1942 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses

über die Regierungsvorlage (1911 der Beilagen): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Albanien über die Zusammenarbeit betreffend die Leihe von Gegenständen ihres beweglichen staatlichen Kulturerbes für Ausstellungen auf dem Staatsgebiet des jeweils anderen Staates

Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Albanien über die Zusammenarbeit betreffend die Leihe von Gegenständen ihres beweglichen staatlichen Kulturerbes für Ausstellungen auf dem Staatsgebiet des jeweils anderen Staates ist gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung des Protokolls im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch das Abkommen Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es überdies der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Durch die Änderung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und dem Ministerrat der Republik Albanien über die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Kultur, der Bildung und der Wissenschaft, BGBl. III Nr. 164/2006, wird ein Artikel über die Zusammenarbeit bei der wechselseitigen Leihe von Gegenständen des staatlichen Kulturerbes eingefügt. Darin wird der Abschluss eines Abkommens in Aussicht genommen, welches den völkerrechtlichen Rahmen für die wechselseitige Leihe bilden soll. Als Eckpunkte dieses Abkommens werden Immunitätsgarantien für die Leihgegenstände, deren unverzügliche Rückführung nach Ende der vereinbarten Ausstellungsdauer und die Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag für alle Streitigkeiten genannt. Mit dem vorliegenden Abkommen wird den Vorgaben des geänderten Kulturabkommens nachgekommen und die Zusammenarbeit betreffend die Leihe von staatlichem Kulturerbe durch Schaffung eines völkerrechtlichen Rahmens ermöglicht.

Nach geltendem Völkergewohnheitsrecht sind Zwangsmaßnahmen gegen ausländisches Staatsvermögen, das Bestandteil des kulturellen Erbes oder Bestandteil einer Ausstellung von wissenschaftlich, kulturell oder historisch bedeutsamen Gegenständen ist, nicht zulässig, es sei denn, die betroffenen Gegenstände stehen zum Verkauf oder sind zum Verkauf bestimmt. Diese Regel des Völkergewohnheitsrechts ist im Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit kodifiziert (vgl. insbesondere dessen Art. 21). Das Übereinkommen ist bislang mangels ausreichender Anzahl an Ratifikationen noch nicht in Kraft getreten. Während Österreich das Übereinkommen bereits ratifiziert hat (vgl. BlgNR RV 1161, XXII. GP), hat Albanien weder unterzeichnet noch ratifiziert. Es besteht die grundsätzliche Möglichkeit, dass im Anlassfall unterschiedliche Auffassungen über den Umfang und die Reichweite der einschlägigen Regeln des Völkergewohnheitsrechts zu Tage treten. Ferner verbietet das Völkergewohnheitsrecht im Lichte der derzeit herrschenden Ansicht der restriktiven staatlichen Immunität nicht, das Eigentum des anderen Staates in Frage zu stellen. In diesem Zusammenhang können auch gerichtliche Verfahren nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Verboten sind lediglich Zwangsmaßnahmen gegen das Kulturerbe im Eigentum des anderen Staates.

Völkerrechtsverletzungen können vor internationalen Gerichten wie dem IGH nur dann eingeklagt werden, wenn die Streitparteien die Zuständigkeit akzeptiert haben. Österreich hat eine Unterwerfungserklärung gemäß Art. 36 Abs. 2 des IGH-Status (vgl. BGBl. Nr. 249/1971) abgegeben und damit die Zuständigkeit des IGH im Verhältnis zu Staaten begründet, welche die gleiche Verpflichtung übernommen haben. Albanien hingegen hat keine solche Verpflichtung übernommen, weshalb zwischen Österreich und Albanien keine Zuständigkeit des IGH besteht, es sei denn sie wird – wie im vorliegenden Abkommen – gesondert vereinbart.

Aus diesen Gründen war es erforderlich, im Hinblick auf die geplante Zusammenarbeit zwischen Österreich und Albanien im Kulturbereich durch wechselseitige Leihe von staatlichem Kulturerbe die Immunität, das Eigentum und die Rückgabeverpflichtung in einem völkerrechtlichen Vertrag abzusichern und die Zuständigkeit des IGH für allfällige Streitigkeiten vorzusehen. Damit wird der völkerrechtliche Rahmen für die Leihe von besonders wertvollem oder symbolträchtigem Kulturerbe geschaffen, die ohne diese Rechtsgarantien möglicherweise nicht zustande kommen würde.

Um das dem Schutz des Abkommens unterliegende Kulturerbe klar zu identifizieren, ist eine ausdrückliche Bezeichnung des zu verleihenden Gegenstandes durch die verleihende Vertragspartei vorgesehen (vgl. Art. 2 Abs. 1). Die Leihe selbst wird nach den international üblichen Regeln durch Vereinbarungen oder privatrechtliche Verträge zwischen den zuständigen Institutionen abgewickelt (vgl. Art. 3). Allfällige Kosten einer konkreten Leihe werden in diesen Vereinbarungen oder Verträgen 1911 der Beilagen XXIV. GP - Staatsvertrag - Materialien 3 von 4 geregelt. Das hier vorliegende Abkommen schafft nur den völkerrechtlichen Rahmen für Leihen, die in weiterer Folge zu vereinbaren sind, und hat deshalb selbst keine finanziellen Auswirkungen. Erster Anlassfall für das Abkommen ist die Ausleihung der Skanderbeg-Objekte des Kunsthistorischen Museums nach Albanien anlässlich der 100-Jahr-Feiern Albaniens. Für eine allfällige andere hinkünftige Leihgabe nach Albanien wäre auf das dann jeweils zuständige Ressort und die jeweils zuständige Bundessammlung abzustellen.

Den Bundesministerien und den Bundesländern – gemäß Art. 10 Abs. 3 B-VG – wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, können insoweit berührt sein, als auch die Länder über Gegenstände des beweglichen Kulturerbes im Staatseigentum verfügen, die für eine Leihe im Rahmen dieses Abkommens in Frage kommen könnten.

Der gegenständliche Staatsvertrag hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat.

Der Staatsvertrag hat nicht politischen Charakter und ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 3 B-VG nicht erforderlich ist.

 

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG ist erforderlich, da Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

 

Der Außenpolitische Ausschuss hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 10. Oktober 2012 in Verhandlung genommen.

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

 

Der Außenpolitische Ausschuss vertritt weiters einstimmig die Auffassung, dass die Bestimmungen des Staatsvertrages zur unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich ausreichend determiniert sind, sodass sich eine Beschlussfassung des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 3 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages erübrigt.


 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

Der Abschluss des Staatsvertrages: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Albanien über die Zusammenarbeit betreffend die Leihe von Gegenständen ihres beweglichen staatlichen Kulturerbes für Ausstellungen auf dem Staatsgebiet des jeweils anderen Staates (1911 der Beilagen) wird gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG genehmigt.

Wien, 2012 10 10

                             Wolfgang Großruck                                                               Dr. Josef Cap

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann