3160/AB XXIV. GP

 
Eingelangt am 01.12.2009
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BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Anfragebeantwortung

 

NIKOLAUS BERLAKOVICH

Bundesminister

 

 

 

 

 

 

 

 

An die                                                                                                Zl. LE.4.2.4/0175-I 3/2009

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

 

Parlament

1017 Wien                                                                                        Wien, am 30. NOV. 2009

 

 

 

Gegenstand:   Schriftl. parl. Anfr. d. Abg. z. NR Mag. Christiane Brunner,

Kolleginnen und Kollegen vom 6. Okt. 2009, Nr. 3180/J,

betreffend Alternativen zur schmerzhaften Kastration

männlicher Ferkel

 

 

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen vom 6. Oktober 2009, Nr. 3180/J, teile ich Folgendes mit:

 

Zu den Fragen 1 bis 6:

 

Bei der Festlegung von Vorschriften zur Verbesserung des Tierschutzes für eine Umsetzung in die Praxis ist eine Güterabwägung zwischen den zu berücksichtigenden Tierschutzaspekten und wirtschaftlichen Auswirkungen erforderlich. Die Kompetenz liegt gemäß Bundes­ministeriengesetz 1968 § 2 Abs. 1 in Verbindung mit Anlage zu § 2 Teil 2 E in der geltenden Fassung beim Bundesminister für Gesundheit (BMG).

 


Hinsichtlich zulässiger Eingriffe bei landwirtschaftlichen Nutztieren ist gemäß § 7 Tierschutzgesetz (TSchG) Abs. 3 in Verbindung mit § 24 Abs. 1 in der geltenden Fassung das Einvernehmen mit dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) herzustellen.

 

Der Beirat „österreichischer Tiergesundheitsdienst“ hat das Thema „Eingriffe beim Nutztier“ mit dem Ziel aufgegriffen, nach eingehender  Befassung Möglichkeiten zu erarbeiten. Hier ist vor allem das Zusammenwirken zwischen Betreuungstierarzt und Tierhalter zu berücksichtigen.

 

Die immunologische Kastration von Ferkeln stellt in dieser Diskussion nur einen einzigen Aspekt einer sehr komplexen Fragestellung dar. Eine Immunreaktion, die durch ein synthetisches Gonadotrope Releasing Hormon (GnRH) im Improvac® ausgelöst wird, blockiert die Testosteronproduktion. GnRH steuert die Ausbildung und Funktion der Hoden. Es gilt jedenfalls auch zu beachten, dass diese Information, welche den Konsumentinnen und Konsumenten nicht vorenthalten werden darf, für diese verwirrend sein kann, da jede medikamentöse Einwirkung auf den Hormonhaushalt per se als „hormonelle Wirkung“ aufgefasst wird.

 

Die im vergangenen Jahr geführte und von mehreren Gruppierungen unterstützte Diskussion zur Impfung gegen die Blauzungenkrankheit hat auch gezeigt, wie unwissenschaftlich und emotional das Thema diskutiert wird. Diese Erfahrungen der öffentlichen Debatte sind jedenfalls bei zukünftigen Diskussionen zur Durchführung von Impfungen zu berücksichtigen.

 

Eine Aufklärung der Bevölkerung über die tatsächliche Wirkung von Improvac® und des unbedenklichen Genusses von Schweinefleisch von mit Improvac® behandelten Ebern erscheint erst dann zielführend, wenn ein Einsatz von Improvac® als realisierbar anzusehen ist.

 

Auf den ersten Blick sieht diese Impfung gegen den Ebergeruch wie ein einfacher und praktikabler Ansatz aus, aber die Realität stellt sich komplexer dar. Zum momentanen Zeitpunkt vertreten die Experten die Ansicht, dass die angeführte Impfung keine tatsächliche Alternative für Österreich darstellt.

 

Weitere Aspekte zu dem auf breiter Ebene diskutierten Thema:

 

·          Vom BMLFUW wurden in den letzten Jahren Forschungsprojekte zu Alternativen zur heute praktizierten Ferkelkastration finanziert, mit deren Hilfe eine Kastrationsmethode evaluiert wurde, die es dem Tierhalter durch lokale Schmerzausschaltung und Behandlung des Nachschmerzes ermöglichen sollte, entsprechend den Vorschriften des Tierarzneimittel­kontrollgesetzes die Kastration durchführen zu können. Die Ergebnisse werden, wie auch in anderen Mitgliedstaaten entwickelte Methoden, betreffend der Effizienz der Maßnahme sehr kontroversiell von den Experten diskutiert.

 

·          Eine Narkose des Ferkels durch den Tierhalter würde bedeuten, dass Arzneimittel im landwirtschaftlichen Betrieb eingelagert werden müssen, deren missbräuchlicher Einsatz zur Beeinträchtigung der Lebensmittelsicherheit führen kann und daher bisher speziell von Vertreterinnen und Vertretern des Verbraucherschutzes und der Tierärztekammer hinsichtlich der Arzneimittelsicherheit  immer strikt abgelehnt wurde. Eine Gasnarkose wie sie in der Schweiz vorgeschrieben ist, führt neben technischen Problemen auch zu massiven Gesundheitsgefahren für den Tierhalter selbst.

 

·          Die Einführung der Ebermast, wie zum Beispiel in den Niederlanden oder Dänemark, ist in Österreich auf Grund der landwirtschaftlichen und fleischverarbeitenden Betriebs­strukturen, der derzeit gültigen Rechtsvorschriften des Hygienerechts sowie auf Grund der Verbrauchererwartung nicht umsetzbar. Durch die Ebermast kommt es zu einem vermehrten Auftreten von sogenannten „Stinkern“ (Tieren mit Ebergeruch), weil in Österreich ein Schlachtgewicht von 100 kg oder mehr produktionstypisch ist. Eine Umstellung der Mast und die Schlachtung mit 70 bis 80 kg erscheinen auf Grund der eingesetzten Rassen und Betriebsabläufe kaum realisierbar.

 

Zu den Fragen 7 und 8:

 

Zur Position der österreichischen Tierärztekammer und der Landwirtschaftskammern kann verständlicherweise keine konkrete Antwort gegeben werden. Beiden Organisationen ist die angesprochene Problematik bekannt und es wurden in der Vergangenheit Initiativen gesetzt, um im breiten, offenen, fachlichen Dialog unter Einbeziehung von Wissenschaft und Forschung, der Fleischwirtschaft, des Lebensmittelhandels und der Ministerien Lösungen zu finden. In den bisherigen Diskussionen wurde ersichtlich, dass derzeit auf Grund von zu vielen offenen Fragen bezüglich Improvac® der Einsatz des Arzneimittels als Alternative zur chirurgischen Kastration nicht möglich erscheint und von der „Lebensmittel-Erzeugungskette“ her abgelehnt wird. Es wird allseits vor „Schnellschüssen“ gewarnt um finanziell, technisch und arbeitswirtschaftlich unmögliche Zwänge zu vermeiden.


Zu Frage 9:

 

Im Rahmen von EU-Projekten wie ALCASDE oder PIGCAS wurden und werden intensive Diskussionen zu diesem Thema geführt. Experten der Branche bzw. von der Veterinär­medizinischen Universität sind daran beteiligt und stehen in intensivem Kontakt zu BMLFUW und BMG.

 

Der Bundesminister: