4777/AB XXIV. GP

Eingelangt am 17.05.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Frauen und öffentlichen Dienst

Anfragebeantwortung

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Maga. Schwentner, Freundinnen und Freunde ha­ben am 26. März 2010 unter der Nr. 5007/J an mich eine schriftliche parlamentari­sche Anfrage betreffend sexuelle Belästigung gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Zu Fragen 1 und 2:

Ø  Planen Sie einer Erhöhung des im Gleichbehandlungsgesetz festgelegten Min­destschadenersatzes von 720 Euro? Falls ja, ist daran gedacht, dass bei der Bemessung der Schadenersatzhöhe auch auf den Gewinn und die Größe eines Unternehmens bedacht genommen werden soll, damit die Höhe der Sanktion den Kriterien der Wirksamkeit, Abschreckung und Verhältnismäßigkeit entspricht?

Ø  Ist eine Ausweitung der einjährigen Verjährungsfrist bei sexueller Belästigung im Gleichbehandlungsgesetz geplant, weil sich Frauen oft erst später zur Geltend­machung ihrer Ansprüche entschließen? Falls ja, auf wie viele Jahre?

 

Für Novellierungen des Gleichbehandlungsgesetzes ist legistisch das Bundesminis­terium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zuständig. Derzeit werden inten­sive Novellengespräche unter Einbeziehung der Sozialpartner geführt, in die ich ein­gebunden bin.

 

Im Bundes-Gleichbehandlungsgesetz ist mit 1. Jänner 2010 (mit der 2. Dienstrechts-Novelle 2009) bereits die 3-jährige Verjährungsfrist bei sexueller Belästigung einge­führt worden.

 

Zu den Fragen 3 und 4:

Ø  Haben Sie sich bei Ihrer Regierungskollegin Maria Fekter schon dafür eingesetzt, dass die Polizei Betroffenen von sexueller Belästigung über die Konsequenzen einer Strafanzeige und die Möglichkeiten nach dem Gleichbehandlungsgesetz hinweist?

Ø  Haben Sie sich bei Ihrer Regierungskollegin Claudia Bandion-Ortner schon dafür eingesetzt, dass die strafrechtliche Definition von sexueller Belästigung erweitert wird und sich an jene im Gleichbehandlungsgesetz annähert?

 

Die strafrechtliche Definition von sexueller Belästigung gem. § 218 StGB setzt eine geschlechtliche Handlung an oder vor einer Person voraus. Als geschlechtliche Handlung in diesem Sinne werden nach geltender Judikatur nur solche Handlungen betrachtet, die der unmittelbaren Geschlechtssphäre zuzurechnen sind und diese involvieren.

 

Die unmittelbare Geschlechtssphäre im Sinne der geltenden Rechtsprechung um­fasst die weiblichen und männlichen Geschlechtsorgane sowie die weibliche Brust - nicht jedoch etwa das Gesäß. Eine Berührung am Gesäß wird nach geltender Recht­sprechung daher auch nicht als geschlechtliche Handlung im Sinne des Strafrechts beurteilt, ebenso können bloß verbale Äußerungen diesen Straftatbestand nicht er­füllen.

 

Das Gleichbehandlungsgesetz hingegen setzt bei der Beurteilung, ob eine sexuelle Belästigung vorliegt, an Verhaltensweisen an, die der sexuellen Sphäre zuzuordnen sind: dies können verbale Äußerungen sein (wie anzügliche Witze), ebenso wie die Konfrontation mit pornographischen Bildern oder unerwünschte Einladungen mit ein­deutiger (benannter) Absicht.

 

Damit soll ermöglicht werden, demütigende Verhaltensweisen, die im Arbeitsalltag auf Grund der bestehenden Abhängigkeiten von besonders gravierender Bedeutung sind, zu sanktionieren, auch wenn sie noch keine strafrechtlich relevante Intensität erreicht haben.

 

Über die Grenze der strafrechtlichen Relevanz muss und soll aber diskutiert werden. In der bestehenden Rechtsprechung zu geschlechtlichen Handlungen sehe ich Schutzlücken, die geschlossen werden müssen, wie sich beim OGH-Urteil 13Os62/09f vom 18.06.2009 sehr deutlich gezeigt hat (Schulwartfall).

 

Ich sehe es daher für dringend geboten, die Begriffsdefinition von geschlechtlicher Handlung zu überdenken und einer breiten Fachdiskussion zuzuführen und habe dies auch bereits gegenüber der Justizministerin zum Ausdruck gebracht.

 

Hinsichtlich der Aufklärung von Betroffenen im Bezug auf Möglichkeiten nach dem Gleichbehandlungsgesetz möchte ich auf das umfassende Netz an Beratungsange­boten hinweisen, insbesondere auf die Gleichbehandlungsanwaltschaft (inkl. Regio­nalbüros) und die Arbeitskreise für Gleichbehandlungsfragen.

 

Zu Frage 5:

Ø  Wie viele Beratungsstellen, die speziell zum Thema sexuelle Belästigung in Schu­le und Studium beraten, gibt es derzeit in Österreich? Bitte führen Sie diese Bera­tungsstellen an?

 

StudienwerberInnen oder Studierende, die im Zusammenhang mit ihrem Studium se­xuell belästigt werden, können sich an den Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen wenden, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz ist anzuwenden. Manche Universitä­ten haben auch spezielle Beratungsangebote für Betroffene eingerichtet. Die Bera­tungsmöglichkeit an Schulen fällt in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeri­ums für Unterricht, Kunst und Kultur.

 

Aus meinen Budgetmitteln wird der Verein „Selbstlaut gegen sexuelle Gewalt an Mädchen und Buben“ in Wien unterstützt. Der Verein bietet Mütterberatung zu all­gemeinen Erziehungsfragen, Beratung zu Sexualerziehung und Unterstützung und Begleitung aller Personen bei Verdacht und Aufdeckung von sexueller Gewalt. Eben­so bietet der Verein Schulungen und Seminare für MultiplikatorInnen, sowie Kinder­workshops an Volksschulen an, begleitet Lehrerinnen und Multiplikatorinnen im Ver­dachtsfall und hält Gesprächsrunden für Mädchen an HS und AHS ab.

 

Darüber hinaus werden keine Vereine oder Organisationen unterstützt, die Beratun­gen speziell zum Thema sexuelle Belästigung in Schule und Studium anbieten. Ich unterstütze jedoch aus den Förderbudgetmitteln auch Mädchenberatungsstellen, die u.a. Beratungen zum Thema Sexualität anbieten. Im Vorjahr erhielten 12 derartige Einrichtungen finanzielle Unterstützungen:

·        Die Tür, Mattersburg, Frauenservicestelle, Projekt: MonA-Net Mädchen online Austria;

·        Mädchenzentrum Klagenfurt, Projekt: Frauenservicestelle;

·        Verein Jugend und Kultur Wr. Neustadt, Verein zur Förderung ganzheitlicher Jugend, Sozial- und Kulturarbeit Triebwerk, Projekt: Mädchenberatungsstelle Auftrieb;

·        Verein Insel, Mädchen- und Frauenzentrum Scharnstein,
Projekt: Frauenservicestelle;

·        Verein Mafalda, Graz, Verein zur Förderung und Unterstützung von Mädchen und jungen Frauen, Projekt: Frauenservicestelle;

·        Frauen im Brennpunkt, Innsbruck, Projekt: Frauenservicestelle;

·        Amazone, Mädchenzentrum Amazone, Bregenz, Projekt: Frauenservicestelle;

·        Orient Express, Wien, Projekt: Zwangsheirat und FGM-Female Genital Mutila­tion;

·        Verein Sprungbrett, Wien, Mädchenberatung, Mädchenbildung, Mädchenfor­schung, Projekt: Frauenservicestelle;

·        Netzwerk österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen, Wien, Projekt: Frauenservicestelle;

·        Verein Tamar, Wien, Projekt: Frauenservicestelle;

·        Verein Frauen gegen sexuelle Ausbeutung von Mädchen, Wien,
Projekt: Frauenservicestelle.

 

Sollten für das Jahr 2010 Förderungsansuchen von Einrichtungen eingebracht wer­den, die Beratungen zum Thema Sexualität anbieten, werden diese auf die formalen und inhaltlichen Kriterien zu überprüfen sein. Es ist mir ein grundsätzliches Anliegen, Initiativen aus diesem Bereich im Rahmen meiner budgetären Möglichkeiten best­möglich zu unterstützen.

 

Zu Frage 6:

Ø  Wie stehen Sie zu der Idee Prozessbegleitung in Fällen von sexueller Belästigung und/oder Mobbing vor dem Arbeitsgericht anzubieten?

 

Seit 1. Juni 2009 kann gem. § 73b ZPO Opfern, denen im Strafverfahren psychosozi­ale Prozessbegleitung gewährt wurde, auch im Zivilverfahren psychosoziale Pro­zessbegleitung gewährt werden, wenn dieses Verfahren in einem sachlichen Zusam­menhang mit dem Gegenstand des Strafverfahrens steht (Höchstbetrag € 800 bzw. bei Verfahrenshilfe € 1.200). Diese Regelung ist daher auch auf allfällige arbeitsge­richtliche Verfahren anzuwenden, die in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Gegenstand des Strafverfahrens stehen.

 

Darüber hinaus können sich Parteien gem. § 40 Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht nur durch RechtsanwältInnen vertreten lassen, sondern auch durch bestimmte qualifizierte Personen (wie etwa durch Arbeitnehmer­InnenvertreterInnen), um zu ermöglichen, dass deren spezifischen Kenntnisse in das Verfahren eingebracht werden.