4740/AB XXIV. GP

Eingelangt am 07.05.2010
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BM für Wissenschaft und Forschung

Anfragebeantwortung

 

                                                                                                                                                           BMWF-10.000/0063-III/FV/2010

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

Wien, 5. Mai 2010

 

Die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 4799/J-NR/2010 betreffend Lücken bei der
Studiengebührenbefreiung, die die Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen am 9. März 2010 an mich richteten, wird wie folgt beantwortet:

 

 

Zu Fragen 1 bis 3:

Studierende, welche die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen oder EU-Bürger/innen sind oder denen Österreich auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrages dieselben Rechte für den Berufszugang zu gewähren hat wie Inländer/innen – haben wenn die vorgesehene Studienzeit um nicht mehr als zwei Semester pro Studienabschnitt überschritten wird – keinen Studien-beitrag zu entrichten.

 

Auf Grund von völkerrechtlichen Verträgen sind Staatsbürger/innen eines EWR-Mitgliedstaates (Island, Liechtenstein, Norwegen) und Schweizer Staatsbürger/innen (Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten und der Schweizer Eidgenossenschaft über die Freizügigkeit, BGBl. III Nr. 133/2002) wie Inländer/innen und EU-Bürger/innen zu behandeln.

 

Das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit regelt unter anderem die Einräumung eines Rechts auf Zugang zu einer unselbständigen Erwerbstätigkeit und Niederlassung als Selbständige. Dies bedeutet, dass dieses Abkommen unter die in § 91 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002 (UG) genannten völkerrechtlichen Verträge zu subsumieren ist, auf Grund derer Nicht-EU-Bürger/innen die selben Rechte für den Berufszugang zu gewähren sind, wie Inländer/innen. Schweizer Staatsbürger/innen sind damit hinsichtlich des Studien-beitrages an den Universitäten nach dem Universitätsgesetz 2002 österreichischen Staats-bürger/innen gleichgestellt. Es findet damit eine Inländer/innengleichbehandlung statt. Es ist kein Studienbeitrag zu bezahlen, sofern der Erlasstatbestand „Erwerbstätigkeit“ anzuwenden ist.

 

Weiters gilt grundsätzlich, dass Drittstaatsangehörige, die die Rechtsstellung langfristig Aufenthaltsberechtigter gemäß der „Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen“ inne-haben, österreichischen Studierenden und Studierenden aus anderen Mitgliedstaaten der Euro-

päischen Union u.a. betreffend den Studienbeitrag gleichgestellt sind (diese Richtlinie wurde

in Österreich u.a. durch das Fremdenrechtspaket, BGBl. I Nr. 100/2005, umgesetzt).

 

Die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten ist durch die entsprechenden Nachweise zu bestätigen.

 

Darunter fallen Studierende, denen folgende Aufenthaltstitel erteilt wurden:

  1. „Daueraufenthalt – EG“ (auch „Daueraufenthalt – Familienangehöriger“), ausgestellt von der zuständigen österreichischen Behörde.
  2. „Daueraufenthalt – EG“, ausgestellt von einer zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaates (Drittstaatsangehörige, die über einen solchen Aufenthaltstitel verfügen, benötigen zum Zwecke eines Studiums an einer österreichischen Universität weiters eine „Aufenthaltsbewilligung – Studierender“).
  3. „Daueraufenthaltskarte“, ausgestellt von der zuständigen österreichischen Behörde.
  4. Erhalten Studierende aus einem Drittstaat auch Studienbeihilfe, so handelt es sich um langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige und der positive Studienbeihilfenbescheid dient dann auch als Nachweis für die Rechtsstellung als langfristig Aufenthaltsberechtigte. Der Bescheid der Studienbeihilfenbehörde ersetzt in diesem Fall die Vorlage eines der oben genannten Nachweise (diese praktikable Lösung wurde für den Fall gewählt, um verwaltungsvereinfachend Studierenden schneller ohne nochmalige Prüfung und Vorlage der jeweiligen Dokumente den Erlass bzw. die Rückzahlung zu gewähren).

