1663/AB XXIV. GP

Eingelangt am 03.06.2009
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BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

 

Alois Stöger diplô

Bundesminister

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Maga. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

Wien, am   3. Juni 2009

GZ: BMG-11001/0113-I/5/2009

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1733/J der Abgeordneten Dr. Belakowitsch-Jenewein und weiterer Abgeordneter nach den mir vorliegenden Informationen sowie einer eingeholten Stellungnahme des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger wie folgt:

 

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass nach der Kompetenzverteilung der österreichischen Bundesverfassung die Angelegenheiten der „Heil- und Pflegeanstalten“ Bundessache nur hinsichtlich der Grundsatzgesetzgebung sind, die Ausführungsgesetzgebung und die Vollziehung ist Landessache.

 

Frage 1:

Derzeit sind Daten bis 2006 verfügbar. Statistiken gibt es nur über Spitalsaufnahmen, nicht jedoch über ambulante Behandlungen.

 

Aufgrund der im Zusammenhang mit alkoholbedingten Spitalsaufnahmen vergebenen Hauptdiagnosen kann nicht unterschieden werden, ob es sich jeweils um einen „starken Rausch“ handelt (Alkoholisierung)  oder ob die Intoxikation  Symptom einer Grunderkrankung (Alkoholismus, Depression, Angststörung etc.) ist.

Es wurden für die folgenden Tabellen die ICD Hauptdiagnosen ausgewertet, wobei darauf hingewiesen wird, dass 2000/2001 eine Umstellung von ICD9 auf ICD10 erfolgte und hier die zur Auswertung herangezogenen Kategorien beider Systeme angeführt werden.

 

ICD9

 

305.0

Alkoholmissbrauch

980

Toxische Wirkung von Alkohol

980.0

Äthylalkohol

980.9

N.n.bez. Alkohol

 

 

ICD10

 

T51.-

Toxische Wirkung von Alkohol

T51.0

Toxische Wirkung: Äthanol  Inkl.: Äthylalkohol 

Exkl.: Akuter Alkoholrausch oder Alkoholnachwirkungen,

"Kater" (F10.0), Pathologischer Rausch (F10.0), Trunkenheit (F10.0)

T51.9

Toxische Wirkung: Alkohol, nicht näher bezeichnet

F10.0

Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol: Akute Intoxikation [akuter Rausch]

F10.1

Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol: Schädlicher Gebrauch

 

Absolute Häufigkeiten: Alkoholintoxikation - Missbrauch

 

Alter

0-19

0-99

2002

2.025

8.429

2003

2.015

8.205

2004

2.126

8.410

2005

2.405

9.343

2006

2.471

9.569

 

Frage 2:

All diese Personen wurden stationär behandelt.

 

Frage 3:

Durchschnittlich dauert bei reinen Alkoholvergiftungen die stationäre Behandlung in der Regel zwei bis drei Tage (ein bis zwei Nächte).  

Die Kostensätze der Spitäler sind höchst unterschiedlich und eine Gesamterhebung liegt nicht vor.

 

Frage 4:

Absolute Häufigkeiten: Alkoholintoxikation - Missbrauch

 

Alter

0-19

0-99

1995

886

3.134

1996

1.045

3.643

1997

1.166

3.453

1998

1.371

3.819

1999

1.486

4.495

2000

1.701

4.767

2001

1.860

7.353

2002

2.025

8.429

2003

2.015

8.205

2004

2.126

8.410

2005

2.405

9.343

2006

2.471

9.569

 

Die absoluten Zahlen der hier zusammengefassten Diagnosen haben sich in den letzten 10 Jahren ca. verdreifacht, dennoch muss  bei der Interpretation folgendes miterwogen werden:

(1) Die Abgrenzung Alkoholabhängigkeit / Alkoholismus versus Alkoholmissbrauch ist immer hinsichtlich der diagnostischen Erfassung problematisch, da Spitäler unterschiedlich kodieren.

(2) Vor medialer Verbreitung der Thematik „Komatrinken“ wurden einschlägige Diagnosen, wie Alkoholintoxikation, bei Aufnahmen zwecks Vermeidung weiterer Stigmatisierungen von Patienten nicht immer gestellt. Seit das Thema „Komatrinken“ in aller Munde ist, wird die Diagnose viel bereitwilliger gestellt.

(3) Außerdem hat seit der Einführung der LKF 1997 die Diagnosenanzahl ständig zugenommen.

 

Ein gewisser Anstieg der Fallzahlen von Alkoholisierung bei Kindern und Jugendlichen ist infolge der Akzeleration allerdings anzunehmen. D.h. dass der Beginn der Pubertät und alle damit zusammenhängenden Entwicklungen heute bereits in früherem Alter stattfinden.

 

Frage 5:

Der Begriff „Komatrinken“ ist ein Medienschlagwort im Sinne von starker Berauschung. Echte komatöse Folgen kommen nur äußert selten vor (1 – 2% der Eingelieferten). Eine derzeit noch nicht veröffentlichte, laufende Studie zur Alkoholintoxikation von Jugendlichen in OÖ und Wien scheint den Trend zu bestätigen, dass weniger als 1/4 der jugendlichen PatientInnen bei der Einlieferung nicht ansprechbar ist. Intensivbehandlung ist nur in den seltensten Fällen notwendig.

 

Frage 6:

Nicht alle betroffenen Fälle werden der Sozialversicherung bekannt. Unter der Annahme, dass die Rettung unter der Nummer 144 gerufen wurde, wird von der WGKK als Einzeltransporttarif jener Betrag verrechnet, der mit der Gemeinde Wien vereinbart ist.

 

Der Transporttarif wurde wie folgt vereinbart:

2006 - Euro 82,24

2007 - Euro 83,47

2008 - Euro 83,47

 

Für Transporte, welche nicht durch die Kasse übernommen wurden, wurde seitens der MA 70 ein Privattarif wie folgt in Rechnung gestellt:

Euro 422,--  für Einsätze ab 2. 1. 2006

Euro 451,--  für Einsätze ab 9. 1. 2007

Euro 460,--  für Einsätze ab 1. 1. 2008

 

Die Transportkosten ins Krankenhaus für alkoholisierte Personen betrugen bei der OÖGKK von 2006 bis 2008 insgesamt € 130.773,--; auf die einzelnen Jahre aufgeteilt sind dies: 2006 – € 42.759,-- / 2007 – € 43.930,-- / 2008 – € 44.084,--.

 

Die KGKK hatte 4293 Transporte mit einem Aufwand von insgesamt € 182.664,69 (Transportgrund Alkoholisierung, überwiegende Behandlung wegen Verletzungen).

 

Die SGKK meldete die Höhe der Transportkosten für 2006: € 44.241,63, für 2007: € 55.829,71 und für 2008: € 66.137,49.

 

Bei der BKK der Wiener Verkehrsbetriebe betrugen die Kosten für den Transport von alkoholisierten Personen mit der Rettung in österreichische Krankenhäuser in den letzten 3 Jahren gesamt € 5.887,93.

 

Die VAEB hatte (Gesamtsumme 2006 – 2008) für Fälle zur ambulanten Behandlung (285) einen Aufwand von € 16.689,33 und für Fälle zur stationären Behandlung (449) einen Aufwand von € 25.206,71.

 

Frage 7:

Diese Frage kann nicht beantwortet werden, weil die Laborkosten für die Diagnose von alkoholisierten Personen im Spital im herrschenden Finanzierungsmodell nicht bekannt gegeben werden (Pauschalabrechnung). Die Kosten müssten daher direkt bei den Krankenanstalten eruiert werden.

 

Die Laborkosten für alkoholisierte Personen für den niedergelassenen Bereich sind weiters aus folgenden Gründen nicht eindeutig erfassbar:

Eine diagnosebezogene Abfrage der verrechneten Laborparameter ist im niedergelassenen Bereich nicht machbar, da häufig keine aktuellen (oder andere: Sturz usw.) Diagnosen angegeben werden. Die Dunkelziffer im Zusammenhang mit Alkohol könnte hoch sein.

Es gibt nach Wissen des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger auch keine spezielle „Laborroutine“ für Alkoholisierung mit Ausnahme der Blutalkoholbestimmung. Die Kosten dafür übernimmt die Sozialversicherung aber nicht.

 

Frage 8:

Die Verpflichtung zur Kostenübernahme für stationäre Behandlungen besteht unabhängig von der Ursache der Erkrankung. Es müssen daher auch die Kosten der Ausnüchterung (mit) übernommen werden, wenn der Zustand eine medizinische Behandlung (Überwachung) erfordert, die nur in einer Krankenanstalt erbracht werden kann. Eine Rückforderung ist in diesen Fällen auch unter Berücksichtigung des OGH-Urteils nicht möglich. Von den Krankenanstalten werden Aufnahmeanzeigen ohnedies meist nur in jenen Fällen gesandt, in denen die medizinische Notwendigkeit einer stationären Behandlung gegeben ist.

Wenn allerdings ein Rückforderungsanspruch gegeben ist, wird je nach Situation auch jene Stelle bzw. Person, die Alkohol an Jugendliche abgeben und so zur Alkoholintoxikation beigetragen hat, in die Pflicht genommen. Seit Juni 2007 prüft die OÖGKK alle bekannten Fälle von Jugendlichen in Bezug auf möglichen Regress (z. B. beim Wirt). Insgesamt handelte es sich dabei um 193 Fälle. In sechs Fällen konnte ein Schädiger festgestellt werden, an den Forderungen der OÖGKK gerichtet wurden, 35 weitere Fälle sind noch in Bearbeitung.

 

Frage 9:

Die meisten Fälle werden von den Krankenanstalten direkt mit den behandelten Personen verrechnet, die Sozialversicherung hat damit nichts zu tun. Von sechs Fällen der OÖGKK wurden in fünf Fällen die Forderungen beglichen. Insgesamt wurde dadurch ein Betrag von € 2.362,05 eingebracht.

 

Frage 10:

Das allgemeine Rückforderungsrecht (§ 107 ASVG) verjährt binnen 3 Jahren.

 

Frage 11:

Das OGH-Urteil für sich allein hat keine Auswirkung auf die Rückforderungspraxis, weil eine Rückforderung vom jeweiligen Sachverhalt abhängt.

 

Frage 12:

Diese Entscheidung eines Einzelfalls ändert nichts an der Vorgangsweise: Rückforderungen werden genauso wie bisher erfolgen, weil das OGH-Urteil keine generelle Norm für eine Rückforderung ist; es ist immer der Einzelfall zu prüfen.

Die OGH-Entscheidung hat allerdings eine weitere Klärung und Abgrenzung von notwendiger Krankenbehandlung und selbst zu finanzierender Ausnüchterung gebracht. Die Krankenversicherungsträger werden die Entscheidung des OGH berücksichtigen.