3800/AB XXIV. GP

Eingelangt am 29.01.2010
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BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

 

 

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Maga. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

Alois Stöger diplô

Bundesminister

 

 

 

GZ: BMG-11001/0498-I/5/2009

Wien, am   27. Jänner 2010

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 3951/J der Abgeordneten Dr. Karlsböck und weiterer Abgeordneter nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Einleitend ist zur vorliegenden Anfrage Folgendes auszuführen:

2,2-Bis-(4-hydroxyphenyl)-propan (Bisphenol A, BPA) dient als Ausgangsstoff vor allem zur Herstellung von Polycarbonat-Kunststoffen und Epoxidharzen. Aus Polycarbonat-Kunststoffen werden z.B. Kunststoffschüsseln und Babyflaschen hergestellt, Epoxidharze dienen z.B. zur Beschichtung von Konservendosen, aber auch zur Auskleidung von Trinkwasserrohren.


Wasser-Leitungen (-Rohre) sowie andere Teile von Trinkwasserversorgungsanlagen gelten nach der aktuellen Rechtslage als Bauprodukte. Bauprodukte sind im Bauproduktegesetz – BauPG, BGBl. I Nr. 55/1997 idgF., sowie durch entsprechende Bestimmungen in den Bundesländern geregelt. Gemäß § 5 Abs. 1 des BauPG müssen u.a. auch Anforderungen der Hygiene und der Gesundheit erfüllt sein. Mit dem BauPG wurde die Richtlinie 89/106/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte (Bauproduktenrichtlinie) in österreichisches Recht umgesetzt. Für den Vollzug des BauPG ist der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend zuständig.

 

Das Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz – LMSVG, BGBl. I Nr. 13/2006 idgF., setzt eine Tätigkeit des In-Verkehr-Bringens in Bezug auf die

betreffende Ware voraus, daher werden Bauprodukte von diesem nicht erfasst. Es bietet auch grundsätzlich keine Handhabe, um gesundheitliche Gefährdungen, die aus dem Zustand von Gebäuden und der Qualität der verwendeten Materialien – einschließlich der Leitungen und Installationen – resultieren, abzustellen.

 

Dem LMSVG unterliegen gemäß § 3 Z 7  lit. a die sogenannten „Lebensmittelkontakt-Materialien und -Gegenstände“. Diese werden spezifisch durch die Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 über Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen (Kontaktmaterialienverordnung) geregelt. Die EU-Kontaktmaterialienverordnung nimmt jedoch gemäß Artikel 1 Absatz 3 lit. c „… ortsfeste öffentliche oder private Wasserversorgungsanlagen …“ von ihrem Geltungsbereich aus.

 

Wird Wasser als Lebensmittel in Verkehr gebracht, hat dieses der Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung – TWV), BGBl. II Nr. 304/2001 idgF., zu entsprechen. Diese regelt die Anforderungen an die Qualität von Trinkwasser. Entsprechend der TWV haben die Betreiber/innen einer Wasserversorgungsanlage (WVA) im Rahmen der Eigenverantwortung die WVA dem Stand der Technik entsprechend zu errichten, in ordnungsgemäßem Zustand zu halten, das Wasser regelmäßig untersuchen und die Versorgungsanlage überprüfen zu lassen. Es liegt in der Verantwortung des Betreibers/der Betreiberin der WVA als Lebensmittelunternehmer/in, dass nur Materialien und Produkte eingesetzt werden, die dem Stand der Technik entsprechen. Hinsichtlich der Errichtung von WVA wird auf die Zuständigkeit des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft verwiesen, der für den Vollzug des Wasserrechtsgesetzes 1959 und somit für die Bewilligung von WVA zuständig ist.

