15287/AB XXIV. GP

Eingelangt am 04.10.2013
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BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

Alois Stöger

Bundesminister

 

 

 

GZ: BMG-11001/0244-I/A/15/2013

Wien, am           30. September 2013

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 15811/J der Abgeordneten Stefan Markowitz, Kollegin und Kollegen nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Fragen 1 und 2:

Die dem Bundesministerium für Gesundheit vorliegenden Informationen betreffen Verfahren hinsichtlich der vorläufigen Untersagung der Berufsausübung durch den Landeshauptmann für Wien gemäß § 35 Abs. 1 Z 2 Ärztegesetz 1984, BGBl. Nr. 373/1984, im Jahr 1996, der vorläufigen Untersagung der Berufsausübung durch den Landeshauptmann für Wien gemäß § 62 Abs. 1 Z 3 Ärztegesetz 1998, BGBl. I Nr. 169/1998, im Jahr 2009, der Beschwerde von Frau Dr. R. an den Verwaltungsgerichtshof gegen einen Bescheid des UVS Wien wegen Übertretung des Ärztegesetzes 1998 im Jahr 2011, sowie in disziplinarrechtlichen Angelegenheiten in den Jahren 2007, 2012 und 2013.
In sämtlichen Verfahren wurden die zur Verfügung stehenden rechtlichen Möglichkeiten ergriffen und ausgeschöpft.

 

In diesem Zusammenhang wurde auch die Österreichische Ärztekammer befragt, die u.a. Folgendes mitteilte:

 

„Eine Häufung folgenschwerer Vorfälle seit den 1970er Jahren im Sinne eines wiederholten Auftretens von Körperverletzungen, die auf eine nicht sachgerechte medizinische Behandlung schließen lassen, kann nicht bestätigt werden: Dies mag daran liegen, dass entsprechende Vorfälle nicht zur Anzeige gebracht wurden oder nicht zu einer strafgerichtlichen Verurteilung führten.

 

Es entspricht jedoch den Tatsachen, dass in den vergangenen Jahren wiederholte Kontrollen durch die sanitäre Aufsicht in der genannten Ordination erfolgten; dies nicht zuletzt aufgrund des gesellschaftspolitisch in medialem Licht stehenden Tätigkeitsschwerpunktes. Sofern es bei diesen Kontrollen Grund für Beanstandungen gab, wurden diese stets in ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren geahndet. Bei Verhängung einer Verwaltungsstrafe wurden diese Fälle auch von der zuständigen Disziplinarkommission der Ärztekammer abgeurteilt.

 

ln den letzten Jahren wurde zweimal eine Ordinationsschließung behördlich verfügt, nach Behebung der beanstandeten Mängel aber nach kurzer Zeit wieder aufgehoben. Einen im Jahre 2009 vom Landeshauptmann für Wien erlassenen Bescheid, der in Wahrung des öffentlichen Wohles der genannten Ärztin die Ausübung des ärztlichen Berufes bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens untersagt hatte, musste vom Bundesministerium für Gesundheit mangels Gefahr in Verzug und aufgrund der Behebung der zuvor behördlich festgestellten Mängel aufgehoben werden.

 

Erst die von der Wiener Patientenanwaltschaft im Sommer dieses Jahres vorgelegte Sammlung von Vorfällen, hat die Österreichische Ärztekammer in die Lage versetzt, eine Prüfung der Vertrauenswürdigkeit im Sinne des ÄrzteG 1998 einzuleiten, da zumindest zwei der genannten Fälle ausreichend urkundlich dokumentiert sind und eine Anzeige eines öffentlichen Krankenhauses vorliegt. Der Ausspruch eines von den Medien und den Autoren dieser Parlamentarischen Anfrage vehement geforderten ,,Berufsverbotes" bedarf eines rechtsstaatlichen Ermittlungs- und Beweisverfahrens, welches nur nach Erhebung konkreter Vorwürfe und einer entsprechenden Anzeige geführt werden kann.“

 

Im Hinblick auf allfällig ergangene Strafanzeigen gegen Frau Dr. R. darf auf das dafür zuständige Bundesministerium für Justiz verwiesen werden. Es ist darüber hinaus für mein Ressort nicht nachvollziehbar, ob und wann Informationen an die Österreichische Ärztekammer ergangen sind.


Das nunmehr mit Bescheid ausgesprochene Erlöschen der Berechtigung zur Berufsausübung wegen Wegfalls der Vertrauenswürdigkeit gemäß § 59 Abs. 1 Z 1 iVm. § 4 Abs. 2 Z 3 ÄrzteG 1998 ist eines der stärksten Instrumente der Rechtsordnung. Die dadurch berührte verfassungsrechtlich geschützte Erwerbsfreiheit muss dabei immer berücksichtigt werden.

Auch wenn es in den vergangenen Jahren mehrere Vorfälle und Verfahren in

Zusammenhang mit Frau Dr. R. gab, so waren die für das Erlöschen der Berufsberechtigung erforderlichen Voraussetzungen nie so eindeutig wie zum jetzigen Zeitpunkt, sodass in der Vergangenheit davon abzusehen war.

 

Zu bedenken bleibt außerdem, dass - soweit bekannt - in der Ordinationsstätte neben Frau Dr. R. noch andere Ärztinnen und Ärzte tätig waren und rechtliche Schritte gegen Frau Dr. R. auch Auswirkungen auf diese gehabt hätten.

 

Frage 3:

Die Österreichische Ärztekammer teilt in diesem Zusammenhang mit, dass die Namen der Ärztinnen/Ärzte, die in der genannten Ordination Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt haben, von der ordinationsführenden Ärztin genannt wurden. lm derzeit laufenden Ermittlungsverfahren werden diese Angaben geprüft.

Gegen den Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, der im bestdokumentierten Fall den Schwangerschaftsabbruch durchgeführt und bei der Patientin eine Perforation der Gebärmutter verursacht hat, wurden bereits ein Verwaltungsstrafverfahren und ein Disziplinarverfahren wegen mutmaßlicher Verletzung der ärztlichen Berufspflichten eingeleitet.

 

Frage 4:

Zu dieser Frage teilte die Österreichische Ärztekammer mit, dass der in der Beantwortung  zu Frage 3, letzter Absatz, genannte Fall der bisher einzige ist, in dem bei der Patientenschiedsstelle der Ärztekammer für Wien ein Antrag auf Entschädigungsleistung gestellt wurde. Das entsprechende Verfahren ist noch im Laufen. Von der Wiener Patientenanwaltschaft wurden weitere Anträge in Aussicht gestellt.

 

Fragen 5 und 6:

Wie auch im Frauengesundheitsbericht 2010/2011 ausgeführt, wurde im Rahmen einer Studie des Ludwig-Boltzmann-Institutes für Frauengesundheitsforschung aus dem Jahr 2001 rund 1.000 schwangere Frauen befragt: 577 Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden haben, sowie 400 Frauen, die ihre Schwangerschaft fortsetzten. Dabei zeigte sich, dass zwischen den Frauen, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, und denjenigen Frauen, die sich entschließen, die Schwangerschaft fortzuführen, sowohl kurz nach dem Schwangerschaftsabbruch als auch drei Monate danach keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf Depressivität und Ängstlichkeit bestehen. Bei beiden Gruppen zeigten sich drei Monate nach der jeweiligen Entscheidung (für oder gegen eine Schwangerschaft) Zeichen einer emotionalen Entlastung und positiven Bewältigung.


Zu dieser Thematik gibt es auch eine Vielzahl an internationalen Studien und Metaanalysen, wobei Studienergebnisse aus vergleichbaren anderen westlichen Industrienationen (z.B. Mitteleuropäische Länder, Skandinavische Länder, USA, Australien) durchaus auf österreichische Patientinnen übertragbar sind.

So kommt eine im Jahr 2008 durchgeführte Metastudie der American Psychological Association (APA), die 220 seit 1989 durchgeführte und publizierte Untersuchungen zu diesem Thema, die wissenschaftlichen Standards genügen, berücksichtigt, zu dem Schluss, dass es keinen wissenschaftlichen Beweis gibt, dass ein freiwilliger Schwangerschaftsabbruch dadurch bedingte psychische Beschwerden bei erwachsenen Frauen zur Folge hat.

Der Prozentsatz von Frauen, die nach einer Abtreibung unter psychischen Problemen leiden, ist nicht höher als bei Frauen, die eine ungeplante Schwangerschaft ausgetragen haben, und insgesamt nicht höher als in der gesamten weiblichen Bevölkerung.

 

In einer aus Dänemark stammenden Studie aus dem Jahr 2011 (National Center for Register-Based Research, Aarhus University, Aarhus, Denmark, and Gynecologic Clinic, Juliane Marie Center, Copenhagen University) wurden alle Gesundheitsdaten der Bevölkerung von 1995 bis 2007 einbezogen, wodurch Daten von 85.000 Frauen vorliegen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen ließen. Auch hier lässt sich die Hypothese, ein Schwangerschaftsabbruch erhöhe das Risiko für psychische Störungen, nicht belegen. Die Inzidenzrate von psychiatrischen Kontakten ist vor und nach dem Schwangerschaftsabbruch ähnlich, es gibt keine signifikanten Unterschiede, die ein erhöhtes Risiko belegen.

 

Frage 7:

Im Zusammenhang mit einem Schwangerschaftsabbruch wurden als flankierende Maßnahme zur Fristenregelung im gesamten Bundesgebiet staatlich geförderte Familien- und Partnerberatungsstellen errichtet. Frauen - und sofern von den Frauen gewünscht auch deren Partner - erhalten in diesen Beratungsstellen im Fall einer ungewollten Schwangerschaft kostenlose und ergebnisoffene Beratung. Insgesamt umfasst der Aufgabenbereich dieser Angebote Schwangerenberatung, Beratung bei Schwangerschaftskonflikten und Information über Empfängnisverhütung sowie Beratung zu rechtlichen und sozialen Fragen sowie bei psychischen Problemen. Die Beratung ist kostenlos. Die Beratungsteams bestehen zumeist aus Ärzt/inn/en, Jurist/inn/en, Sozialarbeiter/inne/n und Psycholog/inn/en, aber auch Psychotherapeut/inn/en und Musiktherapeut/inn/en. Auch Sexualberatungsstellen (Courage in Tirol, Bily in Oberösterreich, Lichtblick in Niederösterreich) und psychosomatische Ambulanzen stellen Unterstützung und Beratung vor und nach einer Abtreibung zur Verfügung.

Darüber hinaus ist auf das Netz der psychosozialen Dienste zu verweisen, die speziell für Menschen in psychosozialen Krisensituationen Beratung, Betreuung, Unterstützung und teilweise auch Behandlung anbieten.


Falls Frauen nach einem Schwangerschaftsabbruch unter krankheitswertigen Symptomen oder einer psychischen Störung bzw. Problemen leiden, kann auch psychologische oder psychotherapeutische Behandlung bei niedergelassenen Fachleuten in Anspruch genommen werden.

 

Hinsichtlich medizinisch-gynäkologischer Notfälle sind alle Fachabteilungen für Frauenheilkunde und Geburtshilfe kompetent. Im Bedarfsfall stehen somit für eine psychologische und psychotherapeutische Betreuung in jedem Bundesland sowohl im stationären wie im niedergelassenen Bereich öffentliche und private Einrichtungen als Ansprechpartner zur Verfügung.

 

Frage 8:

Für das „Post Abortion Syndrome“ (PAS) gibt es keine empirisch-wissenschaftliche Evidenz. Das postulierte Syndrom ist keine anerkannte Diagnose und folgerichtig weder im Klassifikationssystem ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems - Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision) noch im DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders - Diagnostisches und Statistisches Handbuch Psychischer Störungen) enthalten.

Nachdem PAS keine wissenschaftlich fundierte Diagnose ist, liegen meinem Ressort auch keine entsprechenden Diagnosezahlen vor. 

 

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass eine statistische Erhebung der psychischen Befindlichkeit von Frauen nach Schwangerschaftsabbrüchen nach wissenschaftlich korrekten Kriterien durchgeführt werden muss. Dazu gehören als Grundvoraussetzung entsprechende Kontrollgruppen, wie etwa Frauen, die sich trotz des persönlichen Wunsches nach Schwangerschaftsabbruch dagegen entscheiden, Frauen, die sich zu einem Abbruch gezwungen fühlen, Frauen mit medizinisch angeratenen Abbrüchen, Frauen ohne Wunsch nach Abbruch nach der Geburt etc.

 

Neben den bereits zu den Fragen 5 und 6 angeführten Studien sind in diesem Zusammenhang ergänzend noch die im Folgenden angeführten wissenschaftlichen Arbeiten und Metaanalysen zu nennen:

 

        Brenda Major et al. "Abortion and Mental Health - Evaluating the Evidence", American Psychologist, 64, No. 9, 863–890 (2009).

        Charles Vignetta E. et al.; "Abortion and long-term mental health outcomes: a systematic review of the evidence", Contraception 78 (2008) 436-450.

 

Diese Studien widerlegen die These, wonach ein Schwangerschaftsabbruch psychische Probleme verursacht. Frauen, die abgetrieben haben, unterscheiden sich in ihrer psychischen Gesundheit nicht von Frauen, die eine ungeplante Schwangerschaft austrugen.

 

        Robinson GE, Stotland NL, Russo NF, Lang JA, Occhiogrosso M. (2009). „Is there an ‘abortion trauma syndrome’? Critiquing the evidence”. Harvard Review Psychiatry, 2009, 17 (4): 268 -90.

 

In der letztgenannten Arbeit, die unterschiedliche Studien kritisch durchleuchtet, wird aufgezeigt, dass Studien über den Zusammenhang von mit Schwangerschaftsabbruch verbundenen psychischen Störungen methodologische Defizite, wie eine zu kleine Stichprobe, keine Vergleichsgruppe, keine signifikanten klinischen Ergebnisse etc. aufweisen. Seriös durchgeführte Studien hingegen weisen darauf hin, dass psychische Störungen nach einem Schwangerschaftsabbruch mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits davor bestanden haben oder die Folge von erlebter sexualisierter Gewalt oder Partnerschaftsgewalt sind.