2186/AB XXIV. GP

Eingelangt am 21.07.2009
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BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Maga. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

Alois Stöger diplô

Bundesminister

 

 

Wien, am 20. Juli 2009

GZ: BMG-11001/0187-I/5/2009

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 2175/J der Abgeordneten Dr. Spadiut, Haubner, Kollegin und Kollegen nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Grundsätzlich ist zu den folgenden Ausführungen festzuhalten, dass spezifische Aussagen zur Inzidenz bzw. Prävalenz des Diabetes Mellitus (DM) für Österreich schwierig sind, da derzeit weder großflächige (repräsentative) epidemiologische Studien vorliegen, noch eine nationale, systematische, registermäßige Erfassung von Diabetesfällen erfolgt.

 

Die im Folgenden (Fragen 1 - 5) genannten Zahlen stellen Schätzungen verschiedener nationaler und internationaler Institutionen dar. Die aktuellste zur Verfügung stehende Datenquelle ist die zuletzt in den Jahren 2006/2007 durchgeführte Gesundheitsbefragung (Austrian Health Information Survey, kurz AT-HIS) der Statistik Austria, welche – hochgerechnet – von 390.000 Diabetikerinnen und Diabetikern ausgeht [1].

Ergebnisse von Hochrechnungen zur Prävalenz des DM durch internationale Institutionen weisen eine erhebliche Spannweite auf: während die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Österreich und das Jahr 2000 von 239.000 Erkrankten ausging, und in der Projektion bis zum Jahr 2030 eine Zahl von 366.000 Erkrankten erwartet [2], spricht die International Diabetes Federation (IDF) für das Jahr 2007 von 682.300 Erkrankten in der Altersgruppe der 20- bis 79-Jährigen [3]. Die Angaben der IDF sind als zu hoch einzustufen.

 

Frage 1:

Es gibt in Österreich rund 30.000 – 35.000 Personen mit Typ-1-Diabetes.

 

Frage 2:

Diese Angaben beruhen auf Informationen des Gesundheitsberichts der sozialen Krankenversicherung (2005) und Hochrechnungen basierend auf FOKO-Auswertungen der steiermärkischen sowie der niederösterreichischen Gebietskrankenkassen unter der Annahme, dass ca. 10 % aller Diabetikerinnen und Diabetiker einen Typ-1-Diabetes entwickeln.

 

Frage 3:

Es gibt in Österreich rund 300.000 – 310.000 Personen mit Typ-2-Diabetes.

 

Frage 4:

Diese Angaben beruhen auf Informationen des Gesundheitsberichts der sozialen Krankenversicherung (2005) und Hochrechnungen basierend auf FOKO-Auswertungen der steiermärkischen sowie der niederösterreichischen Gebietskrankenkassen unter der Annahme, dass ca. 90 % aller Diabetikerinnen und Diabetiker einen Typ-2-Diabetes entwickeln.

 

Frage 5:

Es gibt keine Daten, die genaueren Aufschluss über die Anzahl nicht-diagnostizierter Typ-2 Patienten geben. Auf Basis des Österreichischen Diabetesberichtes 2004 und des Gesundheitsberichtes der sozialen Krankenversicherung 2005 kann jedoch eine Dunkelziffer von fünf bis zwanzig Prozent angenommen werden. In Zahlen sind das ca. 15.000 bis 60.000 Personen.

 

Frage 6:

Der erste österreichische Diabetesbericht wurde 2004 von namhaften Expertinnen und Experten unter Mitwirkung des BMG (damals BMGF) und anderer wesentlicher Stakeholder des Gesundheitswesens erstellt. Darüber hinaus wird auch im Gesundheitsbericht 2005 der sozialen Krankenversicherungen dieses Thema behandelt.

 

Frage 7:

Ein Teil der Maßnahmen, die zur Erreichung von Zielen hinsichtlich der Verbesserung in der Betreuung von Diabetespatientinnen und –patienten im Zusammenhang mit der Einführung eines nationalen Disease-Management-Programms definiert wurden (Arbeitskreis 1),  wurde erfolgreich umgesetzt bzw. befindet sich derzeit in Umsetzung.

