Vorblatt

Problem:

Neue Entwicklungen im Strafvollzug (Videoüberwachung von Anstalten, Entsendung von Strafvollzugsbediensteten in das Ausland) sind im Gesetz zum Teil noch nicht ausreichend verankert. Der Vollzug wird laufend vor neue Herausforderungen und Probleme gestellt (z. B. im Rahmen der Bewilligung des Vollzugs durch elektronisch überwachten Hausarrest und im Bereich der Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecher).

Inhalt und Ziele:

Der vorliegende Entwurf verfolgt daher das Ziel, die Rechtsgrundlage für neue Entwicklungen im Strafvollzug zu schaffen und die Bestimmungen des Strafvollzugs an die neuen Fragen und Problembereiche der Gegenwart anzupassen. Im Zusammenhang mit dem Widerruf der bedingten Entlassung aus dem unbedingten Teil einer Freiheitsstrafe und der bedingten Nachsicht des anderen Strafteiles schlägt der Entwurf die Behebung eines Redaktionsversehens betreffend die Zuständigkeit vor.

Alternativen:

Keine

Auswirkungen des Regelungsvorhabens:

- Finanzielle Auswirkungen:

Die Schaffung justizinterner Betreuungsplätze für zurechnungsunfähige geistig abnorme Rechtsbrecher in dafür besonders bestimmten Außenstellen von Justizanstalten soll zu einer Ausgabenersparnis führen. Im Übrigen werden allfällige mit dem Gesetzentwurf verbundene Mehrkosten in dem für das Justizressort vorgegebenen Budgetrahmen bedeckt.

- Wirtschaftspolitische Auswirkungen:

- - Auswirkungen auf die Beschäftigungslage und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Im Hinblick auf das weitgehende Fehlen konkreter Außenwirkungen lassen die geplanten Adaptierungen praktisch keine Auswirkungen auf die Beschäftigungslage in Österreich oder auf den Wirtschaftsstandort Österreich erwarten.

- - Auswirkungen auf die Verwaltungslasten für Bürger/innen und für Unternehmen:

Es sind keine Informationsverpflichtungen für Bürger/innen oder Unternehmen vorgesehen.

- Auswirkungen in umweltpolitischer Hinsicht, insbesondere Klimaverträglichkeit:

Das Regelungsvorhaben ist nicht klimarelevant.

- Auswirkungen in konsumentenschutzpolitischer sowie sozialer Hinsicht:

Keine

- Geschlechtsspezifische Auswirkungen:

Keine

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Der vorliegende Entwurf berührt nicht das Recht der Europäischen Union.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine


Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Allgemeines:

Mit dem vorliegenden Entwurf sollen bestehende Regelungen angepasst und neue gesetzliche Grundlagen (z. B. für die Videoüberwachung von Anstalten und die Entsendung von Strafvollzugsbediensteten in das Ausland) geschaffen werden. Außerdem soll bestehenden Forderungen der Praxis nachgekommen werden. Die Bewilligungsvoraussetzungen und das Verfahren über den Vollzug einer Freiheitsstrafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrests als Reaktion auf zuletzt bekannt gewordene Fälle, in denen wegen einer Straftat gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung Verurteilten durch Entscheidungen der unabhängigen Gerichtsbarkeit die Vollzugsform des elektronisch überwachten Hausarrests gewährt wurde, im Sinne der Feststellung des Justizausschusses in seinem Bericht, 839 d.B., wonach zufolge der gesetzlichen Kautelen die Elektronische Aufsicht für Personen, die eine Straftat gegen die geschlechtliche Selbstbestimmung begangen haben, nur in seltenen Fällen überhaupt in Betracht zu ziehen ist, sowie des in der Entschließung des Nationalrates vom 9. Juli 2010 betreffend Evaluierung des Strafvollzugs durch elektronisch überwachten Hausarrest, 118/E zum Ausdruck gebrachten Anliegens des Opferschutzes geändert werden. Weiters soll in allen Fällen des elektronisch überwachten Hausarrests durch die Ansiedelung der Entscheidungskompetenz ausnahmslos bei den Vollzugsbehörden erster Instanz der Rechtszug an die Vollzugskammer gewährleistet werden. Im Zusammenhang mit dem Widerruf der bedingten Entlassung aus dem unbedingten Teil einer Freiheitsstrafe und der bedingten Nachsicht des anderen Strafteiles schlägt der Entwurf die Behebung eines Redaktionsversehens betreffend die Zuständigkeit vor.

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:

1.      Anpassung des StVG an das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 (§§ 16 Abs. 2 Z 10, 133a StVG)

2.      Beseitigung eines Redaktionsversehens betreffend die Zuständigkeit für den gemeinsamen Widerruf der bedingten Nachsicht des Teiles einer Freiheitsstrafe und der bedingten Entlassung aus dem nicht bedingt nachgesehenen Teil dieser Freiheitsstrafe (§§ 16 Abs. 2 Z 12, 152 Abs. 4, 179 Abs. 2 StVG, §§ 494 Abs. 1, 495 Abs. 1 StPO)

3.      gesetzliche Verankerung der Ersatzpflicht der Strafgefangenen für mit der Nutzung einer gewährten Vergünstigung verbundene Betriebskosten (§ 24 Abs. 3a)

4.      Präzisierung der zeitlichen Grenzen des Ausganges (§147 Abs. 1 StVG)

5.      Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Videoüberwachung in den Anstalten (§ 102b StVG)

6.      Schaffung einer gesetzlichen Grundlage im Strafvollzugsrecht für die Anwendung von Zwangsbefugnissen durch österreichische Strafvollzugsbedienstete, die im Zuständigkeitsbereich der Bundesministerin für Justiz nach dem KSE-BVG zur Durchführung von Exekutivtätigkeiten in das Ausland entsendet werden (§ 106a StVG)

7.      Änderung der Bewilligungsvoraussetzungen und des Verfahrens über den Vollzug einer Freiheitsstrafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrests für wegen einer Straftat gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung Verurteilte (§§ 156c Abs. 1, 156d Abs. 3 StVG)

8.      Ansiedelung der Entscheidungskompetenz über den elektronisch überwachten Hausarrest ausnahmslos bei den Vollzugsbehörden erster Instanz (§ 156d Abs. 1 StVG) zur Gewährleistung des Rechtszuges an die Vollzugskammer

9.      Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für den Vollzug der Unterbringung zurechnungsunfähiger geistig abnormer Rechtsbrecher in dafür besonders bestimmten Außenstellen von Strafvollzugsanstalten (§ 158 Abs. 1 StVG)

10.    Erleichterung von Vollzugsortänderungen, sowohl beim Vollzug von Freiheitsstrafen als auch von Untersuchungshaft (§§ 10 Abs. 2 StVG, § 183 Abs. 3 und 4 StPO, 36 Abs. 2 JGG)

11.    Klarstellung der Regelung des Vollzugskostenbeitrages Jugendlicher und dem Jugendstrafvollzug unterstellter Erwachsener (§ 60 JGG)

12.    Einsparungen bei der Entschädigung ehrenamtlicher Bewährungshelfer (§ 12 Abs. 4 bis 6 BewHG) und Flexibilisierung der Einsatzmöglichkeiten hauptamtlicher Bewährungshelfer (§ 17 Abs. 3 BewHG)

Finanzielle Auswirkungen:

Die Änderungen der Bewilligungsvoraussetzungen werden zu einer zahlenmäßig nicht ins Gewicht fallenden Reduktion der Fälle des Strafvollzugs in Form des elektronisch überwachten Hausarrests und einer damit einhergehenden eben so geringfügigen Erhöhung der Belagszahlen der Justizanstalten einhergehen (die nach der Höhe der ausgesprochenen Freiheitsstrafe in Betracht kommende Population wird die Zahl von 50 Personen nicht übersteigen), wobei die Mehraufwendungen im Vollzugsbereich des Bundesministeriums für Justiz aus dessen Budget bedeckt werden. Gleiches gilt für die Mehraufwendungen im Bereich der Kosten für die psychosoziale Prozessbegleitung der im § 156d Abs. 3 StVG genannten Opfer; berücksichtigt man, dass zum 1. August in Österreich 593 Menschen wegen eines Sexualdelikts angehalten waren, davon rund 330 in Strafhaft und 260 in einer Maßnahme nach § 21 Abs. 1 oder 2 StGB und betrachtet man, dass davon 24,38% eine Strafdauer zwischen 1 und 3 Jahren aufweisen, so können die zusätzlichen Kosten einer psychosozialen Prozessbegleitung (in der Höhe von 66 Euro/Stunde) jedenfalls aus dem Budget des Bundesministeriums für Justiz bedeckt werden.

Die Schaffung justizinterner Betreuungsplätze für zurechnungsunfähige geistig abnorme Rechtsbrecher in dafür besonders bestimmten Außenstellen von Justizanstalten soll zu einer Ausgabenersparnis führen. Mit 1. Jänner 2010 waren infolge der Vollbelegung der Justizanstalt Göllersdorf bereits rund 63 % aller zurechnungsunfähigen geistig abnormen Rechtsbrecher in psychiatrischen Krankenanstalten untergebracht, wofür Kosten in Höhe von bis zu 624 Euro pro Tag und Insassen gegenüber rund 162 Euro in der Justizanstalt Göllersdorf anfielen (vgl. dazu den Bericht des Rechnungshofes Reihe Bund 2010/11, Seite 12f). Durch die Änderung der Bestimmungen über die Entschädigung ehrenamtlicher Bewährungshelfer soll die Beibehaltung des qualitativen Standards der Bewährungshilfe ohne Erhöhung der Ausgaben gewährleistet werden. Allfällige mit dem Gesetzentwurf verbundene Mehrkosten werden in dem für das Justizressort vorgegebenen Budgetrahmen bedeckt.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Strafrechtswesen).

Zu den einzelnen Bestimmungen

Zu Artikel 1 (Änderung des Strafvollzugsgesetzes)

Zu Z 1 (§ 9 Abs. 4 StVG):

Aufgrund organisatorischer Änderungen im örtlichen Aufbau der Strafvollzugsbehörden erster Instanz wurde die dem Landesgericht Steyr als landesgerichtliches Gefangenenhaus vormals zugeordnete Justizanstalt Steyr als solche aufgelassen und dient nur mehr als Außenstelle der Strafvollzugsanstalt Garsten, wo ausschließlich erwachsene Männer angehalten werden. Im Hinblick darauf und um den organisatorischen Aufwand durch andernfalls erforderliche Überstellungen und Vollzugsortsänderungen gering zu halten, wird für Verurteilte mit Wohnsitz im Sprengel des Landesgerichtes Steyr einheitlich die örtliche Zuständigkeit für die Einleitung des Strafvollzuges und den Vollzug von Freiheitsstrafen bis zu 18 Monaten an das im benachbarten Landesgerichtssprengel befindliche Gefangenenhaus Linz übertragen.

Zu Z 2 (§ 10 Abs. 2 StVG):

Gemäß § 9 Abs. 2 StVG sind Freiheitsstrafen deren Strafzeit drei Monate nicht übersteigt, grundsätzlich in Gefangenenhäusern zu vollziehen. § 10 Abs. 2 StVG sieht wiederum vor, dass derartige Freiheitsstrafen (nur) dann in Strafvollzugsanstalten vollzogen werden dürfen, wenn der Verurteilte damit einverstanden ist.

In der Vergangenheit wurden mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2008 (BGBl. I. Nr. 109/2008) im Bereich des materiellen Strafrechtes (§ 46 StGB bedingten Entlassung) und des Strafvollzuges (§ 3a StVG - Erbringung gemeinnütziger Leistungen statt Ersatzfreiheitsstrafe; § 133a StVG - Vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen Aufenthaltsverbotes) ebenso wie auch mit der durch BGBl. I Nr. 64/2010 eingeführten Strafvollzugsform des elektronisch überwachten Hausarrestes wiederholt haftentlastende Maßnahmen gesetzt. Ungeachtet dessen ist die Vollzugsverwaltung vor allem im Osten des Bundesgebietes und hier insbesondere in der Bundeshauptstadt abermals mit einem steten Anstieg des Insassenstandes vor allem im Bereich der gerichtlichen Gefangenhäuser konfrontiert.

Bereits in den 1990-er Jahren waren derartige Entwicklungen Gegenstand legistischer Maßnahmen. (BGBl Nr. 454/1990 und BGBl Nr. 467/1992 verlängert mit BGBl Nr. 528/1993 bis 31.07.1995). Danach konnten Freiheitsstrafen, deren Strafzeit drei Monate nicht übersteigt auch ohne Zustimmung des verurteilten Rechtsbrechers in Strafvollzugsanstalten vollzogen werden, wenn dies dem Verurteilten nach seinen persönlichen Verhältnissen und unter Berücksichtigung der Entfernung zwischen seinem Wohnsitz oder Aufenthalt (§ 9 Abs 3 StVG) und der Strafvollzugsanstalt nicht unzumutbar war. Angesichts der zum damaligen Zeitpunkt bereits in Angriff genommenen aber noch nicht abgeschlossenen die Belagssituation entlastenden Baumaßnahmen, wurde diese Regelung bis zum Abschluss derselben zeitlich beschränkt in Kraft gesetzt.

Abgesehen davon, dass in der gegenwärtigen Haushaltssituation für bauliche Entlastungsvorhaben kein budgetärer Spielraum besteht, können Strafvollzugsanstalten wegen ihrer ausschließlich dem Vollzug von Freiheitsstrafen gewidmeten und in der Zwischenzeit verdichteten Infrastruktur entsprechend attraktive Resozialisierungsangebote bieten. Insofern erscheint der Vollzug einer Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten in einer Strafvollzugsanstalt auch ohne Zustimmung unter den der vormaligen Rechtslage vergleichbaren Vorraussetzungen vertretbar. Bei der Prüfung der Unzumutbarkeit wird – ungeachtet der verhältnismäßigen Kürze der Strafzeit – insbesondere auf die Besuchsmöglichkeiten im Einzelfall abzustellen sein. Ist anzunehmen, dass der Verurteilte von seinem Wohnsitz oder Aufenthaltsort aus besucht wird, wird der Vollzug in einer Strafvollzugsanstalt etwa dann als unzumutbar anzusehen sein, wenn der Verurteilte aufgrund deren größerer Entfernung von seinem Wohnsitz bzw. Aufenthalt mit einer erheblichen Verringerung der Besuchshäufigkeit rechnen müsste.

In jedem Fall muss aber sichergestellt sein, dass mit dem Vollzug einer derartigen Freiheitsstrafe keine Beeinträchtigung der Vollzugsziele (§ 20 StVG) insgesamt zu besorgen ist. Dies wird in der Regel das Erfordernis einer gesonderten, der Anhaltung in einem gerichtlichen Gefangenenhaus vergleichbaren Unterbringung (Freiheitsstrafe bis 18 Monate) begründen.

Zu Z 3und 11 bis 16 (§§ 16 Abs. 2 Z 10, 133a StVG):

§ 133a nimmt Bezug auf das Bestehen eines fremdenpolizeilichen Aufenthaltsverbotes iSd FremdenpolG 2005. Mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 (BGBl. I Nr. 38/2011) gehen auch Änderungen im Bereich des Aufenthaltsverbotes einher. Das Aufenthaltsverbot gibt es zwar weiterhin, allerdings mit eingeschränktem Anwendungsbereich, während im Übrigen andere Begriffe zur Verfügung stehen. Mit den vorgeschlagenen Änderungen sollen die §§ 16 Abs. 2 Z 10 und 133a an die neuen Regelungen im Fremdenrecht angepasst werden.

Zu Z 4, 18 und 23 (§§ 16 Abs. 2 Z 12, 152 Abs. 4, 179 Abs. 2 StVG)

§ 16 Abs. 2 Z 12:

Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2008 (BGBl I Nr. 109/2007) wurde die Möglichkeit der bedingten Entlassung aus dem nicht bedingt nachgesehenen Teil einer teilbedingten Freiheitsstrafe in den Rechtsbestand eingefügt und der gemeinsame Widerruf der bedingten Nachsicht des Teiles einer Freiheitsstrafe und der bedingten Entlassung aus dem nicht bedingt nachgesehenen Strafteil normiert (§§ 53 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 zweiter Satz StGB).

Durch ein redaktionelles Versehen wurde mit dem StRÄG 2008 keine Vorsorge für jene Fälle getroffen, in denen für den Widerruf der bedingten Entlassung aus dem nicht bedingt nachgesehenen Teil einer Freiheitsstrafe und jenen der bedingten Strafnachsicht verschiedene Gerichte, zumindest aber unterschiedliche funktionell zuständige Spruchkörper entscheidungsbefugt sind, was die vom Gesetz geforderte gemeinsame Entscheidung im Sinne des § 53 Abs. 1 zweiter Satz StGB ausschließt (vgl. OGH 6. Mai 2011, 12 Os 26/10f, EvBl-LS 2010/146). Dies betrifft einerseits den Fall, dass ein gemeinsamer Widerruf aus Anlass einer neuen Verurteilung durch das hiezu nach § 494a StPO berufene Gericht aus verfahrenstechnischen Gründen nicht möglich oder gemäß § 494a Abs. 2 erster Satz StPO gänzlich ausgeschlossen ist, sowie andererseits die Fälle des Widerrufs aus den Gründen des ersten Satzes des § 53 Abs. 2 StGB (mutwilliges Nichtbefolgen einer Weisung trotz förmlicher Mahnung, beharrliche Entziehung aus dem Einfluss des Bewährungshelfers). In den genannten Konstellationen ist nach der geltenden Rechtslage für den Widerruf der bedingten Strafnachsicht das nach § 495 Abs. 1 StPO zu befassende Urteilsgericht, für jenen der bedingten Entlassung das Vollzugsgericht (§ 16 Abs. 1, Abs. 2 Z 12 StVG) oder ‑ in den Fällen des § 179 Abs. 1 StVG ‑ das Gericht, in dessen Sprengel der Verurteilte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nimmt, zuständig. Ein gemeinsamer Widerruf im Sinne des § 53 StGB ist derzeit nur möglich, wenn dieser aus Anlass einer neuen Verurteilung durch das nach § 494a StPO zuständige Gericht erfolgt. Dieses redaktionelle Versehen soll nun beseitigt werden.

In diesem Zusammenhang schlägt der Entwurf für die Fälle, in denen eine bedingte Entlassung aus dem nicht bedingt nachgesehenen Teil einer teilbedingten Freiheitsstrafe erfolgt, eine Übertragung der Zuständigkeit für den bedingt nachgesehenen Strafteil auf das Vollzugsgericht vor. Dieses soll für die Entscheidung über Weisungen und Bewährungshilfe bezüglich des bedingt nachgesehenen Strafteiles, den Widerruf der bedingten Strafnachsicht sowie den Ausspruch, dass die bedingte Nachsicht des Strafteiles endgültig geworden ist, zuständig sein. Die Bündelung der Zuständigkeit für die gesamte Sanktion beim Vollzugsgericht erscheint vor allem deshalb sachgerecht, weil dieses durch die vor der Entscheidung über die bedingte Entlassung zu tätigenden Erhebungen (vgl. § 152) über neuere Informationen betreffend die Entwicklung des Verurteilten als beispielsweise das Urteilsgericht (§ 495 Abs. 1 StPO) verfügt. Um Doppelgleisigkeiten in der Überwachung des bedingt nachgesehenen Strafteiles und eine neuerliche Zuständigkeitsverlagerung zu vermeiden, soll nach erfolgter bedingter Entlassung aus dem nicht bedingt nachgesehenen Teil einer teilbedingten Freiheitsstrafe das Vollzugsgericht auch aussprechen, dass die bedingte Nachsicht des Strafteiles endgültig geworden ist. Dies erscheint insofern zweckmäßig, als das Vollzugsgericht bereits de lege lata für die bedingte Entlassung, den Widerruf der bedingten Entlassung und den Ausspruch, dass die Entlassung endgültig geworden ist, zuständig ist.

§ 179 Abs. 2:

In den Fällen, in denen aus Anlass einer neuen Verurteilung über den Widerruf der bedingten Nachsicht des Teiles einer Freiheitsstrafe und der bedingten Entlassung aus dem nicht bedingt nachgesehenen Strafteil zu entscheiden ist, soll weiterhin primär das nach Maßgabe des § 494a StPO zuständige Gericht über den gemeinsamen Widerruf entscheiden, damit dieses Gericht eine „Gesamtregelung“ über die noch offenen bedingten Unrechtsfolgen aus allen Entscheidungen treffen kann. In diesem Sinne soll in § 179 Abs. 2 die Kompetenz des über die Folgetat erkennenden Gerichts auf die Entscheidung über den Widerruf der bedingten Nachsicht des Teiles einer teilbedingten Freiheitsstrafe ausgedehnt werden, wenn der Widerrufsgrund einer neuen Verurteilung vorliegt. Ist eine Entscheidung durch das nach § 494a StPO berufene Gericht hingegen nicht möglich, soll es bei der Zuständigkeit des gemäß § 16 Abs. 2 Z 12 zuständigen Gerichts bleiben.

§ 152 Abs. 4:

Zusätzlich zur Verankerung der Zuständigkeit des Vollzugsgerichts soll ein neuer § 152 Abs. 4 Verfahrensbestimmungen zur Vorgangsweise bei der bedingten Entlassung aus dem nicht bedingt nachgesehenen Strafteil einer teilbedingten Freiheitsstrafe enthalten. Wird dem Verurteilten ein Teil der Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen und später bei der bedingten Entlassung aus dem nicht bedingt nachgesehenen Strafteil eine Weisung erteilt oder Bewährungshilfe angeordnet, die bei der bedingten Nachsicht noch nicht erteilt bzw. angeordnet wurde, sprach der Oberste Gerichtshof jüngst aus, dass ein gemeinsamer Widerruf im Sinne des § 53 StGB nicht in Betracht komme, weil die vorliegenden Widerrufsgründe (§ 53 Abs. 2 erster Satz StGB) ausschließlich die bedingte Entlassung aus dem nicht bedingt nachgesehenen Strafteil betreffen würden und daher keinesfalls auch den Widerruf der bedingten Nachsicht des anderen Teiles der Freiheitsstrafe rechtfertigen könnten (OGH 16. November 2010, 14 Os 138/10s).

Da der bedingt nachgesehene Strafteil und der unbedingte Strafteil eine einheitliche Sanktion darstellen (vgl. §§ 49 letzter Satz, 53 Abs. 1 zweiter Satz StGB), schlägt der Entwurf vor, im Falle einer bedingten Entlassung unter Erteilung von Weisungen oder Anordnung der Bewährungshilfe auch für den bedingt nachgesehenen Strafteil diese Weisungen zu erteilen oder die Bewährungshilfe anzuordnen. Die nachträgliche Erteilung von Weisungen bzw. Anordnung der Bewährungshilfe auch für den bedingt nachgesehenen Strafteil verhindert, dass im Falle des Weisungsbruches oder der Entziehung aus dem Einfluss des Bewährungshelfers ein Widerrufsgrund nur hinsichtlich eines Strafteiles vorliegt, was den gemeinsamen Widerruf im Sinne des § 53 StGB ausschließen würde. Umgekehrt soll eine für die bedingte Nachsicht des Teiles einer Freiheitsstrafe erteilte Weisung oder angeordnete Bewährungshilfe vom Vollzugsgericht auch für die bedingte Entlassung erteilt bzw. angeordnet werden, sofern sie weiterhin nach § 50 StGB geboten erscheint. Bei dieser Prüfung sind insbesondere im Zusammenhang mit der bedingten Entlassung getroffene Anordnungen zu berücksichtigen.

Zu Z 5 (§ 24 Abs. 3a StVG):

Wird einem Strafgefangenen im Wege der Vergünstigung gemäß § 24 Abs. 3 Z 3 der Betrieb eigener technischer Geräte gewährt, stellt sich die Frage, wer die aus dem Betrieb dieser Geräte entstehenden Kosten zu tragen hat. Zu denken ist dabei insbesondere an jene Kosten, die der Anstalt entstehen, wenn die Geräte aus dem anstaltseigenen Stromnetz gespeist werden. Vorauszuschicken ist in diesem Zusammenhang, dass dem Strafgefangenen gegenüber der Anstalt im Sinne der §§ 20, 38 Abs. 1 und 40 Abs. 1 Unterhalt im Ausmaß eines einfachen Unterhalts zusteht.

Der Strafgefangene soll die Betriebskosten für seine technischen Geräte daher nur insoweit zu tragen haben, als diese über die einfache Lebensführung hinausgehen. Von einer „einfachen Lebensführung“ im Sinne dieser Bestimmung sollen in Übereinstimmung mit Pkt. IX.3. des Grundsatzerlasses vom 1. Oktober 2009 betreffend die Verwaltung der Gefangenengelder in den Justizanstalten, BMJ-VD50105/0001-VD 5/2009, zwei Geräte pro Insasse umfasst sein. Die exakte Ausmittlung der Höhe der entstandenen Betriebskosten in jedem Einzelfall soll mit Blick auf den damit für die Anstalten verbundenen Verwaltungsaufwand vermieden werden. Deshalb soll als Kostenersatz ein Durchschnittsbetrag festgelegt werden. Durch die Bezugnahme auf Durchschnittskosten soll umgekehrt aber auch verhindert werden, dass den Strafgefangenen zu hohe Kosten in Rechnung gestellt werden.

Die Kosten sind in erster Linie vom Hausgeld einzubehalten. Der Strafgefangene soll aber auch zur Bezahlung dieser Kosten Eigengeld verwenden dürfen.

Zu Z 6 (§ 41 Abs. 4 StVG):

Das in § 41 Abs. 4 verwiesene Gesetz über die Einziehung gerichtlicher Verwahrnisse, BGBl. Nr. 281/1963, ist gem. § 18 Abs. 4 VerwEinzG mit Ablauf des 30. April 2011 außer Kraft getreten. Es gelten seither die Bestimmungen des VerwEinzG (Bundesgesetz über die Hinterlegung und Einziehung von Verwahrnissen, sog. Verwahrungs- und Einziehungsgesetz). Der Verweis wäre daher entsprechend anzupassen.

Zu Z 7 (§ 54 Abs. 2 StVG):

§ 54 Abs. 2 regelt die Verwendungszwecke des sogenannten Hausgeldes, das aus Teilen der Arbeitsvergütung (§ 52) monatlich gespeist wird. Die Ergänzung dieser Bestimmung um die neu eingefügte Verweisungsnorm des § 24 Abs. 3a wird aufgrund der vorgeschlagenen Neufassung der genannten Bestimmung erforderlich.

Zu Z 8 (Überschrift zu § 102b sowie § 102b StVG):

Vorbemerkung:

In Anstalten werden Videoüberwachungsanlagen insbesondere zur Sicherung der Abschließung der Insassen, vor allem zur Vermeidung von Fluchtversuchen, sowie zur wirksamen Prävention strafbarer Handlungen von bzw. an Insassen benötigt (vgl. den allgemeinen Überwachungsauftrag gemäß §§ 101 Abs. 1 und 102 Abs. 1). Um dem gesetzlichen Auftrag des Strafvollzuges angemessen nachkommen zu können, soll eine Möglichkeit geschaffen werden, die Anstalten und ihre Außengrenzen durch ein Videoüberwachungssystem zu überwachen. Da die Bestimmungen über die Videoüberwachung in §§ 50a ff DSG nur für die Videoüberwachung durch Private gelten, sind Videoüberwachungen im Rahmen der Hoheitsverwaltung in Materiengesetzen zu regeln (RV 472 d.B. 24. GP., 18). Der Entwurf schlägt daher vor, nach den allgemeinen Regelungen zur Sicherung der Abschließung (§ 101) und zur Sicherung der Ordnung in der Anstalt (§§ 102, 102a) in § 102b eine Regelung mit der Überschrift „Videoüberwachung“ einzufügen.

Sobald auf den Videoaufnahmen Personen zu sehen sind, fallen personenbezogene Daten an, weshalb bei jeder Videoüberwachung das Spannungsverhältnis zum Grundrecht auf Datenschutz gemäß § 1 DSG zu beachten ist. Die Regelung zur Videoüberwachung von Anstalten dient dem Schutz der öffentlichen Sicherheit, insbesondere der Verhinderung von Straftaten, und der öffentlichen Ordnung. Der Einsatz von Videoüberwachung in Form einer Bild- (und Ton) Aufzeichnung ist auch verhältnismäßig, zumal kein taugliches Mittel besteht, das bei gleicher Effizienz weniger eingriffsintensiv als das Mittel der Videoüberwachung ist. Weniger eingriffsintensiv wäre zwar die Echtzeitüberwachung, da dabei keine Speicherung der anfallenden Daten stattfindet. Die Echtzeitüberwachung erlaubt aber zum einen nur eine Reaktion beim Eintritt eines schädigenden Ereignisses (z. B. Flucht), nicht jedoch eine Beweissicherung. Zum anderen bezweckt die Einrichtung einer Videoüberwachung auch, dass von einer direkten Überwachung der Insassen durch Strafvollzugsbedienstete abgesehen werden kann. Dieser Zweck könnte aber durch eine Echtzeitüberwachung nicht erreicht werden, weil in diesem Fall Vollzugsbedienstete die übertragenen Bilder auf den Monitoren permanent überprüfen müssten. Die Echtzeitüberwachung ist daher weniger effizient als die Videoüberwachung in Form einer Bild- (und Ton) Aufzeichnung. Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit, der Ordnung in den Anstalten und zur Erreichung der Vollzugszwecke stellt die vorgeschlagene Maßnahme daher unter den verfügbaren Mitteln den schonendsten Eingriff in die Rechte der Betroffenen dar.

Zu § 102b:

Die Ermittlung personenbezogener Daten Anwesender mit Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten (Videoüberwachung) soll unter den im Folgenden dargestellten Voraussetzungen zulässig sein. Unter Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten sind nur Geräte, die entweder ausschließlich Bilder oder Bilder und Töne aufzeichnen, nicht hingegen reine Tonaufzeichnungsgeräte, zu verstehen.

Abs. 1 beschränkt die Zulässigkeit der Videoüberwachung auf die Sicherung der Abschließung der Strafgefangenen von der Außenwelt und die Sicherung der Ordnung in der Anstalt (§§ 101 und 102). Die Erfüllung des allgemeinen Abschließungsauftrages (§§ 20, 21) bedingt die Notwendigkeit der Überwachung nicht nur des inneren Anstaltsbereiches, sondern auch der Außengrenzen, um von außen unterstützte Fluchtversuche von Insassen zu verhindern. Die Videoüberwachung soll auch insbesondere zur Hintanhaltung der Begehung strafbarer Handlungen durch Strafgefangene sowie der Begehung strafbarer Handlungen an Strafgefangenen zulässig sein. Die auf diese Weise ermittelten Daten dürfen auch zur Verfolgung einer gerichtlich strafbaren Handlung und für ein Ordnungsstrafverfahren nach dem StVG verwendet werden. Ausdrücklich verboten ist die Videoüberwachung für andere als die in Abs. 1 genannten Zwecke, insbesondere die gezielte Videoüberwachung zur Leistungskontrolle von Strafvollzugsbediensteten. Eine Videoüberwachung der Anstalt und ihrer Insassen impliziert freilich, dass auch Strafvollzugsbedienstete mitgefilmt werden. Da diese Überwachung aber gerade nicht auf die Leistungskontrolle der Strafvollzugsbediensteten gerichtet ist, ist sie zulässig. Unzulässig wäre aber beispielweise die Installierung einer Videokamera in einem Pausenraum des Vollzugspersonals, der von Insassen nicht betreten wird.

Abs. 2 normiert eine Kennzeichnungspflicht des überwachten Raumes und seiner Grenzen (z. B. durch deutlich lesbare Aufschriften oder Piktogramme). Die Kennzeichnung soll so erfolgen, dass potentiell Betroffene der Überwachung ausweichen können. In der Praxis wird diese Problematik vor allem Besucher sowie Passanten, die sich an den Außengrenzen der Anstalt vorbeibewegen, betreffen, zumal eine Ausweichmöglichkeit für Insassen und Strafvollzugsbedienstete naturgemäß nicht in Betracht kommt. Die Kennzeichnung soll aber auch der Prävention von außen unterstützter Fluchtversuche dienen.

Abs. 3 ordnet die grundsätzliche Pflicht zur Löschung der aufgezeichneten Daten nach 48 Stunden an. Mit dieser Regelung wird dem Rechtsschutz der Personen, die von dieser Maßnahme betroffen sein können, entsprochen. Eine längere Speicherung ist nur dann rechtmäßig, wenn die weitere Aufbewahrung zur Verfolgung einer gerichtlich strafbaren Handlung oder für ein Ordnungsstrafverfahren nach dem StVG erforderlich ist.

Zu Z 9 (Überschrift zu § 106a sowie § 106a StVG):

Vorbemerkung:

Seit Jahrzehnten entsendet die Republik Österreich Einheiten und Einzelpersonen zu Auslandseinsätzen in alle Welt und hat sich dadurch hohe Anerkennung in der Staatengemeinschaft verdient. Waren es ursprünglich vor allem militärische Einsätze des österreichischen Bundesheers, so beteiligt sich Österreich seit einiger Zeit auch an zivilen Missionen der EU und der UN. Zunächst handelte es sich dabei fast ausschließlich um Entsendungen aus dem Bereich des Bundesministeriums für Inneres für polizeibezogene Aufgaben. Erst seit wenigen Jahren kommen dazu auch Auslandseinsätze von Angehörigen des Justizressorts aus der Gerichtsbarkeit und dem Strafvollzug zur Unterstützung von Rechtsstaatlichkeit und einer funktionierenden Justiz in Krisengebieten. Von den entsendeten Strafvollzugsbediensteten sind etwa im Rahmen des derzeitigen Auslandseinsatzes im Kosovo dabei auch exekutive Aufgaben (z. B. in der Bewachung und Eskortierung von Häftlingen) wahrzunehmen, bei denen potenziell Bedarf nach einem zwangsweisen Einschreiten mit Eingriffen in die Rechte Inhaftierter oder Dritter besteht. In diesen Fällen stellt sich die Frage nach den rechtlichen Grundlagen für die Ausübung von Exekutivbefugnissen wie insbesondere der Ausübung von Zwangsgewalt und den Gebrauch von Waffen nach den Bestimmungen des StVG (insbesondere §§ 101 Abs. 4 und 5, 104 bis 106) durch österreichische Justizwachebeamte im Ausland. Die Entsendungen selbst sind zwar verfassungsrechtlich durch das KSE-BVG abgesichert; Bestimmungen über die Ausübung behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt finden sich darin aber nicht. Im Rahmen der jeweiligen Mission sind die jeweiligen Tätigkeiten nur durch internationale Übereinkommen oder Beschlüsse (UN-Sicherheitsratsresolutionen, Gemeinsame Aktion der EU, Statusübereinkommen mit dem betroffenen Staat etc.) gedeckt und finden ihren weiteren Ausdruck in der Befehlsgewalt des Missionskommandanten über die österreichischen Angehörigen nach § 4 Abs. 3 KSE-BVG. Diese im Rahmen der Befugnisausübung gesetzten Handlungen entsprechen in der überwiegenden Zahl Tatbildern des österreichischen Strafrechts, weshalb für die Straffreiheit dieser Handlungen ein entsprechender Rechtfertigungsgrund gegeben sein muss. Für die in Rede stehenden Fälle kommt – neben den Fällen der Notwehr und Nothilfe – der Rechtfertigungsgrund der „Ausübung von Amts- und Dienstpflichten“ auf Grund einer ausdrücklichen Befugnisnorm in Betracht. Zwar können die genannten völkerrechtlichen Grundlagen grundsätzlich als Befugnisnorm im gegenständlichen Sinn qualifiziert werden, jedoch ist eine Anwendung dieser völkerrechtlichen Normen durch ein österreichisches Strafgericht mangels unmittelbarer Anwendbarkeit und innerstaatlicher Publizität im Bundesgesetzblatt nicht immer sicher gestellt. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist daher mit der in Rede stehenden Bestimmung beabsichtigt, eine ausdrückliche gesetzliche Regelung für die Anwendung von Zwangsbefugnissen im Auslandseinsatz durch österreichische Strafvollzugsbedienstete zu schaffen. Mit § 6a AuslEG 2001 und § 15 PolKG bestehen für Militär- und Polizeieinsätze bereits derartige Regelungen, an die sich die vorgesehene Bestimmung auch anlehnt. Sie stellt vor allem auf eine Deckung durch einen Entsendebeschluss nach dem KSE-BVG, ein internationales Mandat und die Zulässigkeit nach österreichischem und im Einsatzgebiet anzuwendendem Recht ab.

Zu § 106a:

Die Zwangsbefugnisse der Strafvollzugsbediensteten (im Inland) sind in den §§ 101 bis 106 StVG geregelt. Da die vorgesehene Bestimmung vor allem darauf abzielt, sie unter bestimmten Bedingungen auch im Ausland zulässig zu machen, wird sie – auch in Ermangelung einer anderen geeigneten sedis materiae - im Anschluss als § 106a eingefügt.

Im Abs. 1 soll zunächst als zentraler Regelungsinhalt ausdrücklich klargestellt werden, dass die Ausübung der den Strafvollzugsbediensteten zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse einschließlich der Anwendung von Zwangsgewalt und Waffengebrauch unter den im Folgenden präzisierten Bedingungen auch im Ausland zulässig ist. Diese Befugnisse werden unter der Bezeichnung „Exekutivbefugnisse“ zusammengefasst und beziehen sich grundsätzlich auf alle Maßnahmen, die in die Rechte Inhaftierter oder Dritter eingreifen (können). Im Unterschied zu § 6a Auslandseinsatzgesetz 2001 werden nicht die in Betracht kommenden Befugnisse im Einzelnen beschrieben, sondern generell auf die in Österreich durch das StVG festgelegten Befugnisse abgestellt, da im Strafvollzug kein grundsätzlicher Unterschied zwischen den Aufgaben im In- oder im Ausland besteht und hier eine Differenzierung im Hinblick auf die Kautelen der Abs. 2 und 3 nicht notwendig scheint.

Da das StVG durchgehend von Strafvollzugsbediensteten spricht (vgl. insbes. §§ 101 – 106), wurde auch hier dieser Bezeichnung gegenüber dem dienstrechtlichen Begriff des/der Exekutivbediensteten der Vorzug gegeben.

Als innerstaatliche Grundlage für exekutive Tätigkeiten österreichischer Strafvollzugsbediensteter im Ausland kommt nach derzeitigem Stand nur § 1 Z 1 lit. a des Bundesverfassungsgesetzes über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG), BGBl. I Nr. 38/1997, in Frage, der die solidarische Teilnahme an Maßnahmen der Friedenssicherung einschließlich der Förderung der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Schutz der Menschenrechte im Rahmen einer internationalen Organisation oder der OSZE oder in Durchführung von Beschlüssen der EU im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik ermöglicht.

Abs. 2 legt daher als Grundbedingung fest, dass die Ausübung von Exekutivbefugnissen im Ausland durch ein Verfahren nach dem KSE-BVG und die dadurch festgelegten Aufgaben im Einsatz gedeckt sein muss. Insbesondere im Rahmen eines sog. „Entsendebeschlusses“ nach § 2 Abs. 1 KSE-BVG werden in der langjährigen diesbezüglichen Praxis auch die konkreten Aufgaben im Rahmen der völkerrechtlichen Grundlagen näher umschrieben. Als internationale Basis für eine Entsendung kommt etwa ein Beschluss einer internationalen Organisation, insbesondere der Vereinten Nationen (VN) oder der Europäischen Union (EU), oder ein völkerrechtlicher Vertrag in Betracht.

Abs. 3 orientiert sich an § 15 Abs. 3 Polizeikooperationsgesetz und dient der Beschränkung des Einsatzes von Zwangs- und anderen Exekutivbefugnissen im konkreten Fall. Er ist nur erlaubt, wenn er in dieser Form sowohl nach nationalem österreichischen Recht als auch nach dem im Missionsgebiet anzuwendenden Recht zulässig ist. Es muss sich dabei nicht notwendigerweise um das Recht des betreffenden Staates handeln, da auf Grund des Völkerrechts (so wie auf Grund der UN-Sicherheitsratsresolution 1244 für den Kosovo) auch andere Rechtsquellen geschaffen und/oder internationale Organe für Schaffung und Anwendung von Recht (partiell oder ganz) zuständig gemacht werden können. Diese doppelte Schranke soll die Kollision mit dem eigenen oder dem fremden Rechtssystem verhindern und bei Unterschieden die Befugnisausübung für unzulässig erklären. Durch die diesbezügliche Bindung an österreichisches Recht ist auch die Einhaltung der Grund- und Menschenrechte (insbes. aus der EMRK) gewährleistet. Darüber hinaus sollen österreichische Strafvollzugsbedienstete nur im Rahmen der ihnen konkret zugewiesenen Aufgaben einschreiten, wobei sie ihre Weisungen und Anordnungen nach § 4 Abs. 3 KSE-BVG direkt oder über die Befehlskette von den entsprechenden internationalen Organen erhalten. Diese können auch in Operationsplänen und konkreten Verhaltensregeln („rules of engagement“) der Mission bestehen, welche festlegen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die eingesetzten Einheiten oder Einzelpersonen Befugnisse ausüben dürfen.

Zu Z 10 (§ 121 Abs. 5 StVG):

Nach der Rechtslage vor dem Budgetbegleitgesetz 2009 konnte die Vollzugsdirektion gemäß § 121 Abs. 5 letzter Satz eine Amtsbeschwerde gegen Entscheidungen der Vollzugskammern beim Bundesministerium für Justiz lediglich anregen. Mit dem Budgetbegleitgesetz 2009 (BGBl. I Nr. 52/2009) wurde die Vollzugsdirektion ermächtigt, aus Eigenem oder im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz Amtsbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit gegen eine Entscheidung der Vollzugskammer zu erheben, ohne dass § 121 Abs. 5 letzter Satz aufgehoben wurde. Dieses Redaktionsversehen soll durch die vorgeschlagene Änderung beseitigt werden.

Zu Z 17 (§ 147 Abs. 1 StVG):

Wie schon bisher soll die Obergrenze von höchstens drei Tagen für Ausgänge während des Entlassungsvollzuges erhalten bleiben. Die geltende Regelung, bei längeren Reisewegen einen Ausgang von maximal fünf Tagen zu ermöglichen, erscheint jedoch im Hinblick auf die modernen Verkehrsanbindungen nicht mehr zeitgemäß. Der Entwurf schlägt daher vor, die Obergrenze von fünf Tagen entfallen zu lassen und künftig die Reisewege zur Dauer des Ausganges hinzuzurechnen. Bei der Berechnung der erforderlichen Reisebewegungen ist selbstverständlich nicht nur die reine Reisezeit einzubeziehen, sondern im Falle der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auch die Verkehrsanbindung (z.B. Erfordernis längerer Zwischenhalte) entsprechend zu berücksichtigen.

Zu Z 19 bis 21 (§§ 156c Abs. 1a, 156d Abs. 1 und 3 StVG):

Vorbemerkungen:

Seit dem 1.9.2010 besteht die Möglichkeit, Freiheitsstrafen, bei denen die zu verbüßende oder noch zu verbüßende Strafzeit zwölf Monate nicht übersteigt oder voraussichtlich nicht übersteigen wird, in Form des elektronisch überwachten Hausarrests zu vollziehen. Diese Möglichkeit ist an das Vorliegen einer Reihe weiterer Voraussetzungen geknüpft: Der Rechtsbrecher muss im Inland über eine geeignete Unterkunft verfügen, einer geeigneten Beschäftigung nachgehen, ein Einkommen beziehen, mit dem er seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, sowie kranken- und unfallversichert sein. Weiters müssen die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen schriftlich eingewilligt haben, und schließlich muss nach Prüfung der Wohnverhältnisse, des sozialen Umfelds und allfälliger Risikofaktoren sowie bei Einhaltung der dem Rechtsbrecher aufzuerlegenden Bedingungen anzunehmen sein, dass der Rechtsbrecher diese Vollzugsform nicht missbrauchen wird. Vor Erstellung dieser Prognose ist in allen Fällen, in denen der Rechtsbrecher wegen einer strafbaren Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung oder einer sexuell motivierten Gewalttat verurteilt wurde, eine Äußerung der Begutachtungs- und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter einzuholen

Dieser Regelungen haben sich in den rund zwei Jahren ihres Bestehens grundsätzlich bewährt.

Aus Sicht des Entwurfs trägt dennoch der damit gezogene gesetzliche Rahmen dem seinerzeitigen Anliegen des Justizausschusses, dass die Elektronische Aufsicht für Personen, die eine Straftat gegen die geschlechtliche Selbstbestimmung begangen haben, nur in seltenen Fällen überhaupt in Betracht zu ziehen sei (839 Blg NR XXIV. GP, 4), nicht ausreichend Rechnung .

Der Justizausschuss hat anlässlich der Einführung des elektronisch überwachten Hausarrests auch schon ausdrücklich die Opferinteressen hervorgehoben, wobei er den Fokus auf die Opfer häuslicher Gewalt und den Aspekt der Wohnverhältnisse des Rechtsbrechers gelegt hat (aaO). Auch insofern hat sich die Regelung in der Praxis nach dem derzeitigen Kenntnisstand bewährt. Der Entwurf sieht sich jedoch in Übereinstimmung mit Vertreterinnen von Opferschutzeinrichtungen aufgrund bekannt gewordener Fälle veranlasst, darüber hinaus, das heißt auch in Fällen, in denen sich die Frage des gemeinsamen Wohnens überhaupt nicht stellt, auf die Opfer von Sexualdelikten gesondert Bedacht zu nehmen.

Zu § 156c Abs. 1a StVG:

Um dem schon seinerzeit artikulierten Anliegen des Justizausschusses einer zurückhaltenden Anwendung des elektronisch überwachten Hausarrests bei Sexualdelikten besser Rechnung tragen zu können, wird vorgeschlagen, bei Sexualdelinquenten weitere Kriterien einzuführen, die zusätzlich zu den allgemeinen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit diese Vollzugsform angewendet werden kann. Wurde der Täter wegen eines der in § 4a Abs. 1 TilgG genannten Delikte verurteilt, das sind die §§ 201 bis 207b StGB, so muss er die Hälfte der Freiheitsstrafe, mindestens jedoch drei Monate verbüßt haben, bevor der elektronisch überwachte Hausarrest überhaupt in Betracht kommt. Darüber hinaus muss in allen Fällen einer Verurteilung wegen eines Sexualdeliktes oder eines sexuell motivierten Gewaltdeliktes im Sinne des § 52a Abs. 1 StGB eine qualifiziert günstige Prognose gegeben sein, indem besondere Gründe vorliegen müssen, um die Annahme rechtfertigen zu können, dass der Rechtsbrecher den elektronisch überwachten Hausarrest nicht missbrauchen werde. Diese besonderen Gründe müssen sich nicht notwendigerweise aus der Äußerung der BEST ergeben, sie werden jedoch regelmäßig damit im Einklang stehen müssen.

Die vorgeschlagene Lösung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, zumal es sich um keinen generellen Ausschluss handelt und auf Deliktsgruppen abgestellt wird, die bereits in anderem, aber vergleichbarem Zusammenhang vom Gesetzgeber als einer besonderen Regelung bedürftig befunden wurden. So wurde nach § 4a Abs. 1 TilgG für die dort genannten Delikte eine besonders lange Tilgungsfrist festgelegt, während es sich bei den in § 52a Abs. 1 StGB genannten Delikten um die Anlasstaten für eine gerichtliche Aufsicht handelt.

Zu 156d Abs. 1 StVG:

Justizanstalten, die gem. VO der BMJ vom 31. August 2010, BGBl. II Nr. 279/2010 (HausarrestVO), über entsprechende Einrichtungen zur elektronischen Überwachung verfügen, sollen wie bisher zur Entscheidung über die Anhaltung im elektronisch überwachten Hausarrest als Vollzugsbehörden erster Instanz sachlich zuständig bleiben. Der Instanzenzug richtet sich gemäß §§ 11g, 120, 121 StVG an die Vollzugskammern. Diese unabhängigen und weisungsfreien Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag im Sinne des Art. 20 Abs. 2 BV-G entsprechen den Anforderungen eines Tribunals gem. Art. 6 EMRK (Art. I Z 3, 297 BlgNR 21. GP).

Nach der Zuständigkeitsregelung des bisherigen Abs. 1 zweiter Satz war die Vollzugsdirektion hingegen im Falle einer bei Bewilligung dieser Vollzugsform erforderlichen Änderung des Strafvollzugsortes auch für die Entscheidung über die Bewilligung erstinstanzlich zuständig. Aufgrund der im Bereich der unmittelbaren Bundesverwaltung geltenden Grundsätze richtet sich der Instanzenzug mangels anderer einfachgesetzlicher Regelung an das Bundesministerium für Justiz als organisatorisch höchste Behörde (Art. 69 Abs. 1 B-VG und BMG).

Um auch für diese Konstellation einen EMRK-konformen Rechtsmittelzug einzurichten, d.h. beide Fälle verfahrensrechtlich gleich zu behandeln, soll künftig über die Bewilligung des elektronisch überwachten Hausarrestes ausnahmslos die gemäß Abs. 1 erster Satz zuständige Vollzugsbehörde erster Instanz entschieden werden. Gegen die Entscheidung des Anstaltsleiters ist die Beschwerde an die örtlich zuständige Vollzugskammer zu richten.

In diesem Sinne schlägt der Entwurf vor, dass künftig über die Anhaltung im elektronisch überwachten Hausarrest in erster Instanz die Anstalt entscheiden soll, die den elektronisch überwachten Hausarrest zu vollziehen hätte (Zielanstalt). Das ist jene Anstalt, die im Sprengel des Landesgerichtes liegt, in dem die Unterkunft des Strafgefangenen gemäß § 156c Abs. 1 Z 2 lit. a gelegen ist, und die über Einrichtungen zur elektronischen Überwachung verfügt. Die Übertragung der Zuständigkeit auf die Zielanstalt erscheint vor allem deshalb zweckmäßig, weil bereits nach der bisherigen Rechtslage im Falle der Entscheidung durch die Vollzugsdirektion der Leiter der Anstalt, die den elektronisch überwachten Hausarrest zu vollziehen hätte, in die vor Befassung der Vollzugsdirektion erfolgende Erhebung der Entscheidungsgrundlagen eingebunden war (vgl. Pkt. 2.9. des Erlasses der BMJ vom 27. August 2010, V70201/0004-III1/2010).

Ist die Anstalt, in der die Freiheitsstrafe anzutreten wäre oder verbüßt wird, nicht zugleich die Anstalt, die den elektronischen Hausarrest zu vollziehen hätte, kommt es mit Rechtskraft der die Anhaltung im elektronisch überwachten Hausarrest bewilligenden Entscheidung von Gesetzes wegen zu einer Strafvollzugsortsänderung (§ 10 StVG).

Durch diese Neuregelung soll der bereits durch BGBl.138/2000 im Wege der Einrichtung der Vollzugskammern grundsätzlich intendierte Weg der Entlastung des Bundesministeriums für Justiz als Rechtsmittelinstanz so weit als möglich fortgesetzt, im Bereich des elektronisch überwachten Hausarrestes erhöhter Rechtschutz umfassend gewährleistet werden und in diesem Sinn die Entscheidungskompetenz ausnahmslos bei den Vollzugsbehörden erster Instanz angelagert werden.

Zu § 156d Abs. 3 StVG:

Schon bisher ist bei Sexualdelikten und sexuell motivierten Gewaltdelikten zur Prüfung der spezialpräventiven Kriterien des elektronisch überwachten Hausarrests einerseits eine Äußerung der BEST einzuholen. Andererseits ist in allen Fällen den Opferinteressen, so weit diese bei der Wahl der Vollzugsform Berücksichtigung finden können, insbesondere bei der Prüfung der Wohnverhältnisse des Rechtsbrechers, Rechnung zu tragen. Ein ausdrückliches Äußerungsrecht von Opfern ist derzeit jedoch nicht vorgesehen. In der Praxis hat sich jedoch ein Bedürfnis gezeigt, gerade die Opfer von Sexualdelikten verstärkt einzubinden. Es wird daher vorgeschlagen, sämtlichen Opfern von Sexualdelikten und sexuell motivierten Gewaltdelikten ein Äußerungsrecht einzuräumen. Dieses Äußerungsrecht dient vor allem der Information der Opfer. Es ist daher auf jene Opfer beschränkt, die einen Antrag nach § 149 Abs. 5 StVG gestellt haben, von der bevorstehenden Entlassung oder einer Freiheitsmaßnahme verständigt zu werden, zumal auch die Interessen jener Opfer gewahrt werden sollen, die durch das Unterlassen einer solchen Antragstellung zum Ausdruck gebracht haben, dass sie insofern nicht mehr mit der Tat oder dem Täter konfrontiert werden wollen. Wenn es zu einer Äußerung des Opfers kommt, wird dabei im übrigen Augenmerk darauf zu legen sein, ob daraus Anhaltspunkte für die Erstellung der Prognose in spezialpräventiver Hinsicht gewonnen werden können. Diese verstärkte Bedachtnahme auf Opferinteressen verlangt auch eine Verständigung von der (positiven) Entscheidung über diese Vollzugsform (vgl. § 149 Abs. 5 StVG).

Zusätzlich soll solchen Opfern Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung (§ 66 Abs. 2 StPO) eingeräumt werden, was ihre besondere emotionale Belastung durch professionelle Unterstützung lindern helfen soll.

Zu Z 22 (§ 158 Abs. 1 StVG):

Wegen der Vollbelegung der Justizanstalt Göllersdorf wurden zuletzt immer mehr zurechnungsunfähige Rechtsbrecher in psychiatrischen Krankenanstalten untergebracht (mit 1. Jänner 2010 bereits rd. 63 % aller zurechnungsunfähigen Maßnahmenpatienten; vgl. dazu den Bericht des Rechnungshofes Reihe Bund 2010/11, Seite 12f). Da das Bundesministerium für Justiz für die in den psychiatrischen Krankenanstalten untergebrachten Maßnahmenpatienten den Volltarif für unversicherte Privatpatienten zu bezahlen hat, mussten justizinterne Betreuungsplätze geschaffen werden. Zu diesem Zweck wurde in einer Außenstelle der Justizanstalt Linz in Asten ein Forensisches Zentrum eingerichtet.

Im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme des Forensischen Zentrums Asten und dem damit einhergehenden Beginn der Verlegungen von Untergebrachten nach § 21 Abs. 1 StGB schlägt der Entwurf vor, dass die Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecher in Hinkunft neben den dafür besonders bestimmten Anstalten auch in dafür besonders bestimmten Außenstellen der Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen zu vollziehen ist.

Aus der Formulierung „dafür besonders bestimmte Außenstellen“ ergibt sich, dass in diesen Außenstellen nur geistig abnorme Rechtsbrecher und nicht auch gleichzeitig Strafgefangene untergebracht werden dürfen. Für die Behandlung der in diesen Außenstellen Untergebrachten gelten die §§ 164 ff StVG.

Zu Z 24 (§ 181 StVG):

Nach Auffassung des Entwurfs gebietet es das verfassungsrechtlich gewährleistete Rückwirkungsverbot von Strafbestimmungen – ähnlich wie schon in der Vergangenheit bei der Verlängerung der Verjährungsfrist – nicht, die strengeren Voraussetzungen für die Gewährung des elektronisch überwachten Hausarrests erst für Taten wirksam werden zu lassen, die nach dem Inkrafttreten dieser Verschärfungen gesetzt wurden, zumal es sich ja lediglich um eine Frage der Wahl der Vollzugsform handelt. Im Hinblick auf die Widerrufsbestimmung des § 156c Abs. 2 Z 1 soll durch die vorgeschlagene Übergangsbestimmung jedoch verhindert werden, dass diejenigen Verurteilten, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits im elektronisch überwachten Hausarrest angehalten werden, allein aufgrund der Änderung der gesetzlichen Bewilligungsvoraussetzungen dieser Vollzugsform wieder verlustig gehen.

Zu Artikel 2 (Änderung der Strafprozessordnung)

Zu Z 1 und 2 (§§ 183 Abs. 3 und 4 StPO):

Im Lichte der aktuellen Belagsprobleme im U-Haftbereich – vor allem in den im Osten des Bundesgebietes gelegenen Justizanstalten – ist eine Flexibilisierung des Managements der U-Haft erforderlich.

Der Entwurf schlägt daher vor, dass ein Angeklagter künftig auch ohne dessen Zustimmung ab Einbringung der Anklage (siehe § 210 Abs. 1 StPO) bis zur Rechtskraft der Verurteilung in eine andere Anstalt innerhalb des OLG-Sprengels verlegt werden kann. Zur Wahrung des Rechtes des Angeklagten auf Achtung seines Familienlebens nach Art. 8 EMRK soll die Übertragung der Zuständigkeit nur innerhalb eines OLG-Sprengels erfolgen, weil die Übertragung der Zuständigkeit an eine weiter entfernt gelegene Anstalt zu einer Reduktion der Besuche durch Familienangehörige infolge finanzieller, zeitlicher oder räumlicher Schwierigkeiten führen könnte.

Die Möglichkeit der Verlegung außerhalb des OLG-Sprengels mit Zustimmung des Angeklagten gemäß § 183 Abs. 2 StPO bleibt davon unberührt.

Vor jeder Änderung des Haftortes im Rahmen des § 183 StPO soll künftig neben der Staatsanwaltschaft und dem Gericht auch der Beschuldigte zu hören sein, was schon bisher implizit für eine Anordnung nach Abs. 2, letzter Satz leg.cit. mit Zustimmung des Beschuldigten erforderlich war. Eine gesonderte Regelung für Jugendliche nach dem JGG erübrigt sich insoweit.

Zu Z 3 (§ 185 Abs. 1 StPO):

In § 185 Abs. 1 zweiter Satz soll normiert werden, dass der Grundsatz der getrennten Anhaltung von Untersuchungshäftlingen und Strafgefangenen auch bei Übertragungen der Zuständigkeit nach dem vorgeschlagenen § 183 Abs. 3 einzuhalten ist.

Zu Z 4 und 5 (§§ 494, 495 StPO):

Mit diesen Bestimmungen soll Vorsorge getroffen werden, dass die nunmehr festgelegte Zuständigkeit des nach § 16 Abs. 2 Z 12 StVG zuständigen Gerichts für den bedingten nachgesehenen Strafteil bei einer bedingten Entlassung aus dem nicht bedingt nachgesehenen Teil dieser Freiheitsstrafe auch in der Strafprozessordnung abgebildet ist.

Zu Z 6 und 7 (§ 514 StPO):

Auf Grund des geplanten Wirksamwerdens der vorliegenden Novelle am 1. xxxx 2013 sind Inkrafttretensregelungen erforderlich. Weiters soll ein Redaktionsversehen betreffend Abs. 18 beseitigt werden.

Zu Artikel 3 (Änderung des Jugendgerichtsgesetzes 1988)

Zu Z 1 (Art. I § 32 Abs. 2 JGG)

Die geltende Fassung verweist zum Protokollsvermerk auf die §§ 271a Abs. 3 und 458 Abs. 2 StPO. Allerdings finden sich die Bestimmungen über den Protokollsvermerk seit dem Budgetbegleitgesetz 2009 (BGBl. I Nr. 52/2009) nicht mehr in § 458 StPO, sondern (weiterhin in § 271a Abs. 3, aber nunmehr auch) in § 271 Abs. 1a StPO.

Dieses Redaktionsversehen (Schroll in WK 2. Aufl. JGG [2010] § 32 Rz 8; Jesionek/Edwards, Jugendgerichtsgesetz 4. Aufl. 2010, § 32 Z 9) soll richtig gestellt werden.

Zu Z 2 (Art. I § 36 Abs. 2 JGG):

Die bundesweit, speziell im Osten des Bundesgebietes und hier vor allem aber im Zuständigkeitsbereich der JA Wien-Josefstadt wieder ansteigenden Auslastungszahlen zeitigen auch negative Auswirkungen im Untersuchungshaftvollzug Jugendlicher. Um entsprechende Entlastungsmaßnahmen bei gleichzeitiger Nutzung insb. der für den Jugendvollzug spezialisierten Justizanstalt Gerasdorf zu ermöglichen, schlägt der Gesetzesentwurf für den Untersuchungshaftvollzug Jugendlicher eine Neuformulierung des § 36 Abs. 2 JGG vor. Schon vor längerer Zeit wurde von der Fachgruppe Jugendrichter der Vereinigung der Richter und Staatsanwälte angeregt, die derzeit in § 36 Abs. 2 JGG enthaltene Beschränkung für Änderungen des Untersuchungshaftortes auf Zeitpunkte nach dem Urteil erster Instanz fallen zu lassen, um eine Überstellung von Jugendlichen in eine Sonderanstalt schon vor der Hauptverhandlung zu ermöglichen. Dadurch könnte man Jugendlichen schon früher eine bessere Betreuung während der U-Haft, insbesondere durch Ausbildungs- und Unterrichtsmöglichkeiten, zukommen lassen (Jesionek/Edwards, § 36 JGG, Anm 5).

Zur Umsetzung dieser Anregung schlägt der Entwurf die bei Art. 2 Z 1 angeführte Änderung des § 183 StPO sowie die Änderung des § 36 Abs. 2 JGG vor. Zum Verhältnis der beiden Bestimmungen ist darauf hinzuweisen, dass § 36 Abs. 2 JGG gegenüber § 183 Abs. 3 StPO die speziellere Norm darstellt. Dies bedeutet, dass für Jugendliche und junge Erwachsene eine Änderung des Haftortes nach § 183 Abs. 3 StPO zulässig ist, soweit nicht § 36 Abs. 2 JGG davon abweichende Regelungen trifft. Im Unterschied zur StPO soll eine Änderung des Haftortes nach § 36 Abs. 2 JGG nur zulässig sein, wenn der Vollzug in einer Sonderanstalt für Jugendliche angeordnet wird. Im Übrigen sind aber auch bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Voraussetzungen des § 183 Abs. 3 und 4 StPO zu beachten.

Eine gesonderte Regelung des Anhörungsrechts des gesetzlichen Vertreters kann unterbleiben, weil sich dieses bereits aus § 38 Abs. 1 JGG ergibt. Eine Haftortänderung bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen auch nach § 183 Abs. 2 StPO bleibt wie bisher möglich.

Zu Z 3 (Art. I § 58 Abs. 7 JGG):

Der Entwurf schlägt vor, jugendlichen Strafgefangenen, die eine mehr als vier Wochen übersteigende Strafzeit zu verbüßen haben, mindestens halbjährlich die Gelegenheit zum Besuchsempfang in einer dem Wohnsitz nahegelegenen Justizanstalt einzuräumen. Derartige Vorgangsweisen haben sich im Strafvollzug langjährig bewährt und sollen daher als subjektives Recht des jugendlichen Strafgefangenen verankert werden. Voraussetzung der Rechtsausübung ist die von der Vollzugsverwaltung terminbezogen zu gewährleistende Transportmöglichkeit wie auch ein zur Verfügung stehender Haftplatz in der Zielanstalt. In der Regel wird der Transfer im Wege eines Linientransportes, der einmal wöchentlich alle Justizanstalten erreicht, durchzuführen sein. Ausnahmesituationen könnten aber auch einen Einzeltransport erforderlich machen. Für die Kosten des Einzeltransportes sind § 98 Abs. 2 zweiter bis vierter Satz StVG sinngemäß anzuwenden.

Zu Z 4 (Art. I § 60 JGG):

Nach der geltenden Fassung des § 60 JGG ist die Arbeitsvergütung den wegen einer Jugendstraftat verurteilten Personen in gleicher Weise wie Erwachsenen gutzuschreiben, d.h. auch nach Abzug des Vollzugskostenbeitrages in gleicher Höhe. Im Übrigen – d.h. außer im Rahmen der Arbeitsvergütung – bestand gemäß § 60 zweiter Satz JGG bis zur Strafprozessnovelle 2005 (BGBl. I Nr. 164/2004) für sämtliche wegen einer Jugendstraftat verurteilte Personen keine Pflicht zur Leistung eines Vollzugskostenbeitrages. Der zeitliche Anwendungsbereich des § 60 zweiter Satz JGG wurde schließlich mit der Strafprozessnovelle 2005 auf Jugendliche und Erwachsene, solange sie dem Jugendstrafvollzug unterstellt sind, beschränkt (RV 679 d.B. 22. GP, 15), ohne dass damit eine inhaltliche Änderung der Verpflichtung zur Leistung des Vollzugskostenbeitrages verbunden war.

Es hat sich jedoch gezeigt, dass die Regelung des § 60 JGG wegen der Begriffe „in gleicher Weise“ in § 60 erster Satz JGG und „im Übrigen“ in § 60 zweiter Satz JGG in der Praxis zu Missverständnissen Anlass geben. Auch im Schrifttum werden mitunter andere Meinungen zur Rechtslage vertreten. Zagler, Strafvollzugsrecht 2007, 85, führt aus, dass jeder Gefangene einen Kostenbeitrag zu leisten habe, welcher für jeden Tag mit 75 % der jeweiligen Arbeitsvergütung festgesetzt sei und von dieser abgezogen werde. Im Jugendstrafvollzug Angehaltene seien vom Kostenbeitrag befreit. Jesionek/Edwards, JGG4 § 60 Anm 2, nehmen zwar zunächst auf die §§ 51ff StVG Bezug und führen in diesem Zusammenhang aus, dass von der Arbeitsvergütung ein Vollzugskostenbeitrag sowie ein auf ihn entfallender Anteil am Arbeitslosenversicherungsbeitrag abgezogen werde. Anm 3 lautet aber sodann „Der Kostenersatz entfällt bei allen Personen, die wegen einer Jugendstraftat verurteilt wurden, uzw unabhängig davon, ob diese Personen noch als Jugendliche im Jugendstrafvollzug angehalten werden, gem. §§ 55 Abs. 3 – 6 dem Jugendvollzug unterstellt wurden oder sich im Erwachsenenvollzug befinden.“

Der zweite Satz des § 60 JGG bedeutet allerdings, wie eingangs dargestellt, nicht, dass dadurch die Anwendbarkeit des § 32 StVG generell ausgeschlossen wird. Die Einhebung eines Kostenbeitrages nach § 32 Abs. 2 erster Fall StVG im Wege der Arbeitsvergütung (§ 32 Abs. 3 StVG) kommt auch im Anwendungsbereich des § 60 JGG zum Tragen. Lediglich „im Übrigen“, das heißt in Bezug auf Kostenbeiträge nach § 32 Abs. 2 zweiter Fall in Verbindung mit Abs. 4 und Abs. 5 StVG ist ein Kostenbeitrag im Anwendungsbereich des § 60 JGG nicht vorgesehen.

Im Hinblick darauf, dass die dargestellten Unklarheiten bezüglich § 60 JGG offenbar daraus resultieren, dass die Bestimmung zum Teil nichts anderes wiedergibt, als das, was aufgrund des Generalverweises des § 51 JGG auf das StVG auch ohne diese Wiederholung gelten würde, zum Teil aber auch eine Abweichung davon enthält, schlägt der Entwurf vor, im § 60 JGG nur mehr die Abweichung von der allgemeinen Regelung des § 32 StVG zu regeln. Eine wegen einer Jugendstraftat verurteilte Person, die eine Arbeitsvergütung erhält, hat daher aufgrund des Verweises des § 51 JGG wie jeder andere Strafgefangene einen Beitrag zu den Vollzugskosten gemäß § 32 Abs. 2 erster Fall zu leisten, dessen Einhebung gemäß § 32 Abs. 3 durch Abzug von der Arbeitsvergütung erfolgt. In diesem Fall ist daher die Arbeitsvergütung gemäß § 54 Abs. 1 erster Satz nach Abzug des Vollzugskostenbeitrages sowie des auf den Strafgefangenen entfallenden Anteiles am Arbeitslosenversicherungsbeitrag auf die dort beschriebene Art gutzuschreiben. Personen, die wegen einer Jugendstraftat verurteilt wurden, keine Arbeitsvergütung beziehen und noch jugendlich oder zwar schon erwachsen, aber noch dem Jugendstrafvollzug unterstellt sind, sind nach § 60 JGG von der Leistung eines Kostenbeitrages nach § 32 Abs 2 zweiter Fall in Verbindung mit Abs. 4 und 5 StVG befreit. Für nicht mehr in den zeitlichen Anwendungsbereich des § 60 JGG fallende wegen einer Jugendstraftat verurteilte Personen gilt § 32 StVG ohne Einschränkungen.

Zu Art. 4 (Änderung des Bewährungshilfegesetzes)

Zu Z 1 und 2 (§ 12 BewHG):

Im Lichte der aktuellen budgetären Situation ist der Entfall der Valorisierungsklausel für die Entschädigung ehrenamtlicher Bewährungshelfer (Abs. 5) und der Sonderbestimmung des Abs. 6 über die Reisekosten für die Teamteilnahme (§ 7) erforderlich, um die Wahrnehmung der Aufgaben der Bewährungshilfe im bisherigen Umfang weiterhin gewährleisten zu können.

Gemäß Abs. 4 leg. cit iVm der Verordnung der Bundesministerin für Justiz über die Höhe der Aufwandsentschädigung für ehrenamtlich tätige Bewährungshelfer vom 21. Dezember 2010, BGBl. II Nr. 449/2010, gebührt ehrenamtlichen Bewährungshelfern derzeit eine ohne Nachweis der Barauslagen zu leistende Entschädigung von monatlich 64 Euro je Schützling. Im Hinblick auf den Entfall des Abs. 5 soll der aktuelle Betrag nunmehr in Abs. 4 gesetzlich verankert werden. Die Verordnung selbst wäre zum Zeitpunkt des Inkrafttretens aufzuheben.

Zu Z 3 (§ 17 Abs. 3 BewHG):

Durch die vorgeschlagene Änderung soll eine größere Flexibilisierung der Einsatzmöglichkeiten hauptamtlicher Bewährungshelfer in der Bewährungshilfe erzielt werden.