1560 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über den Antrag 480/A(E) der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Berücksichtigung geschlechtsspezifischer arbeitsbedingter Risiken in der Prävention und bei der Anerkennung von Berufskrankheiten

Die Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 26. Februar 2009 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Aus einem Bericht der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zu den geschlechtsspezifischen Unterschieden bei arbeitsbedingten Unfällen und Erkrankungen (2006) geht hervor, dass die geschlechtsspezifischen Unterschiede in den Beschäftigungsbedingungen auch unterschiedliche Belastungen und Arbeitsbedingungen mit sich bringen. Arbeitsbedingte Risiken für die Gesundheit und die Sicherheit von Frauen wurden sowohl bei der Forschung als auch in der Prävention unterschätzt und im Vergleich zu denen für Männer vernachlässigt. Frauen üben öfter Tätigkeiten im Niedriglohnsektor aus und sind überdurchschnittlich oft in Teilzeit und a-typischen Beschäftigungs­verhältnissen zu finden. Mangelnde Gleichstellung von Frauen und Männern sowohl bei der Arbeit als auch außerhalb der Arbeitswelt kann sich negativ auf die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit auswirken. Zwischen Diskriminierung und Gesundheitsproblemen lassen sich deutliche Zusammenhänge erkennen. So sind Frauen zum Beispiel in einem geringeren Ausmaß an Entscheidungsprozessen in den Bereichen Sicherheit und Gesundheitsschutz in der Arbeitswelt beteiligt.

Bereits bei der Risikoanalyse und –prävention werden Risiken für weibliche ArbeitnehmerInnen häufig unterschätzt oder gar nicht wahrgenommen. Bei Gefahren in der Arbeitswelt wird eher an Männer am Bau oder vor dem Hochofen gedacht als an Frauen in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen, im Gastgewerbe oder im Büro. Tatsächlich sind jedoch sowohl Frauen als auch Männer an ihren Arbeitsplätzen erheblichen Gesundheitsrisiken ausgesetzt. Es ist wichtig hier im Sinne des Gender Mainstreamings den Geschlechteraspekt zu berücksichtigen.

Im Bereich der Prävention sind vor allem regelmäßige arbeitsmedizinische Untersuchungen der Beschäftigten wichtig. So geht aus den Tätigkeitsberichten des Arbeitsinspektorats hervor, dass der Anstieg bei der Anzahl der anerkannten Gehörschäden parallel mit dem Anstieg der Zahl der untersuchten Beschäftigten wegen Lärmeinwirkung verlief. Von allen anerkannten Berufskrankheiten entfallen derzeit mit Abstand die meisten, nämlich 62 Prozent, auf durch Lärm verursachte Schwerhörigkeit. Der Frauenanteil bei den Untersuchungen der Beschäftigten auf Einwirkungen durch gesundheitsgefährdenden Lärm liegt bei nur acht Prozent. Unter jenen ArbeitnehmerInnen, bei denen die Schwerhörigkeit als Berufskrankheit anerkannt wurde, beträgt der Frauenanteil lediglich zwei Prozent. Dabei arbeiten auch Frauen in lauten Branchen wie der zB der Textil- und Nahrungsmittelbranche. Aus Studien geht hervor, dass selbst der Lärmpegel in Kindergärten oder Restaurants durchaus gesundheitsgefährdende Ausmaße annehmen kann.

Unter den derzeit anerkannten Berufskrankheiten finden sich viele Beispiele, die deutlich auf männer­dominierte Branchen zugeschnitten sind: So ist ein Wirbelsäulenschaden nur dann als Berufskrankheit anzuerkennen, wenn er durch Vibrationen von hoher Frequenz, wie sie beispielsweise durch Pressluftwerkzeuge auftreten, hervorgerufen wird. Für Meniskusschäden wiederum wird explizit der Beruf der Bergleute angeführt. Chronische Erkrankungen der Schleimbeutel der Knie- oder Ellenbogengelenke werden dann als Berufskrankheit erkannt, wenn sie durch ständigen Druck oder ständige Erschütterung hervorgerufen wurden. Es ist daher auch wenig verwunderlich, dass diese Berufskrankheiten fast ausschließlich bei Männern anerkannt werden, nicht aber bei Frauen, deren Wirbelsäulenschäden zum Beispiel auf das Heben von PatientInnen in Gesundheitsberufen zurückzuführen ist. In jenen Ländern, in denen arbeitsbedingte Erkrankungen des Muskel-Skelett-Apparats als Berufskrankheit anerkennt sind, liegt ihr Anteil bereits bei 45 Prozent der Berufskrankheiten. Frauen sind dänischen und schwedischen Studien zufolge durch Tätigkeiten im Pflegebereich überproportional betroffen.

Stark zugenommen haben in den letzten Jahren psychische Erkrankungen, die besonders mehrfachbelastete Frauen um die Vierzig betreffen. So hat sich die Zahl der Krankenstände wegen psychiatrischer Leiden in Österreich seit den Neunzigerjahren mehr als verdoppelt. Bei Frauen sind psychische Erkrankungen mittlerweile sogar schon der Hauptgrund für eine krankheitsbedingte Frühpension.

Frauen sind daher allein schon durch die Definition anerkannter Berufskrankheiten offensichtlich benachteiligt. Hinzu kommt, dass es für Frauen generell schwerer geworden zu sein scheint, eine Berufserkrankung anerkannt zu bekommen. Betrug der Frauenanteil bei den anerkannten Berufskrankheiten in den 1990iger Jahren noch rund 30 Prozent, so ist dieser Anteil seither kontinuierlich gesunken und lag im Jahr 2007 nur mehr bei 14 Prozent. (Quelle: Tätigkeitsberichte der Arbeitsinspektion)

Eine geschlechtergerechte Überarbeitung der Liste anerkannter Berufskrankheiten ist daher dringend geboten. Die einseitige Betrachtungsweise nur weniger (meist industrieller) Tätigkeiten als gesundheits­belastend und die Orientierung an männerdominierten Branchen sowie der Ausschluss psychischer Erkrankungen sind auch angesichts der geänderten Anforderungen in der Arbeitswelt generell überholt und offensichtlich frauendiskriminierend.“

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seinen Sitzungen am 2. Dezember 2009, am 5. Oktober 2010 und am 23. November 2011 in Verhandlung genommen.

An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordnete Mag. Judith Schwentner die Abgeordneten Werner Neubauer, Oswald Klikovits, Christian Faul, Ursula Haubner, Karl Öllinger, Ridi Maria Steibl, Sigisbert Dolinschek, Erwin Spindelberger, Mag. Birgit Schatz, Adelheid Irina Fürntrath-Moretti, Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein und Dr. Sabine Oberhauser, MAS sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer.

In der Sitzung am 5. Oktober 2010 brachte die Abgeordnete Mag. Judith Schwentner einen Abänderungsantrag ein.

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag unter Berücksichtigung des erwähnten Abänderungsantrages keine Mehrheit (für den Antrag: G,B dagegen: S,V,F).

 

Als Berichterstatterin für das Plenum wurde Abgeordnete Ridi Maria Steibl gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2011 11 23

                                Ridi Maria Steibl                                                                Renate Csörgits

                                 Berichterstatterin                                                                           Obfrau