen, der
Reformation und der Gegenreformation betroffen.

Die gesamtstaatlichen Reformen Maria Theresias und Joseph II. machten auch vor Kärnten nicht
halt, sodass dieses schrittweise seine administrative Selbständigkeit verlor und in der Verwaltung
der Habsburgermonarchie aufging. In der Zeit Napoleons und der „Koalitionskriege" wurde
Kärnten zwar immer wieder von französischen Truppen besetzt (so wie auch andere Teile
Österreichs), was mit dem Wiener Kongress 1814/1815 aber letztlich ein definitives Ende fand. Im
Jahre 1849, nach dem Ende der Märzrevolution von 1848, erhielt das Herzogtum Kärnten wieder
seine Selbständigkeit und Verwaltungseinheit sowie den Status eines Kronlandes in der
Habsburgermonarchie.

Nichts von alledem unterscheidet Kärnten im speziellen von den zahlreichen anderen ehemaligen
Kronländern der Habsburgermonarchie die heute österreichische Bundesländer sind und nichts
davon würde eine angebliche „Sonderstellung" Kärntens gegenüber dem Bundesstaat sowie den
anderen Bundesländern rechtfertigen. Andere Landesteile kamen erst viel später zu Österreich -
Salzburg etwa erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts und das Burgenland erst 1921 - während
Kärnten spätestens mit Aufstieg der Habsburger ein integraler Landesteil von Österreich wurde.

In Relation zu dieser langen und wechselvollen Geschichte Kärntens in Österreich ist die
Zeitspanne zwischen 1918 und 1920 ein kurzer historischer Augenblick. Dabei war die Abwehr und
Zurückdrängung der SHS-Truppen zwischen Dezember 1918 und Mai 1919 sicherlich ein mutiger
und wesentlicher Schritt, der aber auch parallel zum Beginn der Friedensverhandlungen mit den
Siegermächten zu sehen ist, ohne deren politische, diplomatische und völkerrechtliche Zustimmung
letztlich auch ganz andere Entwicklungen möglich gewesen wären. Die durch den Friedensvertrag
von St. Germain und die nachfolgende Volksabstimmung völkerrechtlich festgelegten Grenzen des
Kärntner Gebietes sind daher bis heute unverändert geblieben. Diese Ereignisse aber aus dem
Kontext der damaligen Nachkriegswirren im gesamten Österreich herauszulösen und daraus
nach fast 90 Jahren eine "Sonderstellung" Kärntens und einen „Freistaat" abzuleiten, gleicht einer Missachtung der Ereignisse rund um Burgenland, Vorarlberg oder Tirol wie auch der sonstigen mannigfaltigen Herausforderungen an die Gründer der Ersten Republik nach dem militärischen und politischen Zusammenbruch des Habsburgerreiches!

 


(5) „Freistaat" als mehrdeutiger und historisch geprägter Begriff

A) Bereits im 18. Jahrhundert wurde der Begriff im Zusammenhang mit der Schweiz verwendet:

„Das Wort "Freistaat" ist erstmals 1731 belegt, und zwar zur Kennzeichnung der
Unabhängigkeit der Schweizer Eidgenossenschaft vom Hl. Römischen Reich Deutscher
Nationen seit 1648."

(Vgl.: Johannes Merz, "Freistaat Bayern — Metamorphosen eines Staatsnamens ",

In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 45/1997, 121ff.
Online im Historischen Lexikon Bayerns)

„Nach dem heutigem Stand der Forschung wurde das deutsche Wort Freistaat erstmals im
Jahr 1754 von Johann Jacob Moser, dem führenden deutschen Staatsrechtler seiner Zeit,
verwendet. Moser bezeichnete die Schweiz als "Freystaat". 1768 sprach der Schweizer
Pfarrer und Landeskundler Johann Conrad Fäsi in seiner "Staats- und Erdbeschreibung der
ganzen Helvetischen Eidgenoßschaft" vom "Eidgenössischen Freystaat". Fäsi erklärt nicht,
in welchem Sinn er diesen Begriff verwendet, es fällt aber auf, daß er ihm explizit das
monarchisch geführte und adelig strukturierte Deutsche Reich gegenüberstellt. Es ist kein
Zufall, daß das Wort Freistaat zuerst in der Schweiz verwendet wurde und daß es einem
Schweizer dazu diente, die staatsrechtlichen und sozialen Besonderheiten seines Landes
bereits im Namen kenntlich zu machen. Die Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts rühmten die
Freiheitsliebe der Schweizer. Auch der Zeitpunkt der Verwendung kann relativ gut erklärt
werden: Die schweizerische Aufklärung des 18. Jahrhunderts förderte die Herausbildung
eines Nationalbewußtseins. Die Eidgenossenschaft wurde inmitten eines monarchischen
Europas als Modell einer besseren Welt angesehen. "

(Dr. Andreas Dornheim, Institut für Geschichte der Pädagogischen Hochschule Erfurt)

In diesem Sinne wäre der Begriff „Freistaat" mit weitreichenden, auch Staats- und
verfassungsrechtlichen Konsequenzen verbunden, da es sich bei der Schweiz immerhin um einen
eigenständigen Staat handelt, der sich damals mit diesem Begriff klar von seinen
(monarchistischen) Nachbarländern abgrenzte. Die Anwendung des Begriffes auf die heutige
Situation Kärntens im Österreichischen Bundesstaat ist daher absolut unangemessen!

B)  Daneben war das Wort „Freistaat" oftmals auch ein deutsches Pendant zum ursprünglich
französischen Wort „Republik" (Ebenso wie im englischen Sprachraum):

Ursprünglich bedeutete "Freistaat" die Freiheit vom deutschen Reich und im 19.
Jahrhundert war der Begriff Freistaat ein von Sprachpuristen eingeführtes deutsches
Synonym für Republik."

(Vgl.: Johannes Merz, "Freistaat Bayern - Metamorphosen eines Staatsnamens ",

In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 45/1997, 121 ff.)

„England erklärte sich nach der Hinrichtung Karls I. in einem Gesetz vom 19. Mai 1649 zur
Republik und nannte sich fortan "Commonwealth and Free State". Begründet und erläutert
wurde das nur aus einem Satz bestehende Gesetz nicht. ...Im 20. Jahrhundert knüpfte Irland
an die Tradition an: Von 1922 bis 1948 war "Free State" der amtliche Name des irischen
Staates. ...In der Reaktionszeit benutzten Georg Büchner und Friedrich Ludwig Weidig das
Wort Freistaat im Hessischen Landboten: "Deutschland, das jetzt die Fürsten schinden, wird
als ein Freistaat mit einer vom Volk gewählten Obrigkeit wieder auferstehen. "

(Dr. Andreas Dornheim, Institut für Geschichte der Pädagogischen Hochschule Erfurt)

 


C) Erst mit dem Ende der Monarchien und der Gründung der Weimarer Republik im Jahre 1918
kam der Begriff „Freistaat" erstmals in die Landesverfassungen deutscher Bundesländer:

„Im Anschluß an die Novemberrevolution des Jahres 1918 gaben sich Reich und Länder
neue Verfassungen, in denen oft der Begriff "Freistaat" verwendet wurde. ... Der erste, der
während der Novemberrevolution des Jahres 1918 von Freistaat sprach, war der libertäre
Sozialist, Publizist und USPD-Politiker Kurt Eisner, der am Morgen des 8. November 1918,
einen Tag nach seiner erfolgreichen Revolution in München und einen Tag, bevor
Scheidemann die "deutsche Republik" ausrief, folgenden Aufruf "An die Bevölkerung
Münchens" verkündete: "Bayern ist fortan ein Freistaat. Eine Volksregierung, die von dem
Vertrauen der Massen getragen wird, soll unverzüglich eingesetzt werden. Eine
konstituierende Nationalversammlung, zu der alle mündigen Männer und Frauen das
Wahlrecht haben, wird so schnell wie möglich einberufen werden. Eine neue Zeit hebt an."

(Dr. Andreas Dornheim, Institut für Geschichte der Pädagogischen Hochschule Erfurt)

„ Der bayerische Staatsname lautet seit 1919 offiziell ,Freistaat Bayern' "

(Vgl.: Johannes Merz, s. o.)

D) Nach 1945 wurde der Begriff in Bayern als rein symbolisches Wort ohne verfassungsrechtliche
Konsequenzen wieder etabliert, sowie nach 1989 auch in Sachsen und Thüringen:

Seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland mit ihrer föderalen Struktur hat der Begriff
Freistaat keine maßgebliche rechtliche Bedeutung mehr, da alle Bundesländer die gleiche
verfassungsrechtliche Stellung besitzen. Dadurch ergeben sich für jene deutschen
Bundesländer, welche sich mit diesem Titel (vornehmlich aus historischen Gründen)
schmücken, auch keinerlei föderalen Sonderstellungen. Der Titel Freistaat ist somit nur noch
als "schmückendes Beiwerk" zu sehen.

(Vgl.: Johannes Merz, "Freistaat Bayern - Metamorphosen eines Staatsnamens ", In:
Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 45/1997, 121ff; Online im Historischen Lexikon Bayerns)

„ Sowohl der Entwurf der bayerischen Verfassung als auch die Verwendung des Begriffes
"Freistaat" gehen auf Wilhelm Hoegner zurück [...] bayerischer Ministerpräsident [...].
Hoegner schreibt: "Der Ausdruck Freistaat' war von mir als deutsche Übersetzung des
Fremdwortes 'Republik'
vorgeschlagen und genehmigt worden. ... Die Diskussion zeigt aber,
daß es noch andere Gründe gab: Der CSU-Abgeordnete Schwalber führte aus: Er wolle
"nicht bloß vom Land" sprechen, man habe bereits "im Jahr 1919 nicht gewußt, ob Bayern
noch ein Staat" sei. Schwalber fuhr fort: "Heute handelt es sich darum, einen Staat zu
schaffen (...). Wir wollen einen Staat, nicht bloß ein Land bilden. (...) Ich glaube, Bayern hat
alle Voraussetzungen eines wirklichen Staates. Solche Äußerungen ließen Kritiker davon
sprechen, Bayern betreibe die Lostrennung von Deutschland.... Von den neuen
Bundesländern haben sich Sachsen und Thüringen zu Freistaaten erklärt. ... Bei einer
Bewertung ist vor allem zu berücksichtigen, daß die Staatsbezeichnung "Freistaat" zur Zeit
keine verfassungsrechtlichen Auswirkungen hat. "

(Dr. Andreas Dornheim, Institut für Geschichte der Pädagogischen Hochschule Erfurt)


 

 

 

Die drei im BZÖ-Antrag genannten Beispiele der deutschen Bundesländer Bayern, Sachsen und
Thüringen zeigen daher, dass hier — gewollt oder ungewollt — ein historisch geprägter Begriff
unzulässigerweise auf Kärnten übertragen werden soll.

-         Gerade der Hinweis auf „Südstaaten", also offensichtlich auf Bayern, macht das deutlich:
Während Kärnten historisch gesehen immer nur ein Herzogtum war, das von früh an eng
mit dem Habsburgerreich verbunden war, existierte immerhin ab 1805 das Königreich
Bayern, das sowohl im Deutschen Bund als auch in seinen Nachfolgekonstruktionen eine
politisch und militärisch eigenständige Position als Staat innehatte (und sich trotzdem
mittlerweile dem deutschen Bundesstaat eingegliedert hat). Kärnten mit Bayern zu
vergleichen wäre daher nicht nur wirtschaftlich sondern auch historisch ein völlig
unzulässiger Vergleich.

-         Das gleiche gilt für die Beispiele Thüringen und Sachsen, bei denen ihre damalige
Zugehörigkeit zur Deutschen Demokratischen Republik (bzw. der einzelnen Landesteile)
und die Eingliederung in das wiedervereinigte Deutschland nach dem Fall des Eisernen
Vorhangs 1989 den historisch-politischen Rahmen für ihre heutigen Landesverfassungen
bilden. Auch in dieser Hinsicht wäre ein Vergleich zwischen der Geschichte Kärntens
und jener der ehemaligen Staaten Ostdeutschlands völlig fehlgeleitet (Wobei das BZÖ-
Kärnten in seinem Antrag im Kärntner Landtag den oben zitierten Artikel teilweise
wortwörtlich kopiert und selektiv Passagen über den Zentralismus des NS-Staates und der
DDR übernommen hat, ohne seriöserweise die Quelle und den Autor Dr. Andreas
Dornheim vom Institut für Geschichte der Pädagogischen Hochschule Erfurt zu nennen!).

Auf Grund der Mehrdeutigkeit des Begriffes „Freistaat" wie auch der unterschiedlichen Aussagen
und Interpretationen durch das BZÖ selbst ist unklar, was LH Haider wirklich will:

„Als Freistaat kann sich Kärnten stärker mit seinen regionalen Eigenheiten positionieren. Die
Bezeichnung Freistaat bietet die Chance, in Kärnten in vielen Bereichen einen eigenständigen Weg
zu gehen... Die Aufwertung Kärntens zum Freistaat habe vor allem eine symbolische Bedeutung,
denn damit werde die historische Einzigartigkeit Kärntens betont.... Als Freistaat kann Kärnten
selbstbewusster gegenüber Wien auftreten und besser seine Rechte einfordern. "

(BZÖ-Scheuch, OTS 198 vom 13. März 2007)

Wie soll das funktionieren? Entweder ist das Wort „Freistaat" in der Kärntner Landesverfassung
reine Symbolik, dann entfaltet es keinerlei Rechtswirkungen auf das Verhältnis im und zum
Bundesstaat, sodass ein eigenständiger Weg und das bessere Einfordern von Rechten nicht daraus
abgeleitet werden kann. Oder aber es handelt sich um eine tatsächliche (weitergehende)
Unabhängigkeit und Eigenständigkeit mit all ihren Konsequenzen, auch den negativen
Auswirkungen im finanziellen Bereich! Daher stellt sich bei diesem Vorstoß letztendlich die Frage,
wo das noch hinführen soll: Fühlt sich Landeshauptmann Haider möglicherweise nicht mehr dem
Bundesstaat verpflichtet, weil dessen Höchstgerichte für ihn unangenehme Entscheidungen treffen
und er den gesamtösterreichischen Rechtsstaat öffentlich in Frage gestellt hat (vergleiche seine
Wortmeldungen zum Verfassungsgerichtshof- insbesondere zu dessen Präsidenten Adamovich und
Korinek - sowie auch zum Verwaltungsgerichtshof und dessen Präsidenten Jabloner). Will LH
Haider also sein persönliches Politschicksal mit dem Kärntens verbinden und das Bundesland
tatsächlich unabhängig machen oder geht es ihm wieder einmal nur um einen „politischen Gag", um
eine reine Symbolik in der Landesverfassung, um auch von anderen relevanten Themen wie der
Kärntner Wirtschaftsentwicklung abzulenken?

 


(6) Bedenken zu (drastischen) finanziellen Auswirkungen eines „Freistaat Kärnten"

Bereits kurz nach dem Wiederauftauchen der Idee eines „Freistaat Kärnten" sind seriöse Bedenken
über die möglichen finanziellen Auswirkungen eines solchen Schrittes geäußert worden, immerhin
ist Kärnten „Nettoempfänger" vom Österreichischen Bundesstaat. Die Tageszeitung „Der
Standard" fasst daher unter dem Titel „Ein Freistaat des leeren Geldbeutels " zusammen:

„Jörg Haider wirbt wieder einmal für einen Freistaat Kärnten - Doch der Freistaat wäre
finanziell arm dran ... Finanziell käme der Freistaat vom ersten Atemzug an schwer unter
Druck: Allein heuer wird der Bund 620 Millionen Euro an Ausgleichszahlungen nach
Kärnten überweisen. ... Die totale Verselbstständigung würde die Republik wohl leichter
verschmerzen als ihr einstiges Armenhaus im Süden. Bis heute ist Kärnten Nettoempfänger
des Bundes und der EU. Aus den Wirtschaftsdaten ist trotz leichter Erholung in den letzten
Jahren kein Platz an der Spitze des Bundesländer-Rankings ablesbar. Was also würden
Haiders Sezessionsgelüste den Kärntnerinnen und Kärntnern bringen, vor allem aber: Was
würden sie kosten?

Zuallererst müssten die Kärntner das Gehalt ihres künftigen Landesherren und seines ersten
Stellvertreters Gerhard Dörfler selbst bezahlen. Denn für die beiden berappte die Republik
im Jahr 2005 insgesamt 376.914 Euro. Und die beiden werden laut Landesvoranschlag
2007 dank einer Gehaltsaufbesserung auf 390.000 Euro noch teurer. Ausgeträumt wäre
wohl der Traum von der Fußball-Europameisterschaft. Da zahlt der Bund bekanntlich ein
Drittel der rund 66 Millionen Errichtungskosten für das Klagenfurter Stadion, nebst
Rückbau und Ballsportzentrum. Die finanzmarode Landeshauptstadt könnte da kaum
einspringen. ... Der freie Staat Kärnten würde auch für die Pflichtschul-, Bundes- und
Berufschullehrer aufkommen müssen, ebenso für den Landes- und Bezirksschulrat und für
die Universität. Dazu kommen Ausgaben für Teile der Infrastruktur, etwa die Autobahnen,
Bahnhöfe und das Schienennetz. Für den Koralmtunnel müssten bilaterale Verträge mit der
Republik und der benachbarten Steiermark geschlossen werden. Teuer zu stehen käme den
Freistaat auch der Verlust der Co-Finanzierung der EU-Förderungen durch den Bund:
Kärnten müsste ein zusätzliches Drittel, das ihm als EU-Zuschussgebiet zusteht, aufbringen.
Allein der Landwirtschaft würden rund 100 Millionen Euro abgehen. Der Freistaat Kärnten
musste beim derzeitigen Schuldenstand von rund 1,8 Milliarden Euro seine
Wirtschaftsleistung massiv ankurbeln, die Steuern erhöhen und Leistungen der
Gebietskrankenkasse herunterfahren.

Nur 1,6 Prozent Wirtschaftswachstum ... Generell ist es mit der Wirtschaft nicht sehr gut
bestellt: So wuchs Kärntens Wirtschaft von 2000 bis 2005 durchschnittlich nur 1,6 Prozent
(Österreich: plus zwei Prozent) und ist damit laut jüngster Standort-Studie des
Management-Clubs Vorletzter im Bundesländer-Ranking. Bei den Löhnen ist Kärnten
Drittletzter: Laut Statistik Austria verdienen Kärntner Arbeitnehmer durchschnittlich 23.400
Euro brutto. Österreichweit beträgt der Einkommensschnitt immerhin 24.853 Euro brutto
pro Jahr. ... Auch bei der Arbeitslosenquote liegt Kärnten mit 7,9 Prozent bei den
schlechteren Bundesländern (Österreich: 6,8 Prozent). Spitzenreiter ist es dagegen bei der
Armut. Die Pensionen liegen um neun Prozent unter dem Bundesschnitt. Insgesamt zahlte
der Bund 2005 rund 603 Millionen Euro nach Kärnten, 2007 werden es rund 620 Millionen
sein. Vielleicht wird Haider dieses Thema ja beim Gespräch mit Bundeskanzler Alfred
Gusenbauer ebenfalls anschneiden, bei dem es in erster Linie um die Ortstafeln gehen soll. "

(DER STANDARD, Printausgabe 24./25.2.2007, Elisabeth Steiner)

 

 


Die finanziellen Auswirkungen einer tatsächlichen „Unabhängigkeit" Kärntens vom
österreichischen Bundesstaat wären jedenfalls drastisch, denn Kärnten profitiert von Subventionen
und den Fördertöpfen des Bundes, zum Teil auch durch gemeinsame Subventionen des Bundes mit
der EU. Außerdem hat Kärnten einen wirtschaftlichen Nutzen durch Einrichtungen des Bundes in
Kärnten (Bildungseinrichtungen wie Universitäten, Sozialeinrichtungen, Militärische Anlagen wie
Kasernen usw.) sowie auch durch den gesamtösterreichischen Finanzausgleich zwischen dem Bund
und allen Bundesländern. Auf Grund der undurchsichtigen Pläne des BZÖ-Kärnten und im Lichte
des neuen Regierungsprogrammes und der neuen Ressortzuständigkeiten durch das novellierte
Bundesministeriengesetz ist eine aktuelle Übersicht aller relevanten Zahlungsflüsse und des
sonstigen Nutzens des Bundeslandes Kärnten vom österreichischen Bundesstaat notwendig.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage

1.              Welche finanziellen Förderungen, Subventionen und sonstigen Zuwendungen für das
Bundesland Kärnten sowie die Kärntner Gemeinden sind in ihrem Ressort auf Grund der
Budgetansätze für 2007 und 2008 sowie auch auf Grund der Ermessensausgaben bereits
beantragt, bewilligt oder zumindest im laufenden Planungsstadium? (Bitte um detaillierte
Aufschlüsselung)

2.              Welche allgemeinen Fördermöglichkeiten bestehen entsprechend dem Regierungsprogramm
und dem neuen Bundesministeriengesetz (§ 2 BMG sowie Anlage zu § 2 BMG und die
daraus ersichtlichen Wirkungsbereiche) in ihrem Ressort sowie den ihrem Ressort
unterstehenden Bundeseinrichtungen für das Bundesland Kärnten sowie Kärntner
Gemeinden, unabhängig davon ob diese tatsächlich genützt werden oder nicht? (Bitte um
detaillierte Angabe der einzelnen „Fördertöpfe", Budgetansätze usw. für die ein Ansuchen
um Förderung möglich ist bzw. der dafür zuständigen Verwaltungsgliederung).

3.              a) Welche Subventionsmöglichkeiten bestehen darüber hinaus für das Bundesland Kärnten
und die Kärntner Gemeinden aus den unterschiedlichsten Fördertöpfen der Europäischen
Union in jenen Bereichen, die gemäß § 2 BMG in den Wirkungsbereich Ihres Ressorts
fallen? (Bitte um detaillierte Angabe)

 

b)  Welche dieser Möglichkeiten beinhalten mögliche Refinanzierungen zwischen der EU
und der Republik Österreich? (Bitte um detaillierte Angabe)

c)   Wie viele dieser beiden Möglichkeiten wurden vom Land Kärnten und den Kärntner
Gemeinden im Jahr 2005 und 2006 genützt und wie viele werden es nach derzeitigem Stand
im Jahr 2007 sein? (Bitte um detaillierte Angabe)


4.      Welche Einrichtungen des Bundes die gemäß § 2 BMG dem Wirkungsbereich Ihres
Ressorts unterstehen sind derzeit in Kärnten angesiedelt? Wie viele Mitarbeiter(innen) sind
in jeder diesen Einrichtungen tätig und welches Jahresbudget erhält jede dieser
Einrichtungen vom Bund? (Bitte um detaillierte Angabe für die einzelnen Einrichtungen)

5.              Wie beurteilen Sie daher im Hinblick auf die Ihrem Ressort unterstehenden
Wirkungsbereiche gemäß § 2 BMG die möglichen Auswirkungen eines „Freistaat Kärnten''''
für das Land Kärnten und die Kärntner Gemeinden in finanzieller Hinsicht? (Bitte um
detaillierte Angabe)

6.              Wie lautet die verfassungsrechtliche Einschätzung des Verfassungsdienstes im
Bundeskanzleramt zum Antrag des BZÖ-Kärnten vom 15. März 2007 auf Änderung der
Kärntner Landesverfassung zum "Freistaat Kärnten"? Welche staatsrechtlichen,
verfassungsrechtlichen sowie völkerrechtliche Konsequenzen können sich aus einer solchen
Änderung der Kärntner Landesverfassung ergeben? (Bitte um detaillierte
Erläuterung für
alle plausiblen Optionen und Interpretationsmöglichkeiten)