2991/AB XXIV. GP
Eingelangt am 13.11.2009
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
BM für Justiz
Anfragebeantwortung
DIE BUNDESMINISTERIN
FÜR
JUSTIZ
BMJ-Pr7000/0220-Pr 1/2009
An die
Frau Präsidentin des Nationalrates
W i e n
zur Zahl 2980/J-NR/2009
Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „die Unterbringung zurechnungsunfähiger geistig abnormer Rechtsbrecher (§ 21 Abs. 1 StGB)“ gerichtet.
Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:
Zu 1:
Insgesamt gab es im Jahr 2000 289, im Jahr 2006 387, im Jahr 2007 396 und im Jahr 2008 411 Untergebrachte nach § 21 Abs. 1 StGB.
Zu 2:
Die Darstellung der zugrundeliegenden Delikte (sortiert nach Deliktsgruppen) ist den folgenden Tabellen zu entnehmen:
Deliktsgruppe |
Summe |
Delikte nach SGG |
1 |
Delikte nach SMG |
1 |
Gemeingefährliche strafbare Handlungen und strafbare Handlungen gegen die Umwelt |
24 |
Strafbare Handlungen gegen den öffentlichen Frieden |
1 |
Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung |
19 |
Strafbare Handlungen gegen die Staatsgewalt |
4 |
Strafbare Handlungen in Ehe und Familie |
2 |
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen |
35 |
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben |
84 |
Sonstige Delikte |
118 |
Gesamtergebnis für 2000 |
289 |
Deliktsgruppe |
Summe |
Delikte nach SMG |
1 |
Gemeingefährliche strafbare Handlungen und strafbare Handlungen gegen die Umwelt |
39 |
Strafbare Handlungen gegen die Rechtspflege |
1 |
Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung |
26 |
Strafbare Handlungen gegen die Sicherheit des Verkehrs mit Geld, Wertpapieren, Wertzeichen und unbaren Zahlungsmitteln |
1 |
Strafbare Handlungen gegen die Staatsgewalt |
13 |
Strafbare Handlungen gegen die Zuverlässigkeit von Urkunden und Beweiszeichen |
1 |
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen |
49 |
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben |
139 |
Sonstige Delikte |
117 |
Gesamtergebnis für 2006 |
387 |
Deliktsgruppe |
Summe |
Delikte nach SMG |
1 |
Gemeingefährliche strafbare Handlungen und strafbare Handlungen gegen die Umwelt |
34 |
Strafbare Handlungen gegen die Rechtspflege |
1 |
Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung |
26 |
Strafbare Handlungen gegen die Sicherheit des Verkehrs mit Geld, Wertpapieren, Wertzeichen und unbaren Zahlungsmitteln |
1 |
Strafbare Handlungen gegen die Staatsgewalt |
13 |
Strafbare Handlungen gegen die Zuverlässigkeit von Urkunden und Beweiszeichen |
1 |
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen |
50 |
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben |
140 |
Sonstige Delikte |
129 |
Gesamtergebnis für 2007 |
396 |
Deliktsgruppe |
Summe |
Gemeingefährliche strafbare Handlungen und strafbare Handlungen gegen die Umwelt |
37 |
Strafbare Handlungen gegen die Ehre |
1 |
Strafbare Handlungen gegen die Rechtspflege |
1 |
Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung |
25 |
Strafbare Handlungen gegen die Sicherheit des Verkehrs mit Geld, Wertpapieren, Wertzeichen und unbaren Zahlungsmitteln |
1 |
Strafbare Handlungen gegen die Staatsgewalt |
17 |
Strafbare Handlungen gegen die Zuverlässigkeit von Urkunden und Beweiszeichen |
1 |
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen |
47 |
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben |
142 |
Sonstige Delikte |
139 |
Gesamtergebnis für 2008 |
411 |
Zu 3:
Primär werden Untergebrachte nach § 21 Abs. 1 StGB in der Justizanstalt Göllersdorf angehalten. Diese ist allerdings fast ständig ausgelastet. Aufgrund der Zunahme der Einweisungen kann nur ca. ein Drittel der Eingewiesenen dort angehalten werden. Ein Hauptkriterium für die Klassifizierung in die Justizanstalt Göllersdorf ist das Vorliegen von besonderen Sicherheitserfordernissen. Weitere Kriterien für die Klassifizierung in die Justizanstalt Göllersdorf oder in eine psychiatrische Klinik sind der soziale Empfangsraum oder wenn im Vorfeld der Einweisung bereits erfolgreiche Rehabilitationsmaßnahmen gesetzt wurden oder die Vorgeschichte des Patienten bekannt ist.
Zu 4:
Das Strafvollzugsgesetz sieht für die Klassifizierung eine Mahnfrist von sechs Wochen vor. Diese Frist wird bis auf besonders gelagerte Einzelfälle, in denen umfassendere Erhebungen durchzuführen sind, eingehalten.
Zu 5:
Die durchschnittliche Dauer der Anhaltung betrug im Jahr 2000 964 Tage und im Jahr 2008 1.688 Tage.
Die Darstellung der Deliktsgruppen ist der Tabelle zu entnehmen. Diese Daten beziehen sich auf die Insassen, die im angefragten Jahr entlassen wurden.
Delikt |
2000 |
2008 |
Durchschnittliche Dauer |
Delikte gegen die Freiheit |
218,20 |
1.204,20 |
1.338,38 |
Delikte gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung |
|
|
1.814,00 |
Delikte gegen fremdes Vermögen |
685,00 |
2.241,58 |
1.757,23 |
Delikte gegen Leib und Leben |
1.069,87 |
1.766,96 |
1.520,99 |
Delikte nach dem SMG |
|
|
2.516,90 |
Sonstige Delikte |
986,54 |
2.110,65 |
1.379,33 |
Durchschnittliche Dauer |
963,76 |
1.687,92 |
1.458,47 |
Zu 6:
Im Jahr 2000 erfolgten 34 bedingte Entlassungen von nach § 21 Abs. 1 StGB Untergebrachten, im Jahr 2006 62, im Jahr 2007 50 und im Jahr 2008 57.
Zu 7:
Das Bundesministerium für Justiz hat betreffend den Maßnahmenvollzug gemäß § 21 Abs. 1 StGB mit ambulanten und stationären Nachbetreuungseinrichtungen in Wien, Linz, Salzburg, Tirol, Graz, St. Pölten und Kärnten sowie mit Forensischen Nachbetreuungsambulanzen in Wien, Linz, Salzburg, Amstetten, Graz, Klagenfurt, Innsbruck und Vorarlberg Betreuungsverträge abgeschlossen. Über diese Struktur konnten bis dato alle aus dem Maßnahmenvollzug gemäß § 21 Abs.1 StGB bedingt Entlassenen versorgt werden.
In der Praxis bestanden jedoch in der Vergangenheit Unklarheiten über die Ersatzfähigkeit von Unterbringungs- bzw. Behandlungskosten bzw. deren Grenzen im Lichte der Regelungen des § 179a Abs. 2 StVG. Diese Unklarheiten wurden zwischenzeitig durch eine entsprechende Novellierung des § 179a Abs. 2 des Strafvollzugsgesetzes (StVG) im Rahmen des 2. Gewaltschutzpaketes behoben.
Bedauerlicherweise ist jedoch die Bereitschaft der Bundesländer, deren Zuständigkeit von diesen Maßnahmen ebenfalls tangiert ist, derartige Kosten zu übernehmen und ebenfalls geeignete Betreuungseinrichtungen zur Verfügung zu stellen, nicht im erforderlichen Ausmaß vorhanden.
Zu 8:
Die Zunahme von psychisch kranken Straftätern ist nicht auf Österreich beschränkt, sondern (trotz unterschiedlicher Gesetzeslage, Details der allgemeinpsychiatrischen Versorgungsangebote, Kriminalitätsraten und Raten von Substanzmissbrauch) in sämtlichen Ländern der westlichen Welt - zum Teil noch deutlicher als in Österreich - beobachtbar.
Dabei werden verschiedenste Ursachen, wie der generelle Abbau allgemeinpsychiatrischer Betten sowie Defizite in der ambulanten allgemeinpsychiatrischen Versorgung oder das Vorliegen zu enger Kriterien für zivilrechtliche Unterbringungen diskutiert.
Andererseits liegt der Anstieg der Zahl zurechnungsunfähiger Straftäter auch in den – sämtliche Lebensbereiche betreffenden – gesellschaftlichen Veränderungen, im Zuge derer es auch zu Veränderungen der allgemeinpsychiatrischen Versorgung und vor allem zu einer geänderten Einstellung bezüglich der Verantwortung für schwer und meist chronisch kranke psychotische Patienten gekommen ist.
Zu 9 und 10:
Allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige werden nach einem eigenen Zertifizierungsverfahren in die von den Gerichtshofspräsidenten geführte Gerichtssachverständigenliste eingetragen. Dabei handelt es sich um eine Personenzertifizierung nach dem Sachverständigen- und Dolmetschergesetz (SDG), die eine Qualitätsprüfung umfasst und sicherstellt, dass nur höchstqualifizierte, integre und zuverlässige Expert/inn/en bei Gericht als Sachverständige verwendet werden. Voraussetzungen für die Zertifizierung sind unter anderem Fachkunde, einschlägige Berufserfahrung, Kenntnisse des Rechtswesens und der Gutachtensmethodik, die zur Gutachtertätigkeit erforderliche Ausstattung, geordnete wirtschaftliche Verhältnisse und der Abschluss einer Haftpflichtversicherung.
Bei den Mitarbeiter/innen, die innerhalb des Strafvollzuges Stellungnahmen verfassen, handelt es sich um hochqualifizierte Experten im forensischen Bereich. Die Stellungnahmen der Vollzugsmitarbeiter/innen erfolgen auf Grundlage der vorhandenen Gutachten und entsprechend aktueller wissenschaftlicher Standards. Die Vorgabe solcher Standards ist nicht Angelegenheit des Bundesministeriums für Justiz, sondern ergibt sich aus dem letztgültigen Stand der jeweiligen Wissenschaft.
. November 2009
(Mag. Claudia Bandion-Ortner)