Abweichende persönliche Stellungnahme

gemäß § 42 Abs. 5 GOG

der Abgeordneten Dieter Brosz, MSc und Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht 2213 der Beilagen über den Antrag der Abgeordneten Dr Cap, Kopf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Wahl des Nationalrates geändert wird (2178/A)

Trotz der vorgeschlagenen Schwellensenkungen und der zusätzlichen  Möglichkeit, auch auf der Bundesliste eine Kandidatin oder einen Kandidaten zu bevorzugen, bleibt das Vorzugsstimmensystem in der Nationalratswahlordnung unbefriedigend. Die Schwellensenkungen werden, wenn dann nur auf Regionalwahlkreisebene schlagend werden. Da die Vorzugsstimmenvergabe nicht gendergerecht ausgestaltet ist, wird der Frauenanteil im Nationalrat eher sinken. Die Novelle widerspricht daher dem verfassungsrechtlichen Ziel der tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau. In der Zusammenschau der Vorzugsstimmensysteme für die Nationalratswahl und die jeweiligen Landtags- und Gemeinderatswahlen finden die Wähler und Wählerinnen eine verwirrende, wenn nicht irreführende Vielfalt vor, sodass das Vorzugsstimmenrecht ohne Bemühungen um Einheitlichkeit und Klarheit kaum zu mehr demokratischer Mitwirkung führen wird.

Die Grünen treten daher ein für:

-       Einheitliche Schwellen für die Relevanz von Vorzugsstimmen: Auf Regional-, Landes- und Bundesebene in der NRWO und in der Europawahlordnung sollen 10% der Parteistimmen oder die Erreichung der Wahlzahl für die Vorreihung von Kandidatinnen oder Kandidaten genügen.

-       In der Nationalratswahlordnung sollen auf jeder Ebene zwei Vorzugsstimmen vergeben werden können. Mindestens eine Vorzugsstimme muss einer Kandidatin gegeben werden (gendergerechtes Vorzugsstimmenrecht).

-       Die Bevorzugung ist einheitlich durch Eintragung des Namens der Kandidatin bzw. des Kandidaten zum Ausdruck zu bringen.

-       Jeder Wähler/jede Wählerin bekommt per Post eine Wahlinformation, in der alle für ihn/sie wählbaren Kandidaten und Kandidatinnen der Regional-, Landes- und Bundesebene gelistet sind.

-       Eine Vereinheitlichung der Regelungen im Bundes- und Landesrecht auf bestem Niveau ist anzustreben.

Verwiesen wird auch auf die im Rahmen der Ausschussbegutachtung eingelangten kritischen Stellungnahmen zum Initiativantrag von Univ.-Prof.in Dr.in Silvia Ulrich, Legal Gender Studies Instituts der Universität Linz[1] und von Seiten des Österreichischen Frauenrings[2]:

Der Frauenring begründet seine Forderungen, die auch die Parteienförderung sowie die Klubfinanzierung, die Geschäftsordnung des Nationalrats und das Parteiengesetz umfassen, mit der UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, BGBl Nr 443/1982.

Univ.-Prof.in Dr.in Silvia Ulrich verweist u.a. auf die Parlamentarischen Enquete vom 7. 10. 2009 zu „Frauen in der Politik – mehr Frauen in die Politik“ und die dort übereinstimmend zum Ausdruck gebrachte Zielsetzung einer geschlechtergerechten Repräsentation und kommentiert den Initiativantrag wie folgt: „Eine isolierte, nicht an materieller Gleichheit orientierte Reform des Vorzugsstimmensystems entspricht nicht der Zielsetzung des Art 7 Abs. 2 B-VG. Regelungsbestandteil einer aus der Genderperspektive überzeugenden Reform müsste insbesondere auch eine geschlechterparitätische Gestaltung der Wahlvorschläge und die Verwirklichung einer geschlechtergerechten Sprache in der gesamten NRWO sein.“

Der im Ausschuss eingebrachte Abänderungsantrag greift zumindest die Vorschläge zur gendergerechten Formulierung den Anlagen 6 und 7 zur NRWO (Stimmzettel und Wahlunterlage) auf.

Weiters wird mit einer „Ausschussfeststellung“ die Bundesministerin für Inneres aufgefordert, „die Präsentation der Bewerberinnen und Bewerber auf der Homepage des BMI benutzerfreundlicher zu machen.“ Damit wird die Information der Wähler und Wählerinnen verbessert.

Dies waren freilich zu marginale Zugeständnisse gegenüber den Forderungen der Grünen, sodass dem Gesetzesentwurf trotzdem keine Zustimmung gegeben werden kann.

 

Dieter Brosz, MSc

Mag. Judith Schwentner

Dr. Peter Pilz

Mag. Albert Steinhauser



[1] http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/SN/SN_00500/index.shtml

[2] http://www.parlament.gv.at////SN/SN_00495/index.shtml