1918/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 19.04.2012
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

der Abgeordneten Kurt Grünewald, Alev Korun, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Unterzeichnung und Ratifizierung der Biomedizinkonvention

 

 

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Das „Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin“, kurz „Menschenrechtskonvention zur Biomedizin (MRB)“, umgangssprachlich „Biomedizinkonvention“ (auch „Bioethik-Konvention“ oder „Oviedo-Konvention“) des Europarates genannt, wurde als Ergänzung zur allgemeinen Menschenrechtskonvention 1997 im spanischen Oviedo zur Unterzeichnung aufgelegt und ist ein völkerrechtlicher Vertrag über Menschenrechte und Biomedizin. Ziel  ist, Würde  und  Identität  aller  menschlichen  Lebewesen  bei  Anwendung  von Biologie  und  Medizin zu schützen. Das Übereinkommen  soll  im  Bereich  der Biomedizin einen Mindeststandard zum Schutz der Menschenwürde und Menschenrechte  in  Europa  sicherstellen. Es konkretisiert und entwickelt die Europäische  Menschenrechtskonvention  (EMRK)  für  den  Bereich  der  Biologie  und der  Medizin weiter, ihr  Geltungsbereich  erstreckt  sich  auf  die  Humanmedizin  unter Einschluss  der  Transplantationsmedizin,  auf  gentechnologische  Verfahren  im Humanbereich und auf die Fortpflanzungsmedizin beim Menschen. 

Am 1. 12. 1999 völkerrechtlich in Kraft getreten, ist die Konvention inzwischen für die Mehrheit der Europaratsstaaten verbindlich: 34 von 47 Mitgliedstaaten haben unterzeichnet, 26 Staaten haben sie zusätzlich ratifiziert. Österreich hat das Übereinkommen bislang weder unterzeichnet, noch ratifiziert. Eine eindeutige Empfehlung dafür wurde von der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt  bereits in einer Stellungnahme vom Februar 2002[1]  abgegeben.

Die Bioethikkommission wurde 2001 vom damaligen Bundeskanzler Schüssel als Beratungsorgan in gesellschaftlichen, naturwissenschaftlichen und rechtlichen Fragen, die sich auf dem Gebiet der Humanmedizin und Humanbiologie aus ethischer Sicht ergeben, eingesetzt. Zehn  Jahre  nach  ihrer  Einrichtung  haben  die Vorsitzenden dieses Beratungsgremiums erst  kürzlich eine  triste Bilanz gezogen[2]  :

Von  den  zahlreichen  Empfehlungen  der  Kommission  sei  nur  eine  einzige  -  die Verlängerung der Aufbewahrungspflicht für Embryonenaus der künstlichen Befruchtung - umgesetzt worden, was einer  "Kopf-in-den-Sand-Politik" entspräche.

Die Biomedizinkonvention ist der Versuch, ein  verbindliches Regelwerk für Europa aufzustellen, um den Schutz der Menschenrechte und die Interessen der Forschung über die Landesgrenzen hinweg zu sichern. Sobald Österreich die Biomedizinkonvention und ihre Zusatzprotokolle unterzeichnet und ratifiziert,  entsteht eine völkerrechtliche Pflicht zur Umsetzung der darin enthaltenen Grundsätze. Da diese Bestimmungen  in  manchen  Bereichen  der  medizinischen  Forschung  über  das  in Österreich  derzeit  verwirklichte  Schutzniveau  und  den  Präzisionsgrad  der gesetzlichen Regelungen  hinausgehen, müssten bestehende  Lücken geschlossen[3] werden. Mit anderen Worten: Würden wir die  Biomedizinkonvention ratifizieren, müssten einige Gesetze in Österreich  „nachgebessert“ werden, entgegen den verbreiteten Irrglauben, unsere Gesetze seien „strenger“ und würden „aufgeweicht“. 

Die auch im aktuellen Regierungsprogramm in Aussicht gestellte Ratifikation würde speziell für das Forschungsrecht  einen  Anpassungsbedarf  bedeuten. Sowohl die Biomedizinkonvention, besonders die Artikel 15–18, als auch die bisher 4 Zusatzprotokolle, etwa jenes zur biomedizinischen Forschung,  enthalten detaillierte Regelungen für die Forschung  am  Menschen, die sowohl  Ergänzungen als auch Rechtsschutzgarantien bei Verstößen erfordern. Zwar wird vielen Grundsätzen der Biomedizinkonvention bereits durch die geltende Rechtsordnung  entsprochen, in manchen Punkten bleibt das österreichische Recht jedoch hinter den präziseren völkerrechtlichen Vorgaben zurück.

Der Großteil der Argumente spricht seit jeher eindeutig für einen Beitritt Österreichs, die Rechtslage auf dem Gebiet der medizinischen Forschung ist klar reformbedürftig. Nach  unseren  Informationen  wurde das Gesundheitsministerium bereits  aktiv  und  startete einen Prozess zur Frage, welche konkreten gesetzlichen Anpassungen im Rahmen einer Ratifizierung  der Biomedizinkonvention  vorzunehmen  wären.  Hier  haben alle befragten Ressorts mit Ausnahme des Wissenschaftsressorts bereits berichtet. Das BMWF hat eine Studie zu  dieser Frage extern vergeben, diese  wurde  bereits  im  Sommer  2010 vorgelegt, jedoch unter Verschluss gehalten. Die Antwort des BMWF an das BMG ist daher noch ausständig. 

 

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Der Bundeskanzler wird aufgefordert, im Rahmen seiner Zuständigkeit für die Koordination der Regierungspolitik dafür Sorge zu tragen, dass seitens der zuständigen bzw. betroffenen Ministerien (BKA, BMeiA, BMG, BMJ, BMWF und BMASK) noch dieses Jahr der Vorschlag zur Unterzeichnung der Biomedizinkonvention dem Ministerrat vorgelegt wird. Dem Ministerratsvortrag soll ein Vorhabensbericht zu den umzusetzenden Inhalten angeschlossen sein.

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Menschenrechte  vorgeschlagen.

 



[1] http://www.bka.gv.at/DocView.axd?CobId=1111

[2] APA0178 5 CI 0338 II/XI 13.Apr 2011: Bioethik: Kritik an "Kopf-in-den-Sand-Politik" der Regierung

 

[3] http://www.bka.gv.at/DocView.axd?CobId=38041