7840/AB XXIV. GP

Eingelangt am 13.05.2011
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0075-Pr 1/2011

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 7915/J-NR/2011

 

Der Abgeordnete zum Nationalrat Mag. Johann Maier und GenossInnen haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Exekutionsdaten – Korruption in der österreichischen Justiz?“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Ich ersuche um Verständnis, dass mir eine detaillierte Beantwortung jener Fragen, die im direkten Zusammenhang mit dem derzeit bei der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Bekämpfung von Korruption anhängigen Ermittlungsverfahren stehen, im Hinblick auf § 12 StPO nur insoweit möglich ist, als dadurch nicht Rechte von Verfahrensbeteiligten verletzt oder der Erfolg der Ermittlungen gefährdet werden könnten.


Grundlegend verweise ich auf die Beantwortung der Parlamentarischen Anfrage zur Zahl 7740/J-NR/2011 vom 18. April 2011 durch meine Amtsvorgängerin. Nach der aktuellen Verdachtslage haben Justizmitarbeiter systematisch bis zum 20. Oktober 2010 Daten aus dem elektronischen Exekutionsregister der Verfahrensautomation Justiz (VJ) ausgedruckt und gegen Entgelt an J. H. als Inhaber der in Wien ansässigen Firma K. weitergegeben. Eine weitere systematische Übermittlung von Exekutionsdaten nach diesem Zeitpunkt ist mir nicht bekannt.

Zu 2:

Die Frage ist in dieser Allgemeinheit nicht eindeutig zu beantworten. Ich ersuche auch um Verständnis, dass ich von einer rechtlichen Beurteilung von konkreten Sachverhalten, die den Gegenstand eines laufenden Ermittlungsverfahrens bilden, Abstand nehmen muss.

Zu 3:

Nach aktuellen Auswertungen hatten in den letzten Monaten im Schnitt rund 7.500 JustizmitarbeiterInnen Zugriff auf Daten des Exekutionsregisters.

Die einschlägigen Bestimmungen sehen vor, dass jeder Zugriff auf Registerdaten ausschließlich im Rahmen dienstlicher Notwendigkeiten zulässig ist. Sämtliche Zugriffe – sowohl lesend als auch bearbeitend – werden lückenlos protokolliert. Diese Informationen über Art und Zeitpunkt der erfolgten Zugriffe erweisen sich auch im Rahmen des laufenden Strafverfahrens als wertvoller Behelf zur Klärung der Faktenlage.

Zu 4 bis 6:

Insgesamt standen dreiundzwanzig – zum Teil ehemalige bzw. sich bereits im Ruhestand befindliche – Justizbedienstete im Verdacht, Daten über Exekutionsverfahren weitergegeben zu haben. Nach bisherigem Informationsstand waren weder Mitarbeiter/-innen der Zentralstelle des Bundesministeriums für Justiz noch Rechtsanwälte/-innen, Notare/-innen, Richter/-innen oder Staatsanwälte/-innen und auch keine anderen Bediensteten öffentlich-rechtlicher Einrichtungen oder Körperschaften daran  beteiligt. Gegen neun Beschuldigte wurde infolge Verjährung bzw. mangels Nachweises eines strafrechtlichen Fehlverhaltens das Verfahren eingestellt.


Bisher wurde gegen sechs Justizbedienstete Disziplinaranzeige erstattet. In vier Fällen hat die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz das Disziplinarverfahren bereits eingeleitet und gleichzeitig das Disziplinarverfahren gemäß § 114 Abs. 2 erster Satz BDG 1979 bis zum rechtskräftigen Abschluss des anhängigen Strafverfahrens unterbrochen. Ein Disziplinarverfahren wurde eingestellt. Eine weitere Entscheidung der Disziplinarkommission steht noch aus. Drei Justizbedienstete wurden suspendiert.

Nach Maßgabe der Ergebnisse der noch laufenden strafrechtlichen Ermittlungen werden weitere dienst- bzw. disziplinarrechtliche Maßnahmen zu prüfen sein.

Insgesamt hat die Justiz in dieser überaus unerfreulichen Causa rasch, konzertiert und zielgerichtet agiert, um einerseits den Ermittlungserfolg nicht zu gefährden und andererseits die gebotenen dienstaufsichtsbehördlichen Maßnahmen mit der erforderlichen Konsequenz zu ergreifen.

Zu 7 bis 13:

Die Übermittlung von Exekutionsdaten durch die Justizmitarbeiter an die Firma K. erfolgte bis 20. Oktober 2010, dem Tag der Durchsuchung der Büroräumlichkeiten sowie der anschließenden Festnahme des J. H.

Der genaue Beginn dieser Datenübermittlung ist noch Gegenstand der Ermittlungen, wobei der Untersuchungszeitraum mit dem Beginn der technischen Protokollierung von VJ-Abfragen durch die BRZ GmbH im Jahr 2002 begrenzt ist.

Ein großflächiges „Absaugen von Exekutionsdaten“ war nicht möglich. Bei den in Rede stehenden Registern liefert eine Abfrage lediglich die Anzeige einer Bildschirmseite, auf der jeweils die Rumpfdaten von maximal 25 Verfahren als Ergebnis ausgewiesen werden, die auch ausgedruckt werden können.

Darüber hinausgehende Informationen, insbesondere zu Ablauf und Umfang der illegalen Datenweitergabe und über die Profiteure des Datenmissbrauchs, können – soweit sie schon bekannt waren bzw. bekannt gegeben werden konnten – der Beantwortung der Voranfrage Zahl 7740/J-NR/2011, insbesondere zu den Fragepunkten 2 bis 4 sowie 20 und 21, entnommen werden. Das Ausmaß der geflossenen Gelder ist ebenfalls Gegenstand der strafrechtlichen Ermittlungen; die Ermittlungen dazu sind allerdings noch nicht abgeschlossen.


Zu 14:

Die Staatsanwaltschaft Wien hat am 21. Mai 2010 aus Anlass einer Anzeige des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Ewald Stadler ein Ermittlungsverfahren eingeleitet; dieses Schreiben langte in Abschrift am 1. Juni 2010 auch im Bundesministerium für Justiz ein. Ich darf zum weiteren Verfahrensverlauf auf die Beantwortung der Fragepunkte 9 und 10 der eingangs erwähnten Parlamentarischen Anfrage Zahl 7740/J-NR/2011 verweisen.

Zu 15, 16 und 19:

Bereits nach dem Bekanntwerden der ersten Verdachtsfälle wurden restriktive Maßnahmen getroffen, die ein unbefugtes Zugreifen bei bestimmten Benutzerprofilen verhindern.

Darüber hinaus wurden technische Veranlassungen getroffen, die eine weitere Einschränkung der Möglichkeiten zur Namensabfrage bewirken. Abfragen müssen künftig mit einer Begründung (z. B. Referenzaktenzeichen) versehen werden. Weiters ist geplant, in Hinkunft nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Stichproben von Datenzugriffen auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.

Bei ohnehin öffentlich zugänglichen Datenbanken wie dem Firmen- und dem Grundbuch dürfte die Missbrauchsproblematik grundsätzlich weniger gravierend sein.

Weiters wird bei Schulungsveranstaltungen und anderen Gelegenheiten auf die engen Grenzen, innerhalb derer ein Zugriff auf Justizdaten zulässig ist sowie auf die zu gewärtigenden straf- und disziplinarrechtlichen Folgen bei Verstößen mit Nachdruck hingewiesen. So wurde beispielsweise die in ähnlichem Zusammenhang ergangene Entscheidung des OGH vom 8. April 2010, 12 Os 28/10z, über die RIS-Veröffentlichung hinaus sämtlichen zuständigen Justizmitarbeitern zur Kenntnis gebracht.

Zu 17:

Um Betroffenen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen (§ 24 Abs. 2a DSG 2000) informieren zu können, sind unter anderem noch Erhebungsergebnisse über den Kreis der Betroffenen abzuwarten. Ich verweise diesbezüglich auf die Beantwortung der Fragepunkte 15 bis 17 der Parlamentarischen Anfrage Zahl 7740/J-NR/2011.


Zu 18:

Die von J. H. bzw. der – nicht mehr existierenden – Firma K. angelegte Datenbank wurde unwiederbringlich gelöscht und ist damit jeglicher weiteren missbräuchlichen Verwendung entzogen. Nach den mir vorliegenden Informationen wurde der von der Firma D. GmbH mit J. H. abgeschlossene Datenübermittlungsvertrag unmittelbar nach Festnahme des J. H. gekündigt und seitens der Rechtsvertretung des J. H. der Firma D. GmbH die Weiterverwendung der Daten untersagt. Im Zusammenhang mit der Erlassung einer einstweiligen Verfügung gegen die Firma D. GmbH wies diese darauf hin, dass sie „unverzüglich, bei erstmaligem Bekanntwerden fundierter Bedenken gegen die von der Firma K. geübte Praxis der Datenermittlung alle als Verwendung zu Wettbewerbszwecken in Betracht kommenden Applikationen der von der Firma K. stammenden Daten eingestellt habe.

Zur Rechtslage darf ich auf die Beantwortung der Voranfrage, Fragepunkte 18 und 19, verweisen.

Zu 20:

Es liegen mir keine Hinweise für weitere systematische Datenübermittlungen vor.

Zu 21 und 22:

Das Controlling für den Datenzugriff ist eine der Aufgaben der Dienst- und Fachaufsicht und wird im Rahmen von Regelrevisionen laufend geprüft. Die Berechtigungsvergabe erfolgt restriktiv nach Maßgabe der dienstlichen Notwendigkeiten und Zuständigkeiten. In Zukunft wird ganz besonderes Augenmerk auf diesen sensiblen Bereich gelegt.

Zu 23 und 24:

Bei der Staatsanwaltschaft Wien wurden im Jahr 2007 eine Anzeige, im Jahr 2010 drei Anzeigen und im Jahr 2011 eine Anzeige in diesem Zusammenhang erstattet.

Das Verfahren aus dem Jahr 2007, wonach J. H. als Inhaber der Firma K. rechtswidrig beschaffte persönliche Daten in Gewinnabsicht weitergegeben und dadurch gegen § 51 DSG verstoßen habe, wurde am 2. Juni 2008 gemäß § 190 Z. 2 StPO eingestellt. Ein Verfahren aus dem Jahr 2010 betreffend die Anzeige eines Opfers, dem aufgrund einer Bonitätsauskunft der Firma D. GmbH ein Vertragsabschluss mit einem Internetbetreiber verweigert worden sei, wurde am 5. April 2010 gemäß § 190 Z. 1 StPO eingestellt, weil weder Bereicherungsvorsatz noch Vermögensschaden hinsichtlich des angezeigten Betruges vorlagen und § 111 StGB ein Privatanklagedelikt ist. Die sich gleichfalls aus dem angezeigten Sachverhalt ergebenden Verdachtsmomente nach § 51 DSG wurden ebenso wie die beiden anderen Verfahren aus dem Jahr 2010 an die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Korruption abgetreten und sind Gegenstand des nunmehr dort anhängigen Verfahrens. Das Verfahren aus dem Jahr 2011 wegen §§ 111, 119a, 152 StGB betreffend die Anzeige eines Opfers, dem aufgrund einer Bonitätsauskunft der Firma D. GmbH ein Kauf auf Rechnung seitens der als Verkäuferin auftretenden Firma verweigert wurde, wurde am 16. März 2011 gemäß § 190 Z StPO eingestellt, weil einerseits der Tatbestand des § 119a StGB nicht erfüllt war und andererseits die §§ 111 und 152 StGB Privatanklagedelikte sind.

 

. Mai 2011

 

(Dr. Beatrix Karl)