5814/AB XXIV. GP

Eingelangt am 24.08.2010
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0172-Pr 1/2010

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 5879/J-NR/2010

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Mag. Johann Maier und weitere Abgeordnete haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Vergewaltigungen in Österreich - Gerichtsverfahren“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1 bis 14:

Ich habe aus Anlass dieser Anfrage umfangreiche Auswertungen aus der Verfahrensautomation Justiz (VJ) vornehmen lassen. Auswertungen zum Anfall erfolgten – wie stets – fallbezogen, Auswertungen zu Erledigungen personenbezogen. Die angefragten Daten sind in der VJ erst ab 2002 strukturiert verfügbar, sodass Anfragen, die über diesen Zeitraum hinausgehen (Fragepunkte 10 bis 14)  ohne unvertretbar hohen Verwaltungsaufwand nicht beantwortet werden können. Die Rechtskraft von Verurteilungen (Fragen 7 bis 9 und 14) wird in der VJ nicht erfasst.


Im Übrigen verweise ich auf die der Anfrage angeschlossenen Tabellen.

Zu 15:

Zum Vorwurf angeblicher Männerdominanz und patriarchalischer Strukturen in der Justiz ist darauf hinzuweisen, dass der Anteil der Frauen in der Justiz zum Stichtag 1. Juli 2010 bei insgesamt 52% lag, bei den RichterInnen bei 50,6%, bei den StaatsanwältInnen bei 48,2%, bei den AkademikerInnen insgesamt bei 51,3% und im gehobenen Dienst bei 59,7%.

Zu 16:

Opfer, die durch eine Straftat in ihrer sexuellen Integrität beeinträchtigt worden sein könnten, haben gemäß § 66 Abs. 2 StPO Anspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung, soweit dies zur Wahrung der prozessualen Rechte unter größtmöglicher Bedachtnahme auf ihre persönliche Betroffenheit erforderlich ist. Psychosoziale Prozessbegleitung umfasst bereits die Vorbereitung des Opfers auf das Verfahren und die damit verbundenen emotionalen Belastungen sowie die Begleitung zu Vernehmungen im Ermittlungs- und im Hauptverfahren. Psychosoziale Prozessbegleitung kann bereits vor Anzeigenerstattung in Anspruch genommen werden. Damit ist gewährleistet, dass Opfer von Vergewaltigungen durch geschultes und spezialisiertes Personal auf die vorhersehbaren Belastungen vorbereitet werden und Ängste vor einem Kontakt mit den Strafverfolgungsbehörden zumindest gemildert werden können. Darüber hinaus werden in Strafverfahren wegen strafbarer Handlungen gegen die sexuelle Integrität spezialisierte und besonders geschulte StaatsanwältInnen und RichterInnen eingesetzt, die auf die besonderen Bedürfnisse dieser Opfergruppe eingehen können.

Häufig wenden sich Opfer von sexueller Gewalt auch an Personen aus der Gesundheitsversorgung (insbesondere Haus- und Spitalsärzte). Zur Unterstützung und Sensibilisierung aller Mitarbeiter im medizinischen Versorgungsbereich hat das Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend einen Leitfaden „Gesundheitliche Versorgung gewaltbetroffener Frauen“ herausgegeben, an dessen Erstellung auch das Bundesministerium für Justiz mitwirkte. Der Leitfaden unterstützt medizinisches Personal im Umgang mit Frauen, die Opfer von Gewalt im sozialen Nahraum wurden, aber auch bei einer etwaigen „Spurensicherung“ durch die Anregung von standardisierten Dokumentationsbögen. Der Leitfaden kann auf der Internetseite des BMWFJ unter:

http://www.bmwfj.gv.at/Familie/Gewalt/Seiten/GewaltgegenFrauen.aspx


aufgerufen werden. Eine umfassende Dokumentation von Verletzungen durch den Arzt, der die Erstversorgung und Behandlung von Opfern von Vergewaltigungen durchführt, kann insbesondere bei einer zeitverzögerten Anzeige durch das Opfer an die Strafverfolgungsbehörden zur Unterstützung hilfreich sein.

Zu 17:

Problematisch für die Aufklärung und Aufarbeitung von strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung ist oft die schwache Beweislage. Opfer von Straftaten gegen die sexuelle Integrität stehen zumeist in einem Naheverhältnis zum Täter. In den meisten Fällen ist das Opfer von Straftaten gegen die sexuelle Integrität auch der einzige Zeuge. Damit stehen im Strafverfahren keine weiteren objektivierbaren Beweisergebnisse (Zeugenaussagen) zur Verfügung. Der strafrechtliche Imperativ „in dubio pro reo“ erfordert aber, dass ein Angeklagter nur verurteilt werden darf, wenn das Gericht keinen vernünftigen Zweifel an der Täterschaft und Schuld hat.

Zu 18:

Die unter Punkt 17 aufgezeigte Beweisproblematik lässt sich mit legislativen Mitteln nicht ohne weiteres lösen. Die Informationsrechte und der Anspruch der psychosozialen Prozessbegleitung, die Opfern wegen strafbarer Handlungen gegen die sexuelle Integrität zustehen, wie auch die Möglichkeit der abgesonderten schonenden Einvernahme gemäß § 165 bzw. § 250 Abs. 3 StPO haben sich gerade in diesem Bereich und in Fällen von Gewalt im sozialen Nahraum gut bewährt. Darüber hinausgehende Maßnahmen wie z.B. Eingriffe in den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 14 StPO) oder das Aufstellen von Beweisregeln würden jedoch fundamentale Grundsätze des österreichischen Strafverfahrens aushebeln und dem Grundsatz eines fairen Verfahrens gemäß Art. 6 MRK widersprechen.

. August 2010

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)

 

 

 

Anmerkung der Parlamentsdirektion:

 

Die vom Bundesministerium übermittelten Anlagen stehen nur als Image (siehe Anfragebeantwortung gescannt) zur Verfügung.