 

Die Anforderungen an die Qualität des Trinkwassers werden in Anhang I der Trinkwasserverordnung – TWV, BGBl. II Nr. 304/2001 idgF., festgelegt. Die mikrobiologischen und chemischen Parameterwerte (Grenzwerte) legen Werte für maximale Gehalte von Stoffen in Trinkwasser fest. Sie berücksichtigen auch das Vorsorgeprinzip und beruhen auf den Empfehlungen der WHO. Von einigen Ausnahmen abgesehen werden in der TWV keine kunststoffrelevanten Stoffe als zu analysierende Parameter angeführt. Daher existieren für Bisphenol A in Trinkwasser auch keine verbindlichen Grenzwerte.

 

Fragen 1 bis 5:

Wie den einleitenden Ausführungen zu entnehmen ist, werden Trinkwasserrohre als Bauprodukte definiert. Da für den Vollzug des BauPG der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend zuständig ist, wurden von meinem Ressort keine Studien in Auftrag gegeben, die die Bisphenol A Belastung im Trinkwasser untersuchen.

 

Mir ist jedoch bekannt, dass eine Gruppe Wiener Wissenschafter/innen, die sich in der „Austrian Research Co-operation on Endocrine Modulators (ARCEM)“ zusammenfanden, im Jahr 2000 ein Projekt zur Untersuchung des Risikos hormonwirksamer Stoffe für die Umwelt – insbesondere in Österreichs Gewässern – gestartet hat. Die zusammengefassten Ergebnisse der Studie können dem Bericht entnommen werden, der auf der Website des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft einzusehen ist (siehe Link http://www.lebensministerium.at/article/articleview/19928/1/5709).

 

Frage 6:

Eine Exposition von Verbraucher/inne/n mit Bisphenol A über Trinkwasser könnte in der Praxis nur durch ein Verbot aller Produkte verhindert werden, in denen Bisphenol A zur Herstellung verwendet wird und die bei WVA zum Einsatz kommen (z.B. Trinkwasserrohre). Aufgrund des freien Warenverkehrs ist eine Entscheidung auf gemeinschaftlicher Ebene anzustreben. Auf Basis der derzeit gültigen Risikobewertung von Bisphenol A ist eine derartige Maßnahme allerdings nicht zu rechtfertigen.

 

Fragen 7 bis 9 und 11:

Die unabhängigen Expert/inn/en des zuständigen wissenschaftlichen Gremiums der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) haben sich mit der Bisphenol A-Thematik bereits ausführlich auseinander gesetzt. Unter Heranziehung der verfügbaren wissenschaftlichen Daten haben sie einen Wert für die maximal tolerierbare Tagesdosis (Tolerable Daily Intake- bzw. TDI-Wert) von 50 µg/kg Körpergewicht festgelegt. Dieser TDI-Wert für Bisphenol A wird europaweit anerkannt und wurde auch von anderen europäischen Institutionen bestätigt.

 

Eine im Juli 2009 von Health Canada veröffentlichte Studie zu abgefülltem Trinkwasser („Survey of Bisphenol A in Bottled Water Products“) kommt zu dem Schluss, dass die durch den Wasserkonsum aus Polycarbonatflaschen verursachte Belastung des Menschen mit Bisphenol A extrem niedrig sei. Damit bestünde, ausgehend von der Lebensmittelverpackung, kein Gesundheitsrisiko für die Gesamtbevölkerung.


Gegenwärtig beschäftigt sich die EFSA mit einer Neubewertung von Bisphenol A. Dabei wird überprüft, ob der TDI-Wert aufgrund neuerer Studien abzuändern ist. Österreich arbeitet dabei aktiv mit; die Bewertung wird nicht vor Mitte des Jahres 2010 abgeschlossen sein. Auch die World Health Organisation (WHO) befasst sich mit dem Thema Bisphenol A. Zur Bewertung toxikologischer und gesundheitlicher Aspekte findet daher im Oktober 2010 eine Expert/inn/enkonferenz in Kanada statt.

Von den Bewertungsergebnissen dieser wichtigen wissenschaftlichen Gremien wird auch das weitere Vorgehen der Europäischen Kommission sowie der Mitgliedstaaten abhängen.

 

Frage 10:

Im Bereich der Lebensmittelkontaktmaterialien ist Bisphenol A schon seit längerem geregelt und EU-weit harmonisiert. Es gibt eine Risikobewertung der EFSA und in der Richtlinie 2002/72/EG über Materialien und Gegenstände aus Kunststoff, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen (Kunststoffrichtlinie), einen Migrationsgrenzwert. Wie andere wissenschaftliche Gremien bezieht auch die EFSA neueste Studien in ihre Bewertung mit ein.

 

Die Hersteller/innen von Medizinprodukten sind entsprechend den im Anhang I der Europäischen Richtlinien für Medizinprodukte enthaltenen grundlegenden Anforderungen verpflichtet, diese so auszulegen  und herzustellen, dass deren Anwendung weder den klinischen Zustand, noch die Sicherheit der Patient/inn/en gefährdet. Dazu müssen etwaige Risiken, verglichen mit der nützlichen Wirkung für den Patienten/die Patientin vertretbar und mit einem hohen Maß an Schutz von Gesundheit und Sicherheit vereinbar sein. Die aktuelle Änderung der EU-Richtlinie für Medizinprodukte 2007/47/EG verpflichtet die Hersteller/innen zu einem speziellen Risikomanagement bei kanzerogenen/gentoxischen und reproduktionstoxischen Substanzen, insbesondere Phthalaten.

 

Die Debatte über DEHP in Medizinprodukten wurde von Österreich bereits im Jahr 2000 auf europäischer Ebene angeregt; die Intensivneonatologien wurden in Österreich bereits 2001 per Erlass des Gesundheitsressorts ersucht, auf den Gebrauch von PVC-haltigen Medizinprodukten zu verzichten, soweit medizinisch geeignete Alternativen verfügbar sind, und speziell bei Anwendungen, die zur besonderen Freisetzung von DEHP neigen.

 

Auf europäischer Ebene besteht eine umfangreiche Evaluierung von SCENIHR (Scientific Committee on Emerging and Newly-Identified Health Risks) zum Thema “THE SAFETY OF MEDICAL DEVICES CONTAINING DEHPPLASTICIZED PVC OR OTHER PLASTICIZERS ON NEONATES AND OTHER GROUPS POSSIBLY AT RISK”. Verfügbar ist dieses Kompendium unter der Internetadresse: http://ec.europa.eu/health/ph_risk/committees/04_scenihr/docs/scenihr_o_014.pdf


Frage 12:

Entsprechend dem BauPG haben die Hersteller/innen und Vertreiber/innen von Produkten die Verantwortung, nur solche Produkte in Verkehr zu bringen und frei zu handeln, die brauchbar sind, also u. a. auch den Anforderungen der Hygiene und der Gesundheit entsprechen und für die die Konformität nachgewiesen wurde. In den für

Kunststoffe und den daraus hergestellten Produkten vorgeschriebenen Konformitätserklärungen müssen Substanzen wie z.B. Bisphenol A mit ihrem Grenzwert angeführt sein. Diese Information ist an die Abnehmer/innen des Produktes gerichtet. Entsprechend der Verantwortung als Lebensmittelunternehmer/innen haben die Betreiber/innen der WVA nur solche Materialien und Produkte zu verwenden, die dem Stand der Technik entsprechen, also gesundheitlich unbedenklich sind.

 

Frage 13:

Im Rahmen der amtlichen Trinkwasserkontrolle soll bei der Inspektion von WVA zukünftig mehr Augenmerk auf die Konformität der eingesetzten Materialien und Produkte gelegt werden. Weiters werden die Betreiber/innen von WVA verstärkt auf ihre Verantwortung als Lebensmittelunternehmer/innen hingewiesen und darauf, dass in den WVA nur dem Stand der Technik entsprechende Materialien und Produkte zu verwenden sind.