1822 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Gesundheitsausschusses

über die Regierungsvorlage (1807 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Durchführung von ästhetischen Behandlungen und Operationen erlassen und das Ärztegesetz 1998 geändert wird

und

über den Antrag 1339/A(E) der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betref­fend bundesweite Qualitätsstandards für Schönheitsoperationen

Zu 1807 der Beilagen:

Der Wunsch, ästhetische Unzulänglichkeiten oder Altersveränderungen des Körpers zu beeinflussen, gewinnt in der Gesellschaft zunehmend an Bedeutung. Der vorliegende Gesetzentwurf soll die Rahmenbedingungen für ästhetische Behandlungen und Operationen ohne medizinische Indikation festlegen und damit zum Schutz und zur Sicherheit der Patientinnen und Patienten und zur einheitlichen Qualitätssicherung beitragen. Österreich ist das dritte europäische Land – nach Frankreich und Dänemark – mit einer derartigen gesetzlichen Regelung.

Schönheitsideale liegen in der subjektiven Wahrnehmung des einzelnen Menschen und ändern sich im Zeitablauf, in den Kulturen und Gesellschaften. Was im Rahmen gesellschaftlicher Normierung als schön gilt, kann in der „Herstellung“ für die solchermaßen „schön“ gemachten Menschen problematische gesundheitliche Folgen nach sich ziehen. Eine sorgfältige Indikationsstellung zu einem derartigen Eingriff ist von ebenso wesentlicher Bedeutung wie die fachgerechte Durchführung. Aus medizinischer, psychologischer und medizinethischer Sicht ist eine Anamnese unbedingt erforderlich, nicht zuletzt um eine Problematik der gestörten Wahrnehmung des eigenen Körpers („Body Dysmorphic Disorder“) auszuschließen. Der Hinweis auf Vielfalt und Individualität sowie das Prinzip, keinen Schaden zu verursachen, müssen die leitenden Werte einer ausgewogenen Beratung und Aufklärung im Vorfeld von ästhetischen Behandlungen und Operationen sein.

Die §§ 83 ff des Strafgesetzbuchs (StGB), BGBl. Nr. 60/1974, stellen Körperverletzung oder Schädigung an der Gesundheit unter Strafe. Allerdings gelten nach herrschender Lehre Eingriffe, die im Zuge einer Heilbehandlung vorgenommen werden, als nicht tatbestandsmäßig. Operationen, die am menschlichen Körper vorgenommen werden, um die Patientin (den Patienten) von psychischen oder physischen Beschwerden zu heilen, fallen daher nicht unter den Anwendungsbereich des Strafgesetzbuchs.

Medizinische – dazu zählen auch ästhetische chirurgische – Eingriffe, die nicht der Heilung dienen bzw. außerhalb des Begriffes der Heilbehandlung liegen, verwirklichen hingegen grundsätzlich den Tatbestand der Körperverletzung im Sinne des Strafgesetzbuchs und bedürfen somit zu ihrer Rechtfertigung des Unrechtsausschlusses durch Einwilligung der Patientin (des Patienten) gemäß § 90 StGB. Die Grenzen dieser Einwilligungsmöglichkeiten werden ebenfalls im § 90 StGB normiert: Das sogenannte „Sittenwidrigkeitskorrektiv“ knüpft eine Rechtfertigung nach § 90 Abs. 1 StGB über das Vorliegen einer wirksamen Einwilligung hinaus an die Bedingung, dass die „Verletzung oder Gefährdung als solche nicht gegen die guten Sitten verstößt“. Eine weitere Grenze der Rechtfertigung bildet das Verbot konkret lebensgefährlicher Eingriffe. § 90 Abs. 3 StGB unterwirft die Zustimmungsmöglichkeiten der (des) Einzelnen einer zusätzlichen Einschränkung. Obwohl diese Bestimmung vorrangig auf das Verbot von weiblicher Genitalverstümmlung abzielt, ist sie auch auf ästhetische Korrekturen des weiblichen und männlichen Genitale anwendbar. Hinsichtlich Veränderungen im Genitalbereich stellt § 90 Abs. 3 StGB eine „Lex Specialis“ dar und besagt, dass „in eine Verstümmelung oder sonstige Verletzung der Genitalien, die geeignet ist, eine nachhaltige Beeinträchtigung des sexuellen Empfindens herbeizuführen, nicht eingewilligt werden [kann].“ Gerade im Hinblick darauf kommt der Frage der Indikation und der Qualitätskriterien bei solchen Eingriffen besondere Bedeutung zu.

Auf Grund des Bundesministeriengesetzes 1986, BGBl. Nr. 76, in der geltenden Fassung, fällt der Schutz vor Gefahren für den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung sowie Regelungen über Angelegenheiten der Ärzte in die Zuständigkeit des Bundesministers für Gesundheit.

