313/E XXIV. GP

 

Entschließung

des Nationalrates vom 3. Juli 2013

betreffend eine neue Österreichische Sicherheitsstrategie

Die Bundesregierung wird ersucht, die österreichische Sicherheitspolitik nach folgenden Grundsätzen zu gestalten:

Allgemeine Empfehlungen

Österreichs Sicherheitspolitik soll nach folgenden allgemeinen Grundsätzen gestaltet werden:

1.      Das Konzept der Umfassenden Sicherheitsvorsorge soll koordiniert umgesetzt und unter besonderer Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen weiterentwickelt werden. Die Teilstrategien sollen laufend evaluiert und angepasst werden. Auch das sicherheitspolitische Lagebild bedarf auf der Basis eines gesamtstaatlichen sicherheitspolitischen Analyse- und Planungsprozesses einer laufenden Aktualisierung und Weiterentwicklung.

2.      Erarbeitung eines gesamtstaatlichen Konzepts zur Steigerung der Resilienz Österreichs (Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit von Staat und Gesellschaft nach Krisen) sowie zum Schutz kritischer Infrastrukturen.

3.      Die Bedrohung im und aus dem Cyberraum durch staatliche und nicht staatliche Akteure steigt ständig. Daher gewinnt Cyber-Sicherheit immer mehr an Bedeutung; Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit von Computersystemen und des Internets sollen deshalb intensiviert werden. Die am 20. März 2013 verabschiedete Österreichische Strategie für Cyber-Sicherheit ist umzusetzen und im Lichte der Entwicklungen regelmäßig zu aktualisieren.

4.      Berücksichtigung der Wechselwirkung zwischen Sicherheit und Entwicklung und Umsetzung des Leitfadens „Sicherheit und Entwicklung“, der einen gesamtstaatlichen Zugang zu Konfliktprävention, Krisenmanagement, Friedenskonsolidierung und zum Aufbau von staatlichen Strukturen empfiehlt, mit dem Ziel der Erreichung umfassender menschlicher Sicherheit im Rahmen tragfähiger lokaler Strukturen und Institutionen.

5.      Zur Gewährleistung eines verbesserten, ressourceneffizienten Zusammenwirkens ziviler und militärischer Komponenten und erhöhter Wirksamkeit und Sichtbarkeit österreichischer Beiträge im Ausland sowie zur Umsetzung strategischer österreichischer Interessen im Ausland soll die Erstellung und Implementierung eines gesamtstaatlichen Auslandseinsatzkonzeptes zügig vorangetrieben werden.

6.      Bestehende Koordinationsstrukturen und Abläufe sollen auf ihre Funktionalität im Hinblick auf einen umfassenden Sicherheitsansatz (whole-of-government, whole-of-nation) modernisiert und angepasst werden.

7.      Zur Überprüfung und Weiterentwicklung von bestehenden Konzepten, Verfahren, Institutionen und Instrumenten sind gesamtstaatliche Übungen, in regelmäßigen Abständen durchzuführen. Die ressortübergreifende Teilnahme an internationalen Krisenmanagement-Übungen soll intensiviert werden.

8.      Im Sinne von vernetzten sicherheitspolitischen Strukturen ist auf der Grundlage eines gesamtstaatlichen Lagebildes eine verstärkte Kooperation und Koordination der Ressorts bei der Planung, Umsetzung und Bewertung sicherheitsrelevanter Maßnahmen im In- und Ausland anzustreben.

9.      Das Zusammenwirken aller sicherheitspolitischen Akteure bei der Analyse und Bewertung sicherheitsrelevanter Situationen und bei der Umsetzung von davon abgeleiteten Maßnahmen im In- und Ausland einschließlich einer aktiven Mitwirkung an der europäischen Kooperation beim nachrichtendienstlichen Informationsaustausch soll verbessert werden.

10.    Wirksame Bekämpfung von für Österreich nachteiligen nachrichtendienstlichen Aktivitäten.

11.    Angemessene Beteiligung an Maßnahmen, Missionen und Operationen des internationalen Krisenmanagements, gemäß den definierten Kriterien für die Teilnahme an Missionen und Operationen.

12.    Schaffung eines zivil-militärischen Fähigkeitspools, aus dem heraus auch österreichische Beiträge im Rahmen des internationalen Krisenmanagements und der europäischen Solidarität erfüllbar sein sollen.

13.    Österreich soll Möglichkeiten für regionale sicherheitspolitische Kooperationen mit Nachbarländern und anderen interessierten Staaten verstärkt nutzen und die hiezu erforderlichen sicherheitspolitischen Abstimmungsformate ausbauen.

14.    Die Verfügbarkeit lebensnotweniger Ressourcen sowie der Schutz strategischer Infrastrukturen (rasche Fertigstellung und Umsetzung des APCIP) soll sichergestellt werden.

15.    Koordinierte Beitragsleistung zur Bekämpfung der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen, deren Vorprodukten und der Trägersysteme.

16.    Zur Verbesserung der Zusammenarbeitsfähigkeit zwischen den nationalen und internationalen Hilfs- und Einsatzorganisationen soll ein integriertes und abgestimmtes Ausbildungsprogramm geschaffen werden, das auf bestehende zivile und militärische Ausbildungseinrichtungen (Österreichisches Trainingsnetzwerk) aufbaut. Zur Schaffung einer gemeinsamen Sicherheitskultur soll ein besonderes österreichisches Profil bei der Ausbildung entwickelt werden.

17.    Humanitäre und Katastrophenhilfseinsätze sollen verstärkt wahrgenommen werden. Österreich verfügt dafür über besondere und auch international respektierte zivil-militärische Expertise und Erfahrungen. Österreich soll sich diesbezüglich auf europäischer und internationaler Ebene besonders engagieren. Die dafür notwendigen Ressourcen sollen im Zusammenwirken der betroffenen Ressorts, Länder und Organisationen weiter ausgebaut und die Handlungsfähigkeit weiter gestärkt werden.

18.    Die Bestrebungen zur Aufstellung einer regionalen mitteleuropäischen zivil-militärischen Katastrophenhilfseinheit sollen fortgesetzt werden.

19.    Der Bereich der Sicherheitsforschung ist weiter auszubauen. Dazu ist insbesondere eine enge Kooperation und Vernetzung relevanter Organisationen und Institutionen im In- und Ausland anzustreben. Die außeruniversitäre sicherheitspolitische Forschung soll evaluiert und restrukturiert werden.

20.    Die Umsetzung der österreichischen Sicherheitsstrategie soll einer periodischen Evaluierung unterzogen und im NSR thematisiert werden. Ein Überprüfungsprozess für die Zielerreichung soll eingerichtet werden.

21.    Die österreichische Bevölkerung soll umfassend und laufend über die Sicherheitslage im In- und Ausland informiert werden. Dazu soll ein sicherheitspolitisches Informationskonzept erstellt und konkrete Maßnahmen im Rahmen des Unterrichtsprinzips „Politische Bildung“ verankert werden.

Innere Sicherheit

Österreichs Politik der Inneren Sicherheit soll nach folgenden Grundsätzen gestaltet werden:

1.      Beitrag zur aktiven Gestaltung einer für Österreich und seine Bevölkerung vorteilhaften Situation, Verhinderung des Entstehens oder Wirksamwerdens von Bedrohungen für die innere Sicherheit sowie Maßnahmen zum Schutz gegenüber Bedrohungen bzw. zu deren Bewältigung durch Umsetzung und situationsangepasste Weiterentwicklung der Strategie „Innen.Sicher.“ und der darauf aufbauenden Teilstrategien, insbesondere der Kriminalstrategie, der Staatsschutzstrategie, der SKKMStrategie 2020, der Fremdenpolizeilichen Strategie und der Internationalen Strategie des BM.I.

2.      Beitrag zur Stärkung des sozialen Friedens in Österreich durch Umsetzung konkreter, aufeinander abgestimmter Initiativen in den Bereichen proaktive Sicherheitspolitik; objektive Sicherheit und subjektives Sicherheitsgefühl, Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung; Migrationsmanagement; Integrationskoordination; internationale Vernetzung; bürgerorientiertes Handeln; Forschung/ Wissensmanagement, Vernetzung; Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger; Information, Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit; Anti-Gewalt.

3.      Setzung operativer Schwerpunkte zur Erreichung folgender Ziele: Kriminalität wirksam bekämpfen; neue Wege in der Prävention; Asyl sichern und Missbrauch verhindern; illegale Migration bekämpfen; Migration steuern; Integration fördern und fordern; Daten nützen und schützen; Grund-, Freiheits- und Menschenrechte, Sicherheit und Ordnung gewährleisten.

4.      Erhöhung der Sicherheit von Computersystemen und des Internets durch Umsetzung der gesamtstaatlichen Strategie zur Cyber-Sicherheit, die Einrichtung eines Kompetenzzentrums zur Cyberkriminalität und die aktive Mitgestaltung der EU-Politik zum besseren Schutz der Bürger und Unternehmen im Cyberspace.

5.      Förderung eines guten, sicheren Zusammenlebens und Stärkung der demokratischen Gesellschaft gegenüber extremistischen und fundamentalistischen Strömungen und Einflussnahmen durch Umsetzung und Weiterentwicklung der Staatsschutzstrategie und des Nationalen Aktionsplans für Integration, unter besonderer Berücksichtigung des Dialogs der Kulturen und Religionen, sowie durch die Steigerung des Bewusstseins für die Bedeutung der Grund- und Freiheitsrechte im täglichen Zusammenleben.

6.      Beitrag zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit des öffentlichen und privaten Sektors gegen natürliche oder vom Menschen verursachte Störungen und Katastrophen durch Beitragsleistung zur Entwicklung und Umsetzung eines gesamtstaatlichen Konzepts zur Steigerung der Resilienz Österreichs sowie zum Schutz kritischer Infrastrukturen.

7.      Koordination des staatlichen Krisen- und Katastrophenschutzmanagements zur Sicherstellung der Zusammenarbeit und eines koordinierten Vorgehens aller zuständigen Stellen des Bundes und der Katastrophenschutzbehörden der Länder sowie der Einsatzorganisationen.

8.      Verbesserung der Fähigkeiten zum Zusammenwirken mit dem Österreichischen Bundesheer bei der gemeinsamen Bewältigung von Aufgaben, die sich aus der österreichischen Bundesverfassung ergeben.

9.      Stärkung der inneren Sicherheit im Nachbarschaftsbereich, insbesondere durch die Umsetzung und Weiterentwicklung der Staatsverträge für die polizeiliche Zusammenarbeit und der „Vision Forum Salzburg 2020“ sowie die Verstärkung des Operativen Netzwerkes Mitteleuropa und dessen Weiterentwicklung zu einem mitteleuropäischen Sicherheitscluster. Der Wahrung der Grundrechte wird dabei besondere Beachtung geschenkt.

10.    Aktive Beitragsleistung zur Umsetzung und Weiterentwicklung der EU-Strategie der Inneren Sicherheit, zur Stärkung der operativen Zusammenarbeit in der EU (wie z.B. bei der Entwicklung regionaler Polizeistrategien sowie bei der Bekämpfung von Organisierter Kriminalität, Korruption, illegaler Migration und des internationalen Terrorismus), der Herausbildung einer europäischen Architektur der Inneren Sicherheit, zur verstärkten Beachtung der Wahrung von Grund- und Freiheitsrechten sowie zur Ausgestaltung und Umsetzung der Solidaritätsklausel des Lissabonner Vertrages insbesondere durch aktive Mitgestaltung der entsprechenden Arbeiten im Rahmen des Ausschusses zur Inneren Sicherheit (COSI).

11.    Das Innenressort muss Beiträge zum zivil-militärischen Fähigkeitspool zur Umsetzung der EUSolidaritätsklausel erbringen können.

12.    Zielgerichtete Kooperationen zur Verstärkung der Zusammenarbeit mit Ländern in der östlichen und südlichen EU-Nachbarschaft.

13.    Aktiver Beitrag zur Stärkung der zivilen Fähigkeiten der EU zur Konfliktverhütung und Krisenbewältigung sowie Teilnahme an internationalen Maßnahmen, die diesem Ziel dienen.

14.    Bereitstellung, Vorbereitung, Schulung und Entsendung von zivilen Experten für das internationale zivile Krisenmanagement, orientiert am Beispiel vergleichbarer Staaten, aus den Bereichen Polizei, Rechtsstaatlichkeit, Verwaltung, Zivilschutz, Rettungs- und Feuerwehrwesen sowie anderer ziviler Experten als aktive Beitragsleistung zum Civilian Headline Goal der EU; Gewährleistung der Voraussetzungen für deren Einsatz.

15.    Verstärkte Information der Bevölkerung über Zivilschutz und Selbstschutzmaßnahmen.

16.    Optimierung der Warnsysteme sowie Unterstützung bei der Verbesserung von Sicherungsmaßnahmen in privaten Haushalten.

17.    Stärkung der Fähigkeiten im Bereich Innere Sicherheit zur Unterstützung der politischen und militärischen Antizipations- und Führungsfähigkeit sowie zur gesamtstaatlichen Lagebeurteilung und der damit verbundenen Beratung und Bewusstseinsbildung.

Außenpolitische Aspekte der Sicherheitspolitik

Österreichs Außenpolitik soll in sicherheitspolitischer Hinsicht nach folgenden Grundsätzen gestaltet werden:

1.      Konsequentes Eintreten für die definierten Werte, Interessen und Ziele auf bilateraler, europäischer und internationaler Ebene.

2.      Intensive Nutzung und Effizienzsteigerung des diplomatischen Apparats zur Informationsgewinnung und Analyse weltweiter sicherheitspolitisch relevanter Ereignisse und Entwicklungen, die auch in das gesamtstaatliche Lagebild einfließen.

3.      Aktives Auftreten Österreichs als Vermittler in internationalen Konflikten und Wahrnehmung einschlägiger Vermittlungs- und Mediationsmöglichkeiten, die sich aus der Stellung Österreichs als EU-Mitglied und zugleich neutraler Staat ergeben.

4.      Stärkung der in Österreich ansässigen sicherheitsrelevanten Internationalen Organisationen und Agenturen; aktives Bemühen um die weitere Ansiedlung solcher Einrichtungen; Wahrnehmen der damit verbundenen Schutzfunktionen.

5.      Konsequentes Eintreten für die weltweite Wahrung der Menschenrechte.

6.      Nachdrücklicher Einsatz für friedliche Lösungen von Konflikt- und Krisensituationen, vor allem am Balkan, im Nahen Osten und Nordafrika sowie auch in Afrika südlich der Sahara. Förderung der internationalen Kooperationen in diesen Bereichen, auf bi- und multilateraler Ebene. Darüber hinaus verstärktes außenpolitisches Engagement im Donau- und Schwarzmeerraum sowie im Kaukasus.

7.      Fortentwicklung der Zusammenarbeit Österreichs und der EU - unter Bedachtnahme auf die europäischen Werte und selbstbewusstes Vertreten der Rechte und Grundfreiheiten der österreichischen Bevölkerung und Wirtschaft im internationalen Verkehr - mit wesentlichen Partnern wie den USA, Russland und mit den aufstrebenden Mächten, auch im Hinblick auf die Bemühungen um nachhaltige Problemlösungen in internationalen Krisenregionen.

8.      Engagement in und Stärkung der EU in Bezug auf ihre Rolle im internationalen Krisenmanagement

9.      Engagierte Mitwirkung an der Weiterentwicklung der GASP zur Erreichung der Ziele der Europäischen Sicherheitsstrategie sowie der Umsetzung der sicherheitspolitischen Interessen der Union.

10.    Aktive und solidarische Mitwirkung an der GSVP, am Aufbau der erforderlichen europäischen zivilen und militärischen Krisenmanagementkapazitäten in spezialisierter Form und der Fähigkeit zu autonomer sicherheitspolitischer Handlungsfähigkeit der EU.

11.    Heranführung europäischer Drittstaaten an die EU-Standards.

12.    Ausbau und Intensivierung der Beziehungen zu den EU-Nachbarn (östliche Dimension, südliche Nachbarstaaten) und Weiterentwicklung spezieller Partnerschaften.

13.    Nachdrückliches Eintreten für eine aktive und effektive Rolle der OSZE als unverzichtbarer Faktor einer gesamteuropäischen Sicherheit, sowie intensive Nutzung der OSZE für einen umfassenden europäischen Sicherheitsdialog, konventionelle Rüstungskontrolle und Vertrauens- und Sicherheitsbildung.

14.    Aktive Mitwirkung an den für Partner offenen Krisenmanagementaktivitäten der NATO; Ausschöpfung der Kooperations- und Dialogmöglichkeiten, die im Rahmen der entsprechenden Partnerschaften angeboten werden.

15.    Engagement in den und Stärkung der VN als Instrument zur Bewältigung der globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.

