12318/AB XXIV. GP

Eingelangt am 14.09.2012
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Bundeskanzler

Anfragebeantwortung

An die

Präsidentin des Nationalrats

MagBarbara PRAMMER

Parlament

1017     W i e n                                                   

GZ: BKA-353.110/0179-I/4/2012                                        Wien, am 14. September 2012

 

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Walser, Freundinnen und Freunde haben am 16. Juli 2012 unter der Nr. 12539/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfra­ge betreffend „Denkmal für Opfer der NS-Militärjustiz auf dem Ballhausplatz bzw. Hel­denplatz“ gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Zu Frage 1:

Ø  Warum hat sich der Bundeskanzler bisher nicht zur Frage des Standortes für ein Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz geäußert?

 

Meinen Respekt gegenüber den Wehrmachtsdeserteuren habe ich nicht nur in der von Ihnen zitierten Sondersitzung des Ministerrates am Nationalfeiertag 2009, son­dern bei vielen anderen Anlässen, vor allem auch bei den Ehrungen mehrerer Frei­heitskämpfer, zum Ausdruck gebracht.

 

Ich unterstütze die Bemühungen der Wiener Stadtregierung, ein solches Denkmal zu errichten. Zur Frage des Standortes habe ich mich deshalb noch nicht geäußert, da das Bundeskanzleramt mit dieser Frage bisher nicht offiziell befasst wurde. Ich bin überzeugt, dass es eine gute Lösung geben wird.

 

Zu Frage 2:

Ø  Ist es mit der Rehabilitierung dieser Opfergruppe durch die besagten beiden Bun­desgesetze alleine getan oder bedarf es Ihrer Meinung nach weitere Schritte um eine tatsächliche Rehabilitierung auf gesellschaftlicher Ebene zu erreichen?

 

Die Rehabilitierung von Opfergruppen ist grundsätzlich ein wichtiger und notwendi­ger, aber auch ein symbolischer Akt. Meiner Auffassung nach ist es wichtig und un­erlässlich, vor allem in Aufklärung und Bildungsmaßnahmen zu investieren. In die­sem Zusammenhang erinnere ich daran, dass Maßnahmen, junge Menschen stärker in politische Verantwortungsprozesse mit einzubeziehen, zu begrüßen sind. Weiters sind derzeit intensive Bemühungen im Gange, das Gedenken an die Opfer der politi­schen Justiz 1938 bis 1945 zu intensivieren und entsprechende Akzente zu setzen.

 

Zu den Fragen 3 bis 11:

Ø  Wie stehen Sie zu der von ihrem Fachminister Norbert Darabos in einer Anfrage­beantwortung (10751/AB XXIV. GP, Fr. 7-9) geäußerten Ansicht, dass Deserteu­re durch die Aufhebung der gegen sie verhängten Urteile „keine ‚Deserteure‘ mehr“ seien?

Ø  Teilen Sie die Einschätzung, dass durch Gesetze historische Tatsachen verän­dert werden können?

Ø  Befürworten Sie die Errichtung eines Denkmals für die Opfer der NS-Militärjustiz in Wien?

Ø  Befürworten Sie die Errichtung eines Denkmals für die Opfer der NS-Militärjustiz in anderen Bundesländern?

Ø  Wenn ja: Was tun sie dafür?

Ø  Ist es Aufgabe von Bund, Ländern oder Städten für die Errichtung solcher Denk­mäler zu sorgen?

Ø  In der bereits angeführten ORF-Pressestunde wurde der Bundespräsident von Alexandra Föderl-Schmid (Der Standard) gefragt: „Wenn Sie aus ihrem Fenster in der Hofburg schauen, können Sie ja auf die Krypta blicken, auf das äußere Burg­tor, dort soll jetzt eine Umgestaltung passieren. Sie selbst legen ja auch immer am 26. Oktober einen Kranz ab, als Gedenken an die Gefallenen der Weltkriege. Jetzt soll aber parallel dazu auch noch ein Denkmal errichtet werden, nach sehr langer Diskussion, für die Deserteure, die eben aus der Wehrmacht ausgestiegen sind. Die Frage ist ja, wo kommt das Denkmal hin? Für welche Positionierung sind Sie? Soll es innerhalb der Krypta sein, soll es anderswo am Heldenplatz sein oder soll ein völlig anderer Standort gesucht werden, etwa vis-à-vis vom Bundes­kanzleramt?“ Diese Frage trifft auf Sie genauso zu: Wie stehen Sie zur Möglich­keit ein Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz in das „Österreichische Helden­denkmal“, das das Äußere Burgtor darstellt, zu integrieren?

Ø  Sehen Sie hier die Gefahr – wie von einigen HistorikerInnen und/oder Wissen­schafterInnen sowie dem Personenkomitee „Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“ vorgebracht –, dass es zu einer Amalgamation von Opfern des NS-Regimes einerseits und andererseits ihre vermeintliche „Pflicht“ in der Wehrmacht Erfüllenden kommt?

Ø  Wie stehen Sie zur Möglichkeit ein Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz dem „Österreichische Heldendenkmal“ gegenüber, also in der Nähe des Leopoldini­schen Traktes, zu errichten?

 

Obwohl diese Fragen nicht meinen Zuständigkeitsbereich betreffen, verfolge ich alle Diskussionen intensiv und messe der Frage eines zeitgemäßen Gedenkens unter Wahrung historischer Verantwortung für die Politik der Gegenwart ganz besondere Bedeutung zu. In vielen von Ihnen angesprochenen Themenfeldern finden derzeit intensive Diskussionen unter Einbeziehung zahlreicher Expertinnen und Experten statt. Ich möchte das Ergebnis dieser Diskussionen, vor allem auch innerhalb der Stadt Wien abwarten. Die Intensität der Diskussionen und die grundlegende Zielrich­tung bewerte ich sehr positiv.

 

Zu den Fragen 12 und 13:

Ø  Wie stehen Sie zur Möglichkeit ein Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz auf der als Beilage 1 beigelegten und mit „XX“ gekennzeichneten Fläche zu errichten – also „etwa vis-à-vis vom Bundeskanzleramt“ wie im obigen Zitat?

Ø  Die Fläche steht im Besitz der Stadt Wien und ist historisch als Denkmalsfläche (Dollfuß-Denkmal) gewidmet. Sehen Sie aus Sicht des Bundeskanzleramts tech­nische oder sicherheitstechnische Gründe die gegen eine Errichtung eines Denk­mals an der besagten Stelle sprechen würden?

 

Wie richtigerweise ausgeführt, handelt es sich bei der in der Anfrage angesproche­nen Fläche um eine öffentliche Verkehrsfläche im Zuständigkeitsbereich der Stadt Wien. Insofern auf den dem Bundeskanzleramt benachbarten Grundflächen Bauwer­ke errichtet werden und die dafür anzuwendenden Rechtsvorschriften eine Parteistel­lung bzw. Beteiligtenstellung des Bundes vorsehen, die durch das Bundeskanzleramt wahrgenommen werden kann, werden so wie auch in früheren vergleichbaren Fällen diese Rechtspositionen sorgfältig unter Berücksichtigung aller Umstände und aller In­teressen des Bundes wahrgenommen.

 


Zu den Fragen 14 und 15:

Ø  Das Bundesministerium für Inneres hat in der Anfragebeantwortung 10379/AB XXIV. GP ausgeführt, dass diese Fläche durch die Sicherheitsbehörden „aus Gründen der Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit“ genutzt wer­den. Steht diese Tatsache aus Ihrer Sicht einer Nutzung als Denkmalsstandort im Weg?

Ø  Das Innenministerium führt weiters aus, dass diese Fläche „im Einsatzfall, wie bei Staatsbesuchen oder Demonstrationen“ genutzt wird. Das Bundeskanzleramt ist zentral in die Umsetzung von Staatsbesuchen involviert. Steht die Nutzung als „Abstell[ort] von Fahrzeugen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aus einsatz­taktischen Gründen“ einer Nutzung als Denkmalsstandort im Weg?

 

Diese Fragen betreffen nicht den Zuständigkeitsbereich des Bundeskanzleramtes.

 

Zu Frage 16:

Ø  Würden Sie die Errichtung eines Denkmals für Opfer der NS-Militärjustiz durch die Stadt Wien gegenüber Ihrem Amtssitz als dem Ansehen der Republik zuträg­lich oder abträglich erachten? Immerhin würde sich dieses „vis-à-vis vom Bundes­kanzleramt“ befinden.

 

Ich möchte hier, wie bereits ausgedrückt, das Ergebnis der Diskussionen abwarten und daher den von Ihnen angesprochenen Standort auch nicht grundsätzlich ableh­nen. Möglicherweise wird dieser einer von mehreren Möglichkeiten sein, die es dann zu bewerten gelten wird.

 

Zu den Fragen 17 bis 21:

Ø  Bei Staatsbesuchen wird diese Fläche verschiedenartig genutzt, etwa als Park­platz für Fahrzeuge. Würde die Platzierung eines Denkmals an dieser Stelle die Nutzung für Staatsbesuche u.Ä. auf Basis der Erfahrung des Bundeskanzleramts einschränken?

Ø  Würden Sie das Argument, dass Parkplätze im direkten Umfeld vieler Ministerien und des Amts des Bundespräsidenten rar seien und aus diesem Grund ein Denk­mal an dieser Stelle nicht möglich sei, für sachlich bzw. politisch richtig halten?

Ø  Seit den heftigen Protesten gegen die Koalition aus FPÖ und ÖVP ab dem Jahr 2000 wird der oben beschriebene Standort („vis-à-vis vom Bundeskanzleramt“ – siehe Plan im Anhang) ganzjährig als Abstellplatz für Absperrgitter verwendet. Würden Sie das Argument, dass Abstellplätze für Absperrgitter im diesem Umfeld rar seien und aus diesem Grund ein Denkmal an dieser Stelle nicht möglich sei, für sachlich bzw. politisch richtig halten?

Ø  Ist es in Österreich tatsächlich notwendig, dass Polizei-Absperrgitter permanent „vis-à-vis vom Bundeskanzleramt“ und der Präsidentschaftskanzlei bereit gestellt sind?

Ø  Ist es der Bundespolizeidirektion Wien Ihrer Meinung nach zuzumuten die Gitter woanders zu lagern und im Bedarfsfall zu transportieren?

 

Diese Fragen betreffen keinen Gegenstand der Vollziehung des Bundeskanzleram­tes.

 

Zu Frage 22:

Ø  Der angesprochene Teil des Ballhausplatzes ist ein öffentliches Gut, EZ 1793, Gst. 1566/1 im Eigentum der Stadt Wien, der Heldenplatz hingegen ist ein Bun­desgrund in Verwaltung der Burghauptmannschaft Österreich. Ergibt sich aus dieser Aufteilung für Sie eine Präferenz in der Standortfrage für das Denkmal?

 

Nein.

 

Mit freundlichen Grüßen