9289/AB XXIV. GP

Eingelangt am 02.12.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 9399/J vom 4. Oktober 2011 der Abgeordneten Stefan Petzner, Kolleginnen und Kollegen beehre ich mich, Folgendes mitzuteilen:

Zu 1.:

Der der gegenständlichen parlamentarischen Anfrage zugrundeliegende Aktenvermerk ist ein internes Aktenstück der StA Klagenfurt, welches dem Bundesministerium für Finanzen bisher nicht bekannt war.

Zu 2.:

Die Notverstaatlichung der Hypo Alpe-Adria Bank International AG (HBInt) erfolgte im Einvernehmen des Bundesministeriums für Finanzen mit dem Bundeskanzleramt zum Schutz der österreichischen Volkswirtschaft (§ 1 FinStaG) insbesondere auf Grundlage des Berichts der OeNB über ihre Prüfung der HBInt nach § 70 BWG, der Stellungnahme der FMA zur aktuellen Eigenmittelsituation des Konzerns und des Positionspapieres des seinerzeitigen Vorstandes der HGAA, das von der OeNB kritisch hinterfragt werden sollte. Die auf Seite der Republik Österreich beigezogenen Experten der OeNB und der FMA erwarteten im Falle der Verhängung der Geschäftsaufsicht oder der Eröffnung der Insolvenz über das Vermögen der HBInt ein europäisches „Lehmann" und somit die nachhaltige negative Beeinflussung des österreichischen und europäischen Finanz- und Anleihemarktes. Die Verhandlungsposition der Republik Österreich in den Gesprächen mit den Alteigentümern wurde massiv dadurch beeinträchtigt, dass bereits im Falle der Verhängung der Geschäftsaufsicht die Haftung des Landes Kärnten als Ausfallbürgin im Umfang von rund  EUR 20 Mrd schlagend  geworden


wäre. Unzweifelhaft wäre das Land Kärnten nicht in der Lage gewesen, den aus der Haftungsübernahme resultierenden Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Da eine geordnete Insolvenz des Landes Kärnten aus rechtlichen und faktischen Gründen nicht möglich war und eine Übernahme der Zahlungsverpflichtungen die Bonität des Bundes massiv belastet hätte, musste im Hinblick auf das Verhalten aller Alteigentümer die Notverstaatlichung erfolgen.

Zu 3.:

Der der parlamentarischen Anfrage beigelegte Aktenvermerk wurde von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt verfasst. Soweit darin festgehalten wird, dass es „anders als im Fall BAWAG nicht möglich gewesen sei, die HGAA vor der Verstaatlichung längerfristig zu prüfen und die Ursachen, die diesen Schritt notwendig machen, detailliert zu analysieren“, werden durchaus zutreffend die typischen Rahmenbedingungen für Notmaßnahmen geschildert. Der Republik Österreich war es vor Übernahme aller Anteile an der HGAA zum 30. Dezember 2009 nicht möglich, eine betriebswirtschaftliche und juristische Prüfung des übernommenen Unternehmens durchzuführen, wie eine solche im Falle einer geordneten und planmäßigen Übernahme eines Unternehmens üblich ist, zumal sich die dramatische Eigenmittelsituation der HBInt dem Bundesministerium für Finanzen erst schrittweise nach einer Vorsprache des Vorstandsvorsitzenden der HBInt am 6. November 2009 geoffenbart hatte. Eine Verstaatlichung wurde zunächst klarer Weise nicht angestrebt und war diese nach der Weigerung der Alteigentümer, die von der FMA bis 14. Dezember 2009 beauftragte Rekapitalisierung der Bank vorzunehmen, somit erst notwendig geworden.Die Durchführung einer detaillierten Unternehmensanalyse war in dieser Zeitspanne nicht möglich bzw. nicht möglich gewesen.

Zur Durchführung einer Post Due Dilligence-Prüfung wurde zwischen der Bank und der Republik Österreich das Projekt „CSI Hypo" eingerichtet. Durch das Projekt „CSI Hypo" sollen von der Bank gemeinsam mit der Republik Österreich alle Ursachen für die wirtschaftliche Misslage der HGAA sowie die Verantwortungen früherer Organe und Eigentümer erhoben werden.

 

Zu 4.:

Mit Schreiben vom 27. März 2006 wurde die Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) gemäß § 16 Abs. 4 FMABG beauftragt, die BAWAG P.S.K. Bank für Arbeit und Wirtschaft und Österreichische Postsparkasse AG umfassend zu prüfen. Prüfungsschwerpunkte waren u.a. die Großveranlagungsbestimmungen, die Sorgfaltspflicht nach § 39 BWG, das Risikomanagement, die Gestionierung des Kreditrisikos und diverse Organgeschäfte.


Die Prüfung wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Finanzen von der OeNB zusammen mit der Ernst & Young Wirtschaftsprüfungsgesellschaft m.b.H durchgeführt.

Neben den hinlänglich bekannten Sachverhalten, die im Zuge des BAWAG-Prozesses genau aufgearbeitet wurden, wurden Verletzungen des BWG festgestellt, z.B. Überschreitung der in § 27 BWG normierten Grenzen von Großveranlagungen, die von der FMA verfolgt wurden.

Im Übrigen wurde der Themenkomplex im seinerzeitigen Bankenuntersuchungsausschuss eingehend untersucht.

Zu 5.;

Wie zu den Fragen 2 und 3 ausgeführt ist, war die finanzielle Situation der HBInt im Dezember 2009 nachweislich angeschlagen und die Verstaatlichung gemäß § 1 FinStaG durch das Bundesministerium für Finanzen im Einvernehmen mit dem Bundeskanzleramt aus volkswirtschaftlichen Erwägungen im Interesse der Finanzmarktstabilität geboten.

Die Unterstellung einer Sorgfaltspflichtverletzung in diesem Prozess weise ich auf das Schärfste zurück.

Zu 6.:

Der Begriff „Global-Unterlagen" wurde zwar von der Staatsanwaltschaft Klagenfurt im Aktenvermerk verwendet, ist jedoch innerhalb des Bundesministeriums für Finanzen nicht in Gebrauch. Technisch sind damit anscheinend all jene Unterlagen gemeint, in denen die Umstände, die zur rabiaten Verschlechterung der Eigenmittel- und Liquiditätssituation der HBInt im November und Dezember 2009 und in Folge zur Erfordernis von sofortigen Stützungsmaßnahmen geführt haben, dargestellt werden. Hervorzuheben sind darin die massiven zusätzlichen Risikovorsorgen aufgrund des PWC-Gutachtens und der § 70 BWG- Prüfung der OeNB sowie die Berechnungen eines Insolvenzszenarios - eingeschlossen eines Schlagendwerden der Kärntner Landeshaftung - durch die OeNB. Diese Unterlagen wurden dem Bundesministerium für Finanzen im November und Dezember 2009 von der OeNB, der FMA, der HBInt selbst sowie den Alteigentümern zur Verfügung gestellt.

Zu 7.:

Aufgrund der zusätzlich erforderlich gewordenen massiven Risikovorsorgen und des zunehmenden Abzugs von Kundengeldern legte die FMA eine Frist bis 14. Dezember 2009 zur Erarbeitung einer Rekapitalisierungslösung für die HBInt fest. Bei Ausbleiben einer Rekapitalisierungslösung wäre die FMA gezwungen gewesen, aufgrund der Unterschreitung der regulatorischen Eigenmittelerfordernisse ein Geschäftsaufsichtsverfahren nach §§ 82 bis 91 BWG einzuleiten. Da die Alteigentümer in Gesprächen mit dem damaligen Vorstand der HBInt bekundeten, nicht zu einer (weiteren) Kapitalzufuhr gewillt oder fähig zu sein, wurde vom Vorstand der HBInt die Republik Österreich nach § 1ff FinStaG um die Vornahme von Rekapitalisierungsmaßnahmen ersucht. Im Zuge intensiver Verhandlungen zwischen den Alteigentümern und der Republik Österreich unter Teilnahme des Vorstandes der HBInt und der Aufsichtsbehörden (FMA und OeNB) konnte das ursprüngliche Angebot der Bayerischen Landesbank (BLB), ihre Anteil an die Republik Österreich zu einem Kaufpreis in Höhe ihres Beteiligungsansatzes von rund EUR 1 Mrd zu veräußern, in die Übertragung zu EUR 1 samt umfangreichen Verpflichtungen aller Alteigentümer zur Kapital- und Liquiditätsstützung abgeändert werden.

Zu 8.:

Am 7. Dezember 2009 hat die OeNB das Bundesministerium für Finanzen informiert, dass (der damalige) Vorstand der HGAA zum Stand 6. Dezember 2009 den zusätzlichen Kapitalbedarf der Bank mit ca. EUR 2 Mrd. bezifferte. Dieser berechnete sich vor allem aus den Ergebnissen des PWC-Gutachtens und der Einrechnung weiterer Verluste aufgrund von Betrugsfällen, Marktrisiken und eines weiteren Rating-Downgrades der HBInt. Die OeNB erachtete EUR 2 Mrd. als Mindestgröße und wies aufgrund der Ergebnisse ihrer § 70 BWG- Prüfung auf mögliche weitere Wertberichtigungen im Portfolio der Kreditinstitutsgruppe hin. Das Bundesministerium für Finanzen hat sich an diesen Zahlen orientiert.

Zu 9. und 10.:

Die Erkenntnisse der deutschen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PWC waren im oben angeführten Positionspapier des Vorstands enthalten und wurden damit im Rahmen der Notverstaatlichung berücksichtigt. Das Gutachten von PWC wurde von der Europäischen Kommission (DG Wettbewerb) im Zuge des beihilfenrechtlichen Überprüfungsprozesses angefordert und von der Bank auf direktem Weg zur Verfügung gestellt.

Für die weitere Beurteilung der wirtschaftlichen Situation der Bank hatte es für das Bundesministerium für Finanzen wegen der Stichtagsbezogenheit und der somit historischen Informationen keine Bedeutung. Die Bewertung von Vermögensgegenständen im Allgemeinen und Krediten im Besonderen ist durch die jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnisse geprägt, im Zeitablauf veränderlich und in einer Bank eine Permanentaufgabe.

Zu 11.:

Die Höhe der gegenwärtigen Verbindlichkeiten der HBInt gegenüber der Bayrischen Landesbank (BLB) ist dem Bundesministerium für Finanzen nicht bekannt, weswegen diese auch nicht aufgeschlüsselt werden können.

Zu 12. und 13.:

In dem bezughabenden Artikel wird zwischen Kapital- und Liquiditätsbedarf unzureichend differenziert. Korrekt ist, dass FMA und OeNB im Rahmen des jährlich durchzuführenden Joint Risk Assessment Decision" („JRAD") - Prozesses eine Kapitallücke von rund EUR 1,5 Mrd. aufgezeigt haben. Vorstand und Aufsichtsrat der HBInt sehen im aktuell noch laufenden Verfahren den Betrag als deutlich geringer an und erwarten, diese Lücke im Laufe des nächsten Jahres durch eine deutliche Verkleinerung der Kreditinstitutsgruppe und Abbau von risk weighted assets aus eigener Kraft und ohne weitere staatliche Hilfe schließen zu können.

Davon unabhängig bestehen Verpflichtungen der HBInt gegenüber der BLB mit Fälligkeiten Ende 2013 im Ausmaß von EUR 3 Mrd.

Im Rahmen des Liquiditätsmanagements der HGAA obliegt es den Organen der Bank, für die fristgerechte Tilgung dieser Verbindlichkeiten Sorge zu tragen oder im Bedarfsfall eine Prolongation oder Alternativfinanzierung zu verhandeln.

Dem Bundesministerium für Finanzen liegen gegenwärtig keine Informationen von Seite der Organe der Bank (Vorstand und Aufsichtsrat) vor, die auf die Notwendigkeit einer weiteren Eigenkapitalzufuhr an die HBInt durch die Republik Österreich schließen lassen.

 

Dazu ist auch auf die öffentlichen Aussagen des Vorstandsvorsitzenden der HBInt Dr. Kranebitter gegenüber Radio Öl am 18. Oktober 2011 und des Aufsichtsratspräsidenten der HBInt Dr. Ditz gegenüber dem Kärntner ORF am 4. Oktober 2011 zu verweisen.

Zu 14.:

Mit dem zwischen der Bank und Republik Österreich vereinbarten Projekt „CSI Hypo" wird die Bank angehalten und verpflichtet, die Ursachen für den rapiden Vermögensverfall, die die Notverstaatlichung erforderlich gemacht hatten, durch eine umfassend Aufarbeitung festzustellen. Dabei sind strafrechtlich relevante Sachverhalte von der Bank den Strafverfolgungsbehörden anzuzeigen. In den mittlerweile mehr als 50 Sachverhaltsdarstellungen werden konkrete Verdachtsmomente und konkrete Tatverdächtige der Staatsanwaltschaft Klagenfurt angezeigt, die mit der sogenannten SOKO Hypo des Bundeskriminalamtes weiterführende strafbehördliche Ermittlungen zu führen hat.

Dem Aktenvermerk der Staatsanwaltschaft Klagenfurt vom 29.1.2010 ist auch zu entnehmen, dass die staatsanwaltschaftlichen Gesprächsteilnehmer von den Vertretern des Bundesministeriums für Finanzen insbesondere konkrete Tatverdächtige genannt wissen wollten. Die gesamte staatliche Verwaltung hat auf Grundlage der Gesetze stattzufinden und haben in einem Rechtsstaat Verwaltungsorganen Strafanzeigen gegen konkrete Personen wohl nur bei einer objektivbaren und sachlich nachvollziehbaren Beweislage zu erheben.

Welche konkrete Person für den rapiden Vermögensverfall bei der HBInt, der die Notverstaatlichung am 14.12.2009 notwendig gemacht hatte, zivil- und/oder strafrechtlich verantwortlich ist, konnte nach den allgemeinen Denkgesetzen im Jänner 2010 nicht objektivierbar bekannt sein. Deswegen sollen im Projekt „CSI Hypo" auch die betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Ursachen für den rapiden Vermögensverfall und die zivilrechtlichen Verantwortungen früherer Vorstandsmitglieder, Aufsichtsräte und Eigentümer geklärt werden.