5512/AB XXIV. GP

Eingelangt am 26.07.2010
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Gesundheit

Anfragebeantwortung

 

 

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Maga. Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

Alois Stöger diplô

Bundesminister

 

 

 

 

GZ: BMG-11001/0177-I/5/2010

Wien, am 22. Juli 2010

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

Ich beantworte die an mich gerichtete schriftliche parlamentarische

Anfrage Nr. 5630/J der Abgeordneten Dorothea Schittenhelm nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Frage 1:

Die Gleichstellung von Frauen und Männern zählt zu den Grundsätzen und Aufgaben der medizinischen Universitäten. Gender-Medizin hat sich als ein wichtiger Fachbereich in der Gesundheit und in der Medizin entwickelt und soll in der Ausbildung innerhalb der Gesundheitsberufe sowie in der Prävention und in der Therapie zur Anwendung kommen. Seit 2002 wurde an der medizinischen Fakultät eine Stabsstelle Gender-Mainstreaming zur Koordination der Gleichstellung der Frauenförderung sowie der Geschlechterforschung eingerichtet. Im Rahmen der Med. Universitäten Wien, Graz und Innsbruck wurden berufsbegleitende interdisziplinäre Lehrgänge für Gender-Medizin geschaffen. In der bekannten medizinischen Literatur gibt es bereits zahlreiche Erkenntnisse über „Gender Medizin“, Fragen der Maßnahmen bzw. der Forschung werden mit der universitären Einrichtung eines Lehrstuhls für „Gender Medizin“ behandelt.

 

Die geschlechtsspezifische Medizin ist eine Querschnittsmaterie für alle Disziplinen, welche die geschlechtsabhängigen biologischen und psychosozialen Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Mann und Frau untersucht. Ein Beispiel für dieses komplexe Zusammenspiel von Biologie ist die unterschiedliche Anfälligkeit für Herz-

Kreislauferkrankungen. Das Gesundheitsministerium bemüht sich, das Genderprinzip in allen Ebenen wie in der Gesundheitsberichterstattung, bei Förderungen und in der fachlichen Diskussion mit den Mediziner/inne/n anzuwenden.

 

Eine genaue Definition der Todesursache sollte für beide Geschlechter gleichermaßen gelten. Nur wenn Ärztinnen und Ärzte auf genderspezifische Unterschiede geschult sind, kann die Genauigkeit der Angaben erhöht werden. Damit Todesursachen von Frauen wesentlich genauer definiert werden, sind eine Schulung der Mediziner/innen sowie die Sensibilisierungsmaßnahme im Gesundheitswesen unerlässlich. Das Gesundheitsressort hat die geschlechtsspezifische Berücksichtigung in der Ausbildung von Mediziner/inne/n bereits 2006 in einem Schreiben an die Rektoren und Vizerektoren der genannten Universitäten angeregt und eingefordert.

 

Frage 2:

Eine rechtzeitige Diagnose ist bei beiden Geschlechtern anzustreben. Die Beachtung geschlechtsspezifischer Unterschiede ist in der Prävention, Diagnostik und Therapie selbstverständlich sehr bedeutend. Die Berücksichtigung des Geschlechts als eine zentrale soziostrukturelle Gesundheitsdeterminante gilt als Möglichkeit, im Gesundheitswesen zu einer Qualitätsverbesserung und darüber hinaus zu einem Abbau von Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern beizutragen.

 

Das Gesundheitsministerium beschäftigt sich schon seit Jahren mit dem Thema Gender-Medizin. Frauen und Männer unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Morbidität, ihrem Gesundheitsverhalten sowie ihrer Gesundheitsrisiken. Als Beispiele können folgende Bereiche genannt werden:

 

1.      Jene Bereiche, wo die Mortalität bei Frauen höher ist als bei Männern, wie z.B. kardiovaskuläre Erkrankungen und Krebs

2.      Jene Bereiche, die ausschließlich Frauen betreffen, wie z.B. reproduktive Gesundheit, Brustkrebs, Cervixkrebs
(bzw. Bereiche, die ausschließlich Männer betreffen)

3.      Jene Bereiche, wo die Morbidität bei Frauen höher ist als bei Männern, wie z.B. rheumatische Arthritis und Anämie

4.      Jene Bereiche, die sich bei Frauen und Männern unterschiedlich manifestieren, was vor allem auf psychische Erkrankungen zutrifft, wie z.B. Depression, Angst, Essstörungen.

 

Weiters ist aus der deskriptiven Forschung zu entnehmen, dass Männer und Frauen ein unterschiedlich ausgeprägtes Gesundheitsbewusstsein haben. Frauen werden stets als gesundheitsbewusster eingestuft als Männer und es werden vielfach Geschlechtsunterschiede in der Gesundheit auf unterschiedliche Verhaltensweisen zurückgeführt. Besonders sind diese unterschiedlichen Verhaltensweisen bei Lebensstilfaktoren und in diesem Zusammenhang mit der Entwicklung von

Risikofaktoren wie Übergewicht, Hypercholesterinämie, Hypertonie sowie der Bereitschaft, das Verhalten in Richtung gesünderem Lebensstil zu verändern, zu erkennen. Durch eine geschlechtsdifferenzierte Gesundheitsförderung, medizinische Behandlung und Versorgung kann letztendlich eine Verbesserung in der Qualitätssicherung im Gesundheitssystem bewirkt werden. Geschlechtsspezifische Angebote im Präventionsbereich sind daher in weiterer Zukunft auszubauen.

 

Auch die Sozialversicherungsträger messen im Rahmen ihrer Wirkungsmöglichkeiten der „Gender Medizin“ die gebührende Bedeutung bei. Die soziale Krankenversicherung ermöglicht für alle Österreicherinnen und Österreicher eine Vorsorgeuntersuchung, bei welcher Beschwerden und Symptome von Krankheiten genau abgefragt sowie Risikoprofile und Frühzeichen für überlebensrelevante Erkrankungen erfasst werden. Frauen wie Männer haben gleichermaßen Zugang zu Vorsorgeuntersuchungen.

Vorsorgeuntersuchungen werden von Frauen häufiger in Anspruch genommen als von Männern. Die Vorsorgeuntersuchung wäre auch einer der ersten Ansätze dafür, auf die bestehenden Unterschiede bei bestimmten Symptomen, die auf schwerwiegende Erkrankungen hindeuten, geschlechterspezifisch einzugehen.

 

Bei den Sozialversicherungsträgern werden im Rahmen eines bundesweit einheitlichen Vorsorgeuntersuchungsprogramms spezielle Untersuchungen für Frauen durchgeführt. Im Übrigen werden regelmäßig „Frauengesundheitstage“ veranstaltet. Diese sollen den Krankheitsrisiken, dem Krankheitsspektrum und gesundheitlichen Bedürfnissen speziell für Frauen Rechnung tragen. Im Mittelpunkt dieser Veranstaltungen stehen unter anderem Angebote zur persönlichen Vorsorge, Gesundheitschecks, Informations- und Beratungsstände sowie Vorträge und Work­shops zu frauenspezifischen Themen.

Zudem finden einmal jährlich ein Gesundheitstag „Gender Medizin“ und in Kooperation mit anderen Gesundheitspartnern eine Gesundheitsenquete „Gesundheit für Sie“ mit Vorträgen, Referaten etc. zum Thema Frauengesundheit (vgl. www.gesundheitfuersie.at) statt. Weiters werden im Rahmen der Gesundheitsförderung spezielle Frauenthemen, wie z. B. Brustkrebsvorsorge, behandelt.

 

Brustkrebs ist mit einem Anteil von 28 % an allen Tumoren der Frauen seit langem die häufigste Krebserkrankung bei Frauen und zählt somit auch zu den genderspezifischen Erkrankungen. Österreichweit erkranken jährlich rund 4.800 Frauen an Brustkrebs, etwa 1.600 Frauen sterben in Österreich jährlich an den Folgen von Brustkrebs.

Das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, ist in den letzten 30 Jahren deutlich gestiegen, wobei das Erkrankungsrisiko mit fortschreitendem Alter steigt. 79 % der

Frauen sind bei der Diagnosestellung über 50 Jahre alt. Weltweit ist zwar

erfreulicherweise ein Rückgang der Mortalitätsrate seit Mitte der 90er Jahre aufgrund verbesserter Früherkennungsmethoden, Entdeckung in sehr frühen Stadien und verbesserter Therapieformen zu verzeichnen, aufgrund der demographischen Entwicklung ist die Inzidenz allerdings weiterhin steigend.

Um die Brustkrebsmortalität europaweit um 25 bis 30 % zu senken sowie die Lebensqualität der betroffenen Frauen deutlich zu verbessern, haben EU-Kommission und EU-Parlament die EU-Mitgliedstaaten aufgerufen, die „European Guidelines for Quality Assurance in Breast Cancer Screening and Diagnosis“[1] bis 2008 zu implementieren. Im Jahr 2005 hat die Bundesgesundheitskommission beschlossen, in den Bundesländern Wien, Burgenland, Vorarlberg, Salzburg und Tirol Mammograpie-Screening-Programme auf Pilotebene einzuführen.

Im Rahmen des Wiener Pilotprojekts „Ich schau auf mich!“ wurden im Zeitraum Juni 2007 bis Dezember 2008 rund 26.100 Frauen zwischen 50 und 69 Jahren aus dem 15., 16. und 17. Bezirk mittels persönlichem, mehrsprachigem Einladungsschreiben und Terminvorschlag in eines von drei definierten Screening-Zentren eingeladen.

Nachdem die Evaluationsergebnisse der Mammographie-Screening Austria Projekte[2] vorlagen, wurde von der Bundesgesundheitskommission die finanzielle Unterstützung für die Pilotprojekte in den Jahren 2009 und 2010 bzw. bis zur Umsetzung eines nationalen Brustkrebs-Früherkennungs-Programms beschlossen. Im Herbst dieses Jahres wird die zweite Einladungsrunde in den Wiener Pilotbezirken gestartet. Ziel des Projektes, das gemeinsam mit der Stadt Wien und den Wiener Krankenversicherungsträgern durchgeführt wird, ist unter anderem die Verbesserung der Inanspruchnahme und der Qualität der Brustkrebsfrüherkennung in Wien.

Die Bundesgesundheitsagentur hat in ihrer Sitzung am 22. Juni 2009 darüber hinaus die Umsetzung eines flächendeckenden organisierten und qualitätsgesicherten Brustkrebs-Früherkennungs-Programms in Österreich beschlossen.

 

Um eine rechtzeitige Diagnose stellen zu können, sieht das Gesundheitsministerium die Forcierung der Geschlechtergerechtigkeit in allen gesundheitsrelevanten Sektoren als eine wichtige Maßnahme in der Verbesserung der geschlechtsgerechten Versorgung und der Anerkennung der geschlechtergerechten Bedürfnisse.

Des Weiteren bemüht sich das Gesundheitsministerium besonders, das Genderbewusstsein in allen Ebenen, wie z.B. Gesundheitsberichterstattung, bei der Vergabe von Förderprojekten und in ministeriumsübergreifenden Feldern anzuwenden. Das Gesundheitsressort fördert alljährlich die österreichischen Frauengesundheitszentren, in denen genderspezifische Strategien umgesetzt werden und hat 2010 die Erstellung des aktuellen Frauengesundheitsberichtes, in dem alle wichtigen Frauengesundheitsthemen im genderspezifischen Ansatz beleuchtet werden, in Auftrag gegeben.

 

Frage 3:

Wie bereits erwähnt, fördert das Bundesministerium für Gesundheit die österreichischen Frauengesundheitszentren. Im Übrigen darf ich jedoch darauf hinweisen, dass die forschungsrelevanten Fragen zum Thema Gender-Medizin primär im Aufgabenbereich des Wissenschaftsressorts liegen.

 

 

 



[1] European Commission: Perry N, Broeders M, De Wolf C, Törnberg S, Holland R, Von Karsa L, et al., eds. European Guidelines for quality assurance in breast cancer screening and diagnosis. 4th ed. Luxembourg: Office for Official Publications of the European Communities 2006.

[2] GÖG: Mammographie-Screening Austria. Evaluationsbericht (2009)