Minderheitsbericht

gemäß § 42 Abs. 4 GOG

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Mag. Werner Kogler und Mag. Daniela Musiol

zum Bericht 1421 der Beilagen des Rechnungshofausschusses über den Bericht des Ständigen Unterausschusses des Rechnungshofausschusses gemäß § 32e Abs. 4 GOG betreffend Durchführung des Verlangens der Abgeordneten Moser, Zange, Grosz, Kolleginnen und Kollegen, betreffend Durchführung einer Gebarungsprüfung des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie, der ÖBB Holding AG sowie der nachgeordneten Gesellschaften des ÖBB-Konzerns und des Bundesministeriums für Justiz hinsichtlich

a)     der Vorbereitung, Durchführung und Aufarbeitung von Finanztransaktionen der ÖBB Holding und der nachgeordneten Gesellschaften des ÖBB-Konzerns mit der Deutschen Bank und anderen beteiligten Finanzdienstleistern, der im Zusammenhang mit diesen Vorgängen beauftragten Gutachten, der darauf folgenden Auflösung von Managerverträgen inklusive der damit einhergehenden Vereinbarungen – wie beispielsweise Abfertigungen – sowie des Stands etwaiger damit in Zusammenhang stehender gerichtlicher Verfahren,

b)     des Ankaufs der ungarischen MAV Cargo, der damit im Zusammenhang stehenden Beratungsverträge sowie möglicher Provisionszahlungen, der bilanzmäßigen Bewertung im Zeitablauf sowie des Stands etwaiger damit im Zusammenhang stehender gerichtlicher Verfahren und

c)     des Beschaffungswesens innerhalb des ÖBB-Konzerns seit dem Jahr 2000, insbesondere der Beschaffung von Handys und des Abschlusses von Telekom-Dienstleistungsverträgen. (2/URH2)

 

 

1. Allgemeine Zusammenfassung

 

Ziel der Tätigkeit des Rechnungshof-Unterausschusses ist die Aufklärung und Analyse von Vorgängen, die zu hohen Verlusten für die Öffentliche Hand und damit letztlich für die SteuerzahlerInnen führten.

Genauso wie die Berichte des Rechnungshofes müssen die Ergebnisse der Befragung von Auskunftspersonen im Unterausschuss des Rechnungshofausschusses zu rechtlichen und politischen Konsequenzen führen.

Die ÖBB-Verluste durch Spekulationsgeschäfte und Auslands-Akquisitionen im Güterverkehrsbereich summieren sich auf fast 1 Milliarde Euro Schaden für die SteuerzahlerInnen. Die Verantwortung des Managements und letztlich auch die politische Verantwortung der Entscheidungsträger musste deshalb Gegenstand einer näheren Untersuchung durch den Unterausschuss des Rechnungshofausschusses werden. Dieser Milliardenverlust reiht sich nahtlos in die Reihe an Verlusten für die SteuerzahlerInnen durch den Verkauf der Bundeseigenen Wohnbaugesellschaften an private Investoren ebenfalls im Umfang von einer Milliarde Euro und durch die zu spät erfolgte Privatisierung der AUA im Ausmaß von einer halben Milliarde Euro, beides Vorgänge, die ebenfalls in Unterausschüssen des Rechnungshofausschusses behandelt werden mussten.

 

 

1.a  Spekulationsgeschäft

Die Befragung diverser Auskunftspersonen bestätigte nicht nur die grundsätzliche Kritik des Rechnungshofes, sondern erhärtete, verschärfte und vertiefte sie noch:

-       Konzernstrukturen, die klare Verantwortlichkeiten behindern: strategische Holding, die mittels Konzernrichtlinien und zentralen Einrichtungen wie Corporate Treasury und Dienstleistungs-GmbH in die AGs hineinregiert; AGs, die jenseits der aktienrechtlichen Verantwortung Vorgaben der Holding im vorauseilenden Gehorsam ohne korrekte Organbefassung und Überprüfung umsetzen;

-       Grobes Versäumnis des rechtzeitigen Ausstiegs trotz Erkenntnis des Risikos;

-       Klare Verantwortung der Holding AG, speziell der Vorstände Söllinger und Huber, für die Spekulationsgeschäfte wegen der geltenden Konzernrichtlinien;

-       Befassung überforderter Personen mit Hochrisiko-Geschäften unter hohem Abschlussdruck;

-       Nichtwahrnehmung und Ignorieren des Risikos;

-       Verschiebung oder Delegierung von Entscheidungen auf dafür nicht kompetente Ebenen;

-       Umgehung der Aufsichtsräte, Verstöße gegen die Informationspflicht

-       Erstellung eines womöglichen Gefälligkeitsgutachtens (Zehetner)

 

 

1.b  MÁV Cargo

Die Kontrolltätigkeit des Parlaments leistete in der Causa „ Erwerb der MÁV-Cargo“ Pionierarbeit. Die Grünen haben die begleitend zur Akquisition eingegangene fragwürdige Millionen-Beratungs-/Lobbying-Vereinbarung mit einer für entsprechende Tätigkeiten gar nicht zugelassenen Budapester Mini-Firma bereits Anfang 2008 aufgedeckt. Der damalige Verkehrsminister Faymann musste daraufhin eingestehen, dass ÖBB-Aufsichtsratspräsident Pöchhacker (und wohl nicht nur er) seit Mitte 2007 von diesem fragwürdigen Deal Kenntnis hatte. Dennoch wurden keine Absetzbewegungen von diesem fragwürdigen „Geschäftspartner“ bekannt, im Gegenteil wurden sogar noch Gutachten eingekauft, die diesem „Beratungs“-Geschäft einen Persilschein ausstellten.

Noch vor der Prüftätigkeit des Rechnungshofes wurde erstmals versucht, die Sachlage aufzuklären und zu analysieren. (Warum in Österreich erst im Herbst 2010, somit weit später als in Ungarn, gerichtliche Aktivitäten hierzu einsetzten, ist offen.)

Als Resumé lässt sich derzeit festhalten,

-       dass das Preisangebot für die MÁV Cargo sehr hoch angesetzt wurde (Verantwortung des Vorstands der RCA und AR-Vorsitzenden), was vor allem auf die von der Markterweiterungs-Überlegung her grundsätzlich nicht unbegründete, aber sehr hoch angesetzte strategische Bewertung sowie auf eine zu hohe Bewertung des Unternehmens und seiner Substanz selbst zurückzuführen ist. Eine Verquickung der Interessen des Due-Diligence-Erstellers Raiffeisen Investment AG/RIAG und des Kreditgebers für den Ankauf Raiffeisenbank ist nicht auszuschließen; die Frage, auf wessen Betreiben Raiffeisen Investment für die Bewertung zum Zug kam, blieb offen;

-       dass das ungarische Ein-bis-Zwei-Personen-Beratungs-/Lobbyingunternehmen Geuronet auf nicht wirklich nachvollziehbare Weise aus einem illustren Kreis von „einschlägigen“ Interessenten ausgewählt wurde (offensichtlich beruhend auf einer „Empfehlungskette“ vom ehemaligen ÖVP-NR Höchtl über ÖBB-Aufsichtsratspräsident Pöchhacker zum damaligen RCA-Vorstand Poschalko), keinerlei anderen Beteiligten als Poschalko zugänglichen Leistungsnachweise im Gegenzug zu einem Honorar von 6,7 Mio erbrachte (außer dass der Kauf erfolgreich abgeschlossen wurde) und trotzdem auf fragwürdigen, teilweise gremienmäßig „heilungsbedürftigen“ Wegen vom Vorstand beauftragt und dann auch voll und noch dazu in der wegen Kursschwankungen für den Auftraggeber teureren Währung Euro vom Folge-Vorstand bezahlt wurde; strafrechtliche Verfahren wegen Korruptionsverdacht laufen; Kick-back-Zahlungen und womögliche Parteienfinanzierung werden gerichtlich geklärt;

-       dass das Fernbleiben (trotz dankenswert engagierter Bemühungen der Parlamentsdirektion, ihn aufzuspüren und zu laden) der in Sachen „Geuronet“ zentralen Auskunftsperson András Gulya die Verdachtslage erhärtet;

-       dass unrichtige rechtliche Beurteilungen und Verzögerungen bei der Anmeldung des Kaufs in Brüssel durch den zu diesem Zeitpunkt amtierenden RCA-Vorstand maßgeblich – in weit größerem Ausmaß als die EU-Prüfung selbst - zur Verzögerung des Closing und zu den im Lauf von 2008 in Ungarn aufgetretenen Problemen beigetragen hat;

-       dass der formal von der EU-Wettbewerbsbehörde erzwungene Ausfall der Raaberbahn (ROeEE/GySEV) als Konsortial-Partner der ÖBB/RCA in Wirklichkeit durch den vom 2008 verantwortlichen RCA-Vorstand zu verantworten ist, der durch kartellrechtliche Fehleinschätzungen in Zeitnot geraten war und dadurch auf die EU-Forderung „schnelles vereinfachtes Verfahren nur dann wenn Raaberbahn raus aus Konsortium und Republik Österreich raus aus Raaberbahn“ de facto einsteigen musste, nachdem die zweite Option -Ausstieg aus dem Kauf – nicht gezogen wurde;

dass nach diesem Wegfall der Raaberbahn (ROeEE/GySEV) als Konsortial-Partner der ÖBB/RCA und nach dem Wegfall der Deutschen Bahn als Konkurrent weiterhin der Erwerb der MÁV Cargo zu einem sehr hohen Verkaufspreis verfolgt wurde, den die ÖBB/RCA nun aber alleine schultern mussten, wobei die Deckung der dafür zusätzlich nötigen beträchtlichen Summe von ca. 100 Mio Euro durch RCA-Gremienbeschlüsse gelinde gesagt fragwürdig ist.

 

 

1.c  Beschaffungswesen

Das Beschaffungswesen der ÖBB, speziell der Diensthandys, konnte aus Zeit-/Ladungsgründen nicht genauer durchleuchtet werden.

Die zwei einzigen Auskunftspersonen wollten oder konnten nichts zur Aufklärung beitragen. Dem vorliegenden Rechnungshofbericht und seiner deutlichen Kritik ist deshalb nicht viel hinzuzufügen.

 

 

2. Überblick über die Ausschussarbeit

 

Angesichts des Spekulationsverlustes von letztlich knapp 300 Mio Euro, der volkswirtschaftlichen Bedeutung und der akuten finanziellen Situation der ÖBB sowie der prinzipiellen Vorbildfunktion öffentlicher Unternehmen im Hinblick auf sorgfältiges und verantwortungsbewusstes Management veranlasste die Fraktion der Grünen eine Sonderprüfung der Spekulationsgeschäfte der ÖBB durch den Rechnungshof. Im Zuge der Diskussion über die die Konsequenzen aus den Erkenntnissen des sehr kritischen RH-Berichts (Nr III-152 d.B), der Weigerung der Verkehrsministerin, zentralen Empfehlungen des Rechnungshofes nachzukommen (Untersuchung der Organhaftung, Klärung und Geltendmachung von Schadenersatzpflichten, dienstrechtliche Maßnahmen), und einiger Unklarheiten der Abläufe ergab sich die Notwendigkeit einer vertieften Nachfrage und Problemaufarbeitung, was zur Einsetzung eines Unterausschusses des Rechnungshof-Ausschusses führte, der das Spekulationsthema gemeinsam mit den dubiosen Vorgängen rund um den völlig überzahlten Erwerb der MÁV Cargo (430 Mio bei derzeitigem Buchwert von 120 Mio Euro) und mit vom Rechnungshof kontrollierten Beschaffungsvorgängen der ÖBB zu bearbeiten hatte.

Die Zahl der Auskunftspersonen und Termine wurde von Seiten der Regierungsfraktionen anfangs stark beschränkt, eine Ladung der Ministerinnen nach Vorliegen des Gesamtergebnisses der Untersuchungen vorweg verweigert. Ersteres verhinderte eine vertiefte Analyse und Aufklärung der Vorgänge um die MÁV Cargo und die Beschaffungspolitik der ÖBB, zweiteres eine Konfrontation der politisch Verantwortlichen mit den Aussagen der Auskunftspersonen und den nötigen Konsequenzen daraus.

Die Ladung zusätzlicher Auskunftspersonen wurde von der ÖVP-SPÖ-Mehrheit abgelehnt.

Besonders merkwürdig ist dies im Fall des federführend und finanziell verantwortlich in ein weiteres finanziell grob missglücktes ÖBB/RCA-Auslandsengagement (Linea S.p.A., Italien) verwickelten RCA-Managers und nunmehrigen ÖVP-Vizekanzler-Beraters MMag. Johannes Kasal: Kasal, der von ÖBB-Exchef Huber aus bahnaffinen Beraterjobs in die ÖBB-Holding geholt und 2010 für die RCA nach Italien entsandt wurde, verfügte dank der für seine Vertragsgestaltung verantwortlichen, politisch befreundeten RCA-Manager wie Friedrich Macher über einen gutdotierten 5-Jahres-Vertrag mit für ihn extrem günstigen, für die ÖBB und damit die Allgemeinheit hingegen extrem ungünstigen Gehalts-, Prämien-, Zulagen- und Ausstiegs-Konditionen. An diesen Traum-Konditionen wurde trotz „Vergessens“ einer maßgeblichen Forderung bei der Linea-Bilanzierung, zweimaliger Beinahepleite und zweimaligem Millionen-Rekapitalisierungsbedarf von höherer ÖBB-Stelle nicht gerüttelt. Obwohl die Bilanz-Probleme erwiesenermaßen sowohl Kasal selbst als auch den ÖBB-Managern Macher, Schmidt, Riessland und Leitner bereits seit Frühjahr 2010 bekannt waren, eröffnete dieser Vertrag Kasal beim nunmehrigen „fliegenden Wechsel“ ins Vorzimmer des neuen ÖVP-Chefs alle finanziellen Möglichkeiten, selbst für eine ansehnliche Erfolgsprämie für das Jahr des Bilanz-Vergessens.  Nachdem die Ladung des Schlüsselakteurs von ÖVP und SPÖ angelehnt wurde, konnte nur am Rande der Befragung von KR Poschalko auf die Italien-Probleme der RCA eingegangen werden.

Nötig wäre auch eine Ladung der Mitglieder des Arbeitskreises gewesen, der die Bewertung der MÁV Cargo vornahm und den überhöhten Kaufpreis empfahl, obwohl der strategische Mitbewerber (DB) zuletzt kein Interesse mehr hatte.

Eine nähere Durchleuchtung der Beschaffungsvorgänge der ÖBB fiel auch unter den Tisch, da nicht die Aufklärung, sondern das Beenden der Untersuchungen  des Ausschusses vor Sommerbeginn das vorrangige Ziel beider Regierungsfraktionen war. Dies umsomehr ab dem Zeitpunkt, wo sich beispielsweise beim Thema Spekulationsverluste abzeichnete, dass Gefolgsleute beider Regierungsfraktionen in den diversen Vorständen und Gremien Mitverantwortung am Desaster tragen und klar wurde, dass dies auch durch ans Untergriffige grenzende Befragungsmethoden und –tonarten einzelner regierungsseitiger Unterausschuss-Mitglieder und sonstige tiefe Einblicke in die Szenen einer großkoalitionären Ehe nicht aus der Welt zu schaffen war.

Die Erhebungsberichte der Ministerien ließen nicht nur an Ausführlichkeit zu wünschen übrig. Das BMVIT reduzierte seine Darstellung der Sachlage in schon nahezu provokanter Weise auf das Wiederholen bekannter Ergebnisse des Rechnungshofes und des vom Ausschuss formulierten Prüfauftrags sowie auf die Feststellung, für die Vorgänge seien ausschließlich die ÖBB zuständig! Die Aufsichtsfunktion durch Aufsichtsräte des BMVIT und damit in Zusammenhang stehende Informationen und Einschätzungen werden nicht erwähnt. Der Bericht des Justiz-Ressorts stellte den Stand der Verfahren im Zusammenhang mit den Spekulationsgeschäften unvollständig und daher unkorrekt dar: Es wurde auf die Erwähnung der zweiten Sachverhaltsdarstellung von Abg. Gabriela Moser vom 28. Juni 2010 verzichtet und nur auf die Einstellung der Ermittlungen zur ersten Sachverhaltsdarstellung vom 27. November 2008 hingewiesen, als ob das Thema rechtlich bereits erledigt und vom Tisch sei.

 

Neben der Klärung der Managementverantwortung und der Hinweise auf womöglich erfolgte Kickback-Zahlungen und/oder Parteienfinanzierung galt es auch, die politische Verantwortung für fehlende Konsequenzen aus den Vorgängen in den ÖBB zu analysieren. SPÖ-Verkehrsministerin Bures verweigerte die vom Rechnungshof empfohlenen Maßnahmen (Organhaftung, …) trotz stringenter Argumentation durch den Vertreter des Rechnungshofes.

Die geladene Verkehrsministerin sah trotz des hohen finanziellen Verlustes, für den am Ende die Republik als ÖBB-Eigentümerin und damit die SteuerzahlerInnen geradestehen müssen, keinerlei Notwendigkeit, rechtliche und weitere personelle Konsequenzen zu ziehen. Die Rolle des BMVIT als Eigentümervertreter/Wahrer der Interessen der SteuerzahlerInnen in den verschiedenen Aufsichtsräten scheint weithin völlig defensiv gewesen zu sein.

 

Denn die gravierenden Managementfehler führten, wie der Rechnungshof darlegte und wie Verkehrsministerin Doris Bures auch vor dem Unterausschuss kategorisch bekräftigte und verteidigte, zu keinen rechtlichen Schritten. Einzig durch die Übermittlung des Rechnungshofberichtes an die Staatsanwaltschaft durch ParlamentarierInnen konnte erreicht werden, dass Erhebungen der Justiz eingeleitet wurden.

 

 

3. Erkenntnisse zu den einzelnen Vorwürfen/Untersuchungsgegenständen:

 

Aus den jeweiligen Bereichen ergibt sich folgende Detailerkenntnis über die  Letztverantwortung für die Millionenverluste, in Summe den Milliardenverlust, der hier im Bereich der ÖBB angerichtet und letztlich von den SteuerzahlerInnen zu tragen sein wird (Verweis auf Sitzung und Seite des jeweiligen Protokolls in Klammer):

 

 

3.1 Spekulationsgeschäfte:

Grundlage des Spekulationsgeschäfts waren die sogenannten Tilgungsträger, Depots, in die die Verkaufserlöse aus den Cross Border Leasing Geschäften einbezahlt wurden, und aus denen in der Folge die Leasingraten bezahlt werden. Diese Gelder wurden risikoarm – und damit wenig ertragreich – veranlagt. Nach der Aufsplitterung der ÖBB in zahlreiche Gesellschaften im Zuge der Bundesbahnreform von 2003 waren sämtliche CBL-Verträge in der ÖBB-Infrastruktur Bau-AG verblieben, die der Rechtsnachfolger der „ÖBB alt“ war. Obwohl die ÖBB schon jahrelang mit den amerikanischen Vertragspartnern um eine ertragreichere Veranlagung verhandelt hatten, wurde das aus naheliegenden Gründen stets abgelehnt. Gerhard Leitgeb: „Es gab bereits ab 2000 immer wieder Versuche, hier eine Optimierung zu erreichen. Das ist fehlgeschlagen, denn diese Papiere sind ja an die Investoren verpfändet und der Investor hätte hier zustimmen müssen.“ (17/4) Dem CDO Geschäft der ÖBB mit der Deutschen Bank haben die Investoren nie zugestimmt. Leitgeb: „Nachdem dieses CDO ein synthetisches Geschäft ist, war es der Weg, ohne einen amerikanischen Investor ins Boot holen zu müssen, die Risiken aus den Papieren zu tauschen. Das heißt, aus meiner Sicht haben die amerikanischen Investoren von diesem CDO-Geschäft keine Kenntnis.“ Mit anderen Worten: Die Tilgungsträger standen gar nicht zur Besicherung des Spekulationsgeschäftes zur Verfügung, da sie bereits verpfändet waren. Das muss dem Vorstand nicht zuletzt wegen der jahrelangen erfolglosen Verhandlungen bewusst gewesen sein. Der Verweis auf die Cross Border Leasing Geschäfte diente somit allein zur Vernebelung der Tatsache, dass das Spekulationsgeschäft einzig auf Risiko des Steuerzahlers durchgeführt wurde. Der Rechnungshof dazu: „Mitte September 2005 schloss die ÖBB-Infrastruktur Bau AG mit der Deutschen Bank AG eine Mandatsvereinbarung ab, um Kontrahentenrisiko aus bestehenden CBL-Transaktionen in Form einer synthetischen „CDO of ABS“-Transaktion abzusichern. Allerdings handelte es sich beim geplanten Finanzgeschäft um eine eigenständige vertragliche Vereinbarung (Kreditderivat), die keinen Zusammenhang zu CBL-Transaktionen aufwies.“

Wie schon der Rechnungshof herausgearbeitet hat, wurde bei dem CDO Geschäft nicht eigenes Risiko abgesichert, sondern im Gegenteil fremdes Risiko gegen Bezahlung einer Prämie übernommen. Diese Grundlage war dem Vorstand bewusst, es handelte sich hierbei nicht um ein Versehen oder den Fehler eines kleinen Angestellten. Einzig der Umstand, wie „giftig“ die von der Deutschen Bank erworbenen Papiere waren, war den Beteiligten lange Zeit nicht klar.

Die Generalkritik und Empfehlung des Rechnungshofes lautet (Zitat aus der Berichts-Zusammenfassung):

 

(1) In Hinkunft sollten die ÖBB–Gesellschaften Finanzgeschäfte nur in Verbindung mit einem Grundgeschäft aus dem operativen Bahngeschäft abschließen und komplexe bzw. intransparente Finanzprodukte ablehnen. Weiters sollten sie Finanzgeschäfte, die spezielle Kenntnisse voraussetzen, nur abschließen, wenn dafür das nötige Know–how ÖBB–intern vorhanden ist.

(3) Aufgrund des begründeten Verdachts von Sorgfaltspflichtverletzungen durch Vorstandsmitglieder der involvierten  ÖBB–Gesellschaften im Zusammenhang mit der Vorbereitung oder dem Erwerb des Hybrid–CDO2 und des maximal möglichen Verlustes von 612,9 Mill. EUR bzw. des inzwischen eingetretenen Verlustes von 295 Mill. EUR aus dem Hybrid–CDO2 sollten die Aufsichtsräte der betroffenen  ÖBB–Gesellschaften  eingehende  Untersuchungen  zur Klärung einer Organhaftung und allfälliger Schadenersatzpflichten einleiten und gegebenenfalls Haftungsklagen gegen die verantwortlichen Vorstandsmitglieder einbringen.

(4) Die Aufsichtsräte der betroffenen ÖBB–Gesellschaften sollten im Zusammenhang mit dem Abschluss der Absicherungsvereinbarungen die rechtlichen Voraussetzungen für die Haftung der beteiligten Vorstandsmitglieder umfassend prüfen und gegebenenfalls Schadenersatzansprüche geltend machen.

(5) Im Zusammenhang mit der Gewährung von Abfindungen bei der Auflösung der Anstellungsverträge mit den beiden ehemaligen Vorstandsmitgliedern sollten die Voraussetzungen für eine Organhaftung der Mitglieder des Aufsichtsratspräsidiums der ÖBB–Holding AG geprüft werden.

 

Die Kritik wurde von Mag. Oskar Herics näher ausgeführt: Die ÖBB seien nicht in der Lage gewesen, das Risiko zu beurteilen; hätten den Vertrag bei Zahlung einer eventuell relativ hohen Kündigungsentschädigung vorzeitig auflösen können; Spezialvollmachten ohne Aufsichtsratsgenehmigung wurden von den einzelnen AGs erteilt; Genehmigung ohne konkrete Vertragsentwürfe des nichtgenehmigten derivativen Finanzinstrumentes Hybrid CDO Squared, eines Risikomagneten: Der Vorstand der Holding – der Finanzvorstand, müsse er  einschränken –, sei zunächst über die Absicht dieses Abschlusses informiert gewesen, habe aber keine Veranlassungen getroffen, um die Angelegenheit kompetenzmäßig an sich zu ziehen und dadurch den Abschluss durch seine Abteilung, eben das Corporate Treasury, zu verhindern. Dies, obwohl – das gehe aus den Protokollen hervor – schon erkennbar gewesen und zum Ausdruck gebracht worden sei, dass in dieser Abteilung kein ausreichendes Produktverständnis oder kein ausreichendes Know-how bestanden habe. Erst nach dem Abschluss am 21. September – so gehe es aus den Protokollen hervor – sei  der Finanzvorstand und in weiterer Folge auch das zweite Vorstandsmitglied darüber informiert worden, dass das Finanzgeschäft abgeschlossen worden sei. Und erst dann seien Informationen über den Risikogehalt und über die Komplexität dieses Produktes eingeholt und auch Möglichkeiten des Ausstiegs untersucht worden, was, wie der Rechnungshof meine, aber nicht mit der nötigen Intensität und nicht mit dem erforderlichen Nachdruck betrieben worden sei. Man habe dann einige Untersuchungen durchführen lassen, und spätestens Ende Oktober – das lasse sich festmachen – sei dem Vorstand bewusst gewesen, welche Risiken, welches komplexe Finanzinstrument sie da erworben hatten. Daraufhin sei am 10. November auch im Vorstand der Holding beschlossen worden, den Aufsichtsratsvorsitzenden zu informieren. Und zwar sei man sich auch im Vorstand einig gewesen, dass – und das lese er wörtlich vor – diese Vereinbarung aufgrund des „enorm hohen Drohpotentials“ nicht abgeschlossen hätte werden dürfen (11/7). Die Aufsichtsratssitzung am 15.12. 2005 habe keinen Hinweis auf die Risiken des Geschäftes erhalten, die dem Vorstand schon bekannt gewesen waren, keinen Hinweis auf den Abschluss ohne eine Vorstandsgenehmigung der Holding. Es hätten die Hinweise gefehlt, dass mit diesem Abschluss gegen Konzernvorschriften verstoßen worden sei, dass hier Nachverhandlungen geführt worden seien. Und demgemäß habe auch keine Diskussion stattgefunden, keine wirklich breite Diskussion über dieses Geschäft im Aufsichtsrat. Der Rechnungshof meine dazu, dass hier erhebliche Umstände durch den Vorstand unvollständig und unrichtig wiedergegeben worden seien und dadurch auch die Gefahr einer Fehlbeurteilung durch den Aufsichtsrat bestanden habe. Damit sei auch der § 255 Abs 1 Z 5 des Aktiengesetzes, der eben eine entsprechende Informationspflicht vorsieht, verletzt worden. (11/8)

Die Befragung verschiedener Auskunftspersonen zeigte die Kompetenzproblematik im Zuge der Filetierung der ÖBB in Teilgesellschaften auf. Aufgrund der Konzern-Umstrukturierung und des Widerstreits zwischen einer real dominanten Holding einerseits und formal rechtlich autonomen Teilgesellschaften andererseits herrschten Kompetenzunklarheiten und dem Aktienrecht zuwiderlaufende Entscheidungsstrukturen durch die Konzernrichtlinien. Darunter litt das Corporate Treasury, wie die Auskunftsperson Mag. Franz Wanzenböck ausführte: „Darum habe ich ja den Vorgesetzten mehrmals die Frage gestellt, in welcher Funktion wir im Corporate Treasury tätig sind, ob wir reine Finanzdienstleister sind – also: die Gesellschaft beschließt etwas und wir machen-, wie unsere Situation int. Das war total unklar. Das hat sich bei jedem zweiten Jour fixe geändert, einmal waren wir zuständig, einmal waren wir nicht zuständig. Es war für mich nicht ersichtlich, welche Funktion wir im Endeffekt gehabt haben.“ (14/14)

Der Druck, vor allem zur Verbesserung der Bilanz höhere Erträge zu erzielen, lastete auf den Mitarbeitern der Corporate Treasury; Mag. Franz Wanzenböck stand unter dem Zwang, „irgendetwas abzuschließen, oder zu kündigen“ (14/19). Nachdem die Vereinbarungen mit der Rabobank (Wette und Gegenwette), für die es gültige Vorstandsbeschlüsse gab, nicht möglich waren, wurden die Vorstandsbeschlüsse unreflektiert ohne Information des Aufsichtsrats auf das neue Wettgeschäft mit der Deutschen Bank übertragen, obwohl es sich bei diesen Geschäften nicht um Swaps, sondern um eine nicht abgesicherte Wette mit hochriskanten Hybrid CDO Square von einem geringeren Rating als Triple A (15/47) handelte. Auf den Verzicht der Gegenwette bestand Hr. Leitner/RCA, da dies rund 790.000 Euro mehr Prämie brachte. Dies wurde von den Verantwortlichen zu spät erkannt.

Dazu Wanzenböck: „Die Absicht war, zu tauschen, dieses Risiko gegen ein anderes Risiko. Was ist passiert? – Wir haben uns nicht des einen Risikos entledigt, sondern uns sozusagen leer ein zweites Risiko dazugekauft oder dazugenommen. Wir haben eine Gebühr dafür bekommen, 32 Millionen. Also wir haben die vorhandenen Risken aus dem Cross Border nicht der Deutschen Bank gegeben, sondern sie behalten und der Deutschen Bank dafür andere Papiere abgekauft, was natürlich zu einem Doppelrisiko geführt hat, weil wir die ursprünglichen Risken nicht zur Deutschen Bank transferiert haben.“ „In den ÖBB hat sich bis zu einem gewissen Zeitpunkt niemand – und das war auch immer mein Eindruck – mit diesen Geschäften, die man bereits getätigt hat, so richtig beschäftigen wollen.“ (14/11 und 20).

Die Aussagen der Auskunftspersonen über die Verantwortung für die CDO-Geschäfte und deren misslungene Absicherung widersprachen einander teilweise. Mag. Martin Huber und Mag. Erich Söllinger schoben sie auf die Treasury-Abteilung und die Vorstände der einzelnen AGs. Ihr Wissen über den per E-Mail erfolgten Abschluss am 20. September durch Fr. Hauser auf Basis der Information von Hrn. Leitgeb (für Finanzen in der ÖBB-Holding zuständig) datieren sie später, als die Aussagen von Wanzenböck, Gerhard Leitgeb und Mag. Gilbert Trattner ergaben. Für den Abschluss im Namen der Bau AG war Fr. Hauser, eine Mitarbeiterin der Corporate Treasury, bevollmächtigt. (Söllinger 12/33)

Einer der Finanzverantwortliche in der Holding und Corporate Treasury, Leitgeb, betonte den Direkt-Kontakt zwischen Söllinger und Wanzenböck, die Nettobarwertvorteile seien Söllinger so wichtig gewesen. Nur Fr. Hauser habe die Vollmacht zum Abschluss des Geschäftes mit der Deutschen Bank gehabt. Auch seien die Vollmachten der Holding und der jeweiligen Vorstände der AGs vorgelegen, die Corporate Treasury sei ein mit Vollmachten ausgestattetes Service-Center gewesen (17/4f).

Huber stellte die Abläufe folgendermaßen dar: „Mein Kenntnisstand ist, dass Söllinger zu einem Zeitpunkt, als der Deal noch nicht abgeschlossen war, Kenntnis davon erlangt hat und in einem E-Mail dem Herrn Wanzenböck geschrieben hat, er bittet um Aufklärung: Was ist das? – Und zwischen diesem Mail und der Aufklärung wurde der Deal geclosed. – Das ist mein Wissensstand. Und drei, vier Wochen später habe ich dann von dieser Geschichte erfahren.“ (12/9).

Söllinger schilderte die Sachlage folgendermaßen: „... und die Corporate Treasury kam zum Schluss: Das ist ein Swap-Geschäft, und Swap-Geschäfte sind nicht zustimmungspflichtig im Aufsichtsrat. – Das ist vielleicht der erste Trugschluss, der den Mitarbeitern passiert ist. Das wäre vielleicht weiter zu sehen gewesen als ein normales Swap-Geschäft. Sie haben gefragt, warum ich nicht informiert wurde. – In der Vergangenheit, vor 2005, war es so, dass sämtliche Transaktionen, die im Treasury abgeschlossen wurden, natürlich durch die Unterschrift des zuständigen Vorstandes – das war meine Wenigkeit – freigegeben beziehungsweise schlussendlich analysiert wurden, und nach meinem Befürworten wurde dann, wenn notwendig, ein Vorstandsbeschluss oder ein Aufsichtsratsbeschluss herbeigeführt.“ „Dass sich aber in diesem Fall die Treasury bereits Vorstandsbeschlüsse für einen möglichen Portfolio Swap bei den drei betroffenen Gesellschaften geholt hat, habe ich viel später erfahren. Die Mandatierung war mir noch bekannt.“ Wanzenböck, ein „sehr sorgfältiger gewissenhafter Mitarbeiter“, sei der Meinung gewesen, es habe sich um ein einfaches nicht genehmigungspflichtiges Swap-Geschäft gehandelt. „Ich bin, glaube ich zwei Tage später informiert worden, dass man kontrahiert hat.“ (12/28, 12/33).

Die Aussagen von Wanzenböck, Leitgeb und Trattner wiesen hingegen auf die Kenntnis der Holding-Vorstände über die beabsichtigten Geschäfte hin, was auch die Konzernrichtlinien und die Vorstands- bzw. Aufsichtsratsfunktionen der Holding-Vorstände nahelegen. Insgesamt schufen der Konzernumbau und die Neuorganisation der ÖBB jedoch eindeutig intransparente Verhältnisse und damit die Voraussetzungen für einen unverantwortlichen Umgang mit Steuergeldern.

Laut Wanzenböck war Söllinger über alle Vorgänge der vermeintlichen Optimierung der Erträge aus dem Crossboarder Leasinggeschäft informiert, beginnend mit dem Angebot der Rabobank. Als die Bedingungen des Geschäftes festgestanden seien, habe er Herrn Söllinger eine E-Mail geschickt, so wie Herr Söllinger das angeordnet hat. Söllinger habe gesagt, er solle eine E-Mail schreiben. Das habe er getan (14/13). Er habe Tage vorher Herrn Söllinger über das Geschäft und die Rahmenbedingungen informiert (14/14).

Auch Leitgeb vermerkte, dass Söllinger der Infrastruktur Bau AG ein Mail schicken habe lassen, in dem er geschrieben habe, dass nichts dagegen spreche, diese Mandatsvereinbarung durch die Bau AG zu fertigen, die die Vorstände der Infrastruktur Bau AG unterschrieben hätten (17/11). Leitgeb habe sich auf Wanzenböck verlassen und sich nicht bei Beratern oder Finanzexperten rückversichert, was er als Fehler ansehe (17/9).

Mag. Trattner hingegen wies auf die Bedeutung der Konzernrichtlinien, damit die Einbindung Hubers und dessen Kenntnisstand über die Spekulationsgeschäfte hin: Es seien Konzernrichtlinien festgeschrieben worden. In diesen Konzernrichtlinien sei fürs Treasury-Management festgeschrieben worden, dass sämtliche Begrenzungen von finanzwirtschaftlichen Risiken seitens der Holding abgebildet werden sollten; dass es Aufgabe der Holding sei, das Liquiditätsrisiko abzubilden, das Währungsrisiko, das Zinsrisiko, auch das Kontrahentenrisiko. Damit man rasch reagieren könne, stehe in der Konzernrichtlinie, dass sämtliche Finanztransaktionen von Corporate Treasury auf Namen und Rechnung der jeweiligen Gesellschaft kontrahiert werden sollten. Die Mitarbeiter von Corporate Treasury seien zu diesem Zweck von den Gesellschaften mit den entsprechenden Vollmachten auszustatten. Das heiße, die Holding habe vorgegeben, alles in der Holding zu zentrieren, damit sie alle Finanztransaktionen konzentriert in der Holding abwickeln könnten. Sie hätten gesagt, die Kompetenz sei in der Holding vorhanden, auch würden dann diese Geschäfte via Vollmacht – die eine allgemein gehaltene Vollmacht sei - einbezogen, um tagtägliche Geschäfte abwickeln zu können (15/39). Nach dem Ausstieg der Rabobank sei das Spekulationsgeschäft mit der  Deutschen Bank abgeschlossen worden. Die Mandatsvereinbarung habe nichts mit einer Handlungsvollmacht zum Abschluss eines Geschäftes zu tun, sondern zur Mandatsvereinbarung sei es damals gekommen, nachdem das Geschäft mit der Rabobank nicht zustande gekommen war. In einem Gespräch mit einer Konzerngesellschaft sei die Deutsche Bank ins Spiel gebracht worden. Um zu zeigen, dass die Deutsche Bank ein entsprechendes Angebot unterbreiten kann, habe die Deutsche Bank der Holding einen Entwurf einer Mandatsvereinbarung übermittelt, die die Infrastruktur Bau AG, da sie der Inhaber der Verträge war, unterfertigen sollte. Diese Mandatsvereinbarung sei eigentlich nur die Grundlage dafür, dass die Deutsche Bank ein Angebot machen solle, damit die Infrastruktur Bau AG dann beurteilen könne, ob sie es mache oder nicht. Das sei der Grund der Mandatsvereinbarung gewesen, dass man auch gewillt sei, ein Geschäft abzuschließen, dass nicht nur auf Luft mit irgendjemandem verhandelt wird, sondern dass auch eine Grundlage da sei, die aber keine Abschlussqualität habe (15/41).

Dazu zitierte Trattner die Konzernrichtlinie 8: „Sämtliche Finanztransaktionen werden von Corporate Treasury im Namen und auf Rechnung der jeweiligen Gesellschaft kontrahiert. Die Mitarbeiter von Corporate Treasury sind zu diesem Zweck von den Gesellschaften mit den entsprechenden Vollmachten auszustatten. - Zitatende.“ Und weiter: „Im Außenverhältnis sei die Bau AG der Vertragspartner gewesen. Das ist auch richtig, weil wir die Nachfolgegesellschaft der ÖBB sind, aber das ganze Geschäfte wurde in der Holding abgewickelt, beziehungsweise musste in der Holding abgewickelt werden, weil die Holding die entsprechenden Ressourcen hat. (   ) kurzfristiges Geschäft, Cash-Management und die Derivate beziehungsweise Swaps – sind aufgrund der Konzernrichtlinien nur in der Holding abgebildet worden und sonst in keiner anderen Gesellschaft. Deswegen liegt die Verantwortung rein in der Holding.“ (15/46) Zum vorerst erfolgten Abschluss mit der Deutschen Bank per E-Mail erläuterte Trattner: Am 22. September hätten sie von der Holding eine Mitteilung bekommen: er möge der Holding mitteilen, dass sie den Credit Default Swap wie vorgesehen abschließen würden. Im Vorfeld müsse er jetzt noch etwas sagen: Sie hätten am 1. September beziehungsweise am 6. September Umlaufbeschlüsse der Vorstände des Personenverkehrs beziehungsweise des Güterverkehrs bekommen, ein Geschäft mit der Deutschen Bank abzuschließen. Er habe aufgrund der Tatsache, dass sie die zwei Vorstandsanträge beziehungsweise die Auftragsschreiben der beiden Konzerngesellschaften bekommen haben, mit Herrn Söllinger telefoniert und gesagt: Das Geschäft werde jetzt mit einer anderen Bank geschlossen. Die Rabobank habe ein „AAA“, die Deutsche Bank sei als Kontrahent nicht so gut gerated wie die Rabobank. Bräuchten sie einen neuen Vorstandsantrag? Söllinger habe verneint: Nein, sie bräuchten keinen neuen Vorstandsantrag. Damit hätten sie keinen neuen Vorstandsantrag geschlossen. Sie hätten gesagt: Unser Grundgeschäft mit der Rabobank gilt für uns auch, wenn der neue Kontrahent die Deutsche Bank ist ( 15/42).

Dazu Trattner wörtlich: „Der Aufsichtsratsvorsitzende Mag. Martin Huber war Vorsitzender des Aufsichtsrates der ÖBB-Bau AG und war über das Geschäft vollinhaltlich informiert, und die Holding hat das Geschäft, nachdem sie das Geschäft kontrahiert hat, ihrem Aufsichtsratsvorsitzenden berichtet.“(15/43)

Auch Ferdinand Schmidt unterstrich die Vorgaben aus der Holding und die untergeordnete Position der AGs: „Das ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass sämtliche Veranlagungsgeschäfte von den Aktiengesellschaften und GmbHs an die Holding delegiert wurden.“ (16/41).  Als die Vorstände der AGs „draufgekommen“ seien, dass sie ein Geschäft genehmigt hätten als Vorstand und ein ganz anderes abgeschlossen wurde, hätten sie gesagt Flucht aus dem ganzen Geschäft, aber eben aus der vorher geschilderten Position heraus, dass das Treasury nicht bei ihnen gewesen sei, dass die ganzen Finanzgeschäfte in der Holding von hochrangigen Experten abgewickelt worden seien(16/48). Mit Beginn 2005 habe es im ÖBB-Konzern Richtlinien gegeben, in denen verschiedene Geschäfte beschrieben wurden, die in der Holding konzentriert sind oder in anderen Gesellschaften als den AGs abgewickelt werden. Ein bekanntes Beispiel sei die Dienstleistungsgesellschaft DLG gewesen, die im Wesentlichen für Personal zuständig war, für Eisenbahnrecht und ähnliche Dinge. Ein anderer Bereich sei das Rechnungswesen gewesen, wo sinnvollerweise im gesamten Konzern ein Rechnungswesensystem etabliert worden sei. Es habe ganz klare Termine gegeben, zu denen die Konzerngesellschaften ihre Berichte abliefern mussten. Die Holding habe konsolidiert, habe die gesamten Ergebnisse einem Monitoring unterzogen und auch das Controlling gemacht. Und dann habe es neben anderen Dingen auch noch das Treasury gegeben. Es sei eindeutig so gewesen, dass die Vorstände der AGs damit nichts zu tun hatten. Sie hätten weder das Know-how noch irgendeine Stelle in ihrem Organigramm, die sich damit beschäftigt hätte. Diese Aktivitäten seien alle in der Holding zusammengefasst worden. Sie als Organe seien aber sehr wohl formal verantwortlich für den Teil gewesen, der auf sie entfallen sei. Es sei sicherlich oft ein Problem gewesen, dass man Dinge verantworten musste, die jemand anderer gemacht habe (16/52).

Die Verantwortung der Holding-Vorstände beim Abschluss des endgültigen Geschäfts mit der Deutschen Bank durch die Teilgesellschaften im Juni/Juli 2006 ist evident. Bis dahin hätte es Ausstiegsmöglichkeiten zu vergleichsweise günstigen Konditionen gegeben. Angesichts der Kenntnis des vollen Risikos zu diesem Zeitpunkt lag dies nahe. Doch damit wäre die erhaltene Prämie von 30/32 Mio Euro hinfällig gewesen.

Hr. Dkfm. Günther Robol äußerte sich dazu wie folgt: Zum damaligen Zeitpunkt (Herbst 2005) hätten sich ja auch die ÖBB überlegt, habe sich der Vorstand in Absprache mit dem Präsidium des Aufsichtsrates überlegt, ob er versuchen solle, die Deutsche Bank unter Druck zu setzten, um aus diesem Vertrag auszusteigen, auch mit dem Argument, dass dieser Vertrag gar nicht zustande gekommen sei, und mit verschiedenen weiteren Argumenten. Diese Argumentationslinie sei dann auch mit dem Rechtsberater der ÖBB besprochen worden. Der Rechtsberater der ÖBB habe den ÖBB eine Liste der sozusagen Pros und Contras vorgelegt, was dafür spreche, was dagegen spreche, er habe aber nicht eine eindeutige Empfehlung ausgesprochen. „Heute, rückblickend gesehen, wäre es natürlich sicher geschickt gewesen, das damals wirklich auszujudizieren, zudem die Deutsche Bank damals sicherlich nicht so eine gute Position gehabt hat, wie Sie das ja auch sagen. Also erstens einmal, wie das ganze Geschäft zustande gekommen ist. Die Deutsche Bank hat die ÖBB massiv unter Druck gesetzt, immer wieder zeitlich unter Druck gesetzt, weil sie behauptet hat, die Konditionen würden sich massiv verschlechtern, man muss jetzt sofort abschließen und Ähnliches. Im Übrigen hätte die ÖBB meiner Meinung auch nachweisen können, dass die Deutsche Bank die ÖBB nicht vollständig und nicht richtig informiert hat über das Produkt selbst und über die Risiken des Produktes. Also die Chancen hätte ich – jetzt, heute, rückblickend allerdings, muss ich schon sagen – als nicht so schlecht eingeschätzt, wenn man damals massiver oder härter verhandelt hätte mit der Deutschen Bank, einen Ausstieg betreffend.“ (14/53).

Die Ausstiegskosten Herbst 2005/Frühjahr 2006 wurden in unterschiedlicher Höhe beziffert:

Laut Huber hätte der Ausstieg anfangs 35 Mio gekostet (12/14), 2008 dann 140 Mio; Dr. Wolfgang Reithofer sprach von 20 Mio (15/28); wobei laut Wanzenböck die bereits bezogenen Prämie von 30 Mio hätte geltend gemacht werden können.

Die Rechtfertigung der Holding Vorstände – ihre Mitarbeiter hätten das Geschäft nicht verstanden und sie falsch sowie zu spät informiert - wird durch vorliegende Dokumente schwer erschüttert. Als die ÖBB mit der Rabo-Bank verhandelte, verfasste die ÖBB Infrastruktur Bau am 6.7.2005 einen Bericht mit dem Betreff „Optimierung Equity-Depot bei beiden Cross-Border-Leasing Transaktionen (CBL) der ÖBB-Infrastruktur Bau AG“. Dort heißt es:

„…Seit dem Abschluss der Transaktionen [gemeint sind die CBL für Wien Kledering und Villach-Süd] hat der Finanzmarkt neue Produkte entwickelt, die bei gleicher Bonität eine höhere Rendite bieten. Der Tausch aus den bestehenden Depots in solche Produkte setzt aber die Zustimmung des Investors voraus. Die Notwendigkeit der Zustimmung kann aber durch den Einsatz eines Derivats vermieden werden. Ein solches Derivat wird von der Rabobank Niederlande (Raiffeisenbank, Rating AAA / Aaa, „Rabo“) angeboten. Es wird als Credit Substitution Agreement („CSA“) bezeichnet und erlaubt den Tausch von Investments, ohne das Basisgeschäft (das CBL) zu stören.“ … „Die Größe und Diversifikation des Portfolios erlaubt es, ohne Verschlechterung des Ratings zu tauschen (z.B. AAA gegen AAA).“ Und schließlich: „Da dieses Produkt erstmals im ÖBB-Konzern Anwendung findet (Rail Cargo Austria AG und Bau AG) wurde der Vorstand der ÖBB-Holding AG damit befasst, und dieser hat einem Einsatz zugestimmt.

Es stimmt also nicht, dass Huber und Söllinger erst nach Abschluss des Geschäftes informiert wurden. Sie waren von Anfang an eingebunden. Es stimmt auch nicht, dass das ursprüngliche mit der Rabo Bank geplante Geschäft ein in der ÖBB gebräuchlicher Swap war. Und damit stimmt auch nicht, dass erst der Deal mit der Deutschen Bank ein Spekulationsgeschäfts war, das nur deshalb passiert sei, weil die Mitarbeiter, insbesonders Wanzenböck, es nicht verstanden hatten.

Kurzum, es war den Vorständen der ÖBB Holding Anfang des Sommers völlig klar, dass nicht ein Absicherungsgeschäft, sondern ein Spekulationsgeschäft geplant war, etwas für die ÖBB völlig Neues. Der Staatsbetrieb ÖBB setzte seine Bonität ein, um fremdes Risiko zu übernehmen und damit – so hoffte er – einen schnellen Gewinn machen zu können.

 

 

3.1.1 Auflösung der Vorstandsverträge

Angesichts der hiermit dokumentierten Hauptverantwortung der Holding-Vorstände für die Spekulationsgeschäfte und deren endgültigen Abschluss ohne Ausstiegsverhandlungen sind die großzügigen Abfertigungen beim Abschied dieser Vorstände nicht nachvollziehbar. Die vorzeitige Auflösung der Vorstandsverträge sei durch „großzügige Abfindungen“ erfolgt, kritisiert Mag. Herics. „Es sind in beiden Fällen sämtliche Entgeltansprüche bis zum Ablauf des Vertrages abgegolten und erfüllte worden. Es ist für das Jahr 2008 eine Bonifikation ausgeschüttet worden, obwohl das Ergebnis – das geht aus dem Bericht ja hervor – aufgrund der erforderlichen Rückstellungen für den Hybrid CDO Squared höchst negativ war. Es sind auch freiwillige Abfertigungen gezahlt worden. Im Fall des Vorstandsvorsitzenden gab es noch einen Konsulentenvertrag, der die Besonderheit aufwies, dass er zu keiner konkreten Gegenleistung verpflichtet war und dass ungeachtet dessen hier ein Honorar von 340.000 € vorgesehen war.“ (11/9). Herics hielt abschließend fest: „Wir meinen, dass der Aufsichtsrat, dass das Aufsichtsratspräsidium als zuständiges Organ es unterlassen hatte, hier Pflichtverletzungen der Vorstandsmitglieder zu untersuchen, obwohl durch die beiden vorliegenden, auch vom Präsidium beauftragten Gutachten in vielen Punkten massive Feststellungen in diese Richtung vorhanden waren. Man hat sich dadurch auch der Möglichkeit begeben, den Vorstandsvertrag zu widerrufen oder zu kündigen und dadurch wesentlich günstigere Ergebnisse für die ÖBB zu erzielen. Nach unserem Befinden hat das Präsidium hier seinen Ermessensspielraum hinsichtlich der Gewährung der Abfindungen verletzt und sehr großzügige Ansprüche gewährt. Auch da haben wir – wie zu einigen anderen Punkten – die Empfehlung ausgesprochen, die Voraussetzungen für eine Organhaftung der Mitglieder des Präsidium zu prüfen.“ (11/9).

Die Verantwortung hierfür lag laut Rechnungshofbericht beim Aufsichtsratsvorsitzenden der Holding, Ing. Horst Pöchhacker und letztlich beim Eigentümervertreter, damals Verkehrsminister Faymann. Um dies zu entkräften, führte Ing. Pöchhacker den Begriff der „Heilung“ an: Mit dem Neuabschluss aller, wo alle Organe beschäftigt gewesen seien, 2006 sei das „geheilt“. Dieser Ausdruck sei nicht von ihm. Also allfällige Ingerenzverletzungen vorher, die Huber oder Söllinger betroffen haben, seinen nicht mehr maßgeblich gewesen, abgesehen davon, dass aus der Historie Huber da wirklich eher eine Randfigur gewesen sei und das selbst nur zizerlweise erfahren habe. Das sage er im vollen Wissen, welches Verhältnis Huber zu ihm, Pöchhacker habe, aber er sei da sehr fair. Gleichzeitig habe sie (die Deutsche Bank) eben diesen Ausdruck der Heilung geprägt: dass mit dieser Endabfertigung mit der Deutschen Bank allfällige Geschichten, die sich da abgespielt haben, bis zum Herrn Wanzenböck, quasi „geheilt“ seien. Das habe Pöchhacker nachträglich bestätigt, dass er in der Auflösungsvereinbarung mit Herrn Huber den Umstand dieser CDO Squared, abgesichert von x Gutachten, nicht ihn sozusagen in die Wüste geschickt habe, sondern unter ziemlicher Kürzung dessen, was er vertraglich zugesichert und auch verlangt hatte, eine einvernehmliche Lösung gefunden haben (15/13 und 14). Außerdem argumentierte er: „Wenn wir alle dem [Empfehlungen des Rechnungshofes] gefolgt wären, wäre natürlich ein riesiges Hickhack der Organe entstanden: Der Vorstand soll seine Aufsichtsräte klagen, zur Verantwortung ziehen, et cetera. Wir haben auch hier genug Gutachten, dass das nicht der Fall hätte sein müssen. Abgesehen davon, dass dem Aufsichtsrat klar war, dass eine derartige Geschichte, eine derartige Unruhe in der Bahn dem Unternehmen geschadet hätte, wahrscheinlich mit Folgekosten in 10er-Millionenhöhe. Wenn man dem Rechnungshof im Detail gefolgt wäre – wir haben durch Gutachten belegt, dass wir das nicht müssen, einschließlich Vorstand -, dann hätte das bedeutet – das war schon bei Huber die Überlegung, und dieser ist damals Staatsanwalt Schneider gefolgt -: Wenn man Organe in die Verantwortung nimmt, ohne dass strafrechtliche Tatbestände bewiesen sind, legen alle anderen Vorstände die Hände in den Schoß und machen Dienst nach Vorschrift.“ (15/15 und 16 ). Auf extra Nachfrage, welche Gutachten die Vorgangsweise empfahlen, wurden Dr. Hainz von der CMS und Fr. Dr. Kalss genannt. Es hätte keine Basis für eine Abberufung gegeben. Bezeichnender Weise wurden beide Gutachten dem Rechnungshof vorenthalten. Dazu meinte Herics, es werde im Bericht, in der Stellungnahme auf ein weiteres Gutachten Bezug genommen, das der Rechnungshof leider nicht erhalten habe, und zwar gehe es darum, dass angeblich für mehrere Rechtsgutachten auch Arbeitsrechtsexperten befasst worden seien. Über Befragung des Aufsichtsratsvorsitzenden habe der Rechnungshof nur zur Antwort erhalten, diese Gutachten seien mündlich erteilt worden und es gebe auch keine Protokollvermerke oder Ähnliches darüber (11/16).

Dies erhärtet den Verdacht, dass die Gutachten entweder gar nicht schriftlich existieren oder zu einer anderen Erkenntnis kamen oder unvollständig waren, weshalb man sie dem Rechnungshof vorenthielt und auch nicht dem Ausschuss vorlegte. Die Abfertigungsregelung fußt also nicht auf einer soliden rechtlichen Grundlage, sondern auf einer politisch motivierten Übereinkunft.

ÖBB-Holding-Vorstandsvorsitzender Mag. Kern beharrte auf der Position der ÖBB, den Empfehlungen des Rechnungshofes (Organhaftung etc.) nicht nachzukommen, weil er sie auf Basis des Rechtsgutachtens von Dr. Kalss für aussichtslos hielt. Dieses Rechtsgutachten wurde von den ÖBB, wie bereits erwähnt, den Organen des Rechnungshofes vorenthalten, das Gutachten konnte trotz seiner wesentlichen Aussagekraft für die Verantwortung der Entscheidungsträger nicht Gegenstand der Rechnungshofprüfung sein. Kern stellte jedoch eine Privatbeteiligung der ÖBB in Aussicht, falls die in zwei Verfahren erhebende Staatsanwaltschaft zu einer anderen Erkenntnis käme.

Auch Ministerin Bures schließt sich vorerst nicht als Privatbeteilige an das Verfahren an, weil „ich keine Grundlagen sehe und derzeit auch keine Anhaltspunkte habe.“ Es sei damals nicht die „arbeitsrechtliche Basis gegeben gewesen, aus einem Vertag ohne Einvernehmen auszusteigen. Wenn sich das morgen in einem andren Licht darstellt, dann ist das, wie gesagt, einer neuen Bewertung zu unterziehen.“ (11/45f)  Wiederum fehlt die Vorlage der arbeitsrechtlichen Gutachten, auf die BM Bures sich bei dieser Einschätzung beruft und stützt.

Damit unterlässt es die politisch verantwortliche Ministerin – entgegen den Empfehlungen des Rechnungshofes und den Erkenntnissen des Ausschusses –, rechtliche Konsequenzen auf der Managementebene im Hinblick auf zukünftige Entscheidungskonstellationen durchzusetzen.

 

3.2. MÁV Cargo

Derzeit steht die MÁV Cargo (nun Rail Cargo Hungaria/RCH)mit 120 Mio Euro in den Büchern der ÖBB. Erworben wurde die damalige Gütersparte der Ungarischen Staatsbahn vor etwa zweieinhalb Jahren um 430 Mio Euro. Der MÁV-Cargo-Deal hat also maßgeblich zum „Mix aus Abwertungen und Verlusten“ beigetragen, der laut ÖBB-Chef Kern 2007 bis 2010 rund 650 Mio Euro RCA-Eigenkapital aufgefressen hat, was nun der ÖVP als willkommener Vorwand dient, eine Privatisierungsdebatte rund um die RCA vom Zaun zu brechen.

Zahlreiche Auskunftspersonen bestätigten, dass der Erwerb der MÁV Cargo in erster Linie aus strategischen Erwägungen erfolgte und deshalb ein hoher bis überhöhter „strategischer“ Preis gezahlt wurde: Ferdinand Schmidt untergliederte wie folgt: Vor dem Hintergrund und der Einbeziehung – wie gesagt – der unterschiedlichen Berater aber auch sämtlicher Gremien der ÖBB – nicht nur des Aufsichtsrates der RCA, sondern auch des Aufsichtsrates der Holding – sei man zu einem Kaufpreis gekommen, der auf einer Bewertung des Unternehmens im Ausmaß von zirka 150 bis 200 Millionen € basierte, der Abwehr eines Drohpotenzials von zirka 120 bis 150 Millionen €, und der Hebung von Synergien aus einer gemeinsamen Produktion von 50 bis 70 Millionen €. Das wurde von allen Gremien nachvollzogen (16/42). (Prof.Macher, RCA-Vorstand von 2008 bis 2010 und derzeit für die Sanierung der nunmehrigen Rail Cargo Hungaria zuständig, bezifferte den damaligen Substanzwert ebenfalls mit 150 bis 200 Mio, die Synergiepotenziale auf 20 bis 40 Mio und den Rest als „Ertragsschätzungen und Bedrohungsszenarien“.) (13/6)  Nachdem der hohe Kaufpreis, der – so Schmidt, weit über dem Bestgebot in der ersten Runde von 316 Mio Euro gelegen sei, durch eine Due Diligence begründet worden sei, an der maßgeblich die RIAG (Raiffeisen Investment AG) beteiligt war, und gleichzeitig der Kredit für den Erwerb der MÁV Cargo größtenteils – offenbar im der Größenordnung von 200 Mio Euro - von Raiffeisen gewährt worden sei, seien Interessenszusammenhänge – hoher Kaufpreis = hohes Kreditvolumen = hoher (Zins-)Gewinn – nicht auszuschließen, ja geradezu naheliegend.

KR Gustav Poschalko verwies am 7. Oktober 2008 bei der Vorstandssitzung der Holding auf Schwierigkeiten durch die Entscheidung der EU-Kommission, die ÖBB müssten – falls sie ein schnelleres vereinfachtes Verfahren wollt, das wegen der von der RCA-Spitze selbst verschuldeten Verzögerungen nötig und gewollt war - aus Wettbewerbsgründen ohne Raaberbahn die Akquisition der MÁV allein vornehmen, und auf Ausstiegsmöglichkeiten, die sich daraus seines Erachtens ergaben: Zitat aus dem Sitzungsprotokoll: „Poschalko informiert, dass Herrn Dipl.-Ing. Kasser (Anm.: Generalsekretär des BMVIT und ÖBB-Aufsichtsrat) am 17.10.2008 anlässlich eines Termins bei der EU-Kommission von dieser mitgeteilt wurde, dass als weitere Auflage zur Genehmigung der Übernahme der MÁV Cargo durch die Rail Cargo Austria ein gänzlicher Rückzug der Republik von ihrer 33,3-prozentigen Beteiligung an der Raab-Oedenburg-Ebenfurter Eisenbahn gefordert wird. Poschalko hat darüber mit Kasser und Dipl.-Ing. Pöchhacker telefonisch gesprochen und meint, dass mit Rücksicht auf den gesamten ÖBB-Konzern und die nicht absehbaren Entwicklungen, die sich aus den CDO-Geschäften ergeben, sowie auf Grund des Umstandes, dass sich die wirtschaftliche Lage insbesondere in Ungarn in der Zukunft wohl nicht verbessern wird, ein Ausstieg aus dem MÁV-Cargo-Deal überlegt werden sollte. Da sowohl die Republik Österreich als auch die Speditionsholding ihre Anteile an der Raaberbahn abgeben müssten, stellt sich laut Poschalko die Schwierigkeit, einen Käufer dafür überhaupt zu finden. Sollte innerhalb von sechs Monaten kein Käufer gefunden werden, müssten die Anteile verschenkt werden, sofern sich jemand findet, der dieses Geschenk annimmt.“ Das sei seine Stellungnahme von der RCA gewesen. Er habe darauf hingewiesen, dass ein Beschluss gefasst worden sei, im Konsortium anzubieten. Das sei der Aufsichtsratsbeschluss gewesen. Im Konsortium hätten sie den Zuschlag erhalten. Er habe darauf aufmerksam gemacht, dass zumindest eine Information an den Aufsichtsrat zu ergehen habe, wenn nicht sogar ein neuerlicher Beschluss, weil sich dadurch selbstverständlich der Preis erhöht habe und zwar um 25 Prozent. Aber das Entscheidende sei eigentlich Folgendes gewesen: „Dadurch hat sich das Risiko meiner Meinung nach wesentlich erhöht, weil wir ja aus bestimmten Gründen die Raaber Bahn hineingenommen haben. Es hat ja Überlegungen gegeben, die Raaber Bahn hineinzunehmen. Warum? – Weil die Raab-Oedenburger schon immer im bilateralen Verkehr zum Unterschied von uns und auch von der MÁV Cargo tätig war, und zwar grenzüberschreitend. Die sind sowohl in Ungarn als auch in Österreich gefahren, die haben sprachlich versierte Leute, Österreich hat in Ungarn fahren können und Ungarn in Österreich fahren können.“ Zusätzlich wäre die Republik Ungarn als Miteigentümer der Raaberbahn mit im Boot, sozusagen „gezähmt“ und eingebunden gewesen, und hätte nicht in der dann 2008ff erfolgten Form (gravierende Anhebung des Schienenbenutzungsentgelts, Traktions-Hürden, ...) schlecht mit den neuen Eigentümern der MÁV Cargo umgehen können. (14/74f).

