5504/AB XXIV. GP

Eingelangt am 23.07.2010
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BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

 

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer                                                          Wien, am 23. Juli 2010

Parlament

1017 Wien                                                                GZ: BMF-310205/0122-I/4/2010

 

 

 

 

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 5450/J vom 25. Mai 2010 der Abgeordneten Bernhard Themessl, Kolleginnen und Kollegen beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass der Produktpirateriebericht 2009 entsprechend dem gesetzlichen Auftrag in § 9 Abs. 3 Produktpirateriegesetz 2004 nur Informationen und Daten über die Anwendung der EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 und des Produktpiraterie­gesetzes 2004 enthält. Daten, die sich aus dem Vollzug anderer Rechtsmaterien – insbe­sondere des Finanzstrafgesetzes – ergeben, sind darin nicht enthalten.

Der Geltungsbereich der EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 und damit auch des Produktpirateriegesetzes 2004 ergibt sich aus Artikel 1 Abs. 1 der EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004. Danach können die Zollbehörden bei der Einfuhr von Waren tätig werden, wenn der Verdacht besteht, dass Waren ein Recht am geistigen Eigentum verletzen, und diese „Fälschungen“:


a)    zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angemeldet werden,

b)   anlässlich ihrer körperlichen Verbringung über die Außengrenze in das Zollgebiet der Union gemäß Artikel 37 ZK bei einer zollamtlichen Prüfung entdeckt werden,

c)    bei ihrer Überführung in ein Nichterhebungsverfahren bei einer zollamtlichen Prüfung entdeckt werden, also bei der Überführung in

§  ein Versandverfahren,

§  ein Zolllagerverfahren,

§  eine aktive Veredelung nach dem Nichterhebungsverfahren,

§  eine Umwandlung unter zollamtlicher Überwachung oder

§  eine vorübergehende Verwendung, oder

d)    anlässlich der Verbringung in eine Freizone oder ein Freilager im Rahmen einer zollamt­lichen Prüfung entdeckt werden.

Waren, die geschmuggelt werden, fallen daher nicht unter den Geltungsbereich der
EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004, und zwar auch dann nicht, wenn es sich dabei um „nachgeahmte Waren“ handelt. Deshalb können die Zollbehörden die EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 bei Schmuggelzigaretten und anderen geschmuggelten Tabakerzeugnissen nicht anwenden.

Der Vollständigkeit halber wird noch darauf hingewiesen, dass die Zollbehörden bei Zigaretten, bei denen der Verdacht besteht, dass sie ein Recht am geistigen Eigentum verletzen, insbesondere in den folgenden (nicht als Schmuggel zu qualifizierenden) Fällen nach der EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 tätig werden können:

1.  die – mutmaßlich gefälschten – Zigaretten werden dem Zoll ordnungsgemäß gestellt, als Zigaretten deklariert und zu einem der vorstehend angeführten Zollverfahren angemeldet oder

2.  die – mutmaßlich gefälschten – Zigaretten werden bei der Verbringung in eine Freizone oder ein Freilager im Rahmen einer zollamtlichen Prüfung entdeckt. Da für die Verbringung von Waren in eine Freizone oder in ein Freilager keine Zollanmeldung erforderlich ist, ist es in diesem Fall nicht maßgeblich, ob die Zigaretten in den Fracht­papieren deklariert werden oder nicht.

Österreichische Erfahrungen und Informationen aus anderen Mitgliedstaaten zeigen, dass der erste Fall in der Praxis zwar nicht ausgeschlossen werden kann, aber sehr selten vorkommt (siehe dazu auch Beantwortung der Frage 3). Die EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 ist daher bei gefälschten Tabakwarenprodukten in der Praxis hauptsächlich dann


anzuwenden, wenn diese Waren in Freizonen oder in Freilagern aufgegriffen werden. Derartige Aufgriffe sind durch die österreichische Zollverwaltung aber nicht möglich, weil es in Österreich weder Freizonen noch Freilager gibt.

Wie die nachstehende Übersicht der Jahre 2004 bis 2008[1]) zeigt, sind die Aufgriffe gefälschter Tabakwarenprodukte im Verhältnis zu den Aufgriffen anderer gefälschter Waren auch in den anderen EU-Mitgliedstaaten eher gering.

 

Jahr

EU-weite Aufgriffe
Tabakwarenprodukte

EU-weite Aufgriffe
Fälschungen gesamt

 

2004

316

22.311

2005

232

26.704

2006

300

37.334

2007

418

43.671

2008

445

49.381

 

Nun zur Beantwortung der konkreten Fragen:

 

Zu 1.:

Da die Europäische Kommission die EU-weite Produktpirateriestatistik für das Jahr 2009 noch nicht veröffentlicht hat, liegen diese Zahlen noch nicht vor. Überdies ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission seit 2005 nur mehr die Gesamtzahlen für alle Mitgliedstaaten veröffentlicht und somit Detailzahlen pro Mitgliedstaat nicht mehr vorliegen.

 

Zu 2.:

Im Hinblick auf die vorstehend geschilderten rechtlichen Rahmenbedingungen war nicht damit zu rechnen, dass es im Jahr 2009 zu Aufgriffen gefälschter Tabakwarenprodukte in Österreich kommen wird, bei denen die EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 anwendbar ist.

 

Zu 3.:

Im Jahr 2004 gab es einen Aufgriff mit insgesamt 160.000 gefälschten Zigaretten. Diese Zigaretten hätten durch die EU im Versandverfahren durchgeführt werden sollen, wurden


aber wegen Produktpiraterie gestoppt. Im gleichen Jahr gab es zwei weitere Sendungen mit mutmaßlich gefälschten Zigaretten, bei denen ein Verfahren nach der EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 begonnen wurde. Da es sich dabei aber um Schmuggelfälle handelte, wurden diese Verfahren nicht weiter verfolgt, sondern Finanzstrafverfahren abgeführt.

Ansonsten gab es in den Jahren 2000 bis 2008 keine Aufgriffe von Tabakwarenprodukten, bei denen die EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 angewendet wurde.

 

Zu 4. und 5.:

Dazu liegen dem Bundesministerium für Finanzen keine Informationen vor.

 

Zu 6.:

Im Hinblick auf die vorstehend geschilderten rechtlichen Rahmenbedingungen besteht keine Notwendigkeit zur Änderung der Strategie bei der Bekämpfung der Produktpiraterie im Zusammenhang mit Tabakwarenprodukten, weil auch in Zukunft nicht damit zu rechnen ist, dass es zu Aufgriffen gefälschter Tabakwarenprodukte in Österreich kommen wird, bei denen die EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004 anwendbar sein wird.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

 



[1]) Quelle: EU-weite Statistiken der Kommission über die Anwendung der EG-Produktpiraterie-Verordnung 2004, http://ec.europa.eu/taxation_customs/customs/customs_controls/counterfeit_piracy/statistics/index_en.htm.