 

Die langfristig aufenthaltsberechtigten Studierenden sind hinsichtlich der allgemeinen und beruflichen Bildung einschließlich Stipendien und Ausbildungsbeihilfen, dem Zugang zu einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit, der Anerkennung der berufsqualifizierenden Diplome, Prüfungszeugnisse und der sonstigen Befähigungsnachweise wie eigene Staatsangehörige zu behandeln. Damit sind Studierende, die unter diese Richtlinie fallen, österreichischen Studierenden und Studierenden aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union hinsichtlich des Studienbeitrages gleichgestellt.

 

Für jene Studierenden mit türkischer Staatsangehörigkeit, für die die RL 2003/109/EG nicht in Frage kommt, kann aber Artikel 9 des Beschlusses 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei (ARB 1/80) zur Anwendung kommen. Dieser besagt Folgendes:

 

„Türkische Kinder, die in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft ordnungsgemäß bei ihren Eltern wohnen, welche dort ordnungsgemäß beschäftigt sind oder waren, werden unter Zugrunde-legung derselben Qualifikationen wie die Kinder von Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates zum allgemeinen Schulunterricht, zur Lehrlingsausbildung und zur beruflichen Bildung zuge-lassen. Sie können in diesem Mitgliedstaat Anspruch auf die Vorteile haben, die nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften in diesem Bereich vorgesehen sind.“

 

Studierende mit türkischer Staatsbürgerschaft haben damit, sofern nicht bereits eine Gleich-behandlung mit Inländer/innen/EU-Staatsangehörigen auf Grund der Richtlinie über die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen besteht, einen Anspruch auf Gleichbehandlung bei der Bezahlung der Studienbeiträge, wenn:

 

·         sie ordnungsgemäß in Österreich bei ihren Eltern wohnen (auch, wenn sie nur ihren
„Nebenwohnsitz“ bei den Eltern haben) und

·         die Eltern ordnungsgemäß in Österreich beschäftigt sind oder waren und

·         sie die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen (zum Studium) erfüllen.

 

Auf Staatsbürger/innen, für die die oben genannten Bestimmungen nicht anwendbar sind (und auch nicht § 92 Abs. 1 Z 3 UG – Partnerschaftsabkommen zwischen den jeweiligen Universi-täten mit gegenseitigem Erlass des Studienbeitrages – in Frage kommt), können eventuell die Bestimmungen der Studienbeitragsverordnung – UniStEV (je nach Entscheidung der einzelnen Universität) für eine Rückerstattung des Studienbeitrages angewendet werden:

·         Ordentlichen Studierenden, die Angehörige eines der in Anlage 1 zur StubeiV angeführten Staates sind, kann von der jeweiligen Universität für die Semester, in denen der Studienbeitrag entrichtet wurde, der Betrag von € 363,36 auf Antrag der oder des Studierenden rück-erstattet werden.

·         Ordentlichen Studierenden, die Angehörige eines der in Anlage 2 zur StubeiV angeführten Staates sind, kann von der jeweiligen Universität für die Semester, in denen der Studienbeitrag entrichtet wurde, der Betrag von € 363,36 auf Antrag der oder des Studierenden rück-erstattet werden, sofern die Zulassung zum Studium auf Grund eines in Österreich
erworbenen österreichischen Reifezeugnisses erfolgte.

 

Zu Frage 4:

Hinsichtlich der Gleichbehandlung von jenen Drittstaatsangehörigen – soweit sie derzeit vermehrt Gegenstand der medialen Berichterstattung sind – mit österreichischen Staats-bürger/innen hinsichtlich des Studienbeitrages werden in der Literatur durchaus verschiedene Rechtsstandpunkte eingenommen, insbesondere auch betreffend türkischer Staatsbürger/innen im Zusammenhang mit dem Artikel 9 des Beschlusses 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei.

 

Nachdem Ende 2009 die bisherige Verwaltungspraxis an den Universitäten hinterfragt wurde, versucht das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung derzeit durch Einbeziehung von Expert/innen sowie den zuständigen Bundesministerien eine Klärung der Bestimmung des § 91 UG („denen Österreich auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrages dieselben Rechte für den Berufszugang zu gewähren hat wie Inländern“) herbeizuführen.

 

Zu Frage 5:

§ 6 Abs. 4 der Verordnung der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur
über Studienbeiträge (Studienbeitragsverordnung – StubeiVO) vom 1. Juni 2001, BGBl. II Nr. 205/2001, sah nur vor, dass Anträge auf Rückerstattung von Studienbeiträgen innerhalb von drei Jahren ab Bezahlung zulässig waren.


 


Sofern die Anfrage § 6 Abs. 2 und 3 StubeiVO meint, ist Folgendes festzuhalten:

§ 6 Abs. 2 StubeiVO sah vor, dass bei Bezahlung des Studienbeitrages nach Ende der Nachfrist – womit keine Fortsetzung des Studiums bewirkt werden konnte – die Rektorin oder der Rektor den Studienbeitrag rückzuerstatten hatte, sofern ein diesbezüglicher Antrag der oder des
Studierenden erfolgte. § 6 Abs. 3 StubeiVO sah vor, dass dann, wenn ein zu hoher Betrag
bezahlt wurde oder irrtümlich mehrere ordnungsgemäße Einzahlungen vorgenommen wurden, die Rektorin oder der Rektor die Differenz zum Studienbeitrag in der Höhe von € 363,36 rück-zuerstatten hatte, sofern ein diesbezüglicher Antrag der oder des Studierenden erfolgte.

 

In beiden Fällen war keine automatische Rückerstattung von Studienbeiträgen, die ohne gültigen Rechtstitel eingezahlt wurden, vorgesehen.

 

Zu Frage 6:

§ 92 Abs. 1 Z 4 UG sieht vor, dass Studierenden, welche die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, EU-Bürger/innen sind oder denen Österreich auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrages dieselben Rechte für den Berufszugang zu gewähren hat wie Inländer/innen, auch dann, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um mehr als zwei Semester überschreiten, der Studienbeitrag für die Semester zu erlassen ist, in denen sie sich nachweislich überwiegend der Betreuung von Kindern bis zum 7. Geburtstag oder einem allfälligen späteren Schuleintritt gewidmet haben.

 

Bei der gesetzlichen Bestimmung des § 91 Abs. 1 UG handelt es sich um eine demonstrative Aufzählung von Erlassgründen. Für die Universitäten ist es möglich, im Rahmen ihrer universitätsinternen Bestimmungen weitere Erlassgründe, wie eben einen Erlass des Studienbeitrages auch bei Betreuung und Pflege von Angehörigen, vorzusehen.

 

Die Bestimmung des § 92 Abs. 1 Z 4 UG, in der derzeit geltenden Fassung, wurde auf Grund
eines Initiativantrages der Abgeordneten Josef Broukal, Dr. Martin Graf, Dr. Kurt Grünewald, Kolleginnen und Kollegen in das UG eingefügt. Aus den Erläuterungen zu dieser Novelle ist nicht zu entnehmen, weshalb Studierende, die ihre Angehörigen pflegen, nicht aufgenommen wurden. Ein derartiger Sachverhalt ist nicht durch eine Novellierung der StubeiV 2004 möglich, sondern es müsste dafür eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden.

 

Zu Frage 7:

Mit BGBl. I Nr. 81/2009 hat der Gesetzgeber auf diese Problematik insofern reagiert, als Studierenden, sofern sie im vergangenen Semester Studienbeihilfe gemäß dem Studienförderungsgesetz 1992 bezogen haben oder im laufenden Semester beziehen, der Studienbeitrag zu erlassen ist. Damit ist im Wesentlichen sozial bedürftigen Studierenden, die ein Doppelstudium betreiben und in einem Studium die beitragsfreie Studienzeit überschritten haben, der Studienbeitrag zu erlassen.

 

Für alle anderen Studierenden, die Mehrfachstudien betreiben, wird künftig im Falle einer Beitragspflicht eine antragsgebundene Rückerstattung des Studienbeitrages seitens des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung erfolgen, wenn im betreffenden Semester positive Leistungen im Ausmaß von mindestens 15 ECTS-Anrechnungspunkten erbracht wurden.


 

Zu Fragen 8 bis 10:

Durch den oben bereits genannten Initiativantrag der Abgeordneten Broukal, Dr. Graf,
Dr. Grünewald, Kolleginnen und Kollegen wurde auch festgelegt, dass Studierende, welche die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, EU-Bürger/innen sind oder denen Österreich auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrages dieselben Rechte für den Berufszugang zu gewähren hat wie Inländer/innen, auch bei Überschreiten des darin festgelegten Zeitraumes der vorgesehenen Studienzeit plus Toleranzzeit der Studienbeitrag zu erlassen ist, wenn eine Behinderung nach bundesgesetzlichen Vorschriften mit mindestens 50 % festgestellt ist.

 

Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen legt unter anderem in Artikel 24 fest, dass Vertragsstaaten sicher stellen, dass Menschen mit Behinderungen ohne Diskriminierung und gleichberechtigt mit anderen Zugang zu allgemeiner Hochschulbildung, Berufsausbildung, Erwachsenenbildung und lebenslangem Lernen
haben. Zu diesem Zweck stellen die Vertragsstaaten sicher, dass für Menschen mit Behinderungen angemessene Vorkehrungen getroffen werden. In Ergänzung dazu regelt Artikel 4 des Übereinkommens, dass sich die Vertragsstaaten verpflichten, alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Umsetzung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte zu treffen. Das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen wurde im BGBl. III Nr. 155/2008 am 23. Oktober 2008 kundgemacht. Der
Nationalrat hat dabei beschlossen, dass der Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages genehmigt wird sowie dass der Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist.

 

Zu Frage 11:

Den Anlagen der Studienbeitragsverordnung 2004, wie sie in BGBl. II Nr. 55/2004 kundgemacht wurden und seitdem auch keine Änderungen erfahren haben, liegt die zur Zeit der Erstellung der Verordnung gültige Liste des „Development Assistance Committee (DAC)“ der OECD
(Organisation for Economic Cooperation and Development) zugrunde, nach welcher Länder und Gebiete, die Empfänger von „official development assistance (ODA)“ sind, auf Grund ihres Bruttonationalproduktes gemäß den Angaben der Weltbank in verschiedene Einkommensgruppen eingeteilt werden. Die am wenigsten entwickelten Länder (least developed countries) werden separat ausgewiesen.

 

Auch nach der aktuellen Liste des DAC (für 2009 und 2010) finden sich São Tome and Principe ebenso wie die Komoren auf der Liste der am wenigsten entwickelten Länder. Ghana und Nigeria befinden sich auf der Liste der „Other Low Income Countries“ und Kamerun auf der Liste der „Lower Middle Income Countries and Territories“.

 

Der Anfrage liegt der Human Development Index des Human Development Reports 2009 des United Nations Development Programs zugrunde. Dieser Index des menschlichen Entwicklungsstandes listet auf den Rängen 159 bis 182 die Länder mit „Low Human Development“ auf. Bis auf die Elfenbeinküste finden sich diese Länder auch alle auf der OECD-Liste der least
developed countries. Die Liste der OECD der least developed countries ist sogar noch wesentlich umfangreicher (49 Staaten) als jene der Vereinten Nationen im Human Development Report 2009 (24 Staaten).

 

Zu Frage 12:

Im Sommersemester 2009 wurde 323 und im Wintersemester 2009/10 330 Studierenden der Studienbeitrag unter Bezugnahme auf diese Bestimmung erlassen.



Zu Frage 13:

An Österreichs Universitäten, Fachhochschulen und Privatuniversitäten studierten im Winter-semester 2009 137 Studierende aus Nigeria, 50 Studierende aus Kamerun und 23 Studierende aus Ghana.

Die Bundesministerin:

Dr. Beatrix Karl e.h.