Auf ausdrücklichen Wunsch des Vorstands wurde ohne zusätzliches Gutachten über die Konsequenzen des Ausstiegs der Raaberbahn die Akquisition der MÁV zu hohen Kosten durchgezogen.

Laut ÖBB-CEO Mag.Kern wurde in der Folge die Zusammenführung mit der RCA managementmäßig zu wenig offensiv vorangetrieben, was von den damaligen RCA-Vorständen Riessland und vor allem Macher in Abrede gestellt wurde. Dass die diesbezüglichen Probleme - soweit überhaupt vorhanden - durch die rund einjährige Dauer bis zum Vorliegen der EU-Kartell-/Wettbewerbsentscheidung verursacht seien, wie in diesem Zusammenhang von den Vorständen angegeben, hält jedoch genauerer Analyse nicht Stand: Denn offensichtlich haben unrichtige rechtliche Beurteilungen und die stark verzögerte, erst nach 8 Monaten unnötiger andernortiger Bemühungen erfolgte Anmeldung des Kaufs in Brüssel durch den zu diesem Zeitpunkt amtierenden RCA-Vorstand maßgeblich und in weit größerem Ausmaß als die EU-Prüfung selbst zur Verzögerung des Closing und zu den im Lauf von 2008 in Ungarn aufgetretenen Problemen beigetragen. (14/66)

Der hohe Kaufpreis umfasste auch 6,7 Mio Euro für größtenteils nicht nachvollziehbare Leistungen an die Ein-bis-Zwei-Personen-Firma Geuronet, die mit „Beratungstätigkeiten“ beauftragt wurde. Diese war auf nicht wirklich nachvollziehbare Weise aus einem illustren Kreis von „einschlägigen“ Interessenten ausgewählt worden, offensichtlich beruhend auf einer „Empfehlungskette“ vom ehemaligen ÖVP-NR Höchtl über ÖBB-Aufsichtsratspräsident Pöchhacker zum damaligen RCA-Vorstand Poschalko. (14/83) Den Vertrag hatten die damaligen RCA-Manager Poschalko (Vorstand) und Leitner (zeichnungsberechtigter Prokurist) unterschrieben, die Zahlung der Erfolgsprovision an Geuronet/Gulya, also nahezu der gesamten Millionensumme, wurde von den dann im Amt befindlichen Vorständen Macher und Riessland ohne Rücksprache mit Poschalko getätigt. (14/69)

Die erstaunlich hohe Summe stand in einer proportionalen Beziehung zum Kaufpreis – je höher dieser, desto höher das Beratungs-/Lobbying-Honorar. (Eine anderweitige, damit im Widerspruch stehende Auslegung von Ex-RCA-Vorstand Poschalko lässt sich anhand der vorhandenen Informationen nicht nachvollziehen.) Der aus einer jahrzehntelangen Privatwirtschafts-Karriere zu den ÖBB gekommene ehemalige RCA-Finanzvorstand Dr. Günther Riessland hielt dazu fest, dass er solche Verträge noch nie abgeschlossen habe (13/28). Ein Leistungsnachweis durch Geuronet erfolgte nicht, es scheint lediglich eine Angabe von Ex-RCA-Vorstand Poschalko vorzuliegen, dass die Leistung vorhanden und entsprechend dokumentiert sei. Der Vorstand F. Schmidt verweigerte seinen Ausführungen zufolge die Unterfertigung des Vertrags mit dieser Firma, weil er sie nicht kenne. Herr Gulya sei ihm namentlich erst viel später bekannt geworden, beziehungsweise er hätte überhaupt keine Ahnung, wer das ist und habe den Namen damals nicht gekannt. Er habe damals vor seiner Abreise in den Urlaub mit Pöchhacker telefoniert und habe gesagt, dass dieser Vertrag vorliege und er davon ausgehe, dass der Vertrag nicht vom Vorstand allein abgeschlossen werden könne (16/45). Es sei ja vom RCA-Vorstand Söllinger im Juli 2007 und im August 2007 in einer Holding-Vorstandssitzung über diesen Vertrag gesprochen worden (16/47) und „… das war dann alles in der Holding oben.“ (16/47).

Auch Dipl. Ing. Horst Pöchhacker kannte – anders als der frühere ÖVP-Mandatar Josef Höchtl - Gulya nicht („Ich kenne Herrn Gulya nicht, habe ihn nie gesehen“ 15/19), wusste nur, dass er „gute Verbindungen hatte“ und nur im Erfolgsfall das Honorar bekomme. „Man muss jemanden haben, der die Dinge kennt und weiß, wie die Einflüsse liegen – das hat überhaupt nichts mit unlauteren Dingen zu tun -, der dem österreichischen Vorstand sagt, wie er sich bewegen soll. Und es gibt genug Beispiele der Vergangenheit, wo das schiefgegangen ist, weil man das unterlassen hat. Herr Gulya war eine von mehreren Möglichkeiten. Es ist eine Vorstandsangelegenheit, das zu untersuchen und vorzuschlagen. Wir wurden am 26. Juni 2007 in einer Sitzung der RCA, wo Herr Rauch und ich erstmalig anwesend waren – es war ja der Regierungswechsel damals 2006/2007 -, dort zum Präsidium gewählt. Drei Tage später gab es schon einen Vorschlag über den Vertrag mit der Geuronet. Sie werden nicht annehmen, dass ich das in drei Tagen als frisch gefangener Aufsichtsrat veranlasst habe.“ Was der Vorstand gemacht habe, wisse er nicht, sondern er habe, wie gesagt, am 26. Juni 2007 im Plenum der RCA dem Vorstand die Vollmacht gegeben, den Kauf einzuleiten mit allen Dingen bis zum Last and Final Offer, auch unter dem Titel, Beraterverträge abzuschließen. Und dass ein Beratervertrag für einen, der ihm sagt, wie im Ausland die Uhren ticken, da hineinfalle, stehe fest. Und es sei Vorstandssache zu überlegen, ob der jetzt geeignet sei, oder nicht geeignet sei (15/7). Auch in der Holdingsitzung am 26.2.2008 wurde noch über die „Sinnhaftigkeit“ diskutiert und die Antikorruptionsklausel fixiert. „Hätte das Gremium den Verdacht einer Schmiergeldzahlung gehabt, hätten es diesen Vertrag damals kündigen können, ohne dass Herr Gulya eine Chance gehabt hätte, etwas zu kriegen.“ Da es kein Schmiergeld gewesen sei, sei das nicht relevant gewesen. Es wäre auch zum Zeitpunkt der Sitzung, 26. Feber 2008, kein Euro aus dieser Erfolgsprovision geflossen. Aber außer diesen Beiträgen, drei, vier mal 10.000 €, wäre nichts geflossen. Hätte der Aufsichtsrat nach der Diskussion – im Tonband, wo es ja dann ein ausführliches Protokoll gebe – irgendwelche Restzweifel gehabt. Aber mit dieser Diskussion und der Nichtbeschlussfassung einer Änderung des Vertrages und einer Nichtbeschlussfassung auszusteigen, sei diese Vorgangsweise absolut auch geheilt gewesen. Und es sei das Einvernehmen aller Belegschaftsvertreter mit den Kapitalvertretern in dieser Holdingsitzung gewesen, dass das Ziel, aus strategischen Gründen, wie er erklärt habe, die MÁV Cargo zu erwerben, aufrecht sei. Damals hätte man den Gulya-Vertrag kündigen können ohne Federlesen (15/19 und 20).

Nachdem eine Hauptauskunftsperson, Hr. András Gulya, der Ladung nicht nachkam, konnte der Verdacht auf eventuelle Schmiergeld- und Kick-back-Zahlungen sowie Parteienfinanzierung, der auch durch die tonbandmäßig protokollierten Ausführungen insbesondere von ÖBB-Aufsichtsratspräsident Pöchhacker in einer der erwähnten Aufsichtsratssitzungen nicht eben entkräftet wurde, nicht ausgeräumt werden. Die Gestaltung des Vertrags mit Geuronet – Kopplung des Honorars an den Kaufpreis, wo doch der Käufer ÖBB/RCA eigentlich an einem niedrigen Kaufpreis hätte interessiert sein müssen und die „Berater-Belohnung“ sinnvollerweise umso höher ausfallen müsste, je niedriger (und nicht je höher) die zu zahlende Kaufsumme ausfällt – führte zu einem unnötig hohen Honorar. Für womögliche Bestechungs-, Kickback-Zahlungen oder Parteienfinanzierung aus diesem Honorar wäre mit dieser Vertragsgestaltung der Spielraum erhöht worden.

KR Poschalko sieht einem Fach-Medium zufolge seine Rolle beim MÁV-Cargo-Deal als die des „nützlichen Idioten“ – die Frage „nützlich für wen?“, also: wer hatte – außer Geuronet/Hr. Gulya – konkret den Nutzen, vor allem den finanziellen, aus dem Deal, konnte leider im Ausschuss nicht abschließend geklärt werden.

Es ist schließlich noch festzuhalten, dass eine leitende Mitarbeiterin des Kabinetts der Verkehrsministerin, die gemeinsam mit der heutigen Ministerin auch bereits in der SPÖ-Parteizentrale tätig war, an den Aussagen der bezüglich MÁV-Cargo-Kaufpreis, Geuronet-Honorar, Bestechungs-/Kick-back-/Parteienfinanzierung entscheidenden Auskunftspersonen ein gewisses Interesse erkennen ließ, indem sie einzelnen vertraulichen Ausschusssitzungen geschäftsordnungswidrig beiwohnte, bevor dies nach Hinweis von Oppositionsseite von der Parlamentsdirektion abgestellt wurde.

Die Honorarzahlung an die mittlerweile aus anderen Gründen sattsam bekannte PR- und Lobbying-Agentur Hochegger in der Größenordnung von 140.000 Euro für eine Präsentationsveranstaltung wurde von den Auskunftspersonen als höchst generös bezeichnet, über die konkreten Gegenleistungen liegen abweichende Angaben vor, Medienberichten zufolge haben einige Aufsichtsratsmitglieder trotz Nachfrage keine Leistungen zu Gesicht bekommen.

Justizministerin Bandion-Ortner verwies auf ein noch laufendes Verfahren bei der Korruptions-staatsanwaltschaft über die Provisionszahlungen an Geuronet und das eventuell fehlende Einverständnis des Aufsichtsrats oder Vorstands.

Obwohl das Verkehrsministerium Eigentümervertreter in die Aufsichtsräte der Holding und der Rail Cargo entsendet und infolge dessen über alle Vorgänge und Entscheidungen informiert war, wurde die problematische Vorgangsweise des Erwerbs der MÁV-Cargo nur - laut Bericht im Magazin „Profil“ - punktuell thematisiert.

Die Frage, ob es – wie gerüchtehalber verlautete – in anderen ehemaligen Oststaaten, insbesondere auf dem Westbalkan/Ex-Jugoslawien, bei RCA-Beteiligungen/-Töchtern womöglich ähnlich gestaltete und dimensionierte Berater-/Lobbying-Vorgänge wie bei MÁV Cargo/Geuronet samt womöglicher Parteienfinanzierung gab oder gibt, blieb ungeklärt.

 

 

3.3. Beschaffung Mobiltelefone

Aufgrund des Zeitmangels, der verweigerten Ladung weiterer Auskunftspersonen sowie der Auskunftsverweigerung von Telekom-Austria-Manager und ÖBB-Aufsichtsrat Fischer konnten praktisch keine zusätzlichen Erkenntnisse gewonnen werden. Es bleibt also bei der Kritik des Rechnungshofes:


 

Kurzfassung Bericht Rechnungshof (III-96 d.B.):

 

Mobilfunk entlang der Bahnstrecken

 

Die ÖBB-Unternehmensgruppe entschied sich im 1. Halbjahr 2005, bei der Verdichtung des Mobilfunknetzes entlang der Bahnstrecke zwischen Wien und Salzburg mit nur einem Mobilfunkbetreiber (A) zusammen­zuarbeiten. Erst im April 2007 – und damit zwei Jahre nach der ersten Kooperation mit dem Mobilfunkbetreiber A – lud die ÖBB–Infrastruktur Bau Aktiengesellschaft (ÖBB-Infrastruktur Bau AG) alle österreichischen Mobilfunkbetreiber ein, ihre Mobilfunknetze  entlang  der  Bahnstrecken  auszubauen.  Die  Gleichbehandlung aller Mobilfunkbetreiber war damit nicht sichergestellt.

Obwohl sich die Österreichische Bundesbahnen–Holding  Aktiengesellschaft (ÖBB–Holding AG) und die ÖBB–Infrastruktur Betrieb Aktiengesellschaft (ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG) im Februar 2005 das Ziel setzten, als Service für die Bahnkunden den Mobilfunkempfang in ihren Zügen zu verbessern, war zur Zeit der Gebarungs­überprüfung ein im Wesentlichen unterbrechungsfreier Mobiltelefonempfang nur für einen eingeschränkten Kundenkreis (Kunden des Mobilfunkbetreibers A) und für einen kurzen Teil des österreichischen Strecken­netzes (300 km im Streckenabschnitt Wien – Salzburg) gegeben. Eine Strategie der ÖBB–Unternehmensgruppe zur Mobilfunkversorgung entlang der österreichi schen Bahnstrecken (Streckennetz von 5.702 km) fehlte nach wie vor. Eine unternehmensinterne negative Wirtschaftlichkeitsprognose für das Projekt wurde nicht weiter beachtet.

Die von der ÖBB–Infrastruktur Bau AG und der ÖBB–Infrastruktur Betrieb AG zu tragenden Kosten von 4,36 Mill. EUR aus den mit dem Mobilfunkbetreiber A durchgeführten Verbesserungen des Mobilfunkempfangs im Netz von A entlang der Strecke Wien – Salzburg lagen um 74 % über den ursprünglichen Planungen. Aufgrund der jährlichen Erträge von 0,07 Mill. EUR erwies sich das Projekt für die ÖBB–Infrastrukturgesellschaften als unwirtschaftlich, weil die Amortisation der Investition erst nach dem Ende der technischen Nutzungsdauer einträte. Die Ausgaben würden sich für die ÖBB–Infrastrukturgesellschaften – zufolge ÖBB-interner Berechnungen – erst amortisieren, wenn die Anlagen auch von anderen Mobilfunkbetreibern (gegen Entgelt) genutzt würden.

 

Mobilfunk ÖBB-intern

 

Die ÖBB–alt (die ÖBB vor der Strukturreform 2003) schlossen im Jahr 2000 einen Mobilfunk–Rahmenvertrag mit dem Mobilfunkbetreiber A ab.

Eine systematische und durch Wirtschaftlichkeitsberechnungen gestützte Auseinandersetzung mit der ÖBB-internen Nutzung von Telekommunikationsdienstleistungen sowie eine Strategie fehlten für die ÖBB–Unternehmensgruppe auch noch zur Zeit der Gebarungsüberprüfung.

 

Telekommunikationskosten

 

Obwohl die Marktpreise für Mobilfunkdienstleistungen laufend sanken und die Kosten der ÖBB–Unternehmensgruppe für Festnetz– und Mobiltelefone laufend anstiegen (zwischen 2003 und 2007 um 20 % auf jährlich 6,82 Mill. EUR), hielten die ÖBB–alt wie auch ihre Rechtsnachfolgerin, die ÖBB–Infrastruktur Bau AG, an dem Rahmenvertrag (weitgehend unverändert) fest. Erst durch eine Vertragsänderung im Jahr 2007 konnten die jährlichen Telekommunikationsaufwendungen um 39 % gesenkt werden. Bei einer früheren Auseinandersetzung mit der Marktsituation sowie der Frage der Neuausschreibung hätte sich die ÖBB–Unternehmensgruppe jährlich rd. 1,47 Mill. EUR (im Durchschnitt) ersparen können.

 

Beschaffung von Mobiltelefonen für Triebfahrzeugführer

 

Die ÖBB–Traktion Gesellschaft mbH (ÖBB–Traktion GmbH) beschloss im Frühjahr 2005, Mobilfunktelefone für die Triebfahrzeugführer nicht über den bestehenden Rahmenvertrag der ÖBB–Infrastruktur Bau AG, sondern durch eine eigene Ausschreibung zu beschaffen. Mit den Auswirkungen einer Parallelität von zwei Telekom­munikationsbetreibern innerhalb der Unternehmensgruppe hatte sich die ÖBB–Traktion GmbH ebenso wenig auseinandergesetzt wie mit der mangelnden Verfügbarkeit der Mobilfunknetze entlang der Bahn­strecken. Aufgrund von Einsprüchen der unterlegenen Bieter zogen die ÖBB–Traktion GmbH und die ÖBB–Infrastruktur Betrieb AG ihre Zuschlagsentscheidung zweimal zurück und widerriefen im Jänner 2006 das gesamte Aus­schreibungsverfahren, weil die ÖBB–Holding AG Ende 2005 eine konzernweite Mobiltelefonlösung präferierte.

 

Unregelmäßigkeiten beim Bezug von Mobiltelefonen

 

In den Jahren 2002 bis 2005 kam es in der Regionalleitung Ost der ÖBB–Infrastruktur Bau AG zu Missbräuchen beim Bezug von Mobiltelefonen. Rund ein Drittel (8.597) der Mobiltelefone, die der Mobilfunkbetreiber A als an die ÖBB–Unternehmensgruppe geliefert verzeichnet hatte, waren tatsächlich nicht für die ÖBB bezogen worden und dort auch nie eingetroffen.

Der Missbrauch verursachte zwar keine zusätzlichen Zahlungsverpflichtungen für die ÖBB–Unternehmens­gruppe, allerdings führte er zu einer deutlichen Erhöhung der Gesamtdauer der Bindungsverpflichtungen. Das hatte zur Folge, dass eine von der ÖBB–Holding AG im Jänner 2006 eingeleitete konzernweite Ausschreibung der Mobilfunkdienstleistungen nicht durchgeführt werden konnte, weil im Falle des Ausstiegs aus dem Vertrag mit dem Mobilfunkbetreiber A Grundgebühren in der Höhe von mehreren Millionen Euro fällig geworden wären.

Die ÖBB–Infrastruktur Bau AG akzeptierte letztlich diese durch Manipulation entstandene Belastung für die Unternehmensgruppe, ohne die Mitverantwortung ihrer Geschäftspartner, die tausende Bestellungen ohne Originalunterschriften (per Fax) akzeptiert hatten, zu hinterfragen.

Auch leitete die ÖBB–Infrastruktur Bau AG erst fünf Monate nach Bekanntwerden der Manipulationen disziplinäre Schritte gegen den verdächtigen Mitarbeiter ein und erstattete trotz starker Indizien für eine gerichtlich strafbare Handlung keine Anzeige an die Staatsanwaltschaft.

 

 

Die Klärung folgender Fragen wurde verabsäumt bzw. durch Auskunfts- oder Ladungsverweigerung verunmöglicht:

 

Warum wurde mehrere Jahre lang (!) an einem für die ÖBB äußerst ungünstigen Mobilfunkvertrag festgehalten, der nicht mehr der aktuellen Marktsituation entsprach, wodurch der ÖBB ein jährlicher Schaden von etwa 1,47 Mio Euro entstand?

 

Warum beschränkten sich die ÖBB beim Mobilfunkausbau entlang ihrer Strecken exklusiv auf einen Anbieter (Mobilkom), was sowohl für die Kunden als auch für die ÖBB hinsichtlich der Amortisation Nachteile brachte?

 

Kann ein womöglicher Zusammenhang zwischen diesen Entscheidungen bzw. ihrer langen Nicht-Infrage-Stellung und der Herkunft eines prominenten ÖBB-RCA-Aufsichtsrats aus demselben Telekommunikations-Konzern ausgeschlossen werden?

 

Wohin verschwand ein Drittel, in Summe 8597 Stück, der von der Mobilkom an die ÖBB gelieferten Handys, die nie bei der ÖBB ankamen?

 

Welche personellen Konsequenzen wurden auf Grund dieser Missstände gezogen?

 

Warum wurden keinerlei Versuche unternommen, den Verantwortlichen gerichtlich zu belangen und den Schaden so womöglich zu minimieren?

 

 

4. Conclusio:

 

Insgesamt ergab die Befragungen im Unterausschuss des Rechnungshofausschusses wie eingangs zusammengefasst, wesentliche Informationen über die Verantwortung für den Abschluss der Spekulationsgeschäfte und den Ankauf der MÁV-Cargo, die sowohl gerichtliche Erhebungen erleichtern als auch politische Verantwortung klären. Dadurch dürfen die rechtlichen und politischen/personellen Konsequenzen, wie sei der Rechnungshof empfahl,  nicht mehr länger verweigert werden.