12417/AB XXIV. GP

Eingelangt am 19.11.2012
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

BMJ-Pr7000/0239-Pr 1/2012


Republik Österreich
die bundesministerin für justiz

 

 

Museumstraße 7

1070 Wien

 

Tel.: +43 1 52152 0

E-Mail: team.pr@bmj.gv.at

 

 

 

Frau
Präsidentin des Nationalrates

 

 

Zur Zahl 12626/J-NR/2012

Die Abgeordneten zum Nationalrat Wilhelm Haberzettl und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „mutmaßliche unfaire und unobjektive Verfahrensführung im Arbeits- und Sozialgericht (ASG)“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage – nach Einholung eines Berichtes des Herrn Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien – wie folgt:

Zu 1:

Es kam in den letzten zehn Jahren zu einer Ablehnung am Arbeits- und Sozialgericht Wien wegen Befangenheit auf Grund eines unangemessenen Tones in einer Verhandlung.

Zu 2:

Am Arbeits- und Sozialgericht Wien gab es in den letzten zehn Jahren im Durchschnitt etwa eine Dienstaufsichtsbeschwerde pro Monat. Die Beschwerden betrafen im Wesentlichen die Urteilsausfertigungen, die Kenntnisse und Fähigkeiten von Sachverständigen, ein angebliches Fehlverhalten der Richterin bzw. des Richters sowie Terminkonflikte, wie beispielsweise das Nichtstattgeben von Vertagungsbitten oder die Vertagungen von Verhandlungen. Die Beschwerden erwiesen sich überwiegend als ungerechtfertigt. Bei gerechtfertigten Beschwerden wurden umgehend dienstaufsichtsbehördliche Maßnahmen ergriffen, um eine rasche Abhilfe für die Beschwerdeführer zu schaffen und einer Wiederholung vorzubeugen.

Zu 3:

In den letzten zehn Jahren wurden – soweit überblickbar – sechs Disziplinarverfahren gegen Richter des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien eingeleitet, wobei ein Verfahren ein unangebrachtes Verhalten eines Richters in einer Verhandlung betraf.

Zu 4:

Alle Disziplinaranzeigen wurden eingehend geprüft; die den Disziplinaranzeigen zu Grunde liegenden Vorwürfe erwiesen sich jedoch als unhaltbar, weshalb keine dienstaufsichtsbehördlichen Maßnahmen zu ergreifen waren.

Zu 5:

Am Arbeits- und Sozialgericht Wien kommen Berufs- und Laienrichter zum Einsatz. Die Berufsrichterinnen und Berufsrichter stehen in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und werden auf Dauer ernannt. Diese Planstellen werden wie auch jene bei den anderen österreichischen Gerichten gemäß § 30 RStDG öffentlich ausgeschrieben und im Amtsblatt zur Wiener Zeitung veröffentlicht. Der Personalsenat des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien und jener des Oberlandesgerichtes Wien haben nach Ende der Ausschreibungsfrist Besetzungsvorschläge zu erstatten, die an das Bundesministerium weiterzuleiten sind. Die Aufnahme in den Besetzungsvorschlag und die Reihung im Besetzungsvorschlag hat nach Maßgabe der Eignung der einzelnen Bewerberinnen oder Bewerber für die ausgeschriebene Planstelle zu erfolgen. Die Ernennung auf konkret ausgeschriebene Planstellen erfolgt ebenfalls nach dem Kriterium der besten Eignung. Die beim Arbeits- und Sozialgericht Wien tätigen Richterinnen und Richter sind wie alle übrigen in Österreich tätigen Richterinnen und Richter der Republik Österreich zur Treue verpflichtet. Sie haben sich mit voller Kraft sowie allem Eifer dem Dienst zu widmen, die Pflichten ihres Amtes gewissenhaft, unparteiisch und uneigennützig zu erfüllen sowie die ihnen übertragenen Amtsgeschäfte so rasch wie möglich zu erledigen (§ 57 RStDG). Die Einhaltung dieser Pflichten wird laufend im Rahmen der Dienstaufsicht unter anderem durch die Auswertung von Verfahrensstatistiken, Amtsein- und -nachschauen, Durchführung von Revisionen sowie Überprüfung von einlangenden Beschwerden umfassend kontrolliert. Sofern Mängel festgestellt werden, werden umgehend dienstaufsichtbehördliche Maßnahmen ergriffen. Aufgrund der in der Verfassung verankerten Unversetzbarkeit und Unabsetzbarkeit von Richterinnen und Richtern können sich Änderungen im richterlichen Personal nur durch Versetzungen in den (zeitlichen) Ruhestand, freiwillige Bewerbungen auf andere Planstellen, freiwillige Austritte oder aufgrund von Entscheidungen der Disziplinargerichte ergeben.

Dass beim Arbeits- und Sozialgericht Richterinnen und Richter zum Einsatz kommen, die „kein objektives und faires Verfahren führen können oder wollen“, muss zurückgewiesen werden.

Zu 6 bis 7:

Die österreichische Justiz, deren Leistungen für die Rechtspflege erst jüngst in einem Bericht des Gremiums CEPEJ des Europarats äußerst positiv herausgestrichen wurden, ist seit Jahren in der angenehmen Lage, hinsichtlich der Aufnahmen in den richterlichen Vorbereitungsdienst aus einer sehr großen, die Zahl der zu vergebenden Planstellen meist weit übersteigenden Zahl von Bewerberinnen und Bewerber (in der Regel in Ausbildung befindliche Rechtspraktikantinnen und Rechtspraktikanten mit einer Gerichtspraxis von rund einem Jahr und mehr) die für den Richter- bzw. Staatsanwaltsberuf jeweils Bestgeeigneten auswählen zu können.

Neben den richterlichen und staatsanwaltlichen Ausbildungsgutachten über die während der einzelnen Ausbildungsstationen der Gerichtspraxis erbrachten Leistungen werden im Auswahlverfahren auch die Ergebnisse schriftlicher und mündlicher Aufnahmetests („Übernahmskolloquien“) und Hearings berücksichtigt. Zudem muss sich jede Aufnahmewerberin und jeder Aufnahmewerber einer psychologischen Eignungsuntersuchung unterziehen.

Auch während der weiteren Ausbildung als Richteramtsanwärterin bzw. Richteramtsanwärter, die meist noch etwa drei Jahre dauert (insgesamt sind 4 Jahre Rechtspraxis Voraussetzung für die Ernennung zum Richter bzw. Staatsanwalt), erfolgt eine regelmäßige (etwa quartalsweise) Beschreibung der erbrachten Leistungen.

Die spätere Ernennung zur Richterin, zum Richter, zur Staatsanwältin oder zum Staatsanwalt setzt eine öffentliche Ausschreibung und die Erstellung (nicht bindender) Ernennungsvorschläge durch richterliche Gremien voraus, ehe eine Ernennung durch die Bundesministerin für Justiz oder (bei höheren Stellen) den Bundespräsidenten erfolgen kann.

In der Folge wird durch die laufende Dienstaufsicht, die innere Revision, Erledigungs- und Rückstandsausweise sowie überdies weitere Dienstbeschreibungen (die in einem künftigen Reformschritt noch effizienter gestaltet und ausgebaut werden sollen) für eine entsprechende Qualitätssicherung zur Sicherstellung und Stärkung des Vertrauens in die Rechtspflege Sorge getragen.

Wien,      . November 2012

Dr. Beatrix Karl