2227 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über die Regierungsvorlage (2195 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, das Notarversicherungsgesetz 1972 und das Nachtschwerarbeitsgesetz geändert werden (Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz – Sozialversicherung)

Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51, wurden die (verfassungsrechtlichen) Grundlagen für eine neue zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit geschaffen.

Demnach werden mit Wirkung vom 1. Jänner 2014 je ein Verwaltungsgericht erster Instanz in den Ländern sowie zwei Verwaltungsgerichte erster Instanz beim Bund eingerichtet, und zwar ein Bundesverwaltungsgericht und ein Bundesfinanzgericht.

Die unabhängigen Verwaltungssenate der Länder sowie zahlreiche andere weisungsfreie Sonderbehörden des Bundes werden aufgelöst und der administrative Instanzenzug wird im Wesentlichen abgeschafft, das heißt Bescheide können in Zukunft nur bei einem Verwaltungsgericht angefochten werden.

Die Verwaltungsgerichte erster Instanz werden in der Regel in der Sache selbst entscheiden. Sie erkennen durch EinzelrichterInnen, jedoch kann der Gesetzgeber Senatszuständigkeiten sowie die Einbeziehung von fachkundigen Laienrichter/inne/n festlegen.

In zweiter Instanz wird der Verwaltungsgerichtshof tätig. Er entscheidet über Revisionen, die gegen Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte wegen Rechtswidrigkeit erhoben werden.

Auf der Grundlage dieses umfassenden Ausbaues des österreichischen Rechtsschutzsystems ist auch im Bereich der Sozialversicherung eine Vielzahl verfahrensrechtlicher Anpassungen notwendig.

Im Wesentlichen beinhaltet der Entwurf folgende Maßnahmen:

                         - Festlegung, dass das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide der Versicherungsträger in Verwaltungssachen und gegen Bescheide der Aufsichtsbehörde zu entscheiden hat;

                         - Statuierung, dass auf das Verfahren in Verwaltungssachen das AVG in vollem Umfang anzuwenden ist;

                         - Normierung, dass Kompetenzkonflikte zwischen den Versicherungsträgern vom zuständigen Bundesminister zu entscheiden sind;

                         - Schaffung einer Amtsrevision gegen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes über die Versicherungspflicht und über die Berechtigung zur Weiter- oder Selbstversicherung.

Die Sozialversicherung ist nach Art. 10 Abs. 1 Z 11 B‑VG Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung. Sie wird von den Sozialversicherungsträgern vollzogen; diese entscheiden in erster Instanz. In Aufsichtsangelegenheiten und bei Kompetenzkonflikten entscheidet der jeweils nach § 448 ASVG zuständige Bundesminister in erster Instanz.

Bei den genannten Angelegenheiten handelt es sich somit im Wesentlichen um Rechtssachen in Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die nicht unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Art. 131 Abs. 4 B‑VG sieht die Möglichkeit vor, durch Bundesgesetz eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes festzulegen. Ein solches Bundesgesetz darf nur mit Zustimmung der Länder kundgemacht werden; dieses Vetorecht ist nach Art. 42a B‑VG binnen acht Wochen ab Einlangen des Gesetzesbeschlusses des Nationalrates beim Amt der Landesregierung auszuüben.

Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz hat an die Konferenz der Landesamtsdirektor/inn/en am 28. September 2012 und an die Konferenz der Landeshauptleute am 24. Oktober 2012 das Ersuchen herangetragen, eine solche Zuständigmachung des Bundesverwaltungsgerichtes nach dem B‑VG für Angelegenheiten der Sozialversicherung vorab zu beurteilen.

Die Landeshauptleutekonferenz hat dem Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz mitgeteilt, dass sie in ihrer Tagung am 24. Oktober 2012 nach ausführlicher Diskussion folgenden Beschluss gefasst hat:

„Die Landeshauptleutekonferenz nimmt den Vorschlag des Bundes, in den Angelegenheiten der Sozialversicherung einfachgesetzlich das Bundesverwaltungsgericht statt der Landesverwaltungsgerichte für zuständig zu erklären, zur Kenntnis.“

Im Hinblick darauf, dass in diesen Angelegenheiten in erster Instanz die Sozialversicherungsträger und somit keine Landesbehörden entscheiden, stellte die Landeshauptleutekonferenz in Aussicht, dass die Länder gegen eine derartige Regelung keinen Einwand erheben werden. Sie wies allerdings ausdrücklich auf den Ausnahmecharakter dieser Situation hin.

Somit ist davon auszugehen, dass die Länder vom Vetorecht gegen einen einschlägigen Gesetzesbeschluss des Nationalrates nicht Gebrauch machen werden.

Vor diesem Hintergrund wird – um eine einheitliche Rechtsprechung im Bereich der Sozialversicherung zu gewährleisten – im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit vorgeschlagen, das Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung von Bescheiden in Verwaltungssachen und Aufsichtsangelegenheiten zuständig zu machen.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht nach dem Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013, über Außenstellen in Graz, Innsbruck und Linz verfügen wird.

Bemerkt wird, dass die zu ändernden verfahrensrechtlichen Bestimmungen im Bereich des ASVG durch dynamische Verweisungsvorschriften „automatisch“ und zeitgleich auch in den anderen Sozialversicherungsgesetzen Gültigkeit erlangen werden (siehe die §§ 194 GSVG, 182 BSVG, 129 B‑KUVG und 65 NVG 1972).

In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich das im Entwurf vorliegende Bundesgesetz auf Art. 10 Abs. 1 Z 11 B‑VG („Sozialversicherungswesen“).

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 14. März 2013 in Verhandlung genommen. Gem. § 37 Abs. 2 GOG-NR beschloss der Ausschuss für Arbeit und Soziales einstimmig den Abgeordneten Stefan Markowitz zur Teilnahme an der Sitzung mit beratender Stimme beizuziehen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter  Abgeordneten Johann Hechtl die Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Ursula Haubner, Karl Donabauer, Karl Öllinger und Bernhard Vock sowie der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer.

Ein im Zuge der Debatte von den Abgeordneten Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen eingebrachter Abänderungsantrag fand keine Mehrheit. (für den Antrag: G, dagegen: S,V,F,B).

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf einstimmig beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (2195 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2013 03 14

                                  Johann Hechtl                                                                  Renate Csörgits

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau