916/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 11.12.2009
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Schatz, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Reform und Neudefinition des ArbeitnehmerInnenbegriffes

 

Eine grundlegende Reform des ArbeitnehmerInnenbegriffes ist Gebot der Stunde. Neben der längst überfälligen und von Gewerkschaften und Grünen jahrelang geforderten und der SPÖ versprochenen Gleichstellung von ArbeiterInnen und Angestellten muss eine sinnvolle und nötige Reform auch die vielen neu entstandenen  Beschäftigungsformen in den Grauzonen zwischen selbstständiger und unselbstständiger Erwerbarbeit umfassen, um diese wieder unter vollen arbeits- und sozialrechtlichen Schutz zu stellen. Dazu braucht es eine klare, eindeutige Abgrenzung zwischen unselbstständiger und selbstständiger Erwerbsarbeit, damit auch Scheinselbstständigkeit und Ausbeutung in prekären Arbeitsverhältnissen endlich ein Riegel vorgeschoben wird.

 

In den letzten 15 Jahre wurden bewusst rechtliche Graubereiche im Arbeitsrecht zugelassen bzw. geschaffen, um Personalkosten für Unternehmen zu verringern. Ein Beispiel ist der Freie Dienstvertrag, der über ein geringeres arbeits- und sozialrechtliches Schutzniveau als die klassisch unselbstständige Beschäftigung verfügt und eine Arbeit im ungenau definierten Feld zwischen unselbstständiger und selbstständiger Tätigkeit ermöglicht. Seit Schaffung der Vertragsform Mitte der 1990er Jahre ist die Anzahl der Freien Dienstverträge auf nunmehr 71 018 (2008) rasant angestiegen, dies entspricht heute bereits 1,9% aller Erwerbstätigen (zwei Drittel davon geringfügig beschäftigt). Eine andere Entwicklung ist die massive Ausbreitung der Werkverträge ohne Gewerbeschein auch für nicht klassisch selbstständige Personen. Die Anzahl dieser „Neuen Selbstständigen“ ist seit dem Jahr 2000 von 21 059 auf 39 481 im Jahr 2008 ebenfalls stark gewachsen.

 

In beiden Bereichen handelt es sich nicht immer um frei gewählte Vertragsformen durch ArbeitnehmerInnen, sondern vielmehr um Umgehungsverträge durch ArbeitgeberInnen zur Einsparung von Löhnen und Gehältern sowie Lohnnebenkosten oder Umgehung arbeitsrechtrechtlicher Auflagen. Personen werden beispielsweise als Freie DienstnehmerInnen oder WerkvertragsnehmerInnen beschäftigt, obwohl sie aufgrund ihrer Arbeitsaufgaben und anderer Rahmenbedingungen eigentlich unselbstständig beschäftigt werden müssten. Viele Freie DienstnehmerInnen und WerkvertagsnehmerInnen sind zwar häufig nicht persönlich von ihrem Arbeit- bzw. Auftraggeber abhängig, aber dafür wirtschaftlich. Durch die Ausbreitung dieser Beschäftigungsformen entstehen für die Betroffenen Probleme wie mangelnde und unterschiedliche sozial- und arbeitsrechtliche Absicherung, nicht-existenzsichernde Beschäftigung, ein Rückbau individueller und vor allem kollektiver Arbeitsrechte und keine Interessensvertretung. Insgesamt entsteht ein großer Druck auf das sogenannte Standard- bzw. Normalarbeitsverhältnis durch das „Aushöhlen von Rechten“ und Gegeneinander-Ausspielen von Beschäftigten (Lohn- und Sozialdumpingprozesse) und ein massiver Verlust von Sozialversicherungsbeiträgen der öffentlichen Kassen.

 

Mit der Aufnahme der freien DienstnehmerInnen und der Selbstständigen in die Arbeitslosenversicherung in der ALVG-Novelle vom Dezember 2007 hat die damalige SPÖ-ÖVP Regierung zwar erste Maßnahmen in Bezug auf die Ausweitung von arbeits- und sozialrechtlichen Standards auf atypisch Beschäftigte ergriffen, diese sind allerdings völlig unzureichend und bleiben ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wir sind der Meinung, dass die derzeitige Rechtslage bei Weitem nicht ausreicht, bestehende Probleme im Bereich der atypischen und prekären Beschäftigung und das damit verbundene Lohn- und Sozialdumping in ganzen Branchen zu bekämpfen. Im Gegenteil, das bestehende Recht begünstigt sogar die negative Entwicklung. Es gibt Bereiche, wo die oben genannten Vertragsformen besonders stark und weit über das notwendige und von den ArbeitnehmerInnen erwünschte Maß angewendet werden und zur Verschlechterung der Arbeits- und Einkommensbedingungen der gesamten Branchen geführt haben. Beispiele sind etwa der Postsektor, insbesondere die Zustellung von Briefen, Paketen und Werbung, die Medienbranche, kreative Industrien, Teile der Wissenschaft und Forschung oder auch die Baubranche.

 

Mit der Erweiterung des ArbeitnehmerInnenbegriffes (der derzeit nur auf die persönliche Abhängigkeit abzielt) um die Dimension der wirtschaftlichen Abhängigkeit könnte Lohn- und Sozialdumping endlich effektiv bekämpft werden. Eine Erweiterung muss in die Richtung gehen, wirtschaftlich in hohem Maße abhängige, persönlich aber relativ unabhängige Personen in den ArbeitnehmerInnenbegriff einzubeziehen. Damit würden arbeitnehmerähnliche Beschäftigte wieder in das Arbeitsrecht und das Sozialversicherungssystem voll einbezogen werden. Eine leichtere Überprüfbarkeit der Merkmale unselbstständiger bzw. selbstständiger Beschäftigung und eine Verringerung der Zugangsbarrieren zu dauerhafter und betrieblich integrierter Beschäftigung wären darüber hinaus möglich. Es käme zu einer Ausdehnung der betrieblichen und kollektiven Mitbestimmung sowie einer Erweiterung des Personenkreises für den arbeitsrechtliche Regelungen (Gesetze, Kollektivverträge, Satzungen, Mindestlohntarife, Lehrlingsentschädigung, Betriebsvereinbarungen, etc.) gelten.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz wird dazu aufgefordert, bis spätestens 1. März 2010 eine Regierungsvorlage zur Reform des ArbeitnehmerInnenbegriffes vorzulegen, die folgende Punkte beinhaltet:


 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales vorgeschlagen.