4539/AB XXIV. GP

Eingelangt am 21.04.2010
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Unterricht, Kunst und Kultur

Anfragebeantwortung

 

 

 

Bundesministerium für

Unterricht, Kunst und Kultur

        

 

 

Frau                                                                                                      Geschäftszahl:       BMUKK-10.000/0047-III/4a/2010

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

                                                                                                      Wien, 20. April 2010

 

 

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 4635/J-NR/2010 betreffend Kosten für den muttersprachlichen Unterricht an Österreichs Schulen, die die Abg. Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen am 25. Februar 2010 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:

 

Zu Fragen 1 und 3:

Für den muttersprachlichen Unterricht existieren sprachneutrale Lehrpläne, die sich auf alle Sprachen anwenden lassen, wodurch auch die Einführung neuer Sprachen im Rahmen des muttersprachlichen Unterrichts erleichtert wird, da nicht für jede Einzelsprache ein neuer Lehrplan entwickelt werden muss. Es kann also nicht von einem Lehrplan für Türkisch und einem für Bosnisch/Kroatisch/Serbisch gesprochen werden.

 

Der Lehrplan für die Volksschule (und für die Unterstufe der Sonderschulen) ist seit dem Schuljahr 1992/93 in Kraft, der Lehrplan für die Sekundarstufe I (Hauptschule, AHS-Unterstufe, Polytechnische Schule, Oberstufe der Sonderschulen) seit dem Schuljahr 2000/01 (und ersetzt im Pflichtschulbereich den Vorgängerlehrplan aus dem Jahr 1992). Schließlich wurde mit dem Schuljahr 2004/05 ein Lehrplan für die AHS-Oberstufe verordnet.

 


Zu Fragen 2 und 4:

Alle über die Schulbuchaktion erhältlichen Schulbücher und sonstigen Unterrichtsmaterialien – also auch jene für den muttersprachlichen Unterricht – werden vor der Aufnahme in die Schulbuchliste einer Begutachtung unterzogen. Entsprechend § 14 Abs. 4 des Schulunterrichtsgesetzes darf eine Lehrkraft nur solche Unterrichtsmittel im Unterricht einsetzen, die nach dem Ergebnis ihrer Prüfung den Voraussetzungen nach Abs. 2 entsprechen oder als für den Unterrichtsgebrauch für geeignet erklärt worden sind. Im Rahmen der Schulbuchaktion sind Unterrichtsmittel bestellbar, die vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur nach den Kriterien der Verordnung über die Gutachterkommissionen zur Eignungserklärung von Unterrichtsmitteln für geeignet erklärt werden (vgl. die Kriterien entsprechend § 9 Abs. 1 der genannten Verordnung). Der Vorgang einer „Revision“ ist in der derzeitigen gesetzlichen Regelung nicht vorgesehen.

 

Zu Frage 5:

Im laufenden Schuljahr 2009/10 handelt es sich um folgende 22 Sprachen: Arabisch, Albanisch, Armenisch, Bosnisch/Kroatisch/Serbisch (BKS), Bulgarisch, Chinesisch, Dari, Französisch, Italienisch, Pashto, Persisch, Polnisch, Portugiesisch, Romanes, Rumänisch, Russisch, Slowakisch, Spanisch, Tschechisch, Tschetschenisch, Türkisch und Ungarisch, wobei der weitaus größte Teil auf BKS und Türkisch entfällt und manche Sprachen nur in einem Bundesland (oder nur von einer Lehrkraft) angeboten werden.

 

Zu Fragen 6 bis 8:

Den Informationsblättern des Referats für Migration und Schule, Nummer 5/2009
„Der muttersprachliche Unterricht in Österreich. Statistische Auswertung für das Schuljahr 2007/08“ ist Folgendes zu entnehmen:

 


Die Daten für das Schuljahr 2008/09 werden demnächst vorliegen und in der Nummer 5/2010 veröffentlicht werden.

 

Zu Fragen 9 bis 20:

Pflichtschulen:

Vor dem Hintergrund der kompetenz- und finanzausgleichsrechtlichen Regelungen erfolgt hinsichtlich der Pflichtschulen seitens des Bundes eine Refundierung der Personalkosten für Landeslehrkräfte an die Länder als deren Dienstgeber im Wege der Zuteilung von Planstellen nach den geltenden Stellenplanrichtlinien. Der Einsatz und die Auswahl der Lehrkräfte im Ausmaß der genehmigten Planstellen obliegen den Ländern als Dienstbehörden der Landeslehrkräfte. Das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur erhält seitens der Länder keine Auflistung über die dienst- und besoldungsrechtliche Einstufung der im „muttersprachlichen Unterricht“ tatsächlich eingesetzten Lehrkräfte, sodass eine exakte finanzielle Bewertung nicht möglich ist.

 

Für eine Annäherung zur Kostendarstellung kann mit der ab dem Jahr 2005/06 verfügbaren Dokumentation im Zusammenhang mit den in vertraglichen Dienstverhältnissen stehenden Lehrkräften im Bereich „muttersprachlicher Unterricht“ nur eine Schätzung vorgenommen werden. Ausgehend davon wurden die jährlich erstellten kalkulatorischen Personalkosten für die Einstufung nach l2b1 (nach dem Bildungsabschluss der dafür eingesetzten Lehrpersonen nach dem Überwiegensprinzip angenommen) entsprechend der jährlich angepassten Richtwerte für die Durchschnittspersonalausgaben/-kosten gemäß der Verordnung des Bundesministers für Finanzen BGBl. II Nr. 50/2009 zugrunde gelegt und die Anzahl an Planstellen aus der wöchentlichen Lehrverpflichtung im Einzelfall auf ein Vollbeschäftigungsäquivalent hochgerechnet. Demgemäß errechnet sich für den Zeitraum 2005/06 bis 2007/08 ein Aufwand von rd. EUR 10,131 Mio./Jahr österreichweit, der sich wie folgt verteilt: Burgenland – 0,25%, Kärnten – 2,01%, Niederösterreich – 5,98%, Oberösterreich – 12,60%, Salzburg – 5,76%, Steiermark – 7,93%, Tirol – 3,75%, Vorarlberg – 4,83%, Wien – 56,88%.

 

Was das Durchschnittsgehalt einer Lehrkraft für den muttersprachlichen Unterricht anbelangt, errechnet sich unter Zugrundelegung der oben benannten Einstufung nach l2b1 in der Entlohnungsstufe 9 (EUR 2.116,30/Monat) bei angenommener voller Lehrverpflichtung (22 Wochenstunden) und angenommener oberster Bandbreite an Jahreswochenstunden (792) ein Betrag von EUR 37,40 pro Stunde.

 

Bundesschulen:

Unter Hinweis auf die Beantwortung der Fragen 1 und 3 kann muttersprachlicher Unterricht als Freigegenstand oder als unverbindliche Übung an der AHS-Unterstufe und-Oberstufe abgehalten werden. In den Daten der Lehrfächerverteilungen der mittleren und höheren Schulen ist der „Gegenstand“ das wesentliche Anknüpfungsmerkmal, woraus jedoch der Hintergrund für das Führen des konkreten Unterrichtsangebots nicht abgeleitet werden kann. Das betrifft insbesondere die freiwilligen Angebote wie Freigegenstände und unverbindliche Übungen. So kann beispielsweise nicht eruiert werden, ob ein Freigegenstand „Russisch“ für Schülerinnen und Schüler der Erstsprache Russisch als muttersprachlicher Unterricht angeboten wird oder als Angebot für alle Schülerinnen und Schüler zur Erlernung der Sprache dient. Ausgehend davon können keine explizit dem muttersprachlichen Unterricht zuordenbaren Kostenaussagen zum Personalaufwand getroffen werden.


Zu Fragen 21 bis 32:

Mit der Übernahme des muttersprachlichen Unterrichts ins Regelschulwesen und der Verordnung entsprechender österreichischer Lehrpläne (vgl. Beantwortung der Fragen 1 und 3) wurde gleichzeitig vom Rotationsprinzip der 70er und 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts abgegangen. Eine (befristete) Entsendung ausländischer Lehrkräfte zwecks Erteilung des muttersprachlichen Unterrichtes durch die Herkunftsstaaten wird demnach nicht mehr praktiziert bzw. es werden also von keinem Herkunftsstaat Lehrkräfte mehr entsendet. Die Unterrichtserteilung im muttersprachlichen Unterricht erfolgt vielmehr durch in befristeten oder unbefristeten vertraglichen Dienstverhältnissen stehende Lehrkräfte, wobei im Landeslehrkräftebereich vielfach wegen des zu Schuljahresbeginn nicht immer bekannten Ausmaßes der Inanspruchnahme des muttersprachlichen Unterrichtes auf deswegen entstehende Beschäftigungsschwankungen durch Eingang von Teilbeschäftigungs­verhältnissen reagiert wird.

 

Zu Fragen 33 bis 41:

Die Anzahl der Lehrkräfte variiert von Jahr zu Jahr. Viele Lehrkräfte, vor allem jene, die in Österreich weniger verbreitete Sprachen unterrichten, sind überdies nicht mit einer vollen Lehrverpflichtung angestellt. Aus der Sondernummer der Informationsblätter des Referats für Migration und Schule „Der muttersprachliche Unterricht in Österreich. Zehnjahresübersicht für die Schuljahre 1998/99 bis 2007/08. Dezember 2009“ ergibt sich über alle Schularten folgendes Bild:

 

Für die Jahre davor steht kein entsprechendes Material zentral zur Verfügung. Die Daten für das Schuljahr 2008/09 werden demnächst vorliegen und in der Nummer 5/2010 veröffentlicht werden. Der bundesweiten Zunahme an muttersprachlichen Lehrkräften und an Schülerinnen und Schülern, die in den Genuss dieses Angebots kommen, steht allerdings eine weit deutlichere Zunahme der Anzahl aller Schülerinnen und Schüler mit anderen Erstsprachen als Deutsch gegenüber, sodass der prozentuelle Anteil an Teilnehmerinnen und Teilnehmern am muttersprachlichen Unterricht gemessen an der Gesamtzahl der in Betracht kommenden Schülerinnen und Schüler gesunken ist.


Zu Frage 42:

Die schulische Förderung der Erstsprache (also der muttersprachliche Unterricht) steht keinesfalls im Widerspruch zu der Notwendigkeit, die Landessprache Deutsch auf hohem Niveau zu erwerben. Eine gute Kompetenz in der Landessprache ermöglicht die Kommunikation zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunftssprachen und ist Voraussetzung für Bildungs- und Berufschancen sowie für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Darüber hinaus gibt es einige gute Gründe, auch die Erstsprache der Schülerinnen und Schüler seitens der Schule zu fördern:

-     Aus sprachwissenschaftlicher Sicht wird ins Treffen geführt (und durch Studien belegt), dass sich eine entsprechende Förderung der erstsprachlichen Kompetenz auf den Erwerb der Zweitsprache, auf das Erlernen weiterer Fremdsprachen und auf die allgemeine kognitive Entwicklung des Kindes positiv auswirkt. Bei zwei- oder mehrsprachigen Menschen stehen die beteiligten Sprachen in enger Wechselwirkung zueinander, sodass die ausschließliche Förderung nur einer Sprache auf Kosten der anderen Sprache(n) nicht zielführend ist.

-     Eine verstärkte Einbeziehung der Erstsprachen der Schülerinnen und Schüler in den Unterricht trägt auch erheblich zur Stärkung des Selbstbewusstseins der Kinder und zu ihrer Identifikation mit der Institution Schule bei, insbesondere wenn es sich um Sprecherinnen und Sprecher von gesellschaftlich wenig prestigeträchtigen Migrantensprachen handelt. Die muttersprachlichen Lehrkräfte fungieren dabei nicht nur als kulturelle Vermittlerinnen und Vermittler zwischen Elternhaus und Schule, sondern auf Grund ihrer eigenen Zweisprachigkeit auch als Vorbilder für die Schülerinnen und Schüler.

-     Abgesehen von den Vorteilen für die betroffenen Einzelpersonen kann auch die Gesellschaft als Gesamtheit von zwei- oder mehrsprachigen Menschen nur profitieren. Es wäre daher unzweckmäßig, die vorhandenen sprachlichen Ressourcen vieler Kinder nicht auszuschöpfen.

 

Zu Fragen 43 und 44:

Die aufgestellte Behauptung einer „nachweislich schlechtere[n] Integration von Migranten der zweiten oder dritten Generation“ kann in dieser allgemeinen Form nicht nachvollzogen werden. Die Ergebnisse von Studien wie PIRLS und PISA bestärken das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, die sprachliche Förderung von Schülerinnen und Schülern mit anderen Erstsprachen als Deutsch fortzusetzen. Sowohl der Ausbau von Deutsch-als- Zweitsprache-Angeboten (Ausweitung der Sprachförderkurse auf die Hauptschulen und Polytechnischen Schulen ab dem Schuljahr 2008/09) als auch die im Regierungsprogramm vereinbarte Ausweitung des muttersprachlichen Unterrichts kommen dieser Schülergruppe zugute. Weiters sollen gezielte Initiativen in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrerinnen zur Förderung dieser Schülerinnen und Schüler beitragen. Ein derzeit in Begutachtung befindlicher Novellenentwurf zum Schulorganisationsgesetz sieht unter anderem die unbefristete Übernahme der Sprachförderkurse vor.

 

 

 

Die Bundesministerin:

 

Dr. Claudia Schmied eh.