833/AB XXIV. GP

Eingelangt am 27.03.2009
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BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

 

 

DIE  BUNDESMINISTERIN
           FÜR  JUSTIZ

BMJ-Pr7000/0023-Pr 1/2009

 

An die

                                      Frau Präsidentin des Nationalrates

                                                                                                                           W i e n

 

zur Zahl 741/J-NR/2009

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „Anwaltlicher Journaldienst“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Im Jahr 2008 gab es insgesamt 3.526 Festnahmeanordnungen der Staatsanwaltschaft, wovon 3.436 gerichtlich bewilligt wurden. Das Bundesministerium für Justiz verfügt jedoch über keine Festnahmestatistik, in der auch die Festnahme durch die Kriminalpolizei aus eigener Macht iSd. § 171 Abs. 2 StPO erfasst sind.


 

2008 wurde jedoch insgesamt über 6.660 Personen die Untersuchungshaft verhängt, woraus ein Rückschluss auf die Zahl der Festnahmen aus eigener Macht zulässig ist (zumindest jene, die zu einer Einlieferung der Betroffenen in die Justizanstalt geführt haben).

Nach Monaten aufgegliedert ergibt sich für die vier Sprengel der Oberstaatsanwaltschaften folgendes Bild:

 


 

Wien

Linz

Innsbruck

Graz

Bund

 

Antr.

Bew.

Antr.

Bew.

Antr.

Bew.

Antr.

Bew.

Antr.

Bew.

Jänner

159

144

44

44

18

17

37

26

258

231

Februar

161

165

35

35

36

37

54

60

286

297

März

152

148

31

29

12

12

41

39

236

228

April

227

213

30

27

37

34

43

41

337

315

Mai

196

204

50

50

29

31

54

62

329

337

Juni

192

183

23

21

25

25

49

49

289

278

Juli

158

155

43

39

41

41

46

45

288

280

August

148

143

37

38

27

27

41

51

253

249

September

153

150

42

39

28

25

60

59

283

273

Oktober

217

209

49

47

41

39

46

54

363

349

November

190

184

54

56

35

37

58

55

337

332

Dezember

154

154

34

32

35

35

45

46

268

267

2008

2.106

2.052

472

457

364

360

584

567

3.526

3.436

 

Zu 2:

Der rechtsanwaltliche Journaldienst wurde im Probebetrieb ab 1. Juli 2008 zunächst für die Dauer von vier Monaten eingerichtet.

Bis zum 3. August 2008 wurden insgesamt 39, bis 7. September 2008 insgesamt 56, bis  7.  Oktober  2008  insgesamt  64,  bis  10.  November  2008  insgesamt 73, bis 5.  Dezember  2008  insgesamt  101,  bis  4.  Jänner  2009  insgesamt 132 und bis 1. Februar 2009 insgesamt 139 Rechtsanwälte/Rechtsanwältinnen über die hiefür eingerichtete Journaldienstnummer („Hotline“) kontaktiert.

Bis 1. Februar 2009 haben insgesamt 488 Rechtsanwälte/Rechtsanwältinnen am Journaldienst teilgenommen.


Nach Evaluierung der ersten Phase des Probebetriebes wurde dieser auf geänderten Grundlagen ab 1. November 2008 um weitere 3 Monate bis 31. Jänner 2009 verlängert. Ab diesem Zeitpunkt wurden zur Ermöglichung aussagekräftiger statistischer Auswertungen Evaluierungsformulare für die Bereitschaft habenden Rechtsanwälte erarbeitet, aus welchen sich nunmehr folgende Zahlen ergeben:

In der Probebetriebsperiode November 2008 erfolgten insgesamt 17 Kontaktaufnahmen im Rahmen des rechtsanwaltlichen Journaldienstes, wobei in sechs Fällen ein persönliches Beratungsgespräch und in fünf weiteren Fällen von einer Teilnahme an der Vernehmung berichtet wurde.

Für Dezember 2008 ergeben sich 37 Kontaktaufnahmen über die Journaldienststelle, wobei in acht Fällen ein persönliches Beratungsgespräch stattgefunden hat und in weiteren 18 Fällen eine Verteidigerin/ein Verteidiger an der Vernehmung teilgenommen hat.

Für den Monat Jänner 2009 wurde in 32 Fällen von Kontaktaufnahmen berichtet, wobei in jeweils drei Fällen ein persönliches Beratungsgespräch und in einem Fall eine Teilnahme an einer Vernehmung stattgefunden haben soll. Die Zahlen für die Probebetriebsperiode Jänner 2009 stehen jedoch noch nicht abschließend zur Verfügung, zumal die Statistikformulare dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag teilweise mit zeitlicher Verzögerung übermittelt werden.

Zu 3:

Jede Person, die wegen des Verdachts einer Straftat festgenommen wurde, hat unabhängig von dem der Festnahme zugrundeliegenden Delikt das Recht, Kontakt mit einer Verteidigerin/einem Verteidiger aufzunehmen. Eine statistische Auswertung der Delikte, aufgrund derer der anwaltliche Journaldienst in Anspruch genommen wird, steht nicht zur Verfügung.

Zu 4:

Soweit festgenommene Beschuldigte von ihrem Recht Gebrauch machen möchten, einen Verteidiger zu kontaktieren und ihnen selbst keine Rechtsanwälte bekannt sind, diese nicht erreichbar sind oder Beschuldigte nicht über die finanziellen Mittel verfügen, eine Wahlverteidigerin/einen Wahlverteidiger mit ihrer Vertretung zu beauftragen, so hat sie die Kriminalpolizei über den rechtsanwaltlichen Journaldienst zu informieren und neben dem „Informationsblatt für Festgenommene“ auch das „Informationsblatt über den rechtsanwaltlichen Journaldienst“, das in 21 Sprachen über Internet auf der Webseite des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages und im Intranet des Bundesministeriums für Justiz zur Verfügung steht, auszuhändigen. Erforderlichenfalls ist ein/e Dolmetscher/in beizuziehen.

Im Wege des erwähnten Informationsblattes werden Beschuldigte über den Umfang der Journalverteidigung belehrt, wobei diese ein telefonisches, auf Verlangen der Beschuldigten auch ein persönliches Beratungsgespräch mit einer Rechtsanwältin/einem Rechtsanwalt sowie erforderlichenfalls den anwaltlichen Beistand während einer Vernehmung (§ 164 StPO) sowie sonstige zu einer zweckentsprechenden Verteidigung erforderlichen Handlungen (etwa Antragstellung auf Beigabe eines Verfahrenshilfeanwaltes bei Gericht) umfasst. Weiters wird darauf hingewiesen, dass die erste telefonische Beratung mit einer Verteidigerin/einem Verteidiger keine Kosten verursacht.

Begehren festgenommene Beschuldigte die Inanspruchnahme des rechtsanwaltlichen Journaldienstes, so ist  ihnen zu gestatten, über die Hotline ein Telefongespräch mit dem rechtsanwaltlichen Journaldienst zu führen. Das Telefonat kann, wenn dies die Umstände (z.B. sprachliche Gründe) erfordern, auch vom Organ der Kriminalpolizei selbst oder von einem/einer allenfalls anwesenden Dolmetscher/Dolmetscherin geführt werden.

Der Wunsch festgenommener Beschuldigter, eine rechtliche Vertretung über den rechtsanwaltlichen Journaldienst zu verständigen oder verständigen zu lassen, der Wunsch nach einem direkten Kontakt mit dem/der Verteidiger/Verteidigerin auf der Dienststelle der Kriminalpolizei, die Ablehnung der Inanspruchnahme dieser Rechte und die allenfalls erfolgte Kontaktaufnahme mit einem Rechtsbeistand sind zudem im Haftbericht II aktenkundig zu machen.

Die Justizbehörden wurden mit Erlass vom 19. Juni 2008 auf die Einrichtung des rechtsanwaltlichen Journaldienstes hingewiesen.

Zu 5:

Nach der anfänglich unter den Erwartungen gebliebenen Nutzungsfrequenz konnte nach Überarbeitung der ersten Phase des Probetriebes (1. Juli 2008 bis 31. Oktober 2008) und einer Informationsoffensive des Bundesministeriums für Justiz sowie des Bundesministeriums für Inneres in der zweiten Phase ab Dezember 2008 ein Trend


zur höheren Nutzungsfrequenz festgestellt werden, wobei im Wesentlichen eine Verdoppelung der Einsätze verzeichnet werden konnte. Die verstärkte Nutzung des rechtsanwaltlichen Journaldienstes scheint sich nunmehr auch fortzusetzen.

Erfreuliche Aspekte sind zudem darin zu erkennen, dass sowohl seitens der betroffenen Polizeibeamten/Polizeibeamtinnen als auch der Bereitschaftsdienst versehenden Rechtsanwälte/Rechtsanwältinnen die Kooperation als gut funktionierend beschrieben wurde und die Zahl der Teilnahme an Vernehmungen wesentlich gesteigert werden konnte.

Nach fortlaufender Evaluierung des Probebetriebes und einer kontinuierlichen Beobachtung der Nutzungsfrequenz konnte eine Einigung über die Fortsetzung des Probebetriebes erzielt werden, sodass nunmehr ab 1. Februar 2009 anstatt der bisher 29 täglich nur noch vier zur Verteidigung in Strafsachen berechtigte Rechtsanwälte/Rechtsanwältinnen bzw. Rechtsanwaltsanwärter/ Rechtsanwaltsanwärterinnen mit großer Legitimationsurkunde (je eine Person in Wien, Linz, Innsbruck und Graz) entgeltlichen Bereitschaftsdienst leisten, im Zuge dessen sie über die Hotline telefonische Rechtsauskünfte erteilen. Ist eine Intervention erforderlich, verfügen sie über eine Liste von Rechtsanwälten/Rechtsanwältinnen in ihrem Oberlandesgerichtssprengel, die alle grundsätzlich zur Übernahme von Journaleinsätzen bereit (aber nicht zur dauernden Bereitschaft verpflichtet) sind und haben daraus eine Kollegin/einen Kollegen für ein persönliches Einschreiten zu gewinnen.

Zudem sind wie bereits bisher von den Bereitschaft habenden Rechtsanwälten/Rechtsanwältinnen Statistikformulare auszufüllen, durch welche insbesondere ermittelt werden soll, wie oft sie in ihrem Tätigkeitszeitraum über die Journaldiensthotline kontaktiert wurden, ob es besondere Vorkommnisse gegeben hat, in wie vielen Fällen eine telefonische Beratung des/der festgenommen Beschuldigten ausreichend war oder aber auch eine persönliche Beratung vor Ort bei den Polizeidienststellen stattgefunden hat. Weiters sind Informationen anzugeben, in wie vielen Fällen eine Bevollmächtigung wegen der Verpflichtung zur Übernahme der Kosten oder aus anderen Gründen vom/von der Beschuldigten abgelehnt wurden, in wie vielen Fällen an der Vernehmung teilgenommen oder dies verweigert wurde und in wie vielen Fällen ein Beratungsgespräch gemäß § 59 Abs. 1 StPO überwacht wurde.


Zu 6:

Schon in Anbetracht der Grundsatzbestimmung des § 7 StPO, wonach der/die Beschuldigte in jeder Lage des Verfahrens berechtigt ist, den Beistand eines Verteidigers/einer Verteidigerin in Anspruch zu nehmen, versteht es sich von selbst, dass ein Mensch insbesondere dann dieses professionellen Beistandes bedarf, wenn ihm seine persönliche Freiheit entzogen wurde. Die rasche, kostengünstige und unbürokratische Erreichbarkeit des Journaldienstes für alle Menschen, die wegen des Verdachts einer Straftat festgenommen wurden, kann eine effektive Durchsetzung des Rechts auf Verteidigung gewährleisten. Neben der fortlaufenden Evaluierung dieses für den Rechtsschutz so wichtigen Instituts soll daher die Nutzungsfrequenz durch eine vom Bundesministerium für Inneres in Aussicht genommenen neuerlichen Informationsoffensive, die auch von meinem Ressort unterstützt wird, weiter gesteigert werden, um eine künftige gesetzliche Verankerung bedarfsgerecht ausgestalten zu können.

Die bisherigen Erfahrungen zeigen aber auch, dass bei manchen Beschuldigten das Bewusstsein, professionellen Beistand zu benötigen in der ersten Phase nach einer polizeilichen Festnahme noch nicht sehr stark ausgeprägt ist. Darüber hinaus mag die Kostenersatzpflicht in einigen Fällen trotz der Ausfallshaftung des Bundes dazu beitragen, dass auf eine Inanspruchnahme verzichtet wird. Schließlich denke ich auch, dass durch verstärkte Fortbildungsangebote die umfassende Information der Beschuldigten verbessert werden kann.

 

. März 2009

 

(Mag. Claudia Bandion-Ortner)