 

Hinsichtlich der vom Arbeitskreis 2 thematisierten epidemiologischen Situation, insbesondere die Behebung von Mängeln bei der registermäßigen Erfassung von Diabetikerinnen und Diabetikern, wurde die GÖG/BIQG von meinem Ressort beauftragt, ein nationales und sektorenübergreifendes Diabetesregister zu errichten (ich verweise auch auf die Ausführungen zu Frage 14.).

 

Frage 8:

Der Österreichische Diabetesplan wurde im Jahre 2004 auf Basis des Diabetesberichtes erstellt. Er beinhaltet eine Ist- und Sollanalyse und enthält in seinen Schlussfolgerungen, welche Maßnahmen zu einer verbesserten Versorgung der Diabetes-Patient/inn/en erfolgen sollen. Prioritär war dabei die Entwicklung eines Disease-Management-Programmes „Diabetes II“ (für den niedergelassenen Bereich), welches im Mai 2009 fertig gestellt wurde. Eine Evaluierung wird diesbezüglich in 5 bis 10 Jahren sinnvoll sein. Eine weitere Forderung war die Erstellung eines Diabetes-Registers. Die GÖG wurde bereits beautragt, ein derartiges Register zu erstellen, welches zurzeit in Arbeit ist. Hinsichtlich des Schwangerschaftsdiabetes ist vorgesehen, im Mutter-Kind-Pass 2010 den OGTT aufzunehmen. Weiters wurden Informationsbroschüren bzw. Rezeptbroschüren für eine richtige Ernährung und damit für die Diabetesprophylaxe erstellt. Auch im Projekt „Gesunde Schule“, das im März 2009 beendet wurde, ist ein entsprechender Teil für richtige Ernährung im Schulalltag enthalten gewesen. Sämtliche Maßnahmen sind, wie die meisten Präventionsmaßnahmen, erst nach vielen Jahren evaluierbar.

 

Frage 9:

Ein diesbezüglicher Abstimmungsprozess wurde in die Wege geleitet.

 

Frage 10:

Rahmen-Gesundheitsziele auf Bundesebene werden gemeinsam mit den wesentlichen Akteuren im Gesundheitswesen entwickelt, um auch in der Umsetzung ein gemeinsames Vorgehen zu fördern.

 

Frage 11:

Folgende Kriterien sind von primärer Relevanz:

·        Senkung der Prävalenz der Erkrankten

·        Erhöhung der Anzahl der Patienten und Patientinnen mit Erreichung bestimmter Zielwerte.

 

Frage 12:

Hinsichtlich der Prävention ist zwischen Typ 1 und Typ 2 Diabetes zu unterscheiden. Der Typ 1-Diabetes ist nicht präventabel, beim Typ 2 ist die entscheidende präventive Maßnahme die Vermeidung bzw. Beseitigung von Übergewicht/Adipositas. Die bloße Erhöhung der Zahl der Vorsorgeuntersuchungen ist daher in Bezug auf die Prävention dieser Erkrankung kein ausschlaggebendes Kriterium.

 

Die Diagnose von Diabetes mellitus ist einfach und eine Verbesserung der Erkennung von Krankheitsfällen ist zu erreichen durch die Beteiligung an Frühtestaktionen, den regelmäßigen Kontakt mit dem Hausarzt/der Hausärztin und nur bei Personen, die nie krankheitsbedingt einen Arzt aufsuchen, die Inanspruchnahme der Vorsorgeuntersuchung.

Dazu ist festzuhalten, dass  - nachdem die Vorsorgeuntersuchung mehr als 30 Jahre nach Einführung im Wesentlichen unverändert blieb -  im Jahr 2005 eine modernisierte, den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechende Version der Gesundenuntersuchung, die Vorsorgeuntersuchung-Neu (VU), eingeführt wurde. Ein Teilziel der VU-Neu ist die Reduktion von Risikofaktoren kardiovaskulärer Erkrankungen und Stoffwechselerkrankungen, in deren Bereich die Prävention und die Früherkennung von Diabetes mellitus fallen.

 

Frage 13:

·                    Durch die Implementierung eines Disease-Management-Programms

 

Seitens der Sozialversicherung wurde im Rahmen des Innovationsprojektes „Modell Disease Management“ ein Konzept für ein Disease Management Programm (DMP) für Typ 2 Diabetiker/innen in Österreich erarbeitet, das bundesweit zum Einsatz kommen soll. Es wurden beinahe in allen Bundesländern Disease Management Programme ins Leben gerufen, die zum großen Teil als Reformpoolprojekte laufen und vor allem durch verbesserte Information der Diabetiker/innen und eine strukturierte Betreuung durch Haus- oder Fachärzte/-ärztinnen einen verbesserten Krankheitsverlauf zum Ziel haben.

 

Unter Disease Management versteht man systematische Behandlungsansätze mit dem Ziel, für chronisch Kranke eine kontinuierliche und qualitativ hochwertige Versorgung nach dem neuesten Stand der Wissenschaft zu organisieren.

 

Durch die Teilnahme am Disease Management Programm „Therapie Aktiv“ sollen für die Patient/inn/en folgende Ziele erreicht werden:

 

• Vermeidung von Symptomen der Erkrankung (z.B. Polyurie, Polydipsie, Abgeschlagenheit) einschließlich der Vermeidung neuropathischer Symptome,

• Reduktion des erhöhten Risikos für kardiale zerebrovaskuläre und sonstige makroangiopathische Morbidität und Mortalität einschließlich Amputationen,

• Vermeidung oder Hinauszögerung von mikrovaskulären Folgekomplikationen mit schwerer Sehbehinderung oder Erblindung,

• Niereninsuffizienz mit der Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie (Dialyse, Transplantation),

• Vermeidung oder Hinauszögerung des diabetischen Fußsyndroms mit neuro-, angio- und/oder osteopathischen Läsionen sowie der erektilen Dysfunktion,

• Vermeidung von Nebenwirkungen der Therapie sowie schwerer Stoffwechselentgleisungen,

• Erhöhung der Lebensqualität.

 

Dieses Programm, das sich derzeit in Einführung befindet, bietet die Möglichkeit einer Sicherstellung. Typ 2 Diabetikerinnen und Diabetikern wird ferner eine intensivere ärztliche Betreuung sowie mehr Wissen über ihre Erkrankung vermittelt. Die Betreuung der Diabetikerinnen und Diabetiker ist in diesem Programm u.a. durch die zugrunde liegenden medizinischen Behandlungsempfehlungen einheitlich und auf hohem Niveau sichergestellt. Gleichzeitig ermöglicht die begleitende (und verpflichtend zu erstellende) Dokumentation zukünftig eine fundierte Datensammlung und –auswertung.

 

·                    Durch die Erarbeitung einer Bundesqualitätsleitlinie

 

Unter Bezugnahme auf dieses Programm wurde unter der Federführung des BMG von einer interdisziplinär besetzten Arbeitsgruppe die Bundesqualitätsleitlinie Disease Management Programm für Diabetes Mellitus Typ 2 (kurz DMP DM2) entwickelt und als Empfehlung veröffentlicht [4]. Diese konzentriert sich vorerst auf die Versorgung der Typ 2 Diabetikerinnen und Diabetiker im niedergelassenen Bereich, wobei aktuell an einer Ausweitung auf die zweite Versorgungsebene gearbeitet wird. Ziel dieser Empfehlung ist es, die Qualität der Betreuung und des Behandlungsablaufes bei der Versorgung von Diabetikerinnen und Diabetikern in ganz Österreich zu verbessern.

 

·                    Durch Schulungen der Betroffenen

 

Schulungen im Rahmen der Diabetesberatung werden österreichweit in interdisziplinärer Zusammenarbeit von Ärzt/inn/en, Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege (nach absolvierter Weiterbildung Diabetesberatung gem. § 64 GuKG) und Diätolog/inn/en durchgeführt. Insbesondere Diätolog/inn/en können in der ernährungsmedizinischen Beratung/Behandlung ihre umfassende Fachkompetenz und Schlüsselqualifikation einbringen.

 

Frage 14:

Gegenwärtig wird in der Gesundheit Österreich GmbH/Bundesinstitut für Qualität im Gesundheitswesen an der Errichtung eines nationalen Ergebnisqualitätsregisters für den Diabetes Mellitus gearbeitet. Dieses Register soll nicht nur Daten zum Typ 2-Diabetes, sondern auch zum Typ 1, zum Gestationsdiabetes und zur Thematik Diabetes, Gender und Migration enthalten und langfristig eine fundierte Datengrundlage für epidemiologische und versorgungsspezifische Fragestellungen über alle Versorgungsebenen hinweg bieten. Eine Klärung datenschutzrechtlicher Fragen ist noch ausständig.

 

Die kontinuierliche Evaluierung des DMP DM2 aufgrund von Auswertungen der pseudonymisierten Evaluationsbögen ist vorgesehen. Kurzfristig können auf diese Weise Verlaufsparameter wie HbA1C, Blutdruck, Gewicht oder BMI untersucht werden. Langfristig können ebenso Aussagen zur Verlängerung der Lebenserwartung bei guter Gesundheit durch die Vermeidung bzw. Reduzierung von Folgeschäden (z.B. Herzinfarkte, Schlaganfälle, Amputationen, Erblindungen etc.) getroffen und validiert werden.

Zudem wird derzeit in Salzburg im Rahmen einer Studie die Versorgung im Rahmen des DMP DM2 im Vergleich zur Regelversorgung untersucht.

 

Frage 15:

Hinsichtlich des Umsetzungsstandes des Disease-Management-Programms „Therapie Aktiv“ ist festzuhalten, dass die Bundesländer Niederösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol und Wien bereits mit dem Programm "Therapie Aktiv - Diabetes im Griff" begonnen haben. In Oberösterreich und im Burgenland finden eigene Projekte bzw. Programme statt, deren Überführung ins Programm „Therapie aktiv“ geplant ist. Lediglich in Kärnten und Vorarlberg gibt es derzeit noch keine konkreten Starttermine, es wurden aber auch hier schon Abstimmungsgespräche geführt. Die österreichweit einheitliche Versorgung der Typ 2-Diabetikerinnen und -Diabetiker im Disease Management Programm ist zu begrüßen.

 

Frage 16:

Die Bundesqualitätsleitlinie DMP DM2 trägt dazu bei, die Versorgungsqualität für alle Patientinnen und Patienten auf hohem Niveau zu halten. Die Ausweitung der Leitlinie auf die zweite Versorgungsebene wird zudem dazu beitragen, die Durchgängigkeit und Kontinuität der Versorgung weiter zu verbessern.

 

Durch fortlaufende Schulungen von Ärzt/inn/en und Patient/inn/en sowie Maßnahmen zur Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen des DMP DM2 ist zu erwarten, dass die derzeit kontinuierlich steigende Zahl der im Disease Management Programm eingeschriebenen Patientinnen und Patienten weiter zunehmen wird. Dies garantiert eine österreichweit einheitliche Versorgung auf hohem Niveau.

 

Abschließend kann festgehalten werden, dass Disease Management als patientenzentrierter Ansatz zur leistungsebenen-übergreifenden Versorgung somit versucht, die Patient/inn/en gezielt zu begleiten und sowohl die Lebensqualität zu erhöhen als auch durch die Reduktion oder Vermeidung von Spätschäden das Leben zu verlängern. Mit steigender Anzahl von DMP-Ärzt/inn/en und –Patient/inn/en wird auch die Qualität der Diabetesversorgung verbessert.

 

[1] http://www.statistik.at/web_de/dynamic/statistiken/gesundheit/gesundheitsdeterminanten/025390

[2] http://www.who.int/diabetes/facts/world_figures/en/index4.html

[3] http://www.eatlas.idf.org/atlasff5d.html?id=0

[4] http://www.bmg.gv.at/cms/site/standard.html?channel=CH0703&doc=CMS1242824575647