Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Das Abkommen hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung des Abkommens im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch das Abkommen Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es überdies der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Österreich ist bestrebt, Abkommen über die Förderung und den Schutz von Investitionen mit anderen Staaten abzuschließen. Ziel dieser Abkommen ist es vor allem, österreichische Firmen bei ihren Investitionsbemühungen im Ausland zu unterstützen und günstige Voraussetzungen für die Bewältigung der dabei allenfalls entstehenden Risiken herzustellen. Bei diesen Verhandlungen wird aber auch auf die Möglichkeit, dass Investitionen in umgekehrter Richtung getätigt werden, Bedacht genommen.

Das Abkommen entspricht inhaltlich dem neuen österreichischen Mustertext aus dem Jahre 2008, wie er der Bundesregierung am 30. Jänner 2008 zur Kenntnis gebracht wurde (sh. Pkt. 12 des Beschl. Prot. Nr. 41).

Neben den wirtschaftlichen Aspekten sind ausländische Direktinvestitionen aber auch für die Entwicklungszusammenarbeit von Bedeutung, weil sie Entwicklungs- und Schwellenländer an das Weltwirtschaftssystem heranführen und die Grundlage für eine sinnvolle Einbindung des privaten Sektors schaffen. Mit dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon ist die Zuständigkeit zum Abschluss von Abkommen über Direktinvestitionen auf die EU übergegangen (vgl. Art. 207 AEUV). Es ist jedoch den EU-Mitgliedstaaten bis auf weiteres weiter möglich, bilaterale Investitionsschutzabkommen abzuschließen.

Nigeria ist mit rund 170 Millionen Einwohnern nach Südafrika Österreichs wichtigster Handelspartner Afrikas, das Handelsvolumen betrug 2011 rund 880 Millionen Euro. Die Bundesrepublik Nigeria hat bereits vor längerem den Wunsch nach Abschluss eines Investitionsschutzabkommens geäußert. Im Rahmen meines Besuchs in Nigeria vom 6.- 8. Juni 2012 wurde von der nigerianischen Regierung erneut der Wunsch nach Abschluss eines Investitionsschutzabkommens mit Österreich betont. Anfang November wurde das Abkommen in Wien paraphiert.

Das Abkommen findet auf alle Investitionen Anwendung, die Investoren der Vertragsparteien vor oder nach dem Inkrafttreten des Abkommens getätigt haben. Die Vertragsparteien gestehen einander grundsätzlich die Meistbegünstigung und Inländergleichbehandlung zu. Ausnahmen von diesen Prinzipien bestehen nur für Maßnahmen zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit, Verpflichtungen, welche sich aus der Mitgliedschaft zu einem Vertrag zur wirtschaftlichen Integration, wie etwa der Europäischen Union, einem multilateralen Vertrag über Investitionen oder steuerlichen Normen ergeben.

Das Abkommen enthält auch Bestimmungen über Umwelt- und Arbeitnehmerschutz und nimmt auch auf internationale Menschenrechte Bezug.

Das Abkommen bleibt vorerst zehn Jahre lang in Kraft. Danach verlängert sich seine Gültigkeit auf unbestimmte Zeit. Es kann von jeder der beiden Vertragsparteien mit einer Frist von zwölf Monaten schriftlich gekündigt werden, bleibt jedoch für bereits bestehende Investitionen für weitere 10 Jahre in Kraft. Neben natürlichen Personen, die die Staatsangehörigkeit einer der beiden Vertragsparteien besitzen, genießen den Schutz des Abkommens hinsichtlich von Investitionen im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei auch juristische Personen oder Personengesellschaften, die nach dem Recht einer Vertragspartei gegründet oder errichtet wurden.

Investitionen dürfen – auch materiell – nur im öffentlichen Interesse, auf der Grundlage der Nichtdiskriminierung, auf Grund eines ordentlichen Verfahrens und gegen Entschädigung enteignet werden. Sämtliche Zahlungen im Zusammenhang mit einer Investition sind in frei konvertierbarer Währung nach Maßgabe der EU-rechtlichen Bestimmungen frei transferierbar.

Streitigkeiten aus einer Investition zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei, die einer Lösung durch Verhandlungen und Konsultationen nicht zugänglich sind, können nach einer Frist von 60 Tagen, jedoch nicht länger als 3 Jahre ab Kenntnis durch den Investor auf Antrag des Investors einem Schiedsgericht vorgelegt werden.

Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung oder Anwendung des Abkommens selbst können, sofern sie nicht innerhalb von 60 Tagen durch Verhandlungen freundschaftlich beigelegt werden, ebenfalls einem Schiedsgericht zur bindenden Entscheidung unterbreitet werden.

Mit derartigen Abkommen sind nach derzeitigem Erfahrungsstand keine Kosten verbunden. Sofern dennoch Kosten erwachsen, werden sie aus den dem jeweils zuständigen Ressort zur Verfügung gestellten Mitteln bedeckt.

Das Abkommen ist in deutscher und in englischer Sprache authentisch.


Besonderer Teil

Präambel

Diese enthält im Wesentlichen die Motive der vertragsschließenden Parteien und verweist unter anderem in allgemeiner Form auf Menschenrechts- und Umwelt-Konventionen sowie die Konvention der Vereinten Nationen gegen Korruption (2003).

Zu Art.1

Dieser Artikel dient dazu, die im Abkommen vorkommenden wesentlichen Begriffsinhalte zu definieren.

Der Begriff „Investor“ wird in Bezug auf die Vertragsparteien in zweierlei Weise definiert: im Falle natürlicher Personen durch die Staatsangehörigkeit, im Falle juristischer Personen etc. durch die Berücksichtigung der Sitz- und Kontrolltheorie.

Der Begriff „Investition“ ist sowohl inhaltlich als auch durch eine demonstrative Aufzählung von Vermögenswerten definiert. Die Aufzählung folgt einem internationalen Standard. Des Weiteren wird festgelegt, dass auch Re-investitionen als Investitionen gelten, sofern sie in Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften des Gastgeberstaates erfolgen.

Die Definition des Unternehmensbegriffes trägt den Erscheinungsformen des österreichischen Zivil- und Gesellschaftsrechts Rechnung.

Die Definition der „Erträge“ entspricht sowohl inhaltlich als auch in der demonstrativen Aufzählung internationaler Praxis.

Des Weiteren erfährt der Begriff „ohne Verzögerung“ eine konkrete Umschreibung.

Die Definition des „Hoheitsgebietes“ entspricht derjenigen des Völkerrechtes.

Zu Art. 2

Dieser Artikel behandelt unter einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt die Förderung und Zulassung von Investitionen.

Zu Art. 3

In Abs. 1 wird eine gerechte und billige Behandlung sowie der volle und dauerhafte Schutz und die Sicherheit von Investitionen im Gebiet des Gastgeberstaates und in Abs. 3 hinsichtlich der getätigten Investitionen und der Investoren das Prinzip der Meistbegünstigung und der Inländergleichbehandlung festgelegt.

Abs. 4 enthält Ausnahmebestimmungen von diesen Grundsätzen, unter anderem eine regionale Wirtschaftsorganisationsintegrationsklausel (REIO-Klausel), die den Anwendungsvorrang bestehenden und zukünftigen Unionsrechts sicherstellt und den diesbezüglichen Anforderungen von EuGH und EK vollinhaltlich entspricht.

Zu Art. 4

Dieser Artikel regelt das Verhältnis von Investitionen und Umweltschutz.

Zu Art. 5

Dieser Artikel regelt das Verhältnis von Investitionen und nationalem Arbeitnehmerschutzrecht, soweit sich dieses auf international anerkannte Arbeitsnormen bezieht.

Zu Art. 6

Durch die Verpflichtung der Vertragsparteien, Gesetze, Rechtsvorschriften, Verfahren und internationale Abkommen, die die Wirksamkeit des Abkommens beeinflussen könnten, zu veröffentlichen, soll für Investoren und Vertragsparteien gleichermaßen größtmögliche Transparenz geschaffen werden.

Zu Art. 7

Dieser Artikel befasst sich mit der Frage der Entschädigung im Falle einer Enteignung und ist somit als einer der wichtigsten Artikel des Abkommens anzusehen. Von seinem Anwendungsbereich sind auch materielle Enteignungen und sonstige Maßnahmen gleicher Wirkung erfasst.

In Abs. 1 wird die Enteignung durch Bindung an vier Bedingungen hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit wesentlich eingegrenzt. Sie darf nur:

im öffentlichen Interesse,

auf der Grundlage der Nichtdiskriminierung

unter Einhaltung eines rechtmäßigen Verfahrens und

gegen Bezahlung einer Entschädigung

erfolgen.

In Abs. 2 ist die Entschädigungspflicht so formuliert, dass sie eine weitestgehende Wertsicherung und Verwertbarkeit für die betroffenen Vermögenswerte garantiert, d.h., dass die Entschädigung dem realen Wert der Investition unmittelbar vor dem Zeitpunkt entsprechen muss, in dem die tatsächliche Maßnahme der Enteignung gesetzt oder die bevorstehende Enteignung bekannt wurde.

Abs. 3 räumt dem Investor das Recht ein, die Rechtmäßigkeit der Enteignung durch die zuständigen Organe der Vertragspartei, welche die Enteignung veranlasst hat, überprüfen zu lassen.

Zu Art. 8

Dieser Artikel behandelt die Frage der Entschädigung eines Investors für den Fall von kriegerischen Auseinandersetzungen oder ähnlichen Ereignissen auf dem Hoheitsgebiet einer Vertragspartei und sieht auch für solche Fälle die Inländergleichbehandlung bzw. Meistbegünstigung vor.

Zu Art. 9

In Abs. 1 wird für die in Zusammenhang mit einer Investition stehenden Zahlungen der freie Transfer garantiert. Die Buchstaben a-g spezifizieren die Art der Zahlungen, wobei der Aufzählung demonstrativer Charakter zukommt. Die Abs. 2 und 3 berühren die Frage der Wechselkurse, der Abs. 4 möglichst eng beschriebene und taxativ aufgezählte Ausnahmen von der Transferverpflichtung.

Zu Art. 10

Da Investitionen seitens öffentlicher Stellen des Staates, dem der Investor angehört, vielfach mit Garantien ausgestattet werden, sieht dieser Artikel vor, dass im Falle des Eintrittes des Garantiegebers in die Rechte des Garantienehmers dieser Eintritt von der anderen Vertragspartei anerkannt wird.

Zu Art. 11

Dieser Artikel enthält in Abs. 1 eine sogenannte Schirmklausel (umbrella clause). Die Vertragsparteien bestätigen die Anerkennung von Verpflichtungen aus einem Vertrag zwischen dem Investor und dem Gastgeberstaat. Sollten andere Abkommen zwischen den Vertragsparteien eine günstigere Behandlung der Investoren vorsehen, so käme diese zur Anwendung (Abs. 2).

Zu Art. 12

Investoren aus Drittstaaten, die zwar im Hoheitsgebiet einer der Vertragsparteien Unternehmen besitzen oder kontrollieren, dort jedoch keine nennenswerte Geschäftstätigkeit entfalten, werden von den Begünstigungen dieses Abkommens ausgeschlossen.

Zu Art. 13

Dieser Artikel umreißt den Anwendungsbereich der folgenden Artikel des Kapitels 2 Teil 1: Streitigkeiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei betreffend eine mutmaßliche Verletzung einer Verpflichtung aus dem Abkommen, die dem Investor oder seinem Investment Verlust oder Schaden zufügt.

Zu Art. 14

Bei Streitigkeiten zwischen einem Investor und einem Vertragsstaat soll im Sinne des Abkommens zunächst eine Beilegung durch Verhandlungen oder Konsultationen versucht werden. Streitigkeiten aus einer Investition zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei, die auf dem Verhandlungswege nicht binnen 60 Tagen beigelegt werden können, können vom Investor dem Internationalen Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten im Sinne der Washingtoner Konvention über die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten vom 18. März 1965 oder dem Zentrum gemäß den Regeln der Zusatzfazilität für die Verwaltung von Verfahren durch das Sekretariat des Zentrums, wenn zumindest eine der Vertragsparteien die Mitgliedschaft zur Washingtoner Konvention besitzt oder einem auf Grund der UNCITRAL-Regeln errichteten Ad hoc-Schiedsgericht oder einem schiedsgerichtlichen Verfahren bei der Internationalen Handelskammer oder einem anderen zuvor vereinbarten ad-hoc Tribunal unterbreitet werden. Die oben angeführten Rechte unterliegen einer Befristung von 3 Jahren.

Zu Art. 15

Die Vertragsparteien übernehmen die uneingeschränkte Verpflichtung, sich einem der internationalen Schiedsverfahren gemäß diesem Abkommen zu unterwerfen. Die Ausschöpfung des nationalen Instanzenzuges ist nicht erforderlich.

Zu Art. 16

Das Schiedsverfahren ist auf Verlangen einer Streitpartei in einem Vertragsstaat der New Yorker Konvention abzuhalten.

Zu Art. 17

In diesem Artikel wird festgelegt, dass eine Vertragspartei einem Investor eine allfällige Deckung des diesem entstandenen Schadens durch eine Schadensversicherung oder Ähnliches nicht entgegenhalten kann.

Zu Art. 18

Dieser Artikel legt das anwendbare Recht fest. Bei Streitigkeiten zwischen einem Investor und einer Vertragspartei sollen grundsätzlich die Bestimmungen des Abkommens sowie die geltenden Regeln und Grundsätze des Völkerrechts zur Anwendung kommen.

Zu Art. 19

In diesem Artikel werden die endgültige Bindungswirkung der nach diesem Teil ergangenen Schiedsurteile sowie Modalitäten ihrer Vollstreckung festgelegt.

Zu Art. 20 bis 26

Im Staat – Staat – Streitbeilegungsverfahren werden Fragen betreffend den Geltungsbereich, das nichtstreitige Verfahren, die Bildung des Schiedsgerichts, anwendbares Recht, Rechtswirkungen der nach diesem Teil ergangenen Schiedsurteile, Kosten, prozedurale Fragen und Vollstreckung in analoger Weise zu oben stehendem Investor – Staat-Streitbeilegungsverfahren geregelt.

Zu Art. 27

Das Abkommen findet auf alle Investitionen, die vor oder nach seinem Inkrafttreten getätigt wurden, Anwendung, nicht jedoch auf Streitfälle, die bereits vor dem Inkrafttreten des Abkommens geregelt oder streitanhängig gemacht wurden.

Zu Art. 28

Das Abkommen enthält zur Klärung allfälliger Fragen und Meinungsverschiedenheiten die Möglichkeit der Abhaltung von Konsultationen.

Zu Art. 29

Dieser Artikel sieht die allfällige Änderung des Abkommens vor und legt die Modalitäten dafür fest.

Zu Art. 30

Das Abkommen sieht das Inkrafttreten durch Notenwechsel vor.

Zu Art. 31

Die Abkommensdauer wird mit 10 Jahren festgelegt, anschließend verlängert sie sich auf unbestimmte Zeit. Eine Kündigung ist unter Einhaltung einer zwölfmonatigen Kündigungsfrist möglich.