12120/AB XXIV. GP

Eingelangt am 05.09.2012
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

BMJ-Pr7000/0204-Pr 1/2012


Republik Österreich
die bundesministerin für justiz

 

 

Museumstraße 7

1070 Wien

 

Tel.: +43 1 52152 0

E-Mail: team.pr@bmj.gv.at

 

 

Frau
Präsidentin des Nationalrates

 

Zur Zahl 12292/J-NR/2012

Der Abgeordnete zum Nationalrat Mag. Johann Maier und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Budget Justizressort: Einnahmen aus vermögensrechtlichen Anordnungen“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 4 und 8 bis 13:

Vorauszuschicken ist, dass das Rechnungswesen nur zwischen Abschöpfung der Bereicherung, verfallenen Vermögenswerten und sonstigen Einziehungen zum Bundesschatz unterscheidet. Eine detailliertere Aufschlüsselung oder eine Aufschlüsselung nach Anzahl der vermögensrechtlichen Verfügungen ist daher nicht möglich. Es ist jedoch beabsichtigt, für 2013 neue, differenzierte Budgetpositionen beim Bundesministerium für Finanzen (BMF) zu beantragen.

Zur Höhe der Einnahmen aus vermögensrechtlichen Anordnungen ergaben die Auswertungen folgende Übersicht:


Finanzposition

2/13204-8851

Bezeichnung

2008

2009

2010

2011

2012

901

Abschöpfung der Bereicherung

691.948,08

841.567,40

964.039,48

4,974.281,22

 -229.368,34*

902

Verfallene Vermögenswerte

103.215,32

1,040.646,34

19.881,57

69.068,71

1,044.076,12

990

Sonstige Einziehungen zum Bundesschatz

626.951,06

550.652,05

2,941.335,73

688.021,39

2,710.616,53

900

Einziehungen zum Bundesschatz (gesamt)

1,422.114,46

2,432.865,79

3,925.256,78

5,731.363,23

3,525.324,31

* Einnahmen 392.796,18 € und Rückerstattung 604.164,56 €

Im Jahr 2007 gab es nur die Finanzposition 2/30204-8851.000 „Einziehungen zum Bundesschatz“ mit einem Erfolg von 812.579,31 Euro. Andere Erlöse zum Beispiel aus der Abschöpfung der Bereicherung wurden unter 2/30204-8173.990 „Sonstiges“ verbucht und können nicht herausgefiltert werden.

Zu 5 und 6:

Die genannten Verwertungserlöse sind in oben angeführten Zahlen enthalten. Eine genauere Aufschlüsselung wäre aus dem bestehenden Rechnungswesen nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich.

Zu 7:

Eine Auswertung aus der Verfahrensautomation Justiz (VJ) ergab folgende Übersicht:

Anzahl der Konfiskationen nach § 19a StGB

Jahr

BAZ

HV

ST

GESAMT

2011

 

39

35

74

2012*

1

117

65

183

Summe

1

156

100

257

*) Stand 1.8.2012

Zu 14:

Die Einnahmen aus Einziehungen zum Bundesschatz gehören zu den Gesamteinnahmen des Ressorts und werden nicht gesondert verwendet. Im Rahmen der Mehreinnahmen können Mehrausgaben erfolgen oder die Mehreinnahmen der Rücklage zugeführt werden.


Zu 15 und 16:

Soweit überblickbar gibt es weder in der Lehre noch in der Rechtsprechung zivilrechtliche Abhandlungen zum Verhältnis von Rechtsgeschäften von Todes wegen und der strafrechtlichen Gewinnabschöpfung.

Zu 17:

Aussagekräftige Erfahrungswerte zur Regelung des Verfalls gemäß § 20 StGB idF BGBl. I Nr. 108/2010 können im Hinblick auf das Inkrafttreten mit 1. Jänner 2011 noch nicht gewonnen werden, weil sich die Anwendbarkeit der Bestimmungen über vermögensrechtliche Anordnungen nach dem Zeitpunkt richtet, zu dem die Straftat begangen wurde, auf welche sich die Maßnahme bezieht. Die durch das Strafrechtliche Kompetenzpaket (sKp) geänderten Regeln über den Verfall sind gemäß §§ 1, 61 StGB nur dann anzuwenden, wenn sie für die Betroffenen nicht ungünstiger sind als das alte Recht. Beim Günstigkeitsvergleich ist streng fallbezogen in einer konkreten Gesamtschau der Unrechtsfolgen zu prüfen, welches Gesetz in seinen Gesamtauswirkungen für den Täter vorteilhafter wäre.

Als vergleichbare vermögensrechtliche Anordnung sah die alte Rechtslage die – nach dem sogenannten Nettoprinzip zu berechnende – Abschöpfung der Bereicherung vor (§ 20 StGB aF), von der abzusehen war, soweit die Zahlung des Geldbetrags das Fortkommen des Bereicherten unverhältnismäßig erschweren oder ihn unbillig hart treffen würde, insbesondere weil die Bereicherung im Zeitpunkt der Anordnung nicht mehr vorhanden ist, wobei aus einer Verurteilung erwachsende andere nachteilige Folgen zu berücksichtigen waren (§ 20a Abs. 2 Z 3 StGB aF, siehe OGH 2012-03-08 13 Os 2/12m).

Da das frühere Recht in den meisten Fällen in seiner Gesamtauswirkung daher günstiger sein wird, gelangte dieses somit auch im Jahr 2011 noch vermehrt zur Anwendung, sodass eine aussagekräftige Evaluierung der neuen Bestimmungen noch nicht vorgenommen werden kann.

Zu 18:

Die Europäische Kommission präsentierte den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sicherstellung und Einziehung von Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union am 12. März 2012.

Am 3. April 2012 erfolgte eine erste Debatte im CATS.

Beim JI-Rat am 26./27. April 2012 wurde der Vorschlag von der Kommission vorgestellt. Beim JI-Rat am 23./24. Juli 2012 wurden einzelne Fragen erörtert.

Die ersten Beratungen auf Ebene der Ratsarbeitsgruppe haben am 29. Mai 2012, am 19. und 20. Juni 2012 und am  5. und 6. Juli 2012 stattgefunden.


Österreich steht dem Vorschlag der Kommission grundsätzlich sehr positiv gegenüber. In den letzten Jahren wurde in Österreich bereits eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, die ebenso unter dem Motto „Verbrechen dürfen sich nicht lohnen“ standen. Einige dieser Bestrebungen finden sich nun auch in dem Vorschlag der Kommission wieder. So ist beispielsweise in Art. 10 Abs. 2 des Vorschlages vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen einführen müssen, die eine geeignete Verwaltung dieser Vermögensgegenstände sicherstellen. Hierzu gehört auch die Befugnis, sichergestellte Vermögensgegenstände zu veräußern, zumindest dann, wenn damit zu rechnen ist, dass sie an Wert verlieren werden, oder wenn ihre Verwahrung unrentabel ist.

Diese Bestimmung wird in Österreich bereits durch die im 2. Stabilitätsgesetz 2012 (2. StabG 2012) enthaltende Änderung der Strafprozessordnung, mit Wirksamkeit vom 1. September 2012 umgesetzt. So wird mit § 115e StPO idF 2. StabG 2012 die Möglichkeit der Veräußerung von sichergestellten bzw. beschlagnahmten Vermögenswerte geschaffen. Die Verwahrung sichergestellter bzw. beschlagnahmter Vermögenswerten führt oftmals zu organisatorischen Problemen und ist teils mit enormen Kosten verbunden. Daher soll die Verwertung sichergestellter oder beschlagnahmter Vermögenswerte, die einem raschen Verderben oder einer erheblichen Wertminderung unterliegen oder sich nur mit unverhältnismäßigen Kosten aufbewahren lassen, ermöglicht werden. Der Erlös soll sodann an die Stelle der veräußerten Gegenstände treten. Die Entscheidung auf Verwertung soll auf Antrag der Staatsanwaltschaft vom Gericht getroffen werden, wobei diese jedoch solange zu unterbleiben hat, als die Gegenstände für Beweiszwecke benötigt werden (§ 110 Abs. 4 StPO). Die Verwertung wegen unverhältnismäßiger Aufbewahrungskosten soll weiters unterbleiben, wenn rechtzeitig ein zur Deckung dieser Kosten ausreichender Betrag erlegt wird. Personen, die von der Veräußerung betroffen sind, sollen vor der Verwertung verständigt werden.

Aus derzeitiger Sicht problematisch erscheinen beispielsweise die in Art. 11 vorgesehenen Berichtspflichten für die Mitgliedstaaten, die der Erstellung von Statistiken zu Bewertungszwecken dienen sollen. Selbstverständlich sind Statistiken ein wichtiges Instrument zur Beurteilung der Effektivität von Maßnahmen, doch scheinen die vorgesehenen Berichtspflichten im Verhältnis zu dem hiezu notwenigen zusätzlichen Verwaltungsaufwand für die Mitgliedstaaten nicht gerechtfertigt zu sein.

Ein wesentlicher Diskussionspunkt stellte in den Verhandlungen bisher Art. 5 (die Einziehung ohne vorherige Verurteilung) dar. Mit dieser Bestimmung enthält der Vorschlag der Kommission die sogenannte „Non-conviction based confiscation“. Dabei handelt es sich zwar um eine Einziehung im Zusammenhang mit einer Straftat, aber die Mitgliedstaaten können entscheiden, ob die Einziehung von einem Straf-, Zivil- oder Verwaltungsgericht angeordnet wird. Diese Einziehung ohne vorherige Verurteilung soll möglich sein, wenn eine strafrechtliche Verurteilung wegen Tod oder dauerhafter Erkrankung der betreffenden Person ausgeschlossen ist oder wenn Krankheit oder Flucht der Person eine wirksame Strafverfolgung innerhalb einer angemessenen Frist verhindert und die Gefahr besteht, dass die Strafverfolgung durch Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfristen ausgeschlossen wird.

In Österreich gibt es mit § 445 StPO bereits ein Modell der Einziehung ohne vorhergehende Verurteilung. In bestimmten Fällen, und dabei ist insbesondere an den Tod des Beschuldigten oder dessen mangelnde Zurechnungsfähigkeit zu denken, müssen der Verfall und die Einziehung auch ohne eine Verurteilung möglich sein. Die Verhandlungen zu diesem Punkt gestalten sich aber schwierig, da es dieses Modell in etlichen Mitgliedstaates überhaut nicht gibt. Sollte, wie derzeit vorgesehen ist, auch die Möglichkeit vorgesehen werden, dass diese Entscheidung in einem Zivilverfahren getroffen werden kann, so könnte dies darüber hinaus Probleme unter dem Aspekt der gegenseitigen Anerkennung aufwerfen.

In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass der Rahmenbeschluss 2006/783/JI des Rates vom 6. Oktober 2006 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Einziehungsentscheidungen auf Entscheidungen der Strafgerichte beschränkt ist.

 

Wien,       . September 2012

 

 

 

Dr. Beatrix Karl