2076/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 19.09.2012
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Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Wolfgang Pirklhuber, Judith Schwentner, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Nahrungsmittelspekulationen ein Ende bereiten

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Seit 2002 steigen die Preise von Rohstoffen aller Art – Agrarrohstoffen, Energierohstoffen und Metallen. Ungeachtet ihrer hohen Volatilität bleiben viele Rohstoffpreise weit über ihrem historisch durchschnittlichen Niveau. Sogenannte Entwicklungsländer sind von diesen Preisentwicklungen besonders betroffen, da sie häufig auf der Import- und/oder Export-Seite von Rohstoffen abhängig sind, was durch die Nahrungsmittelkrisen in den letzten Jahren mit ihren weitreichenden sozialen und ökonomischen Folgen am deutlichsten wurde.

 

Zu einem Teil spiegeln die derzeitigen Rohstoffpreisentwicklungen tiefgreifende Veränderungen auf der Angebots- und Nachfrageseite von vielen Rohstoffen wider, wie zum Beispiel das rasante Wachstum von China und anderen Schwellenländern oder die Förderung von Agrartreibstoffen, was zu einem Anstieg in der Nachfrage nach Rohstoffen führt, sowie mangelnde Investitionen in der Vergangenheit oder schlechte Ernten in Folge des Klimawandels, wodurch Angebotsengpässe bestehen.

 

Diese Veränderungen in den fundamentalen Marktdaten spielen eine wesentliche Rolle für bestimmte Rohstoffe, können aber die starken kurzfristigen Preisschwankungen nicht erklären. Auch für die ähnliche Preisentwicklung von teilweise sehr unterschiedlichen Rohstoffen, die keine gemeinsamen fundamentalen Marktdaten teilen, findet sich hierin keine Begründung. Daten zu globaler Produktion, Konsum und Lagerbeständen für verschiedene Rohstoffe können nicht allein die Entwicklung der Preise und vor allem die großen Schwankungen in den letzten Jahren erklären.

 

Viel mehr liegt die Ursache dieser Preisentwicklungen zu einem wesentlichen Teil in den Entwicklungen auf den Finanzmärkten. Seit 2002 hat sich die Struktur dieser Märkte durch die zunehmende Spekulation von FinanzinvestorInnen wie Banken, institutionellen Investoren und Hedge Fonds auf Rohstoffpreise drastisch verändert. Das Handelsvolumen auf Rohstoff-Derivatmärkten und der Anteil von Rohstoffderivaten, der von FinanzinvestorInnen gehalten wird, sind seit 2005 stark gestiegen. Für wichtige Rohstoff-Terminmärkte in den USA wird der Anteil von FinanzinvestorInnen Mitte 2008 auf zwischen 20 und über 60% der gesamten offenen Positionen geschätzt. Diese parallele Entwicklung von Finanzinvestitionen und Rohstoffpreisen in Derivatmärkten und die zunehmende Rolle von spekulativen Handelsstrategien bewirkt die drastische Preisentwicklung von Rohstoffen.

 

Exzessive Spekulationen auf Agrarrohstoffe verteuern vor allem in ärmeren Ländern die Grundnahrungsmittel enorm. Die Gefahr von Hungerrevolten droht in jenen Ländern, in denen sich die Menschen das Essen nicht mehr leisten können, wie auch die aktuelle politische Entwicklung in Afrika vor Augen führt. Aber auch ProduzentInnen in Entwicklungsländern sind von den Schwankungen auf den Rohstoffmärkten mehrfach betroffen – als VerbraucherInnen von Lebensmitteln ebenso wie als ExporteurInnen zumeist landwirtschaftlicher Produkte. Starke und kurzfristige Preisschwankungen wie in den letzten Jahren beim Rohstoff Kaffee stellen kleinbäuerliche ProduzentInnen vor große Herausforderungen. Sie müssen einem verstärkten Wettbewerbsdruck vonseiten der ZwischenhändlerInnen standhalten, einen erhöhten Finanzierungsbedarf decken und in der Lage sein, Preisrisiken abzusichern, um ihre eingegangenen Lieferverpflichtungen nicht zu gefährden. Die höheren Preise für ihr Exportprodukt sorgen andererseits für ein höheres Einkommen und ermöglichen wichtige Investititionen, dürfen jedoch mit Blick auf die parallel gestiegenen Lebenshaltungs- und Produktionskosten auch nicht überschätzt werden.

 

Politisch besteht ein breiter Konsens gegen „exzessive Spekulation“ auf Rohstoff-Derivatmärkten, wie auch der im vergangenen Jahr angenommene Fünfparteienantrag 1460A/(E) betreffend Maßnahmen gegen Spekulationen mit Agrarrohstoffen zeigt. Konkrete Schritte lassen aber auf internationaler Ebene auf sich warten. In der EU werden gerade Reformen im Rahmen der Überarbeitung der Regulierung für Finanzinstrumente (Markets in Financial Instruments Directive – MiFID) diskutiert. Der Vorschlag beinhaltet einige wesentliche Regulierungen und wäre ein wichtiger erster Schritt, aber nicht ausreichend. Um Rohstoffpreise zu stabilisieren und die negativen Auswirkungen des Rohstoffpreisbooms auf Entwicklungsländer einzudämmen, sind weitere Reformen erforderlich. In einem ersten Schritt ist es notwendig, das Funktionieren der Rohstoff-Derivatmärkte im Interesse kommerzieller HändlerInnen sicherzustellen, um ihre fundamentale Rolle als verlässliche Preissignale und zur Risikoabsicherung zu gewährleisten. 

 

Im Bereich der Regulierung von Rohstoff-Derivatmärkten sind folgende Schritte notwendig:

·        Reduktion des weitgehend unregulierten außerbörslichen (OTC) Handels und Zurückholen des Handels an regulierte, transparente und öffentliche Börsen (Rohstoffterminmärkte),

·        Erhöhung der Transparenz von Fundamentaldaten und zu Positionen von unterschiedlichen Händlerklassen auf Rohstoffderivatmärkten als Voraussetzung für effektive, strenge und einheitliche Regulierung (strenge Melde- und Berichtspflichten mit öffentlichen Berichten),

·        Einführung von Positionslimits für nicht-kommerzielle und gegebenenfalls auch kommerzielle HändlerInnen und aggregiert für Händlerklassen wie Indexinvestoren und Hedge Fonds, um exzessive Spekulation zu verhindern,

·        Einführung einer mehrstufigen Transaktionssteuer auf den Handel mit Rohstoffderivaten, um spekulative Handelsaktivitäten zu reduzieren und Preise zu stabilisieren,

·        Schaffung einer Global Intelligence Unit im Rahmen der Vereinten Nationen, die Rohstoffderivatmärkte überwacht sowie Regulierungen auf nationaler Ebene koordiniert,

·        Verbot von Spekulation mit Nahrungsmitteln durch sehr strenge Positionslimits für nicht-kommerzielle und gegebenenfalls auch kommerzielle HändlerInnen bis hin zum Verbot von FinanzinvestorInnen auf Agrarrohstoff-Derivatmärkten.

 

 

Mit Bezug auf den einstimmig angenommenen Antrag 1460A/(E) stellen die unterfertigenden Abgeordneten daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die österreichische Bundesregierung wird aufgefordert, sich für die Regulierung der Rohstoffderivatmärkte und die oben genannten Reformen nachdrücklich im Rahmen der EU und der Vereinten Nationen einzusetzen.

 

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Außenpolitischen Ausschuss  vorgeschlagen.