408/AB XXIV. GP

Eingelangt am 02.02.2009
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BM für Verkehr, Innovation und Technologie

Anfragebeantwortung

 

 

An die

Präsidentin des Nationalrats

Mag.a  Barbara PRAMMER

Parlament

1017    W i e n

 

GZ: GZ. BMVIT-10.000/0063-I/PR3/2008                                       Wien,  am    . Februar 2009

 

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Dr. Moser, Freundinnen und Freunde haben am 9. Dezember 2008 unter der Nr. 403/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend elektronische Zugsicherungssysteme gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich nach Einholung der Informationen durch die ÖBB-Holding AG wie folgt:

 

Zu Frage 1:

Ø      Welche Strecken werden derzeit mit dem ETCS betrieben?

 

Zur Zeit ist der ca. 65 km lange zweigleisige Abschnitt Wien-Zentralverschiebebahnhof-Ausfahrgruppe – Nickelsdorf der Strecke Wien - Budapest mit einem interoperablen Zugbeeinflussungssystem mit Führerraumsignalisierung unter Beibehaltung der bestehenden sicherungstechnischen Infrastruktur in Betrieb. Als System wurde ETCS Level 1 mit Infill und den Komponenten Balise, Loop (nur für Infill) und Lineside Electronic Unit (LEU) zur Verarbeitung der Signalbegriffe ausgewählt.

 

Zu Frage 2:

Ø      Wie viele Lokomotiven verfügen derzeit über das elektronische Zugsicherungssystem?

 

Derzeit sind 13 Lokomotiven der Baureihe 1116 mit ETCS-L1 Onboard Equipment ausgerüstet, davon besitzen vier Stück eine behördliche Betriebsbewilligung.

 

Zu den Fragen 3 und 4:

Ø      Welches System (Level 1 oder Level 2) beabsichtigen die ÖBB im Einzelnen zu installieren?

Ø      Auf welchen Strecken ist es bis wann geplant?

 

Da die Ausrüstung großer Bahnhofknoten mit ETCS Level 2 gemäß Auskunft der ÖBB technisch noch nicht ausreichend gelöst ist (es können derzeit max. 30 angemeldete Fahrzeuge pro Radio Block Center/RBC verwaltet werden), wird es folglich zu einem Mischsystem von ETCS Level 1 und Level 2 kommen. Primär möchte die ÖBB das System ETCS Level 2 einsetzen, wobei auf Streckenabschnitten bei denen die technischen Voraussetzungen nicht gegeben sind (z.B.: veraltete Stellwerkstechnik) und in absehbarer Zeit auch nicht vorhanden sein werden, ETCS Level 1 errichtet wird.

 

Auf Grund der Achsenbetrachtungen (d.h. Umlaufgestaltung für den Fahrzeugeinsatz, Nutzung der Fahrzeugausrüstung) sind

gemeinsam zu betrachten.

 

Generell werden Neubauprojekte mit ETCS Level 2 mit reduzierter Signalausstattung ausgeführt, d.h. ortsfeste Signale werden nur dort errichtet, wo Züge starten können (in der Regel Bahnhofsausfahrsignale). Derzeit sind folgende Migrationsschritte geplant:

 

Donauachse:

 

 

 

Anmerkungen:

Derzeit fehlen auf der Westbahnbestandsstrecke im Bereich Attnang/Puchheim – Salzburg noch die sicherungstechnischen Voraussetzungen (elektronische Stellwerke) für ETCS Level 2. Um jedoch die bestehende Fahrzeugausrüstung effektiv nutzen zu können, ist vorweg eine rasche Einführung von ETCS Level 1 zweckmäßig, bis die mit der Errichtung der Neubaustrecke (Zeithorizont nicht vor 2030) vorgesehene Umstellung auf ETCS Level 2 umgesetzt werden kann.

 

Die Bestandsstrecke Wien – St. Pölten ist bereits weitgehend für den Einsatz von ETCS Level 1 vorbereitet. Eine rasche Umsetzung ist auch hier wegen der Nutzung der Fahrzeug-ausrüstung erforderlich.

 

Die rasche Ausrüstung der Bestandsstrecke Wels - Passau mit ETCS Level 1 (GSM-R ist hier derzeit nur für Sprachübertragung in Betrieb) ist wegen der Nutzung der Fahrzeug-ausrüstung erforderlich. Zudem fehlen auch auf dieser Strecke noch die sicherungs-technischen Voraussetzungen für ETCS Level 2.

 

Durch die rasche Ausrüstung mit ETCS Level 1 wird das Sicherheitsniveau auf den Strecken früher angehoben.

Die Ausrüstung im Raum Wien ist in Detailuntersuchungen zu klären.

 

Brennerachse:

 

 

*) Derzeit ist der Bereich Abzweigung Baumkirchen – Innsbruck Hbf – Abzweigung Gärber-bach nicht im Ausrüstungsprojekt ETCS Level 2 enthalten.

 

Arlbergachse:


Anmerkungen:

Auf der Bestandsstrecke Innsbruck - Lindau fehlen die sicherungstechnischen Voraus-setzungen (Stellwerke) für ETCS Level 2. Eine rasche Umsetzung ist wegen der Nutzung der Fahrzeugausrüstung erforderlich. Damit setzt auch der Sicherheitsgewinn früher ein.

 

Pontebbanaachse:

 

 

Anmerkungen:

Die Strecke Breclav – Wien ist Teil des ETCS-Korridors E Dresden - Prag - Wien / Bratislava - Budapest – Constanta. Hier gibt es internationale Vereinbarungen (Memorandum of Understanding, Letter of Intent) hinsichtlich der terminlichen Umsetzung. Bei Verzögerungen bzw. Nichtrealisierung droht die Gefahr des Verlustes von EU-Förderungen. Für die Ausrüstung mit ETCS Level 2 fehlen die sicherungs-technischen Voraussetzungen, es müssten zuerst die vorhandenen Relaisstellwerke durch elektronische Bauarten ersetzt werden.

 

Da die Neubauabschnitte der Koralmbahn, der Pottendorferlinie und des Semmeringbasis-tunnels eine Vorgabe hinsichtlich der ETCS – Ausrüstung darstellen, ist wegen der Nutzung der Fahrzeugausrüstung eine achsenbezogene Betrachtung erforderlich.

 

Zu Frage 5:

Ø      Aus welchen Gründen wählte man das System Level 1 oder Level 2?

 

Der Einsatz von ETCS Level 2 bedingt ungleich mehr funktionale und monetäre Infrastruktur-voraussetzungen als jener von ETCS Level 1.

Innerhalb des Streckennetzes der ÖBB ist daher eine Mischform von ETCS Level 1 und ETCS Level 2 sinnvoll und wegen der vorhandenen Stellwerkstypen oder der ungelösten Knotenproblematik bei Level 2 auch notwendig.

Der raschen Umsetzung innerhalb einer Achse ist der Vorrang zu geben, da andernfalls die Fahrzeugausrüstung nicht optimal genutzt werden kann und zudem das Sicherheitsniveau in diesem Streckenbereich gesteigert wird.

 

 

 

 

Zu Frage 6:

Ø      Wie hoch werden sich die Kosten für die jeweiligen Strecken im Einzelnen belaufen?

 

Streckenkilometerkosten sind je nach konkreter Ausformung der Infrastruktur, wie beispielsweise der Anzahl der auszurüstenden Bahnhofsgleise, variabel, weil von dieser abhängig. Angesichts dessen kann gemäß Auskunft der ÖBB nur eine Bandbreite bzw. können nur Schätzwerte genannt werden. Dabei wird gemäß Auskunft der ÖBB derzeit mit ca. € 117.000.- für ETCS Level 1 kalkuliert. Aufgrund einer laufenden Ausschreibung wird ersucht, von der Bekanntgabe der kalkulierten Kostengrößen für ETCS Level 2 derzeit Abstand nehmen zu dürfen.

 

Zu Frage 7:

Ø      Wie hoch werden sich die Kosten für die Umrüstung der Fahrzeuge der ÖBB und der entsprechende laut Regierungsübereinkommen vorgesehene Bundes-Zuschuss belaufen?

 

Nach derzeitigem Stand belaufen sich gemäß Auskunft der ÖBB, die Kosten für die Nachrüstung der betroffenen Fahrzeuge der ÖBB für die Jahre 2010–2015 auf ca. € 130 Mio. Diese Kalkulationen basieren auf Schätzungen auf Grund von Richtpreisangeboten.

 

Die für den Bundes-Zuschuss erforderliche Notifizierung durch die EU befindet sich in Vorbereitung. Die konkrete Höhe ist erst nach Abschluss des Notifizierungsverfahrens bekannt.

 

Zu Frage 8:

Ø      In welcher Weise und in welchem Umfang werden dem Grundsatz der Diskriminierungsfreiheit entsprechend Zuschüsse zu den Kosten für die Umrüstung der Fahrzeuge anderer auf dem ÖBB-Netz tätiger Eisenbahnverkehrsunternehmen erfolgen?

 

Die Fahrzeugausrüstungen dritter Eisenbahnverkehrsunternehmen müssen entsprechend berücksichtigt werden, da ansonst ein Diskriminierungstatbestand gegeben wäre.

 

Zu Frage 9:

Ø      Können Sie „monetäre geschäftliche Kontakte“ (Korruption) zwischen entscheidenden Personen z.B. in der Infrastruktur Betrieb AG und den Anbietern ausschließen?

 

Nach Auskunft der ÖBB kann Korruption zwischen entscheidenden Personen ausge-schlossen werden. So basieren beispielsweise die bisherigen Ausrüstungsverträge auf der Westbahn auf einer EU-weiten Ausschreibung (Bietersuche) im Jahr 2003. Bestbieter war die Fa. Siemens, die aus Kapazitätsgründen in der Folge eine Arbeitsgemeinschaft (EUROCOR) mit der Fa. Thales gegründet hat.

 

Zu Frage 10:

Ø      Werden sie nach dem Vorbild der Deutschen Bahn eine Antikorruptionsstelle direkt im Vorstand der ÖBB-Holding installieren? Wenn nein, warum nicht?

 

Dazu wird von den ÖBB angemerkt, dass die Deutsche Bahn AG keine Antikorruptionsstelle im Vorstand eingerichtet hat, sondern diese – in Funktion des Chief Compliance Officers – dem Vorstandsvorsitzenden direkt unterstellt ist.

 

Im ÖBB-Konzern wird derzeit die Einrichtung einer Stelle für Korruptionsbekämpfung evaluiert. Auch wenn eine separate Antikorruptionsstelle derzeit noch nicht besteht, verfügt der ÖBB-Konzern über mehrere Einrichtungen zur Aufsicht über die und Überwachung der Geschäftsgebarung sowie sind neben den geltenden einschlägigen Gesetzen interne Regelungen zu beachten.

Beispielsweise ist seit 30. März 2007 der „Code of Conduct“ in Geltung. Der Code of Conduct ist an alle Mitarbeiter/innen sowie die Mitglieder der Vorstände und Geschäftsführer des ÖBB-Konzerns gerichtet und beinhaltet Verhaltensregeln im Umgang mit Kunden, Geschäftspartnern und Kollegen. Im Zuge der Verschärfung der strafrechtlichen Bestimmungen für Geschenkannahmen wurden die Tochtergesellschaften umfangreich verständigt.

 

Weiters unterliegen die geschäftlichen Vorgänge im Konzern der Gebarungsprüfung des Rechnungshofs. Überdies hat sich der Aufsichtsrat die Genehmigung bestimmter Geschäftsfälle - auch der Tochtergesellschaften - vorbehalten. Der Vorstand entscheidet nach dem Vier-Augen-Grundsatz. Sofern die Ermächtigung zur Auftragsvergabe an Mitarbeiter/innen und Abteilungsleiter/innen übertragen wird, erfolgt dies nach dem in den einzelnen Gesellschaften bestehenden Regelwerk („Genehmigungen – Fertigungen“). Zudem hat der ÖBB-Konzern in der ÖBB-Holding AG eine Konzernrevision eingerichtet.