1791 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft

über den Antrag 474/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beibehaltung der österreichischen Gentechnik-Anbauverbote

Die Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 26. Februar 2009 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Europäische Kommission wird im Umweltministerrat am 2. März erneut zur Aufhebung der österreichischen Anbauverbote für die Gentechnik-Maislinien MON 810 (Monsanto) und T25 (Bayer) drängen. Sollte keine qualifizierte Mehrheit der EU-Mitgliedsländer gegen diesen Vorschlag stimmen, ist davon auszugehen, dass die Kommission die Anbauverbote im Alleingang aufheben wird. Es wurde bereits mehrfach wissenschaftlich nachgewiesen, dass MON 810 negative Auswirkungen auf Nichtziel-Organismen  und die Bodengesundheit  hat sowie die Ausbildung von Resistenzen gegen das Bt-Toxin bei Insekten fördert.

Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass die überfällige Sicherheitsprüfung im Verfahren zur Erneuerung der Zulassung von MON 810 und T 25 noch nicht einmal abgeschlossen ist. Die EFSA weist bisher alle wissenschaftlichen Argumente der Mitgliedsländer zurück, ohne eine unabhängige Risikobewertung zu etablieren oder zuzulassen. Dies, obwohl der Rat der Umweltminister am 4. Dezember 2008 einstimmig beschlossen hat, dass die gegenwärtige Praxis der Risikobewertung verbessert werden muss. Die Minister stellten insbesondere fest, dass die Langzeitfolgen von gentechnisch veränderten Pflanzen sowie ihre Auswirkungen auf sogenannte Nichtziel-Organismen besser abgeschätzt werden müssen (Art.3) und dies eine grundlegende Überprüfung der Leitlinien der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erforderlich macht (Art. 2 und 3). Ferner wird in den Schlussfolgerungen festgehalten, dass den spezifischen regionalen und lokalen Besonderheiten bezüglich ihrer Ökosysteme, ihrer biologischen Vielfalt und verschiedener Anbausysteme Rechnung zu tragen ist. Ebenso wird die Berücksichtigung sozio-ökonomischer Auswirkungen  hervorgehoben.

Wohl kaum eine andere EU-Institution ist umstrittener als die EFSA. Sie lässt mögliche langfristige Umweltauswirkungen außer Acht und bescheinigt selbst Produkten Unbedenklichkeit, die im Tierversuch negative Effekte gezeigt haben. Sie orientiert sich nahezu ausschließlich an von den Unternehmen vorgelegten Daten, führt keine eigenen Untersuchungen durch und lässt auch wissenschaftliche Erkenntnisse der Mitgliedstaaten nicht gelten. Dadurch wird das Vorsorgeprinzip grob verletzt und die Entscheidungen, ob Gentechnik-Produkte zugelassen werden, fallen ausschließlich zugunsten der zulassungswerbenden Firmen aus.

Die derzeitige EU-Gentechnikregulierung ist durch die vollständige rechtliche und  wissenschaftliche Kontrolle der EU-Gentechnikbehörden sowie durch eine exzessive Wahrnehmung dieser Macht gekennzeichnet. Die industrienahen Behörden EFSA und EU-Kommission dominieren die Zulassungsverfahren. Unabhängige oder gar kritische Wissenschaft aus den Mitgliedstaaten bleibt außen vor. Die Entscheidungsprozesse in den EU-Gentechnikbehörden weisen damit eine strukturelle Schieflage zugunsten der Interessen internationaler Saatgutkonzerne auf.

Die europäischen und in besonders hohem Ausmaß die österreichischen Bürgerinnen und Bürger lehnen den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion entschieden ab. Gegen den Willen einer großen Bevölkerungsmehrheit wäre es bei einer Aufhebung der Anbauverbote für die beiden Gentechnik-Konstrukte in Österreich möglich, Gentechnik-Pflanzen anzubauen. Damit würden nationale Sicherheitsmaßnahmen außer Kraft gesetzt, ohne eine gründliche und unabhängige Bewertung im Lichte wissenschaftlicher Erkenntnisse zuzulassen.

Die von der Kommission propagierte sogenannte „Koexistenz“ gentechnischer und gentechnikfreier Produktionsmethoden und Verarbeitungsstränge erweist sich als unlösbares Problem und bürdet der bäuerlichen und biologischen Landwirtschaft unzumutbare Risiken und Kosten auf. Industrielle Monokulturen, in denen die Gentechnik-Landwirtschaft zum Einsatz kommt, schädigen die Umwelt, gefährden die Gesundheit und führen weltweit die bäuerliche Landwirtschaft in den Ruin.

Der österreichische Widerstand gegen die Aufhebung der Anbauverbote darf daher nicht aufgegeben werden und muss gegebenenfalls bis zum Europäischen Gerichtshof führen.“

 

Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seinen Sitzungen am 31. Jänner 2012, am 17. April 2012 und am 30. Mai 2012 in Verhandlung genommen. An den Debatten beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber die Abgeordneten Gerhard Huber, Mag. Kurt Gaßner, Anna Höllerer, Franz Eßl, Harald Jannach sowie der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich.

 

Im Zuge der Debatte am 30. Mai 2012 haben die Abgeordneten Jakob Auer, Mag. Kurt Gaßner, Harald Jannach, Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber und Gerhard Huber einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend Beibehaltung der österreichischen Gentechnik-Anbauverbote eingebracht, der einstimmig beschlossen wurde.

 

Dieser selbständige Entschließungsantrag war wie folgt begründet:

„Die Europäische Kommission hat im Umweltministerrat mehrfach zur Aufhebung der österreichischen Anbauverbote für die Gentechnik-Maislinien MON 810 (Monsanto) und T25 (Bayer) gedrängt. Bis dato konnten trotzdem die österreichischen Anbauverbote (Maise MON810, T25, Kartoffel „Amflora“) im Rat mit Unterstützung der Qualifizierten Mehrheit der anderen Mitgliedsstaaten erfolgreich verteidigt werden.

Im Juli 2010 hat die Europäische Kommission aufgrund einer Initiative Österreichs einen Vorschlag zur Verankerung des Selbstbestimmungsrechtes der Regionen Europas auf einen Gentechnik-freien Anbau vorgelegt. Nach einer positiven Stellungnahme des Europäischen Parlaments beabsichtigt nun die dänische Präsidentschaft den Vorschlag der Europäischen Kommission mit dem Europäischen Parlament für einen gemeinsamen Standpunkt abzustimmen. Hierfür benötigt sie das Verhandlungsmandat der EU-Mitgliedsstaaten. Trotz einer großen Mehrheit befürwortender EU-Mitgliedsstaaten äußern sich einzelne EU-Mitgliedsstaaten nach wie vor skeptisch. Die dänische Präsidentschaft befindet sich nun in bilateralen Verhandlungen mit diesen Mitgliedstaaten und wird bei der Überzeugungsarbeit von Gentechnisch-kritischen Ländern wie Österreich unterstützt.

Beim Umweltministerrat vom 9. März 2012 fand der Kompromissvorschlag der dänischen Präsidentschaft über das GVO-Selbstbestimmungsrecht aufgrund einer blockierenden Minderheit von EU-Mitgliedsstaaten (insbesondere von Deutschland, Großbritannien, Spanien, Frankreich, Belgien und Slowakei) keine politische Einigung, wobei als Gründe für die Ablehnung die Anfechtbarkeit vor der WTO und die Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt angeführt wurden. Die dänische Präsidentschaft erklärte, beim Umweltrat im Juni 2012 erneut eine politische Einigung zu versuchen, sofern dies möglich sei, da 20 Mitgliedsstaaten den Kompromissvorschlag der Präsidentschaft unterstützen konnten.

Alle Vertreter Österreichs in den EU-Gremien handeln im Sinne des vom Nationalrat am 6. Dezember 2011 beschlossenen Entschließungsantrags 505/A(E) und es gibt keine Gründe von dieser Position abzuweichen. Sowohl das Vorsorgeprinzip, als auch die Transparenz des Vorgehens bei GVO-Zulassungen wird weiterhin konsequent eingemahnt. Zusätzlich liefert Österreich das Verhalten der EFSA immer wieder neue Argumente für die Ablehnung von GVO-Anträgen, weil deren Anwendung nicht ausreichend sicherheitstechnisch bewertet wurde. Dem Vorsorgeprinzip in der Risikoforschung kann Österreich nur dahingehend gerecht werden, indem keine experimentellen Anbauversuche in Österreich erfolgen.

Das BMLFUW unterstützt Forschungsvorhaben des BMG im Bereich der Risikoforschung, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der AGRO-Gentechnik stehen. Zielsetzung muss auch hier primär die Findung weiterer Argumente gegen die Neuzulassung von GVOs sein.“

 

Der den Verhandlungen zu Grunde liegende Entschließungsantrag 474/A(E) der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen ist damit miterledigt.

 

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Franz Eßl gewählt.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft somit den Antrag, der Nationalrat wolle die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2012 05 30

                                       Franz Eßl                                                                           Jakob Auer

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann