5798/AB XXIV. GP

Eingelangt am 20.08.2010
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0166-Pr 1/2010

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 5849/J-NR/2010

 

Die Abgeordnete zum Nationalrat Edith Mühlberghuber und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „juristische Sicherstellung einer ausreichenden ärztlichen Beratung nach § 97 StGB“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1, 2 und 5:

§ 97 Abs. 1 Z 1 StGB normiert drei kumulative Voraussetzungen für die Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruches: Den Abbruch der Schwangerschaft innerhalb der ersten drei Schwangerschaftsmonate, die vorhergehende ärztliche Beratung und die Durchführung des Eingriffs durch einen Arzt.

Die vorhergehende Beratung muss durch einen in Österreich zur Ausübung der ärztlichen Tätigkeit befugten Arzt erfolgen, wobei ihr Umfang über die allgemeine ärztliche Aufklärungspflicht über Art und mögliche Folgen des Eingriffs hinausgehen muss, um der Schwangeren eine vollständige Entscheidungsgrundlage zu liefern. Eine unterbliebene, unvollständige oder unrichtige Beratung schließt die Anwendbarkeit des § 97 Abs. 1 Z 1 StGB aus.

Zu 3:

Diese Frage könnte nur durch eine wissenschaftliche Auswertung sämtlicher Gerichtsakten im Bundesgebiet beantwortet werden, weil das angefragte Tatbestandselement in den elektronischen Registern der Verfahrensautomation Justiz nicht erfasst wird. Im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage würde die händische Recherche einen unvertretbar hohen Verwaltungsaufwand auslösen, weshalb ich um Verständnis ersuche, wenn ich von einem derartigen Auftrag an die Gerichte absehe.

Zu 4:

§ 282 Abs. 1 StGB normiert das Delikt der „Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen“. Nach dieser Bestimmung ist, wer in einem Druckwerk, im Rundfunk oder sonst auf eine Weise, dass es einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wird, zu einer mit Strafe bedrohten Handlung auffordert, wenn er nicht als an dieser Handlung Beteiligter (§ 12) mit strengerer Strafe bedroht ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.

Die Tathandlung ist die Aufforderung zur Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung. Unter Aufforderung ist jede Äußerung zu verstehen, die unmittelbar dahin wirken soll, dass in einem anderen der Entschluss erweckt wird, einen Sachverhalt zu verwirklichen, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Die Straftat, zu welcher aufgefordert wird, muss jedoch im Geltungsbereich der österreichischen Strafgesetze begangen werden, zumal durch § 282 StGB nur der öffentliche Frieden im Inland geschützt wird. Daher ist die Aufforderung, im Ausland eine mit Strafe bedrohte Handlung zu begehen, nicht nach § 282 Abs. 1 StGB strafbar. Inwieweit eine Strafbarkeit wegen Bestimmungstäterschaft (§ 12 zweiter Fall StGB) durch die Aufforderung zu der individuell bestimmten Straftat des Schwangerschaftsabbruches in Betracht kommt, wäre im Einzelfall zu prüfen.

17. August 2010

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)