5774/AB XXIV. GP

Eingelangt am 20.08.2010
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Anfragebeantwortung

 

 

NIKOLAUS BERLAKOVICH

Bundesminister

 

 

 

 

 

 

 

An die                                                                                                Zl. LE.4.2.4/0113-I 3/2010

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

 

Parlament

1017 Wien                                                                                         Wien, am 18. AUG. 2010

 

 

Gegenstand:   Schriftl. parl. Anfr. d. Abg. z. NR Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen

und Kollegen vom 24. Juni 2010, Nr. 5871/J, betreffend Grundwasser-

problematik im Bereich des Nördlichen Tullnerfeldes

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen vom 24. Juni 2010, Nr. 5871/J, teile ich Folgendes mit:

 

Zu Frage 1:

 

Seit dem Jahr 2006 ist das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) mit der Problematik der hohen Grundwasserstände im nördlichen Tullnerfeld befasst und hat hierzu wiederholt die unten näher ausgeführte Rechts- und Fachmeinung geäußert.

 

In jährlichen Berichten der via donau an das BMLFUW wird über die Einhaltung der Betriebsordnung (hier maßgeblich Wehrbetriebsordnung) der Donaukraftwerke berichtet. Bis auf geringfügige Abweichungen der Wendepegel und Oberwasserpegel, die auf die Grundwassersituation keine Auswirkungen haben, ergaben sich keine Kritikpunkte. Der im Wesentlichen ordnungsgemäße Betrieb ist zu bestätigen. Die Überprüfung der Einhaltung der Betriebsordnung Gießgang – maßgeblich ist die Dotierung über die Einlaufbauwerke EB2, 4 und 6 und die richtige Höhe der Staubretter in den einzelnen Stauhaltungen – obliegt der Gewässeraufsicht des Landes Niederösterreich. Eine durchgreifende Kontrolle fand am 15.4.2009 statt und ergab die ordnungsgemäße Einhaltung der Betriebsordnung und die korrekte Höhe der Staubretter. Die Dotierung des Gießganges im Juni 2010 (zwei kleinere Hochwasserwellen) wurde in anderem Zusammenhang geprüft und die korrekte Bedienung der Einlaufbauwerke festgestellt. Zusammenfassend kann ein ordnungsgemäßer Betrieb des KW Greifenstein und des Gießganges bestätigt werden.

 

Zu Frage 2:

 

Der Bereich dieser Frage betrifft die Anwendbarkeit der §§ 21a und 138 WRG 1959 sowie den Schutz betroffener Dritter:

 

- Anwendbarkeit des § 21a WRG (Abänderung von Bewilligungen):

Gemäß § 21a WRG kann in ein rechtmäßig bestehendes und konsensgemäß ausgeübtes Wasserrecht eingegriffen werden, wenn öffentliche Interessen nicht hinreichend geschützt sind.

 

Dies kann erfolgen durch:

      die Änderung von Auflagen,

      die Festlegung von Anpassungszielen + Vorschreibung von Projektunterlagen,

      die Einschränkung von Art und Ausmaß der Wasserbenutzung (vorübergehend oder auf Dauer).

 

§ 21a WRG kann nur herangezogen werden, wenn das öffentliche Interesse (§ 105 WRG) trotz Einhaltung der im Bewilligungsbescheid oder in sonstigen Bestimmungen enthaltenen Auflagen und Vorschriften nicht hinreichend geschützt ist. D.h. es muss einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der konkreten rechtskräftigen Bewilligung der Wasserbenutzungs­anlage und den durch diese nicht hinreichend geschützten öffentlichen Interessen bestehen.

 

Ein § 21a WRG Verfahren kann nicht herangezogen werden, um Missstände zu beseitigen, die nicht vom konsensgemäßen Bestand und Betrieb der Anlage herrühren, sondern von Umständen  hervorgerufen werden, deren Ursachen außerhalb der Bewilligung zu finden sind. D.h. der § 21a WRG kann nur angewendet werden, wenn der Missstand vom Konsens der Anlage ausgeht, wie z.B. Beeinträchtigung der ökologischen Funktionsfähigkeit durch eine bescheidkonforme aber unzureichende Restwasserabgabe.

Es ist somit zu prüfen, ob der Bestand und/oder der Betrieb des Kraftwerks Greifenstein und des Gießgangs ursächlich für die hohen Grundwasserstände im nördlichen Tullnerfeld sind.

 

Den Gutachten des BMLFUW, des Landes Niederösterreich und des Joanneum Research lässt sich auszugsweise Folgendes entnehmen:

 

Das Ergebnis der damaligen wasserrechtlichen Bewilligung des Kraftwerks Greifenstein und des maßgeblichen Detailprojektes „Hinterland Nord (1983)“ und der damit in Zusammenhang stehenden Untersuchungen war, dass die niedrigen Grundwasserstände stabilisierend angehoben werden, mittlere Grundwasserstände ca. gleich bleiben und nördlich der Au keine kraftwerksbedingten Grundwasserspiegelhebungen auftreten. Aufgrund dieser und nachfolgender Naturbeobachtungen sowie grundsätzlicher Überlegungen ist eine qualitative Einschätzung der Auswirkungen des Kraftwerks Greifenstein (Gießgang) auf hohe Grundwasserstände möglich.

 

Von folgenden Fakten ist auszugehen:

 

·          Der Gießgang mit der aktuellen Betriebsordnung stellt eine hydraulisch ca. gleichwertige Vorflut für die ungestaute Donau (Zustand vor Kraftwerkserrichtung) für das vom Norden zuströmende Grundwasser dar.

·          Die hohen Grundwasserstände werden nicht nennenswert durch Infiltration von Donauhochwässern verursacht, sondern durch das Abfließen des Grundwassers vom nördlichen Tullnerfeld.

·          Bei der Grundwassermessstelle Absdorf erfolgte ein deutlicher Grundwasseranstieg ab 2005 und es fällt dieser Anstieg mit überdurchschnittlichen Niederschlägen dieser Jahre zusammen. Die Niederschlagsjahressumme betrug an der Messstelle Tulln/Langenlebarn in Prozent der Durchschnittswerte:

      2005/116%, 2006/101%, 2007/120%, 2008/118%, 2009/161%. Im Jahr 2010 wurden in den letzten Monaten Niederschlagsmonatssummen erreicht die deutlich über den durchschnittlichen Werten liegen: April/170%, Mai/256%, Juni/207%.

      Im Norden von Österreich ist im Juni bis August 2009 die dritthöchste Niederschlagssumme seit 190 Jahren gefallen. Siehe http://www.zamg.ac.at/docs/aktuell/­Histalp_AT_Sommer2009.pdf.

·          Für die Messstelle Oberzögersdorf (im Einzugsbereich des Gießganges) wurde in der o.a. Untersuchung die eindeutige zeitliche Übereinstimmung von überdurchschnittlichen Niederschlagsereignissen und nachfolgenden Grundwasseranstiegen nachgewiesen und weiters belegt, dass die Niederschläge in diesem Bereich in den Jahren 2009 und 2010 weit über dem langjährigen Durchschnitt lagen.

·          Auch in vielen anderen Gebieten Österreichs stieg der Grundwasserspiegel in den letzten Jahren deutlich an. Ebenso in Regionen, die denkunmöglich von der Donau oder vom Gießgang beeinflusst werden können. Es ergibt sich für die Grundwassermessstellen Oberzögersdorf (denkmöglich vom Gießgang beeinflusst) und die Messstellen Deutsch-Wagram (westlicher donauferner Teil des Marchfeldes) und die Grundwassermessstelle Obersiebenbrunn (zentraler donauferner Teil des Marchfeldes) ein ähnlicher Verlauf, wobei die Grundwasserspiegelhebungen mit den markanten Witterungsereignissen und Starkregenperioden der vergangenen 18 Monate zusammenfallen.

 

Aus diesen Fakten lässt sich ableiten, dass die Ursachen der derzeit sehr hohen Grundwasserstände auf die überdurchschnittlich hohen Niederschläge der letzten Jahre zurückgehen, während es keinerlei Hinweise gibt, dass der Gießgang bzw. das KW Greifenstein die Ursache der Grundwasserhochstände ist.

 

Es ist deshalb aus fachlicher Sicht davon auszugehen, dass die Grundwasserstände ungefähr in derselben Höhe auch bei einem gedachten Szenario ohne KW Greifenstein aufgetreten wären.

 

Aus wasserrechtlicher Sicht kann somit der Schluss gezogen werden, dass der § 21a WRG hier nicht angewandt werden kann, da der Bestand/Betrieb des KW Greifenstein nicht ursächlich für die hohen Grundwasserstände im nördlichen Tullnerfeld ist.

 

- Anwendbarkeit des § 138 WRG (wasserpolizeilicher Auftrag):

 

Diese Bestimmung verlangt eine Übertretung des Wasserrechtsgesetzes, welche hier jedoch nicht vorliegt. Der Bestand und Betrieb des Kraftwerks Greifenstein wurde wasserrechtlich bewilligt und die maßgeblichen Auflagen und Bedingungen werden eingehalten. Für das Donaukraftwerk Greifenstein wurde vom BMLFUW die wasserrechtliche Bewilligung mit Bescheid ZI. 14.550/38-I 4/82 vom 7.4.1982 erteilt.

 

Kollaudiert wurde die Anlage mit Bescheid vom 15.4.1999, Zl. 14.550/43-I 4/98, in der Fassung vom 30.10.2000, Zl. 16.550/01-I 6/00.

 

Dem Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen lässt sich entnehmen, dass das Kraftwerk Greifenstein entsprechend der Bewilligung errichtet und betrieben wird – eine Übertretung des WRG liegt somit nicht vor.


Zu Frage 3:

 

Welche Schritte schlussendlich gesetzt werden (können), hängt von einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren ab und bedarf der Mitwirkung der Betroffenen und Verfahrensparteien. Es ist zurzeit nicht möglich die konkreten Schritte anzugeben.

 

Der Bundesminister: