Vorblatt

Problem:

Seit dem 1. Juni 2010 gilt die neue Verordnung (EU) Nr. 461/2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor (im Folgenden: Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 461/2010), ABl. Nr. L 129 vom 28.5.2010 S. 52, nur mehr für die Reparatur von Fahrzeugen. Auf den Vertrieb von Neufahrzeugen ist vorerst noch die alte Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 der Kommission vom 31.Juli 2002 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrags auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugssektor (im Folgenden: Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 1400/2002), ABl. Nr. L 203 vom 1.8.2002 S. 30, anzuwenden; ab dem 1. Juni 2013 gilt für den Neuwagenvertrieb die Verordnung (EU) Nr. 330/2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen (im Folgenden: Allgemeine Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 330/2010), ABl. Nr. L 102 vom 23.4.2010 S. 1.

Nach der mit 31. Mai 2013 endgültig außer Kraft tretenden Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 1400/2002 ist eine Freistellung nur möglich, wenn die zwischen Kfz-Herstellern und Händlern geschlossenen Vereinbarungen bestimmte Klauseln enthalten, die sich auf die Übertragung der Rechte und Pflichten eines Händlers auf einen anderen Händler desselben Netzes, auf Fristen für die Kündigung der Vereinbarung, auf die Dauer der Vereinbarung und auf Schiedsverfahren beziehen.

Ziel:

Ziel des Entwurfs ist es vor allem, die auf der auslaufenden Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 1400/2002 gegründeten Bestimmungen in bestehenden Vertriebsbindungsverträgen der Kfz-Branche durch zwingendes Zivilrecht abzusichern.

Inhalt:

Der Entwurf schlägt daher – aufbauend auf dem Geltungsbereich der Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 1400/2002 – zwingende Vertragsbestimmungen zugunsten von gebundenen Unternehmen vor.

Alternativen:

Theoretisch denkbar wäre eine Umsetzung des Ziels des Entwurfs auch durch Änderungen des Kartellgesetzes oder des Unternehmensgesetzbuches. Dem stehen aber systematische Überlegungen entgegen.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Die Umsetzung der vorgeschlagen Regeln stärkt klein- und mittelbetrieblich strukturierte Unternehmen und wird sich positiv auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort in Österreich auswirken.

Auswirkungen auf die Verwaltungskosten für BürgerInnen und für Unternehmen:

Der Entwurf beinhaltet eine zwingende Regelung über Regressansprüche des Händlers gegenüber Kfz-Herstellern hinsichtlich Gewährleistungs- und Garantieleistungen im Kfz-Bereich. Dadurch werden günstigere Bedingungen für die Inanspruchnahme dieser Leistungen für BürgerInnen und Unternehmen geschaffen.

Verwaltungskosten für Unternehmen:

Mit dem Entwurf werden Informationsverpflichtungen im Sinn des § 14a BHG weder eingeführt noch geändert.

Finanzielle Auswirkungen:

Der Entwurf führt zu keinen finanziellen Mehrbelastungen der Gebietskörperschaften.

Verhältnis zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Der Entwurf steht mit den Rechtsvorschriften der Europäischen Union in Einklang.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.


Allgemeiner Teil

1. Ziele des Entwurfs

Handel und Werkstätten beschäftigen in der Europäischen Union rund drei Millionen Mitarbeiter, die Fahrzeugindustrie 2,3 Millionen. Das österreichische Kraftfahrzeuggewerbe umfasst etwa 5.600 kleine und mittlere Unternehmen, dabei handelt es sich um markengebundene wie markenungebundene Handelsunternehmen und Werkstätten. Darüber hinaus sind Kraftfahrzeuge teure und technisch komplexe Waren, die Instandsetzung und Wartung in regelmäßigen und unregelmäßigen Zeitabständen erfordern.

Die Besonderheiten und die große volkswirtschaftliche Bedeutung des Kfz-Sektors haben zu besonderen Regelungen für den Kfz-Vertrieb im EU-Kartellrecht geführt. Bereits seit mehreren Jahrzehnten bestehen daher für den Kraftfahrzeugsektor spezifische Gruppenfreistellungsverordnungen, welche Art. 101 Abs. 3 des AEUV für bestimmte Gruppen von Vereinbarungen für nicht anwendbar erklären. Von dieser Tradition ist die Europäische Kommission aber mit ihren am 27. Mai 2010 erlassenen neuen Wettbewerbsvorschriften für den Vertrieb und für die Reparatur von Kraftfahrzeugen abgegangen. Seit dem 1. Juni 2010 gilt die neue Verordnung (EU) Nr. 461/2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor (im Folgenden: Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 461/2010), ABl. Nr. L 129 vom 28.5.2010 S. 52, nur mehr für die Reparatur von Fahrzeugen. Auf den Vertrieb von Neufahrzeugen ist vorerst noch die alte Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 der Kommission vom 31. Juli 2002 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrags auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugssektor (im Folgenden: Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 1400/2002), ABl. Nr. L 203 vom 1.8.2002 S. 30, in der Fassung der Akte über die Bedingung des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäischen Union begründenden Verträge – Anhang II: Liste nach Artikel 20 der Beitrittsakte – 5. Wettbewerbspolitik, ABl. Nr. L 236 vom 23.9.2003 S. 344, anzuwenden; ab dem 1. Juni 2013 gilt für den Neuwagenvertrieb die Verordnung (EU) Nr. 330/2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen (im Folgenden: Allgemeine Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 330/2010), ABl. Nr. L 102 vom 23.4.2010 S. 1.

Damit hat die Kommission von einer Fortführung der in Art. 3 der Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 1400/2002 enthaltenen händlerschützenden Regelungen Abstand genommen. Nach der bisherigen Gruppenfreistellungsverordnung ist eine Freistellung nur möglich, wenn die zwischen Kfz-Herstellern und Händlern geschlossenen Vereinbarungen bestimmte Klauseln enthalten, die sich auf die Übertragung der Rechte und Pflichten eines Händlers auf einen anderen Händler desselben Netzes, auf Fristen für die Kündigung der Vereinbarung, auf die Dauer der Vereinbarung und auf Schiedsverfahren beziehen. Diese Anforderungen gelten nur mehr für den Neuwagenvertrieb in der Übergangszeit bis 1. Juni 2013.

Diese Entwicklung haben die Interessensvertretungen der betroffenen Kfz-Betriebe zum Anlass genommen, die Übernahme der bisher im EU-Kartellrecht verankerten und in die Vertriebsbindungsverträge im Kfz-Bereich eingegangenen Schutzbestimmungen in das Zivilrecht zu fordern. Dabei ist es innerhalb der WKÖ zu einer Einigung der betroffenen Interessensgruppen gekommen, deren Umsetzung dieser Entwurf bezweckt.

2. Bisherige Vorbereitungsarbeiten

Das Bundesministerium für Justiz hat mit den betroffenen Fachorganisationen der Wirtschaftskammer Österreich die Umsetzung des Anliegens in mehreren Sitzungen erörtert und die Ergebnisse dieser Besprechungen diesem Entwurf zugrunde gelegt.

3. Inhalte des Entwurfs

Der Entwurf schlägt – aufbauend auf dem Geltungsbereich der Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 1400/2002 – zwingende Vertragsbestimmungen zugunsten von gebundenen Unternehmen vor, darunter das Erfordernis der Schriftlichkeit für die Kündigung von Vertriebsverträgen und eine zweijährige Kündigungsfrist, ein Rückverkaufsrecht für die der Vertriebsbindung unterliegenden Waren, die Möglichkeit der Übertragung der Rechte und Pflichten aus der Vertriebsbindungsvereinbarung an einen anderen gebundenen Unternehmer desselben Vertriebssystems, einen zwingenden Aufwandersatz für Garantieleistungen oder vertragliche Gewährleistungen, einen Anspruch auf die für Instandsetzung und Reparatur erforderlichen technischen Informationen zu angemessenen Bedingungen sowie eine Regelung zur außergerichtlichen Streitbeilegung nach dem Vorbild der Lösung, die mit dem Zivilrechts-Änderungsgesetz 2004, BGBl. I Nr. 91/2003 für die außergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten nach § 364 Abs. 3 ABGB gefunden wurde.

4. Alternativen

Von den bestehenden Regelungsalternativen scheidet eine Umsetzung des Anliegens über eine kartellrechtliche Regelung aus, weil das Kartellgesetz zivilrechtliche Fragen nicht regelt und eine Lösung über eine nationale Freistellungsverordnung wegen des Anwendungsvorrangs des EU-Kartellrechts ins Leere gehen würde. Dies schließt freilich nicht aus, dass die Anwendung der Bestimmungen über den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung in Einzelfällen zu ähnlichen Ergebnissen führen kann.

Ziel des Entwurfs ist es, Bestimmungen in bestehenden Vertriebsbindungsverträgen der Kfz-Branche, die bisher durch eine branchenspezifische EU-Verordnung vorgeben waren, durch zwingendes Zivilrecht abzusichern. Daraus ergibt sich ein auf diese Branche eingeschränkter Anwendungsbereich. Ein solcher Anwendungsbereich spricht auch gegen eine Regelung im Unternehmensgesetzbuch. Zwar wurde mit dem Budgetbegleitgesetz 2003 mit § 454 UGB unter Berufung auch auf die Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 1400/2002 eine Regelung zur Abgeltung fremdbestimmter Investitionskosten eingeführt. Der Gesetzgeber ging dabei aber davon aus, dass nicht allein auf den Kfz-Vertrieb abgestellt werden dürfte und führte in einem neuen Unterabschnitt des Vierten Buchs des (damals noch) HGB eine allgemein an Vertriebsbindungssysteme anknüpfende Regelung ein. Eine umfassende Kodifikation der betroffenen Vertragstypen wurde einer späteren Reform des HGB vorbehalten (59 BlgNR XXII. GP 303 f.)

5. Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort in Österreich:

Die vorgeschlagenen Maßnahmen dienen dem Schutz kleiner und mittlerer Unternehmen und wirken sich positiv auf die österreichische Wirtschaft aus, die eine relativ starke Kfz-Zuliefer- und Fertigungsindustrie, aber keine nationale Kfz-Markenindustrie hat. Klein- und mittelständischen Handels- und Werkstättenbetriebe stehen in Österreich bei allen marktrelevanten Kfz-Marken wirtschaftlich starken Unternehmen gegenüber, die Import, Großhandel und zum Teil auch Einzelhandel betreiben und in vielen Fällen Tochterunternehmen von Herstellerunternehmen sind (I H S – Hanreich/Kuschej, Wettbewerbsbedingungen für die Kfz-Wirtschaft in Europa).

6. Zuständigkeit

Die Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung und Vollziehung beruht auf dem Kompetenztatbestand „Zivilrechtswesen“ (Art. 10 Abs. 1 Z 6 B‑VG).


Besonderer Teil

Zu § 1:

Bei der Formulierung des Geltungsbereichs orientiert sich der Entwurf zunächst am Geltungsbereich der Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 1400/2002 (Art. 2 Abs. 1, Erwägungsgrund 3). Die Begriffe „Personenkraftwagen“ und „leichte Nutzfahrzeuge“ sind im Sinn des Art. 1 Abs. 1 lit. o und p der Verordnung zu verstehen. Für die Definition der „Vertriebsbindungsvereinbarung“ greift er auf die Definition der „vertikalen Vertriebsbindung“ nach § 30a des (aufgehobenen) Kartellgesetzes 1988 zurück.

Zu § 2:

§ 2 übernimmt den Regelungsgehalt des § 2 KSchG.

Dabei geht es zum einen um die Klarstellung, dass das Gesetz Regelungen unberührt lässt, nach denen die von ihm vorgesehenen Rechtsfolgen in anderen Fällen eintreten. Zu denken wäre dabei etwa an die kartellrechtliche Aufsicht über marktmächtige Unternehmen, die ebenfalls zur Unwirksamkeit benachteiligender Vertragsklauseln führen kann. Überdies steht bis 1. Juni 2013 die Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 1400/2002 mit vergleichbaren händlerschützenden Regelungen in Kraft.

Der zweite Absatz bringt den Zweck des Gesetzes zum Ausdruck, einseitig zwingendes Recht zugunsten gebundener Unternehmen zu schaffen.

Zu § 3:

Zu Abs. 1:

Art. 3 Abs. 4 der Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 1400/2002 gewährt die Freistellung nur, wenn die Vertriebsbindungsvereinbarung für die Kündigung durch den Lieferanten die Schriftform vorsieht. Für unbefristete Verträge soll gemäß Art. 3 Abs. 5 lit. b eine zweijährige Kündigungsfrist vereinbart werden, die aber im Fall eines Investitionsersatzes oder bei der Notwendigkeit der Umstrukturierung des Vertriebsnetzes auf ein Jahr verkürzt werden kann.

Die Branche hat sich für das Erfordernis der Schriftlichkeit und eine zweijährige Kündigungsfrist ausgesprochen; die einjährige Kündigungsfrist bei Umstrukturierungen soll auch beibehalten werden. Für eine gesetzliche Mindestlaufzeit befristeter Verträge nach dem Vorbild des Art. 3 Abs. 5 lit. a der Verordnung sieht sie aber ebenso wenig einen Bedarf wie für eine Einbeziehung gebundener Unternehmen mit Gebietsschutz. Von dieser Regelung bleibt die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung unberührt, wenn einem Vertragsteil die Aufrechterhaltung des Vertrags aus wichtigen Gründen unzumutbar ist. Ein solcher wichtiger Grund liegt vor, wenn die Interessen eines Vertragsteils durch das Festhalten am Vertrag gefährdet wären, so etwa bei Untätigkeit oder grober Unverlässlichkeit des Vertragspartners.

Zu Abs. 2:

Abs. 2 über das Rückverkaufsrecht des gebundenen Unternehmers hat kein Äquivalent in der Gruppenfreistellungsverordnung. Der Entwurf greift aber auch hier auf das Einvernehmen innerhalb der Kfz-Branche zurück, die einvernehmlich davon ausgeht, dass der gebundene Unternehmer im Fall der Auflösung des Vertragsverhältnisses nicht auf Waren und Ausrüstung „sitzen bleiben“ soll, die er vom gebundenen Unternehmer bezogen hat.

Zu § 4:

Art. 3 Abs. 3 der Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 1400/2002 macht die Freistellung davon abhängig, dass dem gebundenen Unternehmen das vertragliche Recht eingeräumt wird, die aus der vertikalen Vereinbarung erwachsenden Rechte und Pflichten auf einen anderen Händler bzw. eine andere Werkstatt desselben Vertriebssystems zu übertragen. Die Branche hat für die Übernahme dieser Möglichkeit plädiert. Dabei hat sie zunächst gefordert, dass dem bindenden Unternehmer ein Einspruchsrecht in denjenigen Fällen zustehen sollte, in denen infolge der Unternehmensübertragung an große Unternehmen ein hoher Konzentrationsgrad entstehen könnte, wobei hierüber ein Schiedsgericht entscheiden sollte. Diese Einschränkung erscheint aber problematisch, wird damit doch die kartellrechtliche Zusammenschlusskontrolle angesprochen, die nicht Schiedsgerichten übertragen werden kann. Daher soll einerseits die Möglichkeit der Übertragung nicht in diese Richtung eingeschränkt werden.

 

Andererseits wird wohl – auch im Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 3 der Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 1400/2002 – davon auszugehen sein, dass ein wichtiger Grund, der den gebundenen Unternehmer zur vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses berechtigen würde, auch dazu führen muss, dass der bindende Unternehmer sich einer Übertragung der vertraglichen Rechte und Pflichten erfolgreich widersetzen kann. Der Entwurf nimmt diese Einschränkung – über den Wortlaut des Art. 3 Abs. 3 der Verordnung hinaus – auch ausdrücklich in den Text der Bestimmung auf. Dabei können die Vertragsparteien selbstverständlich für einen Streit über das Bestehen eines solchen „wichtigen Grundes“ ein Schiedsverfahren vereinbaren.

Zu § 5:

Mit der Umsetzung der Richtlinie 1999/44/EG zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (im Folgenden: Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie), ABl. Nr. L 171 vom 7.7.1999 S. 12, durch das Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetz hat der österreichische Gesetzgeber in § 933b ABGB eine Regelung über das Verhältnis zwischen einem Letztverkäufer und dessen Vormann eingeführt. Diese Bestimmung sieht auf der Grundlage des Art. 4 der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie besondere Gewährleistungsvorschriften vor. Sie sind – da es um unternehmerische Verträge geht – allerdings nicht zwingend und können von den Parteien im Rahmen der allgemeinen Grenzen (§ 879 Abs. 1 und 3 ABGB) abbedungen werden. In zahlreichen Verhandlungen zwischen Händler- und Herstellervertretern war es lange nicht möglich, ein Einvernehmen darüber zu erzielen, welche Vergütung die Betreiber von Kfz-Werkstätten für Gewährleistungs- und Garantieleistungen erhalten sollen. Die nunmehrige Einigung innerhalb der Branche hat aber auch für diese Frage eine Lösung dahingehend gebracht, dass der gebundene Unternehmer gegenüber dem bindenden Unternehmer Anspruch auf Ersatz des mit den Leistungen verbundenen notwendigen und nützlichen Aufwands haben soll. Es geht also um zwingenden Aufwandersatz; ein Gewinnaufschlag kann unter dem Titel des Aufwandersatzes nicht zugesprochen werden.

Der Aufwand soll einerseits für Garantieleistungen oder Gewährleistungen ersetzt werden, die der Händler aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung gegenüber dem Hersteller erbringt (etwa weil eine Herstellergarantie überbunden wurde oder Gewähr für bei einem anderen gebundenen Unternehmer des Vertriebssystems gekaufte Kfz oder Ersatzteile geleistet wurde). Andererseits soll auch der gesetzliche Gewährleistungsanspruch abgesichert werden, der dem Händler zusteht, wenn er einem Verbraucher wegen eines Mangels Gewähr geleistet hat, der bereits bei Auslieferung an den Händler vorlag.

Die Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 1400/2002 selbst enthält keine Verpflichtung zu vertraglichen Regelungen über den Gewährleistungsrückgriff oder den Rückgriff für Garantie- oder Kundendienstleistungen, zu denen der gebundene Unternehmer aufgrund des Vertriebsbindungsvertrags verpflichtet ist. Allerdings geht etwa aus Erwägungsgrund 17 hervor, dass Verbraucher die Möglichkeit haben müssen, sich mit ihren Gewährleistungs- und Kundendienstanliegen entweder an eine zugelassene Werkstatt oder den Händler zu wenden. Damit Kfz-Händler an Endverbraucher überall im Gemeinsamen Markt verkaufen können, sollte die Freistellung überdies nur für Vertriebsvereinbarungen gelten, in denen die dem Netz des Lieferanten angeschlossenen Werkstätten verpflichtet werden, Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten für Vertragswaren und ihnen entsprechende Waren unabhängig vom Verkaufsort dieser Waren im Gemeinsamen Markt auszuführen. Diese Grundwerte werden weiterhin Bedeutung haben.

Zu § 6:

Gemäß Art. 4 Abs. 2 der Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 1400/2002 gilt die Freistellung nicht, wenn der Kfz-Lieferant unabhängigen Marktbeteiligten den Zugang zu den für die Instandsetzung und Wartung seiner Kraftfahrzeuge oder für Umweltschutzmaßnahmen erforderlichen technischen Informationen, Diagnose- und anderen Geräten und Werkzeugen nebst einschlägiger Software oder die fachliche Unterweisung verweigert. Auch die Randziffern 62 bis 68 der Ergänzenden Leitlinien für vertikale Beschränkungen in Vereinbarungen über den Verkauf und die Instandsetzung von Kraftfahrzeugen und den Vertrieb von Kraftfahrzeugersatzteilen (ABl. 28.5.2010, C 138/16) setzen voraus, dass die Kfz-Lieferanten ihren zugelassenen Werkstätten die gesamten technischen Informationen zur Verfügung stellen, die für die Instandsetzung und Wartung von Kfz ihrer Marken erforderlich sind, und stellen klar, dass auch nach Auslaufen der Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 1400/2002 eine Diskriminierung unabhängiger Markteilnehmer unzulässig ist.

Auch die Branche erachtet einen unverzichtbaren Anspruch eines gebundenen Unternehmers auf Zugang zu technischen Informationen zu angemessenen Bedingungen für notwendig. § 6 des Entwurfs greift dieses Anliegen auf, wobei selbstverständlich die entsprechenden Ansprüche unabhängiger Marktteilnehmer unberührt bleiben. Sie werden nur deswegen in § 6 nicht aufgenommen, weil dies nicht zur Systematik des Gesetzes passen würde. Ein Gegenschluss kann daraus nicht gezogen werden.

Zu § 7:

Art. 3 Abs. 6 der Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 1400/2002 macht die Freistellung davon abhängig, dass in der vertikalen Vereinbarung für jede der Vertragsparteien das Recht vorgesehen ist, bei Meinungsverschiedenheiten über die Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtung einen unabhängigen Sachverständigen oder einen Schiedsrichter anzurufen.

Der Entwurf greift in dieser Hinsicht auf die Lösung zurück, die mit dem Zivilrechts-Änderungsgesetz 2004, BGBl. I Nr. 91/2003 für die außergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten nach § 364 Abs. 3 ABGB gefunden wurde.