Näheres zu den einzelnen Bestimmungen ist dem Besonderen Teil der Erläuterungen zu entnehmen.

Zu 1339/A(E)

Die Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen haben den Entschließungsantrag 1339/A(E) am 17. November 2010 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Schönheitsoperationen scheinen immer beliebter und normaler zu werden. Diesen Eindruck erwecken jedenfalls Werbung und Medien. Offizielle Zahlen zu diesen Eingriffen gibt es in Österreich nicht. Schätzungen gehen von jährlich 30.000 - 50.000 Operationen aus, die ohne medizinische Notwendigkeit erfolgen. Am stärksten nachgefragt werden Lidkorrekturen, Brustvergrößerungen, Fettabsaugungen und Botox-Behandlungen. Etwa 80 bis 90 Prozent dieser medizinisch nicht indizierten Eingriffe werden an Frauen durchgeführt.

Das Wohl und der Schutz der PatientInnen sollte auch im Bereich der ästhetisch-plastischen Chirurgie im Zentrum stehen. Um eine möglichst hohe Qualität bei den sogenannten Schönheitsoperationen sicherstellen zu können, braucht es bundesweite Qualitätsstandards. Es muss für die PatientInnen klar ersichtlich sein, welche ÄrztInnen das beste Know-how für ästhetische Eingriffe bieten und in welchen Bereichen eine fächerübergreifende Zusammenarbeit die Qualität der Behandlung erhöht oder erst sicherstellt. Denn Schönheitsoperationen sind hochkomplexe medizinische Eingriffe, die ein bestimmtes Fachwissen, Erfahrung und auch eine entsprechende Infrastruktur voraussetzen.

Als ‚SchönheitschirurgIn‘ dürfen sich in Österreich alle ÄrztInnen bezeichnen, egal ob AllgemeinmedizinerIn oder Facharzt/Fachärztin für plastisch-ästhetische Chirurgie und auch unabhängig vom Umfang an einschlägiger praktischer Erfahrung auf diesem Gebiet. Für die PatientInnen besteht daher die Gefahr, dass diese Eingriffe von nicht ausreichend qualifizierten oder erfahrenen ÄrztInnen durchgeführt werden könnten. Deshalb wäre es sinnvoll, Mindestausbildungsstandards für ÄrztInnen je nach Komplexität und Risikogeneigtheit des Eingriffs konkret zu definieren.

Bei rein kosmetischen Eingriffen, die ohne medizinische Indikation vorgenommen werden, sollten die PatientInnen durch eine umfassende Aufklärung und der vorrangigen Anwendung des gelindesten Mittels bei der Behandlung, besonders geschützt werden. Insbesondere sollten die Risiken und Komplikationen, die mit einer Schönheitsoperation verbunden sind, im Rahmen eines Beratungs- bzw. Aufklärungsgesprächs offen und schonungslos benannt werden. Es muss auch über die Wirkungsdauer des Eingriffs, die voraussichtliche Dauer des Heilungsprozesses und Notwendigkeit nachfolgender Eingriffe gesprochen werden. Nicht unerwähnt bleiben dürfen auch die damit verbundenen finanziellen Belastungen und der Umfang an Urlaubstagen, der für die Heilungsphase nach dem Eingriff nötig sein wird.

Sowohl für die Beratung als auch die Aufklärung braucht es verpflichtende Mindeststandards. Denn auf eine umfassende Information und Aufklärung kann nicht verzichtet werden. Damit auch in Streitfällen vor Gericht nachvollziehbar ist, ob die ärztliche Beratung und Aufklärung gewissen Mindeststandards entsprochen hat, bedarf es einer sorgfältigen und nachweisbaren Dokumentation über die ordnungsgemäße Beratung und Aufklärung auch für die PatientInnen.“

Der Gesundheitsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage sowie den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 20. Juni 2012 in Verhandlung genommen. Als Berichterstatterin zur Regierungsvorlage 1807 der Beilagen fungierte Abgeordnete Renate Csörgits. Über den Entschließungsantrag 1339/A(E) berichtete Abgeordnete Mag. Judith Schwentner. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Wolfgang Spadiut, Dr. Andreas Karlsböck, Mag. Judith Schwentner, Dr. Kurt Grünewald, Dr. Sabine Oberhauser, MAS, Dr. Erwin Rasinger und Mag. Johann Maier sowie der Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf einstimmig beschlossen.

Mit dieser Beschlussfassung gilt der Entschließungsantrag 1339/A(E) der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend bundesweite Qualitätsstandards für Schönheitsoperationen als miterledigt.

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Renate Csörgits gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (1807 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2012 06 20

                                 Renate Csörgits                                               Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein

                                 Berichterstatterin                                                                           Obfrau