820/AB XXIV. GP

Eingelangt am 27.03.2009
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Anfragebeantwortung

 

 

NIKOLAUS BERLAKOVICH

Bundesminister

 

 

 

 

 

 

 

An die                                                                                    Zl. LE.4.2.4/0017 -I 3/2009

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

 

Parlament

1017 Wien                                                                                        Wien, am 26. MRZ. 2009

 

 

 

Gegenstand:   Schriftl. parl. Anfr. d. Abg. z. NR Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber,

            Kolleginnen und Kollegen vom 29. Jänner 2009, Nr. 832/J, betreffend

            Bienensterben durch Pestizide

 

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen vom 29. Jänner 2009, Nr. 832/J, teile ich Folgendes mit:

 

Zu den Fragen 1 bis 4:

 

Grundsätzlich ist anzumerken, dass es in Österreich kein gehäuftes, durch ein entsprechendes Probenaufkommen dokumentiertes bzw. durch entsprechende Ergebnisse von Rückstands­untersuchungen abgesichertes Bienensterben durch Saatgutbeizmittelwirkstoffe gab. Ein kausaler Zusammenhang kann daher nicht abgeleitet werden.

Um etwaige Schäden aber zukünftig zu verhindern, wurden zusätzliche risikomindernde Maßnahmen zum Schutz der Bienen gesetzt und die Zulassungen für die insektiziden Maisbeizmittel bzw. Repellents durch das Bundesamt für Ernährungssicherheit (BAES) abgeändert. Diese Maßnahmen betreffen vor allem die Auflagen zur Sicherstellung einer hohen Beizqualität und die risikomindernden Auflagen bezüglich Handhabung des Saatguts und der Aussaat.

 

Weiters wurde seitens des BAES eine umfassende Informationsoffensive gestartet (Informationsveranstaltungen, Vorträge, Publikationen in landwirtschaftlichen Fachzeitschriften sowie themenbezogene Info-Angebote über die AGES-Website).

 

Die entsprechend abgeänderten Zulassungsauflagen und -bedingungen sind im Pflanzen-schutzmittelregister unter www.ages.at bzw. www.psm.ages.at im Internet in den Registerauszügen der jeweiligen Präparate abrufbar. Die Auflagen bezüglich der Handhabung des Saatguts und der Aussaat sind auch auf dem Saatgutanhänger anzuführen.

 

Zusätzlich zu den verbindlichen und strengen Auflagen des BAES haben sich die Zulassungsinhaber freiwillig verpflichtet, europaweit mit Züchtern und Beizstellen verbindliche Vereinbarungen bezüglich Qualitätssicherung zu treffen (Qualitäts-Charta bzw. Stewardship-Programm). Darüber hinaus werden Züchter und Beizstellen hinsichtlich der Beiztechnik noch umfassender beraten und die Abgabe von insektiziden Beizmitteln erfolgt kontrolliert und nachvollziehbar nur an Beizstellen, die an diesbezüglichen Qualitätssicherungsprogrammen teilnehmen. Weiters wird seitens des BAES die Überprüfung der sachgemäßen Anwendung von Insektizidbeizungen in den Beizstellen anhand definierter Kriterien (Durchführung von  Audits, Abnahme von technischen Einrichtungen usw.) vorbereitet.

 

Im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland werden in Österreich mehr als 90 % des in Österreich ausgesäten Maissaatguts auch im Land produziert, aufbereitet und gebeizt. Österreich ist zudem Maissaatgutexportland. Damit ist sichergestellt, dass das von den österreichischen Bauern verwendete gebeizte Saatgut höchsten Qualitätsstandards entspricht.

 

Bei der Aussaat von Raps kommen keine Geräte mit Saugluftsystemen zur Anwendung, sondern es darf nur abdriftmindernde Sägerätetechnik verwendet werden, d.h., die Ausgangssituation bezüglich einer potentiellen Staubabdrift unterscheidet sich hierbei wesentlich von der bei Mais. Weiters ist anzumerken, dass in Österreich fast ausschließlich Winterraps angebaut wird. Die möglichen Expositionsszenarien für Bienen im Zuge der Rapsaussaat sind mit der Frühjahrsaussaat von Raps und auch von Mais nicht vergleichbar.  Mit einer abdriftmindernden Sägerätetechnik kann somit eine weitere vorsorgliche und substanzielle Reduktion des Risikos für die Umwelt (insbesondere für Bienen) erreicht werden.

Zusätzlich wurde seitens der AGES ein Forschungsprojekt mit dem Titel „Untersuchungen zum Auftreten von Bienenverlusten in Mais und Rapsanbaugebieten Österreichs und möglicher Zusammenhänge mit Bienenkrankheiten und dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln“  (Akronym: „MELISSA“) zur Förderung im Rahmen der Bund-Länder-Forschungskooperation eingereicht. Der Projektantrag befindet sich derzeit in interner Prüfung. Dieses Projekt soll in Zusammenarbeit mit dem Imkersektor und Einbindung der Fachkompetenz der Landwirt­schaftskammern durchgeführt werden.

 

Die Ziele des Projektes sind:

¨       Dokumentation des Auftretens von Bienenverlusten und Bienenschäden in Österreichs Mais- und Rapsanbaugebieten;

¨       Ergründung ihrer kausalen Ursachen (diagnostische Untersuchungen auf Krankheits­erreger, Parasiten und Rückstände von insektiziden Wirkstoffen in Bienenprodukten und toten Bienen mit Vergiftungsverdacht);

¨       Entwicklung und Validierung von Methoden zum Rückstandsnachweis der in diesen Kulturen in der Praxis meistverwendeten insektiziden Wirkstoffe;

¨       Evaluierung der Ergebnisse, insbesondere unter dem Aspekt der bereits 2008/2009 erfolgten Maßnahmensetzungen bei Verwendung von insektizidgebeiztem Maissaatgut hinsichtlich der Vermeidung von Bienenschäden;

¨       Erarbeitung konkreter Entscheidungshilfen für Behörden, Imker und Landwirte zur Umsetzung von Maßnahmen zur Verhinderung von Bienenverlusten durch Pathogene, Parasiten oder die Anwendung insektizider Pflanzenschutzmittelwirkstoffe in der landwirtschaftlichen Produktion.

 

Zu Frage 5:

 

Im Zuge des Projekts „Maßnahmen zur Förderung der Bienengesundheit – Klärung von Bienenverlusten mit unbekannter Ursache“ wurden in den letzten 2 Jahren € 109.400,--  bereitgestellt (Gesamtprojektkosten für 3 Jahre Laufzeit: € 164.100,--).

 

Das Projekt „MELISSA“ wurde seitens der AGES beantragt.

 


Zu Frage 6:

 

Das Projekt „Maßnahmen zur Förderung der Bienengesundheit – Klärung von Bienenverlusten mit unbekannter Ursache“ befindet sich in der Abschlussphase. Der Zwischenbericht liegt bereits vor, der Abschlussbericht wird erwartet.

 

Die vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass es während der Projektlaufzeit in manchen Imkereibetrieben massive Völkerverluste – vor allem während der Überwinterung – gab.

Hauptursache dafür war in vielen Fällen ein hoher Varroabefall durch die ungenügende Wirkung der Bekämpfungsmaßnahmen (derzeit fehlen hochwirksame, einfach und sicher anzuwendende Behandlungsmittel; resistente Varroamilben; suboptimale Anwendung der legal einsetzbaren Bekämpfungsmittel). Mit Sicherheit haben auch mit Varroa assoziierte Viren in einigen Betrieben unerkannt vorhandene Brutkrankheiten zum Absterben der Völker beigetragen. Wahrscheinlich besteht auch ein Zusammenhang mit dem zwischenzeitlich in Österreich sehr weit verbreiteten, aus Asien eingeschleppten Darmparasiten Nosema ceranae. Vermutete Bienenvergiftungen durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in landwirtschaftlichen Kulturen scheinen in der Praxis – zumindest soweit sich dies aus dem eingesandten und untersuchten Probenmaterial im Rahmen des Projektes erschließen ließ – nur eine nebensächliche Rolle zu spielen. Jedenfalls waren in Österreich keine vergleichbaren Bienenschäden zu beobachten bzw. erfolgten dazu keine Probeneinsendungen, wie sie in Teilen Deutschlands im Jahr 2008 zur Zeit der Maisaussaat aufgetreten bzw. erfolgt waren.

 

Für diese Arbeiten ist auch eine Vernetzung auf europäischer Ebene in der COST Aktion FA0803 „Prevention of honeybee Colony Losses (COLOSS) mit einer Laufzeit von 4 Jahren, beginnend 2007 gegeben. In diese COST Aktion ist federführend für Österreich Univ. Prof. Dr. Karl Crailsheim, Institut für Zoologie der Karl Franzens Universität in Graz eingebunden.

 

Zu Frage 7:

 

Es wird darauf hingewiesen, dass die Regelung der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln generell Bundessache in den Grundsätzen ist. Die Ausführungsgesetzgebung und Vollziehung ist Ländersache.

 

Nach § 18 Abs. 1 Z 1 PMG 1997 ist eine Zulassung von Amts wegen abzuändern oder aufzuheben, wenn die Zulassungsvoraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen. Nach § 7 Abs. 1 Z 1 lit. e zweiter Teilstrich setzt die Zulassung eines Pflanzenschutzmittels voraus, dass nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse sicher­gestellt ist und die Prüfung der Unterlagen ergibt, dass das Pflanzenschutzmittel bei bestimmungs- und sachgemäßer Anwendung oder als Folge einer solchen Anwendung unter anderem keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt hat, und zwar unter besonderer Berücksichtigung der Auswirkung auf Arten, die nicht bekämpft werden sollen.

 

Das sieht auch der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln vor.

 

Als Bewertungsgrundlage im EU-Verfahren dienen die gültigen Richtlinien und Leitlinien­dokumente („Guidance documents“). Letztere geben ausführlichere technische Hilfestellung und werden in mehrjährigen Abständen, basierend auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen, überarbeitet. Bezüglich der Risikobewertungsmethoden für mögliche Auswirkungen systemischer Saatgutbeizmittel auf Bienen gibt es bereits Arbeitsgruppen und einen Vorschlag für ein verbessertes Bewertungsschema, welcher 2008 auf einem Fachsymposium vorgestellt wurde. Dieses bezieht insbesondere subletale und subchronische Effekte sowie die Toxizität für Bienenlarven mit ein und wird voraussichtlich in die bereits angefangene Überarbeitung des Leitliniendokuments zur terrestrischen Ökotoxikologie eingearbeitet. Weiters wurde eine Methode der Expositions- und Risikobewertung für Staubabrieb beim Sävorgang für gebeiztes Saatgut von einem Mitgliedstaat ausgearbeitet. Dessen ungeachtet liegt bezüglich des Wirkstoffes Clothianidin bereits ein erweitertes Paket an Studien vor, das insbesondere die Fragestellungen hinsichtlich subletaler und subchronischer Effekte im Rahmen von Freilandstudien behandelt.

 

Zu Frage 8:

 

Es wird angemerkt, dass jedes Jahr Fälle auftreten, in denen Imker aufgrund von beobachteten Symptomen den Verdacht auf eine Bienenvergiftung äußern und diesbezügliche Anfragen bzw. Meldungen eingehen. Nur in wenigen Fällen werden jedoch Proben durch die betroffenen Imker an die AGES für weiterführende Untersuchungen eingesandt. Von diesen war bisher wiederum ein Teil aufgrund vorhandener Mängel für die Rückstandsanalytik ungeeignet. Dies führt insgesamt zu dem Umstand, dass eher in Fällen von boshafter Sachbeschädigung ein positiver Vergiftungsnachweis erbracht werden kann als in Fällen einer Pflanzenschutzmittelvergiftung.

 


Zu Frage 9:

 

Das „Österreichische Diabrotica-Bekämpfungsprogramm“ wurde seitens der Länder auf Basis der relevanten EU-Entscheidungen beschlossen. Dieses Programm, das gemäß EU-Recht der Kommission zu übermitteln war, gibt einen Überblick über die Pflanzenschutzmaßnahmen, die gemäß Landesrecht bei Diabrotica-Befall durchgeführt werden müssen. Zentrales Element der landesrechtlichen Maßnahmen ist in ausgewiesenen Befallszonen der Fruchtwechsel.

Ausnahmen gibt es nur in Fällen, in denen ein Fruchtwechsel aus verschiedenen Gründen nicht möglich ist. In diesen Fällen kann alternativ zum Fruchtwechsel eine Saatgutbeizung als Bekämpfungsmaßnahme zur Reduzierung von Ernteausfällen erfolgen. Im Falle von isolierten Befallsherden müssen gemäß EU-Recht Ausrottungsmaßnahmen gesetzt werden, um die Ausbreitung des Schädlings auf weitere wichtige Maisanbaugebiete der Gemeinschaft zu verhindern.

 

Ackerbauern, die Förderungen im Rahmen der Marktordnung oder des Förderungsprogramms zur Entwicklung des Ländlichen Raums erhalten, dürfen auf maximal 85 % der landwirtschaft-lichen Nutzfläche Getreide- und Maisflächen haben, was dauernde Monokultur verhindert.

 

Darüber hinaus gibt es im Rahmen der Maßnahme "Umweltgerechte Bewirtschaftung von Acker- und Grünlandflächen" (und darauf aufbauend auch bei den Verzichtsmaßnahmen) die Auflagen:

- maximal 75 % Getreide, Mais und "Stilllegung" bei Betrieben mit mehr als 5 ha Acker, und

- keine Kultur darf mehr als 66 % Anteil an der Ackerfläche haben.

 

Besonders die biologische Bewirtschaftung garantiert eine umweltfreundliche Wirtschaftsweise mit regelmäßiger Fruchtfolge, die in Österreich einen beachtlichen Anteil hat (16 % der landwirtschaftlichen Fläche ohne Almflächen von im INVEKOS erfassten Betrieben). Durch die Förderung der Bio-Ackerflächen (mehr als verdoppelt seit dem Jahr 2000) konnte der Einsatz von gebeiztem Saatgut weiter zurückgedrängt werden.

 

Zu Frage 10:

 

Nachstehende Tabelle gibt einen Überblick über die Maisflächen und den Anteil der Fruchtfolgestellung Mais auf Mais in den fünf maisstärksten Bundesländern.

 

 

Maisfläche 2008

in Hektar

davon Fläche Mais auf Mais in Hektar

2007 - 2008

Mais auf Mais in % der Maisfläche

Niederösterreich

88.290

22.190

25

Burgenland

27.490

8.290

30

Oberösterreich

76.930

24.030

31

Steiermark

73.700

49.670

67

Kärnten

15.390

26.850

57

Österreich

298.180

122.870

41

Gerundete Werte

Quelle: Auswertung MFA-Daten 2008

 

In den einzelnen Bundesländern gibt es aufgrund von unterschiedlichen regionalen Gegeben­heiten (Gunstlagen des Maisanbaus, Viehhaltung, Biogasproduktion) unterschiedliche Anteile der Fruchtfolgestellung Mais auf Mais. In speziellen Gunstlagen des Maisanbaus bietet die sehr hohe biologische Aktivität der Böden in Verbindung mit den praktizierten Vorbeuge- und Pflegemaßnahmen (mechanische Zerkleinerung der Ernterückstände, wendende Boden­bearbeitung, Zwischenfruchtanbau) die Möglichkeit, Mais mehrere Jahre in Folge anzubauen.

 

Der Bundesminister: