11558/AB XXIV. GP

Eingelangt am 23.07.2012
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BM für Wissenschaft und Forschung

Anfragebeantwortung

 

Beschreibung: BM

 

 

 

 

 

                                                                                                                                                   BMWF-10.000/0174-III/4a/2012

 

 

Frau                                                                                                                              

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

 

Wien, 19. Juli 2012

 

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 11754/J-NR/2012 betreffend Forschungsreaktor Wien, die die Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen am
23. Mai 2012 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:

 

 

Zu Frage 1:

Der geplante Brennelementetausch beruht auf einer autonomen Entscheidung der Technischen Universität Wien. Es besteht daher keine Informationspflicht des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung.

 

Zu Frage 2:

Die Leihe der neu zu beziehenden Brennelemente beträgt € 1,115.000,-- (mit Transportkosten
€ 2,615.000,--). Die Betriebskosten belaufen sich auf rund € 15.000,-- pro Jahr. Rücknahme und Entsorgung der Brennelemente am Ende der Laufzeit werden nach heutiger Information etwa
4 Mio. US-Dollar kosten.


Da es sich um Hochleistungsforschungsinfrastruktur handelt, sind die Kosten nicht mit Studienkosten vergleichbar. Was das bereits in der Präambel zur Anfrage angesprochene Bachelor-Studium „Internationale Entwicklung“ an der Universität Wien anlangt, verweise ich auf meine ausführlichen Beantwortungen der Anfragen Nr.11353/J, 11414/J und 11440/J-NR/2012 (11199/AB, 11200/AB und 11205/AB).

 

Zu Frage 3:

Bei dem Reaktor des Atominstituts handelt es sich um einen Forschungsreaktor, der für Ausbildung, Forschung und Isotopenproduktion eingesetzt wird (Training, Research, Isotope Production, General Atomic = TRIGA). Im Rahmen des Atominstituts werden betrieblicher Strahlenschutz sowie sechs Forschungsbereiche behandelt, die als Schwerpunkte Angewandte Quantenphysik, Atomphysik und Quantenoptik, Kern- und Teilchenphysik, Neutronen- und Quantenphysik, Strahlenphysik sowie Tieftemperaturphysik und Supraleitung umfassen. Diese Bereiche sind international stark vernetzt und leisten wertvolle Ausbildungs- und Trainingsarbeit für internationale Organisationen, z.B. die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) mit Sitz in Wien.

 

Neben den herausragenden wissenschaftlichen Arbeiten am Forschungsreaktor selbst ermöglicht er die Entwicklung von Methoden und Experimenten, die dann an internationalen Großforschungseinrichtungen wie dem Institute Laue-Langevin (ILL) und der geplanten europäischen Spallationsquelle (ESS) durchgeführt werden. Diese Möglichkeit, am Forschungsreaktor Methoden und Experimente vor Ort zu entwickeln, bietet einen sehr großen Standortvorteil für österreichische Forschungsgruppen.

 

Zu Frage 4:

Nein. Der Reaktor wird nicht als US Gouvernement Asset klassifiziert werden.

 

Zu Fragen 5 und 10:

Angesichts der Verbringung der hochangereicherten Brennelemente in die USA bzw. einer Neubeschickung des Reaktors ist für die Zukunft de facto ein verringertes Strahlungsrisiko gegeben. Die Entnahme und der Tausch der Elemente sind aufgrund der niedrigen Strahlungswerte eines auch im internationalen Vergleich klein dimensionierten Forschungsreaktors unbedenklich. Der Transport wird im Übrigen durch eine Firma durchgeführt werden, die jahrelange Erfahrung im Bereich des Transports von Nuklearmaterial verfügt.

 

Zu Fragen 6 und 7:

Ja, der Rücktransport ist vertraglich abgesichert. Es handelt sich dabei um ein Vertragsverhältnis zwischen der Technischen Universität Wien und dem US-Department of Energy (DoE).

 

Zu Frage 8:

Der Rücktransport der Brennelemente wird voraussichtlich 2012 erfolgen.

 

Zu Frage 9:

Der Reaktor soll zumindest bis 2025 weiterbetrieben werden. Die leihweise Überlassung von niedrig angereicherten Brennelementen durch das US-DoE ist vertraglich festgelegt.


Zu Frage 11:

Auf Basis des Vertrages zwischen der Technischen Universität Wien und dem US-DoE werden auch alle hochangereicherten Brennelemente in die USA rückgeführt. In der Folge werden lediglich die leihweise überlassenen niedrig angereicherten Brennelemente zum Einsatz kommen. Der Transport erfolgt durch eine für Transporte mit Nuklearmaterial erfahrene Firma.

 

Zu Fragen 12 und 13:

Nein.

 

Zu Fragen 14 und 15:

Eine Rückführung der Brennelemente in die USA ist vertraglich geregelt und wird erfolgen. Die Errichtung eines Endlagers ist daher nicht erforderlich.

 

Zu Frage 16:

Die Publikation ist bekannt und befindet sich in der Publikationsdatenbank der TU Wien. Grundlage der Publikation ist eine von Markus Haydn am Atominstitut durchgeführte Diplomarbeit im Jahr 2009.

 

Zu Fragen 17, 18 und 23:

Der Sicherheitsbericht wird jährlich im Rahmen der behördlichen Überprüfung gemäß § 17 Strahlenschutzgesetz durch von der Behörde bestellte qualifizierte Sachverständige überprüft und gegebenenfalls aktualisiert.

 

Zu Fragen 19 und 20:

Der Sicherheitsbericht bzw. die Sicherheitsanalyse, Störfallanalyse und Notfallplanung werden aufgrund der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen des Strahlenschutzgesetzes und der Allgemeinen Strahlenschutzverordnung überprüft.

 

Zu Frage 21:

Herangezogen wurde die Hauptwindrichtung; als Wetterlage wurde Kategorie E verwendet, da diese in allen möglichen Szenarien die höchste Dosisbelastung in Windrichtung liefert. Auf Grund von 10.170 durchgeführten Messungen wurde eine Windrichtung aus WNW als wahrscheinlichste Windrichtung angenommen.

 

Zu Frage 22:

Niederschlag würde die Dosis nur minimal erhöhen, da der Großteil freigesetzter Radionuklide aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften mit Regen nicht aus der Atmosphäre ausgewaschen wird.

 

Zu Frage 24:

Ein Störfall würde durch die vorgesehenen Einsatzmaßnahmen der verantwortlichen Einsatzkräfte abgedeckt werden. Eine Messstation des vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betriebenen Strahlenfrühwarnsystems ist am Gelände des Atominstituts im Einsatz.


 

Zu Fragen 25 bis 27:

Die Berechnungen ergaben, dass die effektive Dosis nach einem Tag im Bereich von 105 bis 210 m Entfernung vom Reaktorgebäude in Hauptwindrichtung 372 µSv beträgt. Abseits der Hauptwindrichtung sowie in größerer Entfernung ist die effektive Dosis entsprechend geringer. Außerhalb eines Radius von 0,6 km ist die Dosis bereits kleiner als 100 µSv und außerhalb eines Radius von 4,38 km ist sie bereits kleiner als 10 µSv.

 

Als Vergleichswert ist anzuführen, dass die Strahlenbelastung bei einem Interkontinentalflug zu einer Dosis von rund 100 µSv durch kosmische Höhenstrahlung führt.

 

Zu Frage 28:

Es besteht eine Haftungsübernahme durch das Bundesministerium für Finanzen, deren aktualisierte Höhe im jährlichen Bundesfinanzgesetz festgeschrieben ist.

 

Zu Frage 29:

Zur Erinnerung ist festzuhalten, dass das Atominstitut nach dem Reaktorunfall in Fukushima ein Infocenter eingerichtet hat, das über mehrere Wochen zahlreiche Fragen der Bevölkerung, der Medien und offizieller Stellen sowie in- und ausländischer Expert/innen telefonisch und per
E-mail beantwortet hat. 2011 erfolgte auf japanisches Ersuchen die Vornahme spezifischer schwieriger Analysen (Plutonium und Strontium-90), womit ein konkreter Beitrag zur Bewältigung der Folgen der Nuklearkatastrophe in Japan geleistet werden konnte.

Seit 50 Jahren (10.488 Betriebstage) ist der Reaktor ein wesentliches Instrument für Forschung und Lehre an der TU Wien. Anzuführen sind insgesamt 3.597 wissenschaftliche Publikationen (240 davon in den vergangenen zwei Jahren), 658 Diplomarbeiten (davon 36 in den vergangenen zwei Jahren) und 377 Dissertationen (davon 11 in den vergangenen zwei Jahren). Rund 200 Studierende nutzen pro Jahr das Lehrangebot rund um den Reaktor. Die reaktornahen Forschungsbereiche zählen kontinuierlich zu den produktivsten und innovativsten der Fakultät für Physik. Die eingeworbenen Drittmittel dieser Bereiche betrugen in den vergangenen zehn Jahren rund 16,5 Mio. €.

 

Der Reaktor wird von physikalischen Studienrichtungen, hauptsächlich der TU Wien, aber auch z.B. der Universität Wien genutzt. Die Forschungsgruppen am Atominstitut, die den Reaktor kontinuierlich nutzen, umfassen die Bereiche Neutronenphysik, Strahlenphysik, Tieftemperatur-physik, Atom- und Quantenphysik und Quantenmeteorologie.

 

Zu Fragen 30 und 31:

Siehe Antwort zu Frage 29. Zusätzlich wird der Reaktor auch von der IAEA, dem Naturhistorischen Museum, dem Institut für Hochenergiephysik der ÖAW, der Isotopenforschung der Universität Wien und dem AIT Seibersdorf genutzt. Der Zugang für betriebsfremde Personen wird über den Betrieblichen Strahlenschutz geregelt. Die Nutzung umfasst den Einsatz von Neutronen oder Gammastrahlung (Gerätetest, Neutronenaktivierung, Grundlagenforschung, Archäometrie usw.) bzw. Schulung und Weiterbildung künftiger Sicherheitskontroll-inspektor/innen der IAEA. Eine Kostenbeteiligung der genannten Institutionen erfolgt auf vertraglicher Basis.


Zu Frage 32:

Schutz, Überwachung und Kontrolle der Sicherheit erfolgen gemäß den Bestimmungen des Strahlenschutzgesetzes, der Allgemeinen Strahlenschutzverordnung und des Sicherheits-kontrollgesetzes.

 

Zu Frage 33:

Die Schutzmaßnahmen entsprechen den gesetzlichen Vorgaben Österreichs und damit den Richtlinien der Europäischen Union.

 

Zu Frage 34:

Überprüfungen werden entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen jährlich durchgeführt (siehe § 17 StrSchG), wobei als überprüfende Behörden das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, das Arbeitsinspektorat, die AGES und andere beteiligt sind.

 

Zu Fragen 35 bis 38:

Eine verbindliche Regelung besteht in Form der EU-Richtlinie 2009/71/EURATOM über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen, ABl.Nr. L172, in Österreich, umgesetzt durch die Novelle zur Allgemeinen Strahlenschutzverordnung BGBl. II Nr. 76/2012 vom 19. März 2012.

 

Zu Fragen 39 und 44:

Sicherheitskontrollen durch EURATOM bzw. die IAEA werden jährlich vorgenommen.

 

Zu Frage 40:

Ja, die Resolution 1540 (2004), verabschiedet auf der 4956. Sitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen am 28. April 2004 betreffend Maßnahmen zur Nichtverbreitung nuklearer, chemischer und biologischer Waffen und ihrer Trägersysteme, ist bekannt.

 

Zu Frage 41 bis 43:

Am Areal des Forschungsreaktors befinden sich acht unbestrahlte und 96 bestrahlte Brennelemente.

 

Die Aktivität der unbestrahlten Brennelemente liegt im Bereich von einigen Megabecquerel. Die Aktivität der bestrahlten Brennelemente ist naturgemäß höher als jene unbestrahlter Brennelemente. Genaue Daten sind im Atominstitut genau dokumentiert. Neun Brennelemente haben eine Anreicherung von 70 %, der Rest eine Anreicherung von 20 %. 

 

Die bestrahlten Brennelemente befinden sich im Kern, im Trockenlager und im Reaktorpool. Die Sicherheitsvorschriften entsprechen den bescheidmäßigen Vorgaben des Bundesministeriums für Inneres.

 

Zu Frage 45:

Am 14. September 2011.

 

Zu Frage 46:

Ja, die letzte statische Berechnung wurde im April 2011 gemäß aktuellem Normenstand (Eurocodes) durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Berechnung sind dokumentiert.


Zu Frage 47:

Folgen von Erdbeben sind in die Sicherheitsanalyse miteinbezogen und stellen einen Teil des Sicherheitsberichts dar. Siehe auch Antwort zu Frage 46.

 

Zu Frage 48:

Laut Sicherheitsanalyse, Störfallanalyse und Notfallplanung ist die Gefährdung als gering einzustufen.

 

Zu Frage 49:

Nein, laut den Untersuchungen sind keine Nachrüstungsbedürfnisse gegeben.

 

Zu Frage 50:

Die Forschungsreaktoren in Seibersdorf und Graz sind aufgrund ihrer unterschiedlichen  Reaktorleistung nicht mit dem Forschungsreaktor am Atominstitut vergleichbar. Ein mit dem TRIGA Mark II Reaktor Wien vergleichbarer Reaktor ist der TRIGA Mark II Reaktor am Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg (DKFZ). Dieser Reaktor wurde im Jahre 1999 abgeschaltet und nach der Rückführung der Brennelemente in die USA dekommissioniert. Die Kosten hierfür betrugen € 6,720.000,-- und sind aufgrund der größeren Dimensionierung des DKFZ nur bedingt auf den Forschungsreaktor in Wien umzulegen.

 

 

 

 

Die Entsorgungskosten der mit 20 % Uran-235 niedrig angereicherten Brennelemente betragen US-Dollar 5.625,-- pro Kilogramm für die Endlagerung in den USA. Die nicht verstrahlten Teile des Reaktors müssen nicht abgetragen werden, sondern können für eine Nachnutzung adaptiert werden.

 

 

Der Bundesminister:

o. Univ.-Prof. Dr. Karlheinz Töchterle e.h.