12506/AB XXIV. GP
Eingelangt am 05.12.2012
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Bundeskanzler
Anfragebeantwortung
An die Präsidentin des Nationalrats Maga Barbara PRAMMER Parlament 1017 W i e n
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GZ: BKA-353.110/0199-I/4/2012 |
Wien, am 5. Dezember 2012 |
Sehr geehrte Frau Präsidentin!
Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen haben am 5. Oktober 2012 unter der Nr. 12724/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „AKW-Stresstests offenbaren alarmierende Sicherheitsmängel im AKW Temelin“ gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu den Fragen 1 bis 14:
Ø Welche Schritte werden Sie auf Basis des alarmierenden Ergebnisses des AKW-Stresstests Temelin zum Schutz der oberösterreichischen sowie österreichischen Bevölkerung angesichts des grenznahen Atomkraftwerkes setzen?
Ø Welche Schritte werden Sie setzen, um der hohen Verunsicherung der oberösterreichischen Bevölkerung angesichts der Mängel und wiederholten Störfälle im AKW Temelin Rechnung zu tragen?
Ø Welche Schritte kann man von Ihnen angesichts der langen Mängelliste des AKW Temelin auf europäischer Ebene erwarten?
Ø Werden Sie in einem Gespräch mit ihrem tschechischen Kollegen die Ergebnisse des AKW-Stresstests thematisieren? Was sind hierbei ihre Prioritäten?
Ø Welche Schritte haben Sie als Bundeskanzler bislang gesetzt, um sich für europaweit einheitliche, hohe Sicherheits- und Qualitätsstandards für Atomkraftwerke einzusetzen?
Ø Welche Schritte werden Sie in Zukunft setzen um die Umsetzung hoher, einheitlicher Sicherheits- und Qualitätsstandards auf europäischer Ebene voranzutreiben?
Ø Welches Konzept verfolgt die Bundesregierung um die österreichischen Nachbarstaaten, insbesondere Tschechien, Slowenien und die Slowakei von einem Atomausstieg zu überzeugen?
Ø Teilen Sie die Expertenkritik an den mangelhaften Qualitätskriterien der AKW-Stresstests, die in der Studie „Critical review of the EU stress test performed on nuclear power plants“ aufgezeigt wurden?
Ø Wenn nein, wie beurteilen Sie, dass bei den Stresstests wesentliche Krisenszenarien wie Flugzeugabstürze, Erdbeben, Überflutungen und Wetterextreme ausgeblendet wurden?
Ø Werden Sie sich angesichts der Expertenkritik an der Durchführung der AKW-Stresstests, für eine neuerliche Risiko- und Sicherheitsbewertung des AKW Temelin einsetzen? Welche Schritte werden Sie in diesem Zusammenhang unternehmen?
Ø Wenn nein, warum nicht?
Ø Wurde seitens der Republik Österreich ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen das europarechtswidrige UVP-Verfahren zum Ausbau des AKW Temelin eingeleitet?
Ø Wenn ja, wann und was ist hier der aktuelle Stand?
Ø Wenn nein, warum nicht?
Einleitend halte ich fest, dass die durch die Fragen angesprochenen Themen in ihrer überwiegenden Mehrheit nicht im Zuständigkeitsbereich des Bundeskanzleramtes, sondern in dem des Bundesministeriums für Land und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft liegen.
Ich verweise auf meine Beantwortung der parlamentarischen Anfragen Nr. 9396/J, 10075/J, 10559/J und 10995/J deren Bedeutung der Thematik entsprechend ich wie folgt zusammenfasse:
Die vom Europäischen Rat (ER) in Auftrag gegebenen Stresstests sichern erstmalig eine vergleichbare und öffentliche Analyse aller KKW in der EU und sind daher aus österreichischer Sicht als Fortschritt und Erfolg zu werten. Der ER hat im Juni die Mitgliedstaaten aufgefordert, die vollständige und fristgerechte Umsetzung der Empfehlungen der ENSREG (European Nuclear Safety Regulators´ Group) sowie die rasche Umsetzung der Empfehlungen der Ad-hoc-Gruppe Nukleare Sicherung zu gewährleisten. Beide genannten Gremien werden vom Bundesministerium für Land und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft beschickt. Der im August veröffentlichte ENSREG-Aktionsplan sieht die Erarbeitung Nationaler Aktionspläne bis Ende 2012 vor, die 2013 einem weiteren Peer Review unterzogen werden.
Die Europäische Kommission (EK) kündigt in ihrer im Oktober vorgelegten Mitteilung einen Umsetzungsbericht an den ER im Juni 2014 an. Generell begrüßt Österreich die breite strategische Ausrichtung der Mitteilung samt der Überarbeitung des EU-Rechtsrahmens zur nuklearen Sicherheit sowie zum Thema Haftung und Versicherung. Im diesem Zusammenhang wird die Bundesregierung – so wie bisher – auf europaweit einheitlichen, hohen Sicherheits- und Qualitätsstandards für KKW bestehen.
Bezüglich des KKW Temelin sowie aller anderen grenznahen KKW wird der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft weiterhin auf die vollständige Umsetzung aller ENSREG-Empfehlungen drängen und hat bereits für sämtliche KKW unserer Nachbarstaaten eine anlagenbezogene Auswertung der Stresstests in Auftrag gegeben. Österreich fordert weiterhin eine Sicherheitsbewertung jedes KKW auf Basis einheitlicher Standards sowie Konsequenzen auf nationaler Ebene bei Nichtumsetzung der Empfehlungen.
Im Falle einer österreichischen Vertragsverletzungsklage gegen die Tschechische Republik wäre zunächst ein Vorverfahren der EK einzuleiten. In weiterer Folge bietet die EK dem beklagten Mitgliedstaat in einem kontradiktorischen Verfahren die Möglichkeit, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Dieser Verfahrensschritt endet mit einer begründeten Stellungnahme der EK, erst danach oder auf entsprechenden Antrag nach Ablauf einer dreimonatigen Frist, ist die Einbringung einer Klage beim Europäischen Gerichtshof zulässig. Da die EK die Vereinbarkeit des tschechischen UVP-Gesetzes mit dem Unionsrecht derzeit noch prüft, erscheint die Einleitung eines Verfahrens nach Art. 259 AEUV derzeit nicht zweckmäßig, zumal die EK durch den Bundesminister für Land und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über die österreichischen Bedenken unterrichtet ist und die Berücksichtigung derselben zugesichert hat. Zudem habe ich gegenüber Kommissionspräsident Barroso mehrfach darauf gedrängt, die Vertragsverletzungsgefahren rasch zu einem Abschluss zu bringen. Die Einbringung einer Klage durch Österreich bleibt aber weiterhin vorbehalten.
Mit freundlichen Grüßen