11892/AB XXIV. GP

Eingelangt am 24.08.2012
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BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

 

 

Alois Stöger

Bundesminister

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Maga. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien    

 

 

 

 

 

GZ: BMG-11001/0222-I/A/15/2012

Wien, am 23. August 2012

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 12449/J des Abgeordneten Vock und weiterer Abgeordneter nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Fragen 1 bis 3:

Das mit Glutamat in Verbindung gebrachte „China-Restaurant-Syndrom“ wurde erstmals 1968 nach dem Verzehr eines chinesischen Gerichts beschrieben. Neben anderen Ursachen wurde u.a. auch eine Beteiligung von Glutamat angenommen, die jedoch bislang nicht belegt werden konnte. Eine kontrollierte klinische Doppelblind-studie fand keinen statistischen Zusammenhang zwischen dem beschriebenen Symptomenkomplex und dem Verzehr von Glutamat bei Personen, die glaubten, negativ auf Mononatriumglutamat zu reagieren.


Glutaminsäure kommt natürlicherweise in gebundener Form als Bestandteil von Proteinen in vielen Lebensmitteln vor. Über die Nahrung nehmen wir bei Mischkost täglich etwa 8 bis 12 g Glutamat auf, des Weiteren bildet der menschliche Körper auch selbst Glutaminsäure. Man kann daher davon ausgehen, dass der Mensch Glutamat gut verstoffwechseln kann.

 

Für die geschmacksverstärkende Wirkung ist die ungebundene Form verantwortlich. Lebensmittel mit von Natur aus hohen Anteilen an freiem Glutamat sind z. B. Käse, Fische, Paradeiser und Pilze.

 

Als Geschmacksverstärker in der Lebensmittelproduktion eingesetzt, zählt Glutamat zu den EU-weit zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffen. Grundlage jeder Lebens-mittelzusatzstoffzulassung ist eine Sicherheitsbewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (früher Wissenschaftlicher Lebensmittelausschuss SCF). Zu Glutamat kam das Gremium zu dem Schluss, dass es bei der Aufnahme in der technologisch erforderlichen Menge keine Gefahr für die Gesundheit darstellt. Auch der Aspekt der möglichen Auslösung von Überempfindlichkeitsreaktionen wurde behandelt. SCF und Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives prüften die diesbezüglichen Studien und folgerten, dass einerseits ein Zusammenhang mit Glutamat nicht bestätigt werden konnte, andererseits ähnliche Reaktionen auch durch den Verzehr von Speisen oder Getränken ohne Glutamat-Zusatz ausgelöst wurden. Laut Federation of American Societies for Experimental Biology reagiert ein geringer Prozentsatz der Bevölkerung unter untypischen Verzehrsbedingungen mit reversiblen nicht lebensbedrohlichen Symptomen. Diese Reaktionen traten bei ansonsten gesunden Personen nach Verabreichung großer Mengen Natriumglutamat (3g oder mehr) auf nüchternen Magen und in Abwesenheit von Lebensmitteln auf.

 

Da einerseits Glutamat nicht als Verursacher des „China-Restaurant-Syndrom“ festgestellt werden konnte, andererseits eine Überempfindlichkeitsreaktion bei einzelnen sensiblen Personen nicht völlig ausgeschlossen werden kann, sollten Konsumentinnen und Konsumenten grundsätzlich Wahlfreiheit haben und selbst entscheiden können, ob sie Glutamat oder andere, ähnlich wirkende Geschmacksverstärker aufnehmen möchten oder nicht. Daher schreibt die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 (BGBl. Nr. 557/1993, idgF) auch eine verpflichtende Auflistung aller Zutaten (wozu auch die Zusatzstoffe zählen) eines Produktes vor. In der Zutatenliste sind Zusatzstoffe mit dem spezifischen Namen bzw. der entsprechenden E-Nummer unter Voranstellung des Klassennamen „Geschmacksverstärker“ anzugeben.

 

Frage 4:

Unter Zugrundelegung der Schlussfolgerungen der Gremien erachte ich eine Über-wachung der Aufnahme von Glutamat durchaus für sinnvoll. So wurde im Rahmen des Monitorings der Lebensmittelzusatzstoffaufnahme der österreichischen Bevölkerung im Jahr 2010 von meinem Ministerium in Zusammenarbeit mit der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit und den Lebensmittelin-spektor/inn/en der Verzehr von freier Glutaminsäure und Mono-Glutamaten über pikante Knabbererzeugnisse erhoben. Die dabei ermittelten Aufnahmemengen von 0,14 g (Kinder) bis 0,32 g (Männer) Glutamat pro Tag, bei durchschnittlichen Glutamatgehalten von ca. 3 g/kg Erzeugnis, gaben keinen Grund zur Besorgnis.

 

Frage 5:

Der Zusammenhang zwischen Glutamat und „Heißhungerattacken“ ist wissen-schaftlich umstritten. Derzeit gibt es keine Hinweise dafür, dass Glutamat die Blut-Hirnschranke passieren kann und somit auf das Sättigungsgefühl einwirkt (das im Gehirn entsteht).

 

Grundsätzlich ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Ursachen für Übergewicht und insbesondere für Adipositas („Fettsucht“) vielfältig sind und letztlich neben den mannigfaltigen ernährungsrelevanten Faktoren auch Bewegungsfaktoren, soziale Faktoren und Bildungs- bzw. Teilhabefragen eine maßgebliche Rolle spielen. Zusatzstoffe und deren mögliche oder vermutete Wirkung auf die Entwicklung von Übergewicht und Fettleibigkeit spielen hier eine sehr untergeordnete Rolle. Eine Beeinflussung des Ernährungsverhaltens über rechtliche Regelungen für Lebensmittelzusatzstoffe erscheint damit nicht zielführend.

 

Mein Bestreben ist es vielmehr, für eine möglichst klare Lebensmittelkennzeichnung zu sorgen und alles daran zu setzten, die Österreicherinnen und Österreicher zu einem gesünderen Ernährungsverhalten zu motivieren, sie dazu zu befähigen und ihnen dieses auch zu ermöglichen. Das soll mit dem nationalen Aktionsplan Ernährung (NAP.e) gelingen. Durch einen vielfältigen Mix an Maßnahmen werden wir erreichen, dass die gesündere Wahl die leichtere wird. Hier geht es einerseits darum, den Zugang zu gesünderen Angeboten zu ermöglichen, d.h. die (Ernährungs)Ver-hältnisse, in denen die Menschen leben, arbeiten, lernen und spielen, zu verändern und andererseits darum, die Menschen auch zu befähigen bzw. zu motivieren, dass sie die gesünderen Alternativen nicht nur erkennen sondern auch essen/trinken möchten. Es geht um Vielfalt, Attraktivität und Ausgewogenheit im Angebot, um Regionalität und Saisonalität als Frische-, Umwelt- und Arbeitsplatzargument und letztlich geht es ganz stark auch um Marketing- und Präsentationsfragen. Die im Grunde einfache Formel lautet mehr Obst- und Gemüse, mehr Vollkorn und Hülsenfrüchte, mehr (magere) Milchprodukte, weniger Fleisch und Wurst, weniger Süßigkeiten und Weißgebäck, süße Getränke und fette, salzige und/oder süße Snacks nur hin und wieder. Dort, wo notwendig und sinnvoll, sind auch ordnungspolitische Maßnahmen zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung Teil des Maßnahmenmix, wie ich sie z.B. mit der Transfettsäuren-Verordnung getroffen habe.

 

Näheres zu den Zielen und Maßnahmen in Bezug auf Ernährung finden Sie auf der Homepage meines Ressorts:

http://bmg.gv.at/home/Schwerpunkte/Ernaehrung