10088/AB XXIV. GP

Eingelangt am 23.02.2012
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

BMJ-Pr7000/0362-Pr 1/2011


Republik Österreich
die bundesministerin für justiz

 

 

Museumstraße 7

1070 Wien

 

Tel.: +43 1 52152 0

E-Mail: team.pr@bmj.gv.at

 

 

Frau
Präsidentin des Nationalrates

 

Zur Zahl 10236/J-NR/2011

Die Abgeordneten zum Nationalrat Karl Öllinger, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Einhaltung von Vereinbarungen nach Art. 15a B-VG durch die VertragspartnerInnen und Rechtsfolgen der Nichteinhaltung“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 3:

Folgende Vereinbarungen gemäß Art. 15a B-VG wurden im Bereich des Justizressorts abgeschlossen; sie sind im Einzelnen im Rechtsinformationssystem des Bundes abrufbar:

·         Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über gemeinsame Maßnahmen des Bundes und der Länder beim Personalaufwand für Lehrer an allgemeinbildenden Pflichtschulen, bei der Förderung des Wohnbaus und der Wohnhaussanierung sowie bei der Dotierung des Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds, BGBl. Nr. 390/1989,

·         Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über zivilrechtliche Bestimmungen betreffend den Verkehr mit Baugrundstücken, BGBl. Nr. 260/1993,

·         Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Niederösterreich über die bezirksgerichtliche Organisation im Land Niederösterreich, BGBl. Nr. 585/1991,


·         Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern zur Abgeltung stationärer medizinischer Versorgungsleistungen von öffentlichen Krankenanstalten, BGBl. I Nr. 4/2009,

·         Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern betreffend den Personalaufwand Lehrer, Förderung des Wohnbaus und der Wohnhaussanierung, Dotierung des Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds, BGBl. I Nr. 2/2008,

·         Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern betreffend Maßnahmen im Gebäudesektor zum Zweck der Reduktion des Ausstoßes an Treibhausgasen,  BGBl. II Nr. 251/2009.

Art. 15a BVG Vereinbarungen sind grundsätzlich nicht im engeren Sinn rechtlich durchsetzbar. Nach Art. 138a B-VG besteht lediglich die Möglichkeit, beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) die Feststellung zu begehren, dass eine solche Vereinbarung vorliegt (d.h. dass sie gültig zustande gekommen ist) und ob von einem Land oder dem Bund die aus dieser Vereinbarung folgenden Verpflichtungen erfüllt worden sind. Solche Verpflichtungen können daher nicht direkt eingeklagt werden, es sei denn aus der Vereinbarung resultieren vermögensrechtliche Ansprüche, die nach Art. 137 B-VG beim VfGH einzuklagen wären (siehe Öhlinger, Verfassungsrecht³ 412 f).

Gemäß Art. 15a Abs. 3 B-VG sind auf Vereinbarungen nach Art. 15a B-VG die Grundsätze des völkerrechtlichen Vertragsrechts anzuwenden. Enthält ein Vertrag keine eigenen Regeln betreffend Nichterfüllung durch einen der Vertragspartner, sind die entsprechenden Vorschriften des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WVK; BGBl. Nr. 40/1980) anzuwenden. Diesbezüglich könnte für den Fall einer erheblichen Verletzung eines Vertrages Art. 60 WVK zur Anwendung kommen.

Soweit jedoch Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung Gegenstand von Art. 15a B‑VG Vereinbarungen sein können (von der Lehre wird dies bejaht), wären daraus resultierende Ansprüche wohl auch vor den ordentlichen Gerichten zwischen den Vertragsparteien (und allenfalls wohl auch unmittelbar berechtigten Dritten) durchsetzbar.

Zu 4 und 5:

Sollten Verzögerungen bei der Erfüllung von Leistungsverpflichtungen auftreten, wird in Gesprächen mit Vertretern der betroffenen Länder auf eine Lösung hingearbeitet. Der Einsatz der oben dargestellten Möglichkeiten zur Rechtsdurchsetzung war bislang nicht erforderlich.

 

Wien,       . Februar 2012

 

Dr. Beatrix Karl