16.    Aktive Mitwirkung an internationalen Bemühungen um Rüstungskontrolle und Abrüstung sowie Vorantreiben von Initiativen zur Ächtung weiterer Waffen, die unterschiedslos wirken oder übermäßige Leiden verursachen.

17.    Einsatz der Mittel der EZA im Sinne der Zielsetzungen des Leitfadens „Sicherheit und Entwicklung“.

18.    Einsatz für die Stärkung und Fortentwicklung der Standards des Völkerrechts, insbesondere des humanitären Völkerrechts, und Unterstützung bei deren Implementierung.

19.    Förderung des gesamtheitlichen und verbesserten Zusammenwirkens aller im Sicherheitsbereich tätigen Internationalen Organisationen und Fortsetzung des traditionellen österreichischen Engagements in multilateralen Institutionen.

20.    Nachdrückliches Eintreten für ein koordiniertes, komplementäres und kohärentes Zusammenwirken internationaler Akteure.

Verteidigungspolitik

Österreichs Verteidigungspolitik soll nach folgenden Grundsätzen gestaltet werden:

1.      Das ÖBH ist auf der Grundlage der österreichischen Bundesverfassung und somit auf Basis der allgemeinen Wehrpflicht in Konzeption, Struktur, Ausrüstung und Ausbildung konsequent auf die im Analyseteil definierten Aufgaben auszurichten, und die Bundesheerplanung ist im Rahmen der Teilstrategie Verteidigungspolitik, die darauf aufzubauen hat, dementsprechend zu detaillieren. Eine hinreichende personelle und qualitative Reaktionsfähigkeit ist sicherzustellen, damit das ÖBH seine Rolle als strategische Handlungsreserve der Republik Österreich erfüllen kann.

2.      Die Ausbildung und der Dienstbetrieb der Grundwehrdiener müssen so gestaltet und weiter entwickelt werden, dass sie den geänderten sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen entsprechen, die Fähigkeiten und Interessen der jungen Staatsbürger bestmöglich berücksichtigen und für diese sinnvoll und motivierend wirken. Das muss so erfolgen, dass verstärkt schon während des Grundwehrdienstes Beiträge für die Sicherheit Österreichs erbracht werden und die Grundwehrdiener auch einen persönlichen Nutzen für ihr späteres Leben aus der Zeit beim Bundesheer ziehen können. Zudem sollen sie gezielt für die Übernahme von Milizfunktionen motiviert werden.

3.      Bei der Ausbildung sind die Bereiche Militärische Landesverteidigung, Auslandsengagement, Katastrophenhilfe, Schutz kritischer Infrastrukturen, Grenzüberwachung und Unterstützung bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Inneren im Sinne des Art. 79 B-VG, sowie Cybersicherheit besonders zu berücksichtigen.

4.      Eine Doppel-/Mehrfachverwendung der Einsatzkräfte für die nationalen Aufgaben sowie für internationale Einsätze ist sicher zu stellen.

Militärische Landesverteidigung

5.      Im Sinne dieser Sicherheitsstrategie ist die eigenständige militärische Landesverteidigung eine unabdingbare Voraussetzung für den Schutz der Souveränität und Integrität. Das bedeutet insbesondere die Gewährleistung bzw. Wiederherstellung der Funktions- und Überlebensfähigkeit bei Angriffen auf Staat, Gesellschaft und Lebensgrundlagen. Auf Grund der Möglichkeit überraschender Lageeskalationen ist eine rasche und flexible Kräfteaufbietung sicherzustellen. Die Fähigkeit für einen Übergang assistenzieller Schutzeinsätze in einen eigenständigen militärischen Einsatz ist zu gewährleisten. Als Grundlage dafür muss das ÖBH daher über ausreichende robuste und durchhaltefähige Kräfte verfügen.

6.      Eine lageangepasste „Aufwuchsfähigkeit“ ist auf Basis der zu verbessernden Fähigkeit zum Kampf der verbundenen Waffen sicherzustellen. Eine wesentliche Voraussetzung hiezu ist die Fähigkeit zur Früherkennung von strategischen Lageänderungen. Die Ergebnisse sind in den gesamtstaatlichen Lagebildprozess einzubringen. Weiters ist eine flexible personelle Aufbietungsfähigkeit zu gewährleisten. Zudem ist der Erhalt bzw. die Schaffung von militärischen Kompetenzen sicherzustellen, die gesamteuropäischen Stabilitätserfordernissen sowie den zukünftigen Herausforderungen, z.B. im Bereich der technologischen Entwicklungen angemessen sind und dem erwartbaren Risikobild der nächsten Dekade entsprechen.

7.      Das Gesamtkräfteerfordernis beträgt aus heutiger Sicht 55.000 Soldatinnen und Soldaten mit unterschiedlichen Bereitschaftsstufen, auch für kurzfristig abrufbare Assistenzeinsätze.

8.      Luftraumsouveränität und Luftraumüberwachung sowie Luftunterstützung müssen gewährleistet werden.

9.      Der Schutz militärischer Einrichtungen vor Cyber-Bedrohungen ist, auch in Zusammenarbeit mit geeigneten Partnern, zu verbessern und die hiezu entwickelten militärischen Fähigkeiten sind auch in das gesamtstaatliche Cyber-Konzept einzubringen.

10.    Die Fähigkeiten des ÖBH zur Unterstützung der politischen und militärischen Antizipations- und Führungsfähigkeit und zur gesamtstaatlichen Lagebeurteilung sollen qualitativ verbessert werden.

Assistenzaufgaben und militärische Katastrophenhilfe

11.    Das ÖBH muss weiterhin zur Bewältigung von Assistenz-Aufgaben befähigt sein.

12.    Insbesondere sollen Fähigkeiten bei der Unterstützung der Sicherstellung der gesamtstaatlichen Führungs- und Kommunikationsfähigkeit, spezieller Pionier- und Transportaufgaben, des Such- und Rettungsdienstes, des Bevölkerungsschutzes, etwa bei ABC-Gefahren, bei Unfällen in Atomkraftwerken und im Sanitätsbereich, des Schutzes kritischer Infrastruktur inklusive technologisch hochwertiger Elemente und der Expertise- und Kapazitätenentwicklung für Cyber-Sicherheit sowie spezialisierte Infanterie weiter entwickelt werden.

13.    Die Beitragsleistung des ÖBH zur nationalen und internationalen humanitären und Katastrophenhilfe ist zu verbessern und für Katastrophenhilfseinsätze im Inland sind mindestens 12.500 präsente Soldaten vorzusehen.

14.    Die Beitragsleistungen des ÖBH zum Objektschutz, zum Schutz kritischer Infrastrukturen, im Bereich Cyber Sicherheit, für mögliche Herausforderungen im Bereich Grenzüberwachung sowie zur Unterstützung bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Inneren im Sinne des Art. 79 B-VG sind unter Berücksichtigung des möglichen Gleichzeitigkeitsbedarfs zu verbessern. Die für solche Einsätze notwendigen Fähigkeiten und Mannstärken sind in einem gesamtstaatlichen Planungsprozess mit den assistenzanfordernden Behörden festzulegen und regelmäßig fortzuschreiben. Gemeinsame Übungen sind vorzusehen.

Internationales Krisenmanagement

15.    Das ÖBH soll nachstehende Beiträge zum gesamten Spektrum der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU leisten:

a.    Das ÖBH muss die besonderen Fähigkeiten zur Beitragsleistung zur internationalen Friedenssicherung und zu internationalen Stabilisierungsaufgaben erhalten und weiter entwickeln.

b.    Es soll auch über robuste Fähigkeiten für anfordernde Einsatzszenarien mit entsprechender Durchhaltefähigkeit verfügen. Diese können entweder im Rahmen der Battlegroup oder in einem anderen multinationalen Rahmen zum Einsatz gelangen.

c.    Die Beteiligung an den EU Battlegroups ist fortzusetzen und weiterzuentwickeln. Die Übernahme einer Führungsfunktion im Rahmen einer regionalen Battlegroup ist zu prüfen.

d.    Ferner soll die Fähigkeit zur Übernahme von Führungsaufgaben bis zur operativen Ebene bei GSVP-Einsätzen sichergestellt und ausgebaut werden.

16.    Das ÖBH muss Beiträge zum zivil-militärischen Fähigkeitspool zur Umsetzung der EUSolidaritätsklausel erbringen können.

17.    Darüber hinaus müssen die Fähigkeiten des ÖBH auch für einen möglichen Solidarbeitrag im Rahmen einer sich allfällig entwickelnden europäischen Verteidigung unter Berücksichtigung der sogenannten Irischen Klausel erhalten und gestaltet werden.

18.    Das besondere Engagement bei VN- Peacekeeping- und Peacebuilding-Missionen soll fortgesetzt werden. Die Beiträge im Rahmen der politisch- militärischen Dimension der OSZE sowie bei Missionen im Feld und im Rahmen der Vertrauens- und Sicherheitsbildung sollen ausgebaut werden.

19.    Die Beitragsleistungen Österreichs im Rahmen der PfP sind auch zum Zwecke der Erhaltung der eigenen Relevanz als PfP-Teilnehmer und des damit einhergehenden sicherheitspolitischen Nutzens weiterführen. Daher soll das Engagement im Rahmen der PfP zur Sicherstellung der militärischen Interoperabilität, die Teilnahme an Operationen und die Ausschöpfung der angebotenen Kooperationsmöglichkeiten entsprechend den eigenen Interessen und Bedarf soll fortgeführt werden. Die Zusammenarbeit mit anderen leistungsfähigen PfP-Staaten (insb. Western European 5) soll intensiviert werden.

20.    Im Rahmen des internationalen Krisenmanagements soll ein spezifisches österreichisches Profil entwickelt werden, das den österreichischen Interessen entspricht, international nachgefragt ist und mit der sicherheitspolitischen Kompetenz Österreichs übereinstimmt.

21.    In Unterstützung des Konzepts „Sicherheit und Entwicklung“ und zu Zwecken der Sicherheitssektorreform und zur Mitwirkung an militärischen Beratungsaufgaben sowie an Maßnahmen der Konfliktprävention und Krisennachsorge ist in ressortübergreifender Abstimmung ein Pool von etwa 100 Experten (inklusive Nutzung des Milizpotentials) aufzustellen.

22.    Das ÖBH wird lagebedingt die Entsendung von mindestens 1.100 Soldaten als Dauerleistung für Auslandseinsätze sicherstellen. Davon unabhängig ist die Einmeldung Österreichs für kurzfristige Einsätze der „Battle Groups“ oder operative Reservekräfte. Alle Einsatzkräfte des ÖBH sind im Sinne einer Doppelverwendung grundsätzlich sowohl für nationale als auch für internationale Operationen vorzusehen.

23.    Entsendungen erfolgen auf Basis des KSE-BVG und der Kriterienkatalog des Punktes 3.4.2.4. des Analyseteils ist zu berücksichtigen.

24.    Teile des ÖBH sind gezielt darauf vorzubereiten, um bei Operationen mit der Europäischen Gendarmerieforce zusammenarbeiten zu können.

25.    Zur Erzielung von Synergieeffekten und Kostenoptimierungen in der militärischen Kapazitätenentwicklung ist die Zusammenarbeit mit Partnerstaaten insbesondere im regionalen Rahmen zu vertiefen.

26.    Konsequente Ausrichtung aller Beschaffungsvorhaben auf die festgelegten Aufgaben, wobei der Sicherstellung eines Höchstmaßes an Schutz für Gesundheit und Leben der Soldaten höchste Priorität zukommt. Ausnützung der internationalen Kooperationsmöglichkeiten, insb. der Europäischen Verteidigungsagentur, v.a. in den Bereichen Forschung, Beschaffung, Ausbildung und Kapazitätenentwicklung.

27.    Der Frage der Personalrekrutierung und Personalentwicklung des ÖBH kommt eine große Bedeutung zu. Wegen ihrer Bedeutung für die Sicherstellung einer längerfristigen personellen Durchhaltefähigkeit und wegen ihrer spezifischen qualitativen Fähigkeiten ist die Miliz sowohl für nationale als auch für internationale Einsätze bestmöglich zu nutzen und weiterzuentwickeln.

28.    Die Rolle der Frauen im Bundesheer ist zu stärken, die Chancengleichheit und die Entwicklung von Karrieremöglichkeiten für Frauen sind zu verbessern. Soldaten mit Migrationshintergrund stellen eine besondere Chance dar, ihre besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten sollen systematisch genutzt werden.

29.    Zur Erfüllung der vorgegebenen nationalen und internationalen Aufgaben sind für das Bundesheer die dafür notwendigen budgetären, personellen und infrastrukturellen Rahmenbedingungen sicherzustellen.