1494/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 31.03.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

DRINGLICHER ANTRAG

der Abgeordneten Kogler, Freundinnen und Freunde

betreffend Transparenz- und Antikorruptionspaket

Begründung

Die zahlreichen, in den letzten Wochen und Monaten ans Tageslicht gekommenen Skandale zeigen den Zustand dieser Republik: Das Vertrauen der BürgerInnen in die Politik sinkt. In Österreich ist derzeit vieles faul“, sagen 83 Prozent der ÖsterreicherInnen laut IMAS-Umfrage. 45 Prozent sind der Meinung, es gebe in Österreich heutzutage mehr Korruption als in früheren Zeiten. Ganz oben auf der Liste der Missstände sieht die Bevölkerung die Verschwendung von Steuergeldern. Aktuelle Fälle zeigen die Dringlichkeit des Problems. Sie belegen aber auch die unterschiedlichen Erscheinungsformen politischer Korruption:

Der Fall Ernst Strasser wirkt wie ein Lehrbuchbeispiel: Ein Abgeordneter fordert Geld, um bestimmte Interessen in parlamentarischen Anträgen durchzusetzen. Derart klar tritt Korruption nur selten auf. Umso schlimmer ist es, dass so ein Verhalten für Abgeordnete im österreichischen Nationalrat derzeit nicht strafbar wäre. Das Beschämende an dem Fall: bereits vor seiner Wahl hat Ernst Strasser öffentlich angekündigt, dass er seinen Brotberuf“ als Lobbyist im EU-Parlament weiter ausüben wird. Auch die Affäre rund um parteipolitische Postenbesetzungen in Strassers Zeit als Innenminister hätte ein Warnzeichen sein müssen.

Ein anderes Modell politischer Korruption zeigt die freiheitliche Werbeagentur Connect“ in Kärnten: die regierende Partei im Land besitzt eine Firma, die selbst keine Mitarbeiter beschäftigt. Dennoch verrechnet diese Agentur für angebliche Beratungsleistungen tausende Euro an Kärntner Unternehmen. Und zwar im zeitlichen Zusammenhang mit wertvollen Landesaufträgen an eben diese Unternehmen. Teilweise sollten die Zahlungen dabei sogar direkt in die Parteikasse der FPK fließen. Über all dem steht Parteiobmann Uwe Scheuch, der von nichts gewusst haben will. Das finanzielle Mitschneiden“ an öffentlichen Aufträgen, die aus Steuergeldern finanziert werden, schädigt den Staat auf mehrfache Weise: durch den direkten Verlust an Steuergeldern, durch die Beeinträchtigung des Wettbewerbs und dadurch höhere Preise für die öffentliche Hand, und nicht zuletzt durch die schwerwiegende Schädigung des Vertrauens in die Politik.

Zur Spitze getrieben wurde dieses System unter der schwarz-blau-orangen Regierung im Freundeskreis Karl-Heinz Grasser. Der Verkauf von zigtausenden Bundeswohnungen weit unter ihrem Wert. Die Einmietung von Behörden und Gerichten in neugebaute Luxusimmobilien. Der lukrative Zwischenverkauf von Anteilen der Hypo Alpe Adria an vermögende Investoren. Die Beratung“ staatsnaher Betriebe in Angelegenheiten, von denen die Berater keine Ahnung haben. Und immer mit dabei als Empfänger von Provisionen in Millionenhöhe: engste Freunde des Finanzministers. Niemand weiß, was ihre Leistung war. Bis heute ist nicht geklärt, wohin die Millionen letztlich geflossen sind. Staatsvermögen wurde versilbert, während befreundete Unternehmen glänzende Geschäfte machten. Der Verdacht, dass umfangreiche Kick-Backs“ an die politischen Verantwortungsträger flossen, ist naheliegend.

Bei diesen freiheitlichen Politikern ist noch zu nennen: Jörg Haider, einst angetreten als vorgeblicher Kämpfer gegen Parteibuchwirtschaft, Bonzen und Privilegien, später Mastermind des blau-orangen Korruptionssumpfes, des Systems Grasser-Scheuch und eifriger Spendensammler in Bagdad und Tripolis. Wenn PolitikerInnen sich an die finanzielle Leine ausländischer Unrechtsregime begeben, dann bedroht dies letztlich die Souveränität unseres Staates.

Subtiler ist da der Fall des Altkanzlers Wolfgang Schüssel: ein Aufsichtsratsposten für einen ehemaligen Bundeskanzler, das mag auf den ersten Blick unverdächtig klingen. Die betreffende Aktiengesellschaft ist jedoch ein führendes Kernkraftunternehmen. Die Bezüge für diese Position sind höher als der Bezug, den Wolfgang Schüssel für sein Mandat im Nationalrat bezieht, und zwar gewinnabhängig: je mehr Atomstrom gewinnbringend verkauft wird, umso mehr verdient Schüssel. All das lässt die Tätigkeit Schüssels für die deutsche RWE doch in einem höchst zweifelhaften Licht erscheinen. Für die Zukunft wird daher eine Neudefinition der Offenlegung solcher Interessenskonflikte für Abgeordnete dringend erforderlich sein.

Die Grünen werden weiter ihre Finanzen offen legen und auf der Seite der Bevölkerung glaubwürdig gegen Korruption und Steuergeldverschwendung ankämpfen. Politische Korruption ist kein Kavaliersdelikt. Sie muss konsequent bekämpft werden. Dazu braucht es strenge gesetzliche Regelungen und Strafbestimmungen.

Es bedarf daher einer Transparenz- und Anti-Korruptionsoffensive:

1. Saubere PolitikerInnen

a.   volle Transparenz für alle Arten von PolitikerInnen-Einkünften

Alle Einkünfte und Nebeneinkünfte von PolitikerInnen - auch geldwerte Leistungen wie Urlaubseinladungen - müssen offen gelegt werden. Verstöße gegen die Offenlegungspflicht sollen strengen Sanktionen unterliegen. Bei wiederholter Verletzung der Offenlegungspflicht soll als letzte Konsequenz Mandats- oder Amtsverlust drohen.


b.   Abgeordnetenbestechung - keine Sonderrechte für Mandatare

In Österreich haben bestechliche Abgeordnete keine Sanktionen zu befürchten. Das hat auch die Affäre Strasser wieder gezeigt. Wäre Strasser Nationalratsabgeordneter, würden seinen Aktivitäten keinerlei strafrechtliche Konsequenzen folgen. Hintergrund ist der, dass im österreichischen Strafgesetzbuch die Abgeordneten immer dann von der Strafbarkeit ausgenommen sind, wenn es um Vorteilsannahme im Zusammenhang mit einer pflichtgemäßen Vornahme eines Amtsgeschäftes geht (zB Einbringen von Anfragen oder Anträgen). Bei der pflichtwidrigen Vornahme von Amtsgeschäften unterliegen die Abgeordneten zwar dem Strafgesetzbuch, damit wurde jedoch im Sommer 2009 ein reiner Scheintatbestand geschaffen. Zwar wurden Abgeordnete in den Amtsträgerbegriff einbezogen, aber gleich wieder mit einem Korruptionsprivileg ausgestattet. Abgeordnete machen sich künftig nur strafbar, wenn sie gegen Geld ihr Stimmverhalten verkaufen oder die Pflichten nach der Nationalrats-Geschäftsordnung verletzten. Klingt gut - ist aber harmlos. Die Abgeordneten haben nämlich nach § 11 der Geschäftsordnung nur eine Pflicht: die Anwesenheitspflicht. Damit ist gesichert, dass kein österreichischer Abgeordneter jemals verurteilt werden wird.

c.  Verbotene Geschenke

Wiederholte Geschenke an Amtsträger - im Fachjargon auch als Tatbestand der Anfütterung“ bezeichnet - schaffen Abhängigkeiten. Bis zum Sommer 2009 war jede Geschenkannahme durch Amtsträger im Hinblick auf die Amtsführung strafbar. Ein konkreter Zusammenhang zwischen Geschenkannahme und konkretem Amtsgeschäft war nicht notwendig. Die diesbezüglichen Strafbestimmungen wurden 2009 bis zur Unkenntlichkeit entschärft. Die neue Regelung ist de facto nicht vollziehbar. Es braucht ein wirksames Verbot für Geschenkannahmen durch AmtsträgerInnen nach internationalen Standards.

d.  Alle Amtsträger“ erfassen

Ausgenommen von diversen Strafrechtsbestimmungen für Amtsträger sind staatsnahe Unternehmen: Das betrifft zB Post, ÖBB, ASFINAG, ORF, die öffentlich-rechtlichen Kammern und zum Teil öffentliche Spitäler. Auch die Organe staatsnaher Unternehmen müssen zukünftig in den Amtsträgerbegriff integriert werden.

e.  Vermögensverhältnisse der MinisterInnen prüfen

MinisterInnen müssen derzeit dem Rechnungshof ihre Vermögensverhältnisse mitteilen. Der Rechnungshof hat aber keinerlei Handhabe, die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Meldung zu prüfen. Der Rechnungshof muss die Vermögensverhältnisse von MinisterInnen prüfen dürfen, um auffällige Vermögenszuwächse festzustellen und veröffentlichen zu können.


f.   Stopp für schamlose Beraterverträge

Der Beraterwildwuchs der Ministerien, oftmals ohne überprüfbare Gegenleistung, muss eingedämmt werden. Wo immer möglich, sollen interne Ressourcen statt teurer externer Berater genutzt werden. Für externe Beratungsverträge im öffentlichen Bereich braucht es klare Kriterien und Obergrenzen. Beraterverträge der öffentlichen Hand müssen begründet und jährlich dem Nationalrat berichtet werden.

g.  Abkühlphase“ für Regierungsmitglieder vor Wechsel in ressortnahe Privatwirtschaft

Regierungsmitglieder sollen nicht unmittelbar nach der Amtsperiode bei privaten Unternehmen anheuern dürfen, deren Tätigkeit im Einflussbereich der früheren Regierungsfunktion steht. Daher: Abkühlphase für ein Jahr.

2. Glasklare Parteikassen

a.   Spendenverbote

Ein Spendenverbot an Parteien soll für Unternehmen gelten, die öffentliche Aufträge bekommen oder sich um solche bewerben.

Bei Körperschaften öffentlichen Rechts und bei freiwilligen oder gesetzlichen Interessensvertretungen wird ein generelles Parteispendenverbot eingeführt, da diese Einrichtungen sich ihrerseits aus Mitgliedsbeiträgen oder Spenden finanzieren. Ein derartiges Spendenverbot bewirkt auch, dass im Wege dieser Einrichtungen künftig keine Spendenwäsche“ mehr betrieben werden kann.

b.   Verbot der Spendenwäsche

In Deutschland steht das Spendenweißwaschen“ über Interessensvertretungen unter Strafe. In Österreich immer noch auf der Tagesordnung. Parteispenden von Dritten über Interessensvertretungen weiß zu waschen, um politische Abhängigkeiten zu verschleiern, muss verboten werden.

c.    Parteispenden lückenlos offen legen

Spenden über 7.000 Euro müssen unverzüglich im Internet offen gelegt werden. Alle Spenden über 500 Euro müssen in einem jährlichen Jahresbericht transparent gemacht werden. Anonyme Spenden über 500 Euro werden verboten. Unter den Begriff Spende ist dabei alles zu subsummieren, was einen Vorteil bringt, also Geld- und Sachspenden ebenso wie Personalüberlassungen und Rabatte. Unter dem Begriff Partei ist alles zu subsummieren, was einer Partei zuzuordnen ist, also auf Bundes- Landes- und Gemeindeebene, Bünde, Vereine und wahlwerbende Parteien.


d.   Strafbestimmungen

Illegale Parteienfinanzierung und Verstöße gegen Spendenverbote und Transparenzbestimmungen müssen strafbar werden. Die Strafen müssen empfindlich sein. Angemessen wäre zunächst eine Kürzung der Parteienförderung bei der nächsten Auszahlung um das Dreifache der Höhe der illegalen Parteispende. Gleichzeitig müssen strafrechtliche Konsequenzen folgen.

e.   Tatsächliche Prüfkompetenz für den Rechnungshof

Der Rechnungshof nimmt derzeit die Meldung über Parteispenden entgegen, darf mit dieser Information allerdings nichts tun. Schlimmer noch: Er kann nicht einmal prüfen, ob diese Meldungen richtig und vollständig sind. Der Rechnungshof muss künftig prüfen und veröffentlichen dürfen, welche Spenden die Parteien bekommen.

f.    Parteien-Rechenschaftsberichte, die Ihren Namen verdienen

Die Rechenschaftsberichte der Parteien müssen Aussagekraft bekommen. Umfassende konsolidierte Darstellungen über Einnahmen, Ausgaben und Schuldenstände der Gesamtparteien inklusive Teil- und Vorfeldorganisationen und Parteifirmen werden gesetzliche Pflicht.

g.   Offenlegung und Deckelung von Wahlkampfkosten

Die von den Parteien angegebenen Wahlkampfausgaben entsprechen meist nicht der Realität. Es braucht daher einen Deckel und volle Transparenz bei Wahlkampfkosten.

h.  Seriöse Information statt Regierungswerbung auf Steuerzahlerkosten

Die Bundesregierung verwechselt allzuoft bewusst Information mit parteipolitischen Imagekampagnen. Die Regierung soll daher ab sofort auf die Schaltung von jeglichen Inseraten verzichten. Ausgenommen davon sollen nur Inserate sein, die reine Informationen (z.B. des Außen- oder Innenministeriums über die Ausübung des Wahlrechts oder in Notfällen etc.) im notwendigen Ausmaß zum Inhalt haben. Reine Imagewerbungen von BundesministerInnen mit Porträtfotos, persönlichen Texten und dergleichen sollen jedenfalls unzulässig sein. Öffentlichkeitsarbeit und Druckkostenbeiträge der Bundesregierung müssen als solche gekennzeichnet sein. Bei Informationstätigkeiten des Bundes dürfen einzelne Medien nicht ohne Begründung bevorzugt werden. Die Einhaltung dieser gesetzlichen Regelungen muss laufend vom Rechnungshof geprüft werden.


3.  Lobbyisten an die Leine nehmen

a.  Umfassendes und öffentlich einsehbares Lobbyregister einführen

Lobbyisten agieren in Österreich in einer Grauzone. Sie müssen weder deklarieren, dass sie als Lobbyisten tätig sind, noch in wessen Auftrag, noch welche Mittel ihnen zur Verfügung stehen. Das Lobbyregister muss verpflichtend sein und neben dem Namen des Lobbyisten die Namen seiner Auftraggeber und die von diesen zur Verfügung gestellten Budgets beinhalten. Das Register muss alle Personen, Vereinigungen und Unternehmen umfassen, die auf den politischen Entscheidungsprozess oder die Verwaltung oder von der öffentlichen Hand dominierten Unternehmen Einfluss zu nehmen versuchen. Das Register muss öffentlich sein und vom Parlament kontrolliert werden.

b.   Unvereinbarkeitsbestimmungen

Berufliche Lobbyistentätigkeit und politisches Mandat sind unvereinbar. Das muss gesetzlich geregelt werden. Keine PolitikerIn darf gleichzeitig ein Lobbybüro betreiben oder aktiv als Lobbyist für ein solches tätig sein.

c.    Sanktionen und Berufsverbot

Unvollständige oder falsche Meldungen zum Lobbyistenregister müssen mit empfindlichen Strafen und im Wiederholungsfall mit Berufsverbot für den betroffenen Lobbyisten geahndet werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Justiz wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzulegen, die alle in der Begründung genannten Punkte eines umfassenden Transparenz- und Antikorruptionspakets beinhaltet, insbesondere

      Sicherstellung voller Transparenz für alle Arten von Einkünften bei PolitikerInnen;

      Strafbarkeit von Abgeordnetenbestechung und Verschärfung bei Geschenkannahme und Anfütterung“;

      Sicherstellung voller Transparenz bei Spenden an Parteien; Überprüfung durch den Rechnungshof;

      Spendenverbote für Unternehmen, die öffentliche Aufträge bekommen oder sich um solche bewerben sowie für freiwillige oder gesetzliche Interessensvertretungen; Sicherstellung  mittels entsprechender Sanktionen bzw. Strafdrohungen;

      Offenlegung und Deckelung von Wahlkampfkosten;


 

      seriöse Information statt parteipolitischer Regierungswerbung auf Steuerzahlerkosten und

      ein transparentes und verpflichtendes Lobbyistenregister.“

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß § 74a iVm § 93 Abs. 1 GOG verlangt.