811/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 15.10.2009
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

der Abgeordneten Ing. Hofer, Neubauer

und weiterer Abgeordneter

 

betreffend Resolution AKW Mochovce

 

 

Das slowakische Atomkraftwerk Mochovce, das nur etwa 160 Kilometer von Wien entfernt liegt, soll ausgebaut und die Kapazität verdoppelt werden, womit sich auch das Risiko für Österreich verdoppelt.

 

Mit dem Bau des AKW Mochovce wurde bereits 1981 begonnen, die beiden ersten Blöcke gingen nach einem aufgrund fehlender finanzieller Mittel bedingten Baustopp 1998 bzw. 1999 in Betrieb. Nunmehr sollen aber auch die Blöcke 3 und 4 mit einer Baubewilligung aus dem Jahr 1986 fertig gestellt werden.

 

Der Rohbau und viele Teile des AKW lagern also seit 20 Jahren, Wind und Wetter ausgesetzt, notdürftig in Plastik eingepackt oder in Containern versteckt, und werden nun ausgepackt und weiterverwendet. Eine aktuelle Studie des Österreichischen Ökologieinstituts im Auftrag der Wiener Umweltanwaltschaft kommt zum Schluss: „Die Grundkonstruktion erlaubt keine vollständige Anpassung an den heutigen Stand von Wissenschaft und Technik. Die Möglichkeiten für Verbesserungen sind beschränkt, da die Bauwerke zu 70 % und das Equipment zu 30 % bereits fertig gestellt sind.“

 

Die wichtigsten Problemfelder beim AKH Mochovce sind:

 

·        Fehlende Schutzhülle: Zum Schutz eines Reaktors vor einer Einwirkung von außen und zum Schutz der Umgebung vor radioaktiven Emissionen verfügen moderne Kraftwerke über einen Sicherheitseinschluss. Das sogenannte Confinement-System des Reaktortyps WWER 440/V213 hat diese Schutzwirkungen nicht in ausreichendem Maße. Der Schutz ist lediglich für den Absturz kleiner Sportflugzeuge ausgerichtet. Bei AKW-Neubauten wird derzeit von allen relevanten Behörden - wie etwa der US-Aufsichtsbehörde oder auch der Deutschen Aufsichtsbehörde - ein Schutz vor dem Absturz großer Maschinen sowie Schutz gegen Terror und Sabotage verlangt.

 

·        Enorme Brandgefahr: Die unzureichende bauliche Trennung von redundanten Systemen lässt sich nachträglich nicht wesentlich verbessern. Wegen der nicht ausreichenden Trennung können wichtige Notfallsysteme von Bränden gleichzeitig zerstört werden. Dadurch besteht die Gefahr, dass ein Ereignis nicht mehr beherrscht werden kann und zu einem Kernschmelzunfall mit hohen radioaktiven Freisetzungen führt. Gleichzeitig erhöht die angekündigte Leistungserhöhung in sämtlichen Teilen der elektrischen Anlage die Brandgefahr gegenüber dem Originalzustand.

 

·        Erdbebengefahr: In der ursprünglichen Auslegung des WWER 440/V213 wurde die Erdbebengefahr nicht berücksichtigt. Eine Neubewertung ergab, dass der Auslegung ein Beben der Stärke VII zugrunde zu legen ist. In der Slowakei wurde angenommen, dass der Standort Mochovce in einer nicht-seismischen Zone liegt und dass ein Erdbeben nur in einer Entfernung von 50 km oder mehr auftreten kann. Experten sehen die Annahme dieser Erdbeben-Ausschlusszone kritisch; ein am Standort nicht auszuschließendes Erdbeben könnte sehr wohl relevante Schäden verursachen.

 

·        Bubble Condenser;  Der WWER 440/V213 hat kein Volldruckcontainment, wie es bei den westlichen Druckwasserreaktoren Standard ist. Stattdessen hat dieser Reaktor ein Hilfssystem zum Druckabbau bei großen Leckstörfällen, den sogenannten Bubbler Condenser. Die Sicherheitsreserven dieses Systems sind gering. Bei Versagen des Druckabbaus wird radioaktiver Dampf in die Umwelt abgegeben. Für die Blöcke 3 und 4 werden zwar Konstruktionsverbesserungen geplant, durch eine Leistungserhöhung könnte der durch die Nachrüstungen gewonnene Sicherheitszuwachs aber wieder verloren gehen.

 

·        Hohe Komplexität durch Nachrüstung: Die vielen Maßnahmen zur Nachrüstung erhöhen die ohnehin schon immense Komplexität eines Kernkraftwerks erheblich. Das kann im Ernstfall etwa dazu führen, dass durch fehlerhafte Ansteuerung erforderliche Sicherheitssysteme nicht oder nur teilweise zur Verfügung stehen. Für das Personal ist es zudem extrem schwierig, in eine derart komplexe Anlage einzugreifen.

 

·        Veraltete Teile: Viele Komponenten in Block 3 und 4 sind mehr als 20 Jahre alt. Der Zustand der bereits installierten Komponenten ist erheblich schlechter, als der jener, die über die Jahre in der Lagerhalle aufbewahrt wurden. Die Prüfung der Bauten und Reaktor-Komponenten ergab, dass einige Maßnahmen zur Wiederherstellung erforderlich sind. Die bisherige nur stichprobenartig durchgeführte Bauteilprüfung in Kombination mit der geplanten Verringerung der Prüffrequenz ist ein gefährliches Spiel, dass die Wahrscheinlichkeit vergrößert, Fehler nicht rechtzeitig zur erkennen.

 

Ein möglicher schwerer Unfall in der Anlage kann zu katastrophalen Folgen für ganz Mitteleuropa führen. Sollten die zwei geplanten Reaktoren jemals vollendet werden, sind sie mit Abstand die letzten fertig gestellten Reaktoren ihrer Art. Bei diesem Reaktordesign handelt es sich um die längst nicht mehr dem Stand der Technik entsprechende Type WWER 440/213 der zweiten Generation Reaktoren sowjetischer Bauart.

 

Die Wiener Umweltstadträtin hat EU-Umweltkommissar Dimas schon zu Beginn des UVP-Verfahrens schriftlich auf die mangelnde Umsetzung der EU-UVP Richtlinie hingewiesen und ihn ersucht, auf die Rechtmäßigkeit und EU-Konformität des UVP-Verfahrens zu achten. Darüber hinaus gibt es eine entsprechende Studie der Wiener Umweltanwaltschaft, die in Wien die Agenden der Atomschutzbeauftragten wahrnimmt, in der die positiven Beispiele von grenzüberschreitenden Modell-UVPs dargestellt werden.

 

Befremdlich erweist sich die Informationspolitik der Betreiber von Mochovce. Völlig unverständlicherweise wurde ein de-facto Besichtigungsverbot verhängt, sämtliche Anfragen die Blöcke 3 und 4 zu besuchen wurden in den letzten Wochen abgelehnt, Film oder Fotoaufnahmen grundsätzlich verboten.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird dringend ersucht,

·        der Wiederaufnahme der Bauarbeiten für die völlig veralteten Reaktorblöcke 3 und 4 in Mochovce, sowohl auf bilateralerer als auch auf der Ebene der Europäischen Union energisch entgegenzutreten,

·        beim Mehrheitseigentümer von Mochovce den österreichischen Protest gegen die Ausbaupläne des Hochrisiko-Reaktors zu deponieren,

·        auf die Betreiber des AKW Mochovce dahingehend hinzuwirken, dass im Sinne der Transparenz das AKW Besuchern zugänglich gemacht wird sowie Film und Fotoaufnahmen ermöglichen werden, um den wahren Zustand des AKW der Öffentlichkeit zu zeigen,

·        alle rechtlichen Schritte insbesondere eine Beschwerde bei der EU-Kommission zu prüfen.

Da Atomenergie insgesamt gesehen nicht nur eine umwelt- und menschenfeindliche sondern unter Einrechnung aller Kosten, welche heute nicht von den Verursachern sondern von der Allgemeinheit getragen werden, auch eine teure Energieform ist, wird die Bundesregierung ferner aufgefordert

·        sich dafür einzusetzen, dass der Ausstieg aus der Atomkraft in Europa vorangetrieben wird,

·        den Nachbarstaaten, die heute noch die Kernenergie als Zukunftslösung betrachten, durch Zusammenarbeit in Forschung, Entwicklung und Industrie nachhaltige Energielösungen aufzuzeigen und bei ihrer Umsetzung zu kooperieren,

·        eine noch stärkere Entwicklung von Erneuerbaren Energieträgern und  bewusstem Umgang mit Energie in Europa voranzureiben,

·        den Ausstieg Österreichs aus dem EURATOM-Vertrag zu bewirken.“

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Umweltausschuss vorgeschlagen.