Erläuterungen

I. Allgemeiner Teil

Der vorliegende Entwurf beinhaltet folgende Schwerpunkte:

1.)    Die verfahrensrechtliche Umsetzung der Richtlinien

-       2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren (in der Folge: RL Dolmetsch), ABl. Nr. L 280 vom 26.10.2010 S 1

-       2012/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren (in der Folge: RL Rechtsbelehrung), ABl. Nr. L 142, vom 01.06.2012, S 1

-       2011/93/EU zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI, (in der Folge: RL Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs) ABl. Nr. L 335, vom 17.12.2011, S 1, in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr. L 18, vom 21.01.2012, S 7 .

2.)    Die Reaktion auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 13. Dezember 2012, G 137/11-15, mit dem die Wortfolge „bezieht sich jedoch nicht auf Ton- oder Bildaufnahmen und“ in § 52 Abs. 1 StPO mit Ablauf des 31. Dezember 2013 wegen des Verstoßes gegen das in Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 lit. b EMRK garantierte Fairnessgebot sowie den in Art. 2 StGG gewährleisteten Gleichheitssatz als verfassungswidrig aufgehoben wurde.

3.)    Die Gewährung eines einheitlichen Rechtsschutzes im Rahmen des Ermittlungsverfahrens für kriminalpolizeiliches und staatsanwaltschaftliches Handeln auf Grundlage der StPO sowie die Weiterentwicklung des Einspruchs wegen Rechtsverletzung hin zu noch mehr Rechtsschutz für Beschuldigte und sonst betroffene Personen.

4.)    Angleichung des § 18 StPO an die organisationsrechtlichen Bestimmungen des SPG.

5.)    Schließlich soll durch eine Änderung des § 76 Abs. 6 SPG iSd Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 12. März 2013, G 76/12-7, klargestellt werden, dass für die Veranlassung jeglicher Löschung erkennungsdienstlicher Daten auf Antrag des Betroffenen (§ 27 DSG) die Landespolizeidirektion zuständig ist, in deren Wirkungsbereich die Daten verarbeitet wurden.

Ad 1.) Am 30. November 2009 hat der Rat eine Entschließung über einen Fahrplan zur Stärkung der Verfahrensrechte von Verdächtigen oder Beschuldigten in Strafverfahren angenommen. In dieser „Roadmap“ wird dazu aufgerufen, verschiedene Maßnahmen zu Erreichung dieses Ziels zu ergreifen.

Mit den RL Dolmetsch und Rechtsbelehrung liegen nunmehr die ersten beiden Rechtsakte auf dem Weg zu einheitlichen EU-weiten Mindeststandards auf dem Gebiet der Verfahrensrechte von Beschuldigten und Angeklagten vor, wie sie der Rat in seiner Entschließung als Maßnahmen A und B vorgesehen hat.

Durch die Umsetzung der Maßnahme A (RL Dolmetsch) werden die Rechte von Beschuldigten, die die Verhandlungssprache des Gerichts weder sprechen noch verstehen, gestärkt, wobei die Umsetzung dieser Einigung auf gemeinsame Mindestnormen bei diesen Verfahrensrechten die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung erleichtern soll. Die Richtlinie ist bis 27. Oktober 2013 innerstaatlich umzusetzen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass in der StPO bereits umfangreiche Bestimmungen zum Thema „Übersetzungshilfe“ für Beschuldigte vorhanden sind, beschränkt sich der Umsetzungsbedarf in Österreich auf einige wenige Teilbereiche, in denen durch die europäischen Vorgaben einzelne Rechte weiter ausgebaut werden.

Vom Anwendungsbereich der RL Dolmetsch ist das gesamte Strafverfahren umfasst, das nach Art. 1 Abs. 2 mit der förmlichen Information des Beschuldigten vom Tatverdacht beginnt und bis zum Abschluss eines etwaigen Rechtsmittelverfahrens andauert. Nicht umfasst sind jedoch Verfahren oder organisatorische Akte nach rechtskräftiger Beendigung des eigentlichen Strafverfahrens. Weiters unterscheidet die RL zwischen Dolmetschleistungen (mündlich) und Übersetzungen (schriftlich), wobei von den Mitgliedsstaaten sicherzustellen ist, dass einem Beschuldigten, der die Sprache des betreffenden Strafverfahrens nicht spricht oder versteht, ohne Verzögerung (mündliche) Dolmetschleistungen während des Strafverfahrens, z. B. also bei Vernehmungen durch die Kriminalpolizei bzw. Staatsanwaltschaft oder in der Hauptverhandlung vor dem erkennenden Gericht, zur Verfügung gestellt werden. Diese Übersetzungshilfe ist durch Beistellung eines Dolmetschers zu gewähren, soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem zur Wahrung der Verteidigungsrechte, erforderlich ist.

Gleiches gilt für die innerstaatlich bis 2. Juni 2014 umzusetzende Maßnahme B (RL Rechtbelehrung), deren Gegenstand das Recht des Beschuldigten auf Rechtsbelehrung und auf Information über den gegen ihn erhobenen Tatvorwurf ist. Die neuen Rechte sollen in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls zur Anwendung kommen. Die nun europaweit einheitlichen Regelungen über die schriftliche Erklärung der Rechte bei der Festnahme machen auch eine ausdrückliche Regelung über die Rechtsbelehrung des Festgenommenen in § 171 StPO erforderlich.

Eine weitere Änderung dient der Umsetzung der RL Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs. Die materiellrechtliche Umsetzung der bis zum 18. Dezember 2013 innerstaatlich umzusetzenden RL erfolgt durch das Sexualstrafrechtsänderungsgesetz 2013. Durch eine Novellierung des Strafregistergesetzes soll erreicht werden, dass jeder Person, die eine Einstellung für berufliche oder organisierte ehrenamtliche Tätigkeiten, bei denen es zu direkten und regelmäßigen Kontakten mit Kindern kommt, anstrebt, die Möglichkeit zukommt, ausdrücklich zu beantragen, dass eine sie betreffende Strafregisterbescheinigung auch über gemäß § 2 Abs. 1a Strafregistergesetz 1968 gekennzeichnete Verurteilungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung sowie Einträge gemäß § 2 Abs. 1 Z 7 und 8 Strafregistergesetz 1968 (gerichtliche Aufsicht bei Sexualstraftätern und sexuell motivierten Gewalttätern, entsprechende Weisungen oder Tätigkeitsverbote) Auskunft gibt.

Ad 2.) Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 13. Dezember 2012, G 137/11-15, wurde die Wortfolge „bezieht sich jedoch nicht auf Ton- oder Bildaufnahmen und“ in § 52 Abs. 1 StPO mit Ablauf des 31. Dezember 2013 wegen des Verstoßes gegen das in Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 lit. b EMRK garantierte Fairnessgebot sowie den in Art. 2 StGG gewährleisteten Gleichheitssatz als verfassungswidrig aufgehoben. Nach dem Inhalt des Erkenntnisses muss dem Beschuldigten das Recht zukommen, ohne wesentliche Privilegierung der Staatsanwaltschaft Zugang zu Ton- oder Bildaufnahmen zu erhalten. Das generelle Vorenthalten der Möglichkeit, Kopien von Ton- oder Bildaufnahmen zu erhalten, verhindere jedoch bereits von vornherein eine Abwägung zwischen berechtigten Verteidigungsinteressen und schutzwürdigen Interessen Dritter.

Es wird daher vorgeschlagen, in einer Neufassung des § 52 Abs. 1 StPO das grundsätzliche Recht des Beschuldigten zum Ausdruck zu bringen, Kopien von im Akt befindlichen Ton- oder Bildaufnahmen zu erhalten. Bei jenen Ton- und Bildaufnahmen, deren Besitz aufgrund des Inhalts bzw. der entsprechenden Darstellungen strafbar und allgemein verboten ist, oder die Inhalte betreffen, die gemäß § 51 Abs. 2 erster Satz der Akteneinsicht nicht unterliegen, hat die Staatsanwaltschaft jedoch jedenfalls von deren Ausfolgung abzusehen. Gleichzeitig soll der Staatsanwaltschaft auch die Möglichkeit eingeräumt werden, jene Ton- und Bildaufnahmen, die schutzwürdige Interessen Betroffener berühren, mit einem ausdrücklichen Verbot der Veröffentlichung zu belegen.

Ad 3.) Durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 16. Dezember 2010, G 259/09 u.a., mit dem die Aufhebung der Wortfolge „… oder Kriminalpolizei“ im § 106 Abs. 1 StPO ausgesprochen wurde, konnte ein wesentliches Ziel des Gesetzgebers, nämlich die Schaffung eines einheitlichen Rechtsschutzes, mit dem Eingriffe der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft in subjektive Rechte Betroffener im Ermittlungsverfahren einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden sollten, nicht aufrecht erhalten werden.

Die mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, erfolgte Änderung des Art. 94 Abs. 2 B-VG erlaubt es, die ursprüngliche, mit der Strafprozessreform 2008 eingeführte und durch den Verfassungsgerichtshof aufgehobene Rechtslage über den Einspruch gegen Handlungen der Kriminalpolizei wieder herzustellen und auszubauen. Dies ist im Übrigen auch für die Gewährung eines von den oben bezeichneten Richtlinien geforderten Rechtsschutzes unumgänglich, weil nach diesen vorgesehen ist, dass dem Beschuldigten gegen die Verweigerung von Dolmetschleistungen und schriftlicher Übersetzung durch die Kriminalpolizei ein effektiver Rechtsbehelf zur Verfügung stehen muss.

Die vorgeschlagenen Änderungen zielen darauf ab, sämtliche Eingriffe der Kriminalpolizei in subjektive Rechte, sei es durch Zwangsmaßnahmen, sei es durch die Verweigerung von Verfahrensrechten nach der StPO im Sinne eines einheitlichen Rechtsschutzes einer Kontrolle der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu unterziehen, wobei dies auch über das Ende des Ermittlungsverfahrens hinaus möglich sein sollte und auch Akte der Kriminalpolizei betreffen muss, die nicht nachträglich bewilligt worden sind.

Im Sinne eines weiteren Ausbaus des Rechtsschutzes und auch zur Entkräftung der Bedenken, dass der Einspruch bei kriminalpolizeilichem Handeln in Teilbereichen weniger weit reiche, als jener der Maßnahmenbeschwerde zum UVS bzw. künftig zum Verwaltungsgericht, soll nunmehr zum Ersten klargestellt werden, dass das Einspruchsrecht nach § 106 StPO auch nach dem Tod der betroffenen Person besteht und auf seine in § 65 Z 1 lit. b StPO erwähnten Angehörigen übergeht. Zum Zweiten soll die Einbringung nicht mehr mit dem Ende des Ermittlungsverfahrens befristet sein. Folglich sieht der Vorschlag vor, dass der Einspruch stets binnen sechs Wochen ab dem Zeitpunkt der behaupteten Verletzung in einem subjektiven Recht eingebracht werden kann. Im Übrigen soll auch die Prüfung des Rechtsbehelfs durch die Staatsanwaltschaft in angemessener Zeit erfolgen und demgemäß an eine Frist von vier Wochen gebunden werden, nach deren Ablauf jedenfalls das Gericht zu befassen ist. Schließlich wird vorgeschlagen, dass vor Einbringen einer Anklage erhobene Einsprüche nicht mit Anklageerhebung gegenstandslos werden, um auch nicht beschuldigten Betroffenen diese Rechtsmittelmöglichkeit zu gewähren.

Ad 4.) Die Erfahrungen aus den ersten fünf Jahren seit Inkrafttreten der Strafprozessreform haben im Hinblick auf die Regelung in § 18 StPO gezeigt, dass eine Abgrenzung zwischen Behörde und Hilfsorgan kaum möglich ist und nicht dem System des SPG entspricht. Mit der vorgeschlagenen Änderung soll eine Angleichung an das SPG bezweckt werden, um den praktischen Umgang zu erleichtern.

Ad 5.) Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 12. März 2013, G 76/12-7 die §§ 67 Abs. 1 erster Satz in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2002 sowie § 74 Abs. 1 und 2 in der Stammfassung, BGBl. Nr. 566/1991 des Bundesgesetzes über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei (Sicherheitspolizeigesetz – SPG), BGBl. Nr. 566/1991, als verfassungswidrig aufgehoben. Die Veröffentlichung erfolgte mit dem BGBl. I Nr. 55/2013 am 9. April 2013. Mit dem folgenden Tag trat § 74 Abs. 1 und 2 außer Kraft. Die Aufhebung des § 67 Abs. 1 erster Satz leg.cit. tritt mit Ablauf des 30. Juni 2014 in Kraft.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes ergibt sich hinsichtlich der Artikel 1 und 2 aus Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Strafrechtswesen) und hinsichtlich des Artikels 2 aus Art. 10 Abs. 1 Z 7 B-VG („Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit“).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

In einigen im Begutachtungsverfahren abgegebenen Stellungnahmen wurde zur Neuregelung des § 106 StPO insbesondere auf die Gesetzesmaterialien zu Art. 131 Abs. 1 B-VG (ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP) hingewiesen, wo ausgeführt wird, „[…] Da auf die Vollziehung von Angelegenheiten in unmittelbarer Bundesverwaltung abgestellt wird, fallen nach der Generalklausel des vorgeschlagenen Art. 131 Abs. 1 auch Angelegenheiten, die weder in unmittelbarer noch in mittelbarer Bundesverwaltung besorgt werden, in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Länder; dies ist etwa bei der Sicherheitsverwaltung, […] der Fall […].“.Darauf gestützt wird das Zustimmungsrecht der Länder nach Art. 94 Abs. 2 B-VG (neu) begründet, das eben jene Angelegenheiten betreffe, die grundsätzlich nach Art. 131 Abs. 1 B-VG (neu) in die Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte fallen.

Dagegen ist der Begutachtungsentwurf von einer funktionalen Zuordnung der Tätigkeiten der Kriminalpolizei im Dienste der Strafrechtspflege ausgegangen.

Bei dieser Ausgangslage und den insofern divergierenden Ansichten erscheint es schon zur Vermeidung von zusätzlichen Weiterungen in jedem Fall zweckmäßig und geboten, die Zustimmung der Länder gemäß Art. 94 Abs. 2 B-VG doch einzuholen, zumal die vorgeschlagene Einbeziehung der Tätigkeit der Kriminalpolizei in den Rechtsschutz der ordentlichen Gerichte im Ermittlungsverfahren im Begutachtungsverfahren breite Unterstützung erfahren hat.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Artikel 1 Z 5, 6, 16 und 17 des Entwurfs dienen der Umsetzung der Richtlinie 2012/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren ABl. L 142, 1.

Artikel 1 Z 8, 15, 18 und 19 des Entwurfs dient der Umsetzung der Richtlinie 2010/64/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren, ABl. L 280,1.

Artikel 2 Z 1 des Entwurfs dient der Umsetzung der Richtlinie 2011/93/EU zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2004/68/JI, ABl. L 335 vom 17.12.2011 S. 1, in der Fassung der Berichtigung ABl. L 18, 7.

Im Übrigen wird das Recht der Europäischen Union nicht berührt.

II. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung der Strafprozessordnung 1975):

Zu Z 1 bis 4 (§ 18):

Es wird vorgeschlagen, das Verhältnis zwischen Sicherheitsbehörde und Wachkörper parallel zu den Regelungen des Sicherheitspolizeigesetzes nach Maßgabe von Systematik und Inhalt der Bestimmungen des SPG (der vorgeschlagene § 18 Abs. 3 StPO entspricht § 5 Abs. 1 SPG; § 18 Abs. 4 StPO seinerseits § 9 Abs. 3 SPG) zu gestalten.

Die bisherige Definition „Kriminalpolizei“ bereitete zuletzt in der sicherheitsbehördlichen Praxis wiederholt kaum überwindbare Probleme, insbesondere im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen Behörde und Hilfsorgan.

Die Befugnisse der Kriminalpolizei in der StPO kommen – soweit sie nicht der Behörde vorbehalten sind (vgl. Vogl, WK-StPO § 18 Rz 17) – den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Ausübung des kriminalpolizeilichen Exekutivdienstes zu. Denn der Begriff „kriminalpolizeilicher Exekutivdienst“ beinhaltet jede außerhalb des inneren Dienstes entfaltete Innen- und Außendiensttätigkeit eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Vollziehung der in der StPO determinierten Aufgaben und Befugnisse, die der Gesetzgeber der Kriminalpolizei einräumt (vgl. zum Begriff des Exekutivdienstes, Vogl in Thanner/Vogl [Hrsg], SPG2 § 5 Anm 5). Da die Ausübung der kriminalpolizeilichen Tätigkeit momentan ausschließlich den Sicherheitsbehörden und ihren Exekutivorganen obliegt (§ 18 Abs. 2 StPO), reicht die Wachkörpereigenschaft von Gemeindeorganen für eine Mitwirkung an der Vollziehung der StPO nicht mehr aus. Diese müssen vielmehr auch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sein. Als solche gelten Angehörige eines Gemeindewachkörpers jedoch nur, wenn sie auf Grund einer Verordnung des Landespolizeidirektors gemäß § 9 Abs. 3 SPG der Bezirksverwaltungsbehörde zur Versehung des sicherheitspolizeilichen Exekutivdienstes unterstellt wurden. Die Verordnung setzt einen Antrag der Gemeinde und die Zustimmung der Bezirksverwaltungsbehörde, welcher der Gemeindewachkörper unterstellt werden soll, voraus. Diese Unterstellung ist vom Landespolizeidirektor auf Antrag der Bezirksverwaltungsbehörde mittels Verordnung aufzuheben, wenn der Gemeindewachkörper die ihm übertragenen Aufgaben nicht erfüllt.

Ausgehend von der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs, wonach jegliches Verhalten von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Behörde zurechenbar sein muss, soll in den Abs. 2 und 3 eine entsprechende Klarstellung vorgenommen werden. Im Lichte der Angleichung an die sicherheitspolizeilichen Bestimmungen, scheint die gesonderte Regelung, dass Aufgaben und Befugnisse der Behörde auch den Organen zukommen, entbehrlich, weil auch dort keine gesonderte Norm dafür erforderlich ist.

Bislang sieht die StPO keine ausdrückliche Ermächtigung zur Übertragung kriminalpolizeilicher Aufgaben an Gemeindewachkörper mittels Verordnung vor. Eine solche Betrauung des Gemeindewachkörpers wurde in der Praxis aus dessen Unterstellung gemäß § 9 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei (Sicherheitspolizeigesetz – SPG), BGBl. Nr. 566/1991, zur Ausübung des sicherheitspolizeilichen Exekutivdienstes (§ 5 Abs. 3 SPG) abgeleitet. Dieser Ansicht folgend, wird die Ausübung aller kriminalpolizeilicher Aufgaben auch dann möglich, wenn durch Verordnung nur eine einzige sicherheitspolizeiliche Aufgabe (wie die Streitschlichtung) übertragen wurde. Die Tatsache, dass die Übertragung einzelner sicherheitspolizeilicher Aufgaben unter Bedachtnahme der Leistungsfähigkeit des Gemeindewachkörpers vorzunehmen ist, lässt eine automatische kriminalpolizeiliche Befugnisermächtigung unverhältnismäßig erscheinen (s. dazu Vogl, WK-StPO § 18 Rz 101).

Mit der vorgeschlagenen Bestimmung soll daher die Betrauung mit kriminalpolizeilichem Exekutivdienst von jener mit sicherheitspolizeilichem Dienst entkoppelt werden und mittels gesonderter Verordnung nach Anhörung der Oberstaatsanwaltschaft erfolgen. Des Weiteren soll eine Aufhebung der Unterstellung mittels Verordnung in Abweichung zur Regelung des § 9 Abs. 3 SPG auch auf Antrag der Gemeinde oder auf Antrag der Oberstaatsanwaltschaft, in deren Sprengel sich die Gemeinde befindet, möglich sein, soweit festgestellt wird, dass der Gemeindewachkörper die ihm übertragene Aufgabe nicht erfüllt. Diese Voraussetzung wird durch den Landespolizeidirektor anhand der tatsächlichen Umstände zu prüfen sein.

Damit sollen auch Effizienzüberlegungen berücksichtigt werden, weil doch viele Gemeindewachkörper schon bislang in Vollziehung der Kriminalpolizei tätig geworden sind und teilweise eine beinahe unverzichtbare personelle Ressource darstellen. Zudem sind die Bürgermeister – sofern sie nicht funktional als Bezirksverwaltungsbehörde tätig werden – nicht mehr Sicherheitsbehörden und damit auch nicht mehr in Erfüllung der kriminalpolizeilicher Aufgaben tätig.

Zu Z 5 (§ 20a):

Im Hinblick auf die Ähnlichkeit der Materien soll in Abs. 1 Z 6 auch für die Straftatbestände des Elektrizitätswirtschafts- und –organisationsgesetzes 2010 (ElWOG 2010), BGBl. I Nr. 110/2010 und Gaswirtschaftsgesetzes 2011 (GWG 2011), BGBl. I Nr. 107/2011 eine Sonderzuständigkeit der WKStA im Ermittlungsverfahren geschaffen werden.

Hinzuweisen ist darauf, dass im Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Elektrizitätswirtschafts- und –organisationsgesetz 2010, das Gaswirtschaftsgesetz 2011 und das Energie-Control-Gesetz geändert werden (REMIT- und Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz) für die Durchführung des Hauptverfahrens wegen Missbrauchs einer Insider-Information eine Zuständigkeit des Landesgerichts für Strafsachen Wien vorgesehen ist, sodass auch aus diesem Grund eine Sonderzuständigkeit der in Wien ansässigen WKStA im Ermittlungsverfahren zweckmäßig scheint.

Zu Z 6 und 7 (§ 50):

Die ergänzte Regelung des Abs. 1 sieht zunächst in Umsetzung von Art. 6 Abs. 4 der RL Rechtsbelehrung eine Belehrungsverpflichtung für den Fall vor, dass die bereits erteilte Information nach § 50 Abs. 1 StPO nicht mehr dem aktuellen Ermittlungsstand entspricht. Zur vollständigen Wahrung der Verteidigungsrechte sollen daher nicht nur neu hervor kommende Taten, sondern auch die Änderung der rechtlichen Würdigung der Tat Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft zur Ergänzung der Rechtsbelehrung verpflichten. Somit soll der Beschuldigte, sobald die dem Ermittlungsverfahren zu Grunde liegenden Tatsachen an sich oder in Verbindung mit neu hervorgetretenen Umständen den Verdacht der Begehung einer anderen oder einer weiteren strafbaren Handlung begründen, auch über diese geänderten Gesichtspunkte des gegen ihn bestehenden Tatverdachts informiert werden.

Nach Art. 3 der RL Rechtsbelehrung ist jede Person, die der Begehung einer Straftat beschuldigt wird, umgehend über ihre Verfahrensrechte zu belehren, wobei von dieser Belehrung nach Art. 3 Abs. 1 jedenfalls folgende Rechte umfasst sind:

                         - das Recht auf Beiziehung eines Verteidigers,

                         - der etwaige Anspruch auf unentgeltliche Rechtsberatung und die Voraussetzungen dieser Rechtsberatung (Verfahrenshilfe),

                         - das Recht auf Unterrichtung über den Tatvorwurf gemäß Art. 6 EMRK,

                         - das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen,

                         - das Recht auf Aussageverweigerung.

Weiters sieht die RL in Art. 3 Abs. 3 vor, dass eine Rechtsbelehrung entweder mündlich oder schriftlich in einfacher und verständlicher Sprache zu erfolgen hat. Dabei sind etwaige besondere Bedürfnisse schutzbedürftiger Verdächtiger oder schutzbedürftiger beschuldigter Personen zu berücksichtigen. Als schutzbedürftig im Sinne der RL (s. Erwägungsgrund 26) sind beispielsweise Personen anzusehen, die aufgrund ihres jugendlichen Alters oder ihres geistigen oder körperlichen Zustands nicht in der Lage sind, den Inhalt oder die Bedeutung der Belehrung zu verstehen. Während in Österreich die Belehrung über diese Rechte bereits in den §§ 49, 50 und 164 StPO umgesetzt ist, soll den darüber hinaus gehenden Anforderungen der RL mit dem vorgeschlagenen Abs. 2 entsprochen werden, wonach die Rechtsbelehrung in einer für den Beschuldigten verständlichen Sprache und Art zu erfolgen hat, wobei besondere persönliche Bedürfnisse zu berücksichtigen sind.

Gemäß Abs. 3 ist der Umstand der erteilten oder ergänzten Belehrung des Beschuldigten schriftlich festzuhalten (§§ 95 und 96). Damit soll Art. 8 Abs. 1 der RL Rechtsbelehrung umgesetzt werden, wonach die Mitgliedstaaten sicher zu stellen haben, dass jegliche Belehrung oder Unterrichtung des Beschuldigten schriftlich festzuhalten ist. Dies ist grundsätzlich bereits durch das geltende Recht gewährleistet, weil eine mündliche Rechtsbelehrung jedenfalls einen wesentlichen Vorgang während einer Amtshandlung darstellt und daher im Protokoll zu dokumentieren ist (§ 96 Abs. 1 Z 4 StPO), während eine schriftliche Rechtsbelehrung durch die entsprechende Zustellverfügung dokumentiert wird. Insofern stellt dieser Satz eine bloße Klarstellung der schon bisher geübten Praxis dar.

Zu Z 8 (§ 52):

Mit Erkenntnis vom 13. Dezember 2012, G 137/11-15 hat der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge „bezieