9098/AB XXIV. GP

Eingelangt am 08.11.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Justiz

Anfragebeantwortung

 

Die Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Judith Schwentner, Freundinnen und Freunde haben an mich eine schriftliche Anfrage betreffend „die Ressourcen zur Bekämpfung des Frauen- und Menschenhandels“ gerichtet.

Ich beantworte diese Anfrage wie folgt:

Zu 1:

Bei den Staatsanwaltschaften gibt es keine Sonderzuständigkeit zur Bearbeitung von Strafanzeigen wegen Frauen- und Menschenhandels.

Zu 2:

Mangels Sonderzuständigkeit ist der tatsächliche Arbeitseinsatz weder nach Stundenumfang noch nach eingesetzten Kapazitäten abschätzbar.

Zu 3:

Eine Sonderzuständigkeit auf diesem Gebiet liegt lediglich beim Landesgericht für Strafsachen Wien vor, bei dem ab 1. September 2011 alle Strafanträge und Anklagen nach § 104a StGB (Menschenhandel) einer Gerichtsabteilung zugewiesen wurden.

Zu 4:

Der tatsächliche Personaleinsatz bzw. Stundenumfang im Bereich des Frauen- und Menschenhandels kann auf Grund einer lediglich beim Landesgericht für Strafsachen Wien bestehenden Sonderzuständigkeit sowie der geringen bis gar nicht vorkommenden Fälle, in denen es zu einer Hauptverhandlung kommt, mit Gültigkeit für das gesamte Bundesgebiet nicht beantwortet werden. Anzeigen wegen grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 StGB oder wegen Menschenhandels nach § 104a StGB kommen bei den Staatsanwaltschaften kaum bis gar nicht vor (eine Anzeige nach § 104a StGB im Jahr 2010).

Zu 5:

Das gesamte Fort- und Weiterbildungsangebot für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte ist berufsbegleitend ausgerichtet.


Zu 6:

Das Thema Menschenhandel wird in der Aus- und Fortbildung von Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten unter theoretischen und praktischen Gesichtspunkten beleuchtet. Schwerpunktmäßig behandelt werden die Bereiche der nationalen und internationalen Zusammenarbeit zwischen den Ermittlungsbehörden und die verschiedenen Aspekte des Opferschutzes. Als Vortragende fungieren Vertreterinnen und Vertreter von Justiz, Polizei, internationalen Organisationen und Opferschutzeinrichtungen, wodurch eine interdisziplinäre Behandlung des Themenbereiches Menschenhandel sichergestellt ist.

Zu 7:

Sowohl die Planung von Aus- und Fortbildungsveranstaltungen als auch deren Durchführung erfolgt zumeist in enger Kooperation mit externen Organisationen, die ihre Expertise zur Verfügung stellen.

Zu 8:

Alle Opfer von Straftaten, das schließt Opfer von Menschenhandel ein, haben das Recht im Rahmen des Strafverfahrens, den Ersatz des durch die Straftat erlittenen Schadens oder eine Entschädigung für die Beeinträchtigung ihrer strafrechtlich geschützten Rechtsgüter zu begehren. Zu diesem Zweck können sie sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte anschließen. Gemäß § 67 Abs. 1 StPO ist während des Strafverfahrens das Ausmaß des Schadens oder der Beeinträchtigung von Amts wegen festzustellen, soweit dies auf Grund der Ergebnisse des Strafverfahrens oder weiterer einfacher Erhebungen möglich ist. Seit Inkrafttreten der Strafprozessreform (BGBl. I Nr. 19/2004) sieht § 67 Abs. 1 StPO bei der gutachterlichen Beurteilung von Körperverletzungen oder Gesundheitsschädigung nun auch die Feststellung von Schmerzperioden vor. Damit wird die Festsetzung von Schmerzengeld im Zusammenhang mit der Straftat erleichtert und beschleunigt. Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang, dem Beschleunigungsgebot im Strafverfahren folgend (§ 9 StPO), aber darauf zu achten, dass die Feststellung des Ausmaßes des Schadens bzw. der Beeinträchtigung des Opfers nur so weit zu erfolgen hat, als dies entweder durch die Ergebnisse des Strafverfahrens ohnehin bereits möglich ist oder nur durch einfache Erhebungen bewerkstelligt werden kann. Im Regelfall wird ein für das Strafverfahren nicht notwendiges Gutachten, welches ausschließlich zur Feststellung der Höhe oder des Ausmaßes des Schadens dient, nicht als einfache Erhebung zu werten sein. Bieten die Ergebnisse des Strafverfahrens auch nur für eine teilweise Beurteilung der geltend gemachten Ansprüche des Opfers keine ausreichende Grundlage, sieht § 366 Abs. 2 StPO die Verweisung des Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg vor.

Ich erinnere ferner, dass die gesetzlichen Grundlagen zu den vermögensrechtlichen Maßnahmen im Strafverfahren (§§ 19a Konfiskation, 20 Verfall, 20a Unterbleiben des Verfalls, 20b Erweiterter Verfall und 20c Unterbleiben des erweiterten Verfalls StGB) durch das sogenannte Strafrechtliche Kompetenzpaket mit 1. Jänner 2011 (BGBl. I Nr. 108/2010) geändert wurden. Nachdem die materiellrechtlichen Änderungen zur Effizienzsteigerung und Stärkung von vermögensrechtlichen Maßnahmen in Kraft getreten sind, lege ich großen Wert darauf, dass diese Bestimmungen in der Praxis auch effizient angewandt werden. Aus diesem Grund habe ich eine Arbeitsgruppe  „vermögensrechtliche Anordnungen“ eingerichtet, die einerseits effiziente  legistische Maßnahmen im Strafprozessrecht, aber auch flankierende organisatorische Maßnahmen wie z.B. eine verbesserte Zusammenarbeit der Ermittlungsbehörden (Staatsanwaltschaften und Bundeskriminalamt) oder eine Spezialisierung in der Praxis erarbeiten soll. In der Arbeitsgruppe, die am 30. September 2011 erstmals tagte, sind Vertreterinnen und Vertreter aus der Praxis wie auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesministeriums für Justiz und des Bundesministeriums für Inneres vertreten. Diese Maßnahmen sollen neben der Effizienzsteigerung bei der Sicherung von Vermögenswerten im Ermittlungsverfahren unter anderem auch dazu führen, dass Opfer, denen eine Entschädigung rechtskräftig (im Straf- oder Zivilverfahren) zuerkannt wurde, verstärkt die Möglichkeit erhalten, aus eben diesen vom Bund nach den Bestimmungen der §§ 19a (Konfiskation), 20 (Verfall) und 20b (Erweiterter Verfall) StGB vereinnahmten Vermögenswerten die Befriedigung ihrer Ansprüche zu erfahren (§ 373b StPO).

Ich strebe mit diesen Maßnahmen zur Effizienzsteigerung eine Verbesserung der Entschädigungssituation aller Opfer von strafbaren Handlungen an. Opfer von Straftaten für den erlittenen Schaden bzw. Verlust finanziell zu entschädigen, stellt ein wesentliches Element zu ihrer Rehabilitierung dar.

Ich bitte um Verständnis, dass ich zu allfälligen Entschädigungsansprüchen aus dem Verbrechensopfergesetz dem federführend zuständigen Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz nicht vorgreifen kann.

Auch im Bereich des Zivilrechts meine ich, dass mit der gegenwärtigen Rechtslage – so wie sie die Gerichte in der Praxis handhaben – das Auslangen gefunden werden kann.

Zu 9:

Ja, die Staatsanwaltschaften sind selbstverständlich angehalten, in Fällen, in welchen die Voraussetzungen für eine Beschlagnahme nach § 115 StPO vorliegen, eine solche auch zu beantragen, wobei die Entscheidung dem Gericht obliegt. Zur grundsätzlichen Frage der verstärkten Anwendung von vermögensrechtlichen Anordnungen im Strafverfahren darf ich auf die Antwort zu Frage 8 verweisen. Im Zusammenhang mit Strafverfahren wegen § 104a StGB (Menschenhandel) kam es im Jahr 2010 in einem Strafverfahren zu einer Beschlagnahme nach § 115 StPO.