3700/AB XXIV. GP

Eingelangt am 15.01.2010
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0277-Pr 1/2009

 

An die                           Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 3717/J-NR/2009

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Bernhard Vock und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „mögliche verbotene Preisabsprachen und Umgehung von Baukartellverfahren“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Der in der Einleitung geschilderte Sachverhalt ist mir erst aufgrund dieser Anfrage bekannt geworden.

Zu 2:

§ 78 StPO verpflichtet grundsätzlich Behörden oder öffentliche Dienststellen (nur) im Fall der Kenntnis des Verdachts einer Straftat, die ihren gesetzmäßigen Wirkungsbereich betrifft, zur Anzeige an Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft. Mit der Kartellgesetznovelle 2002 wurden jedoch die allgemein anwendbaren strafrechtlichen Sanktionen aus dem österreichischen Kartellrecht entfernt. Daher erfüllen Verstöße gegen das Kartellgesetz, die ab dem 1. Juli 2002 begangen wurden, per se keinen gerichtlich strafbaren Tatbestand mehr, weshalb der Anzeigepflicht nach § 78 Abs. 1 StPO insoweit der Anwendungsbereich entzogen ist.

Zu 3 bis 7:

Verständigungen der Ermittlungsbeamten durch das Bundesvergabeamt werden statistisch nicht erfasst. Die Frage könnte daher nur aufgrund einer systematischen Durchsicht aller in Betracht kommender Akten beantwortet werden. Ich ersuche um Verständnis, dass ich einen solchen Auftrag aufgrund des damit verbundenen unvertretbar hohen Verwaltungsaufwands nicht erteilen konnte.

Zu 8 bis 23, 28 sowie 31 bis 34:

Nach den mir vorliegenden Informationen wurde der geschilderte Sachverhalt weder durch das Bundesvergabeamt noch auf andere Weise einer staatsanwaltschaftlichen Behörde zur Kenntnis gebracht. Mangels eines hinreichend konkretisierten Verdachtes wurde kein Ermittlungsverfahren eingeleitet und somit auch keine Anklage erhoben.

Zu 24 bis 27, 29 und 30:

Die Weitergabe von Gebotsdetails an konkurrierende Bieter begründet für sich allein noch keinen gerichtlichen Straftatbestand; dieses Verhalten kann aber je nach Kontext kriminalstrafrechtlich - zB. als Betrug nach § 146 StGB oder als wettbewerbsbeschränkende Absprache bei Vergabeverfahren nach § 168b StGB - erfasst sein.

Da derartige Sachverhaltsdetails in der Verfahrensautomation Justiz statistisch nicht erfasst werden, wären allfällige Strafverfahren, denen (auch) eine Weitergabe von Gebotsdetails an konkurrierende Bieter zu Grunde liegt, nur im Wege einer bundesweiten händischen Recherche zu ermitteln. Ich ersuche daher um Verständnis, dass ich aufgrund des damit verbundenen unvertretbar hohen Verwaltungsaufwandes von der Erteilung eines solchen Auftrags an die Staatsanwaltschaften absehen musste.

Liegt im Einzelfall der Verdacht eines Offizialdeliktes vor, so sind Behörden und öffentliche Dienststellen unter den im § 78 StPO genannten Voraussetzungen anzeigepflichtig (siehe die Ausführungen zu Fragepunkt 2). Die Verletzung einer Anzeigepflicht könnte allenfalls einen Missbrauch der Amtsgewalt durch Unterlassen (§§2, 302 StGB) begründen.

 

. Jänner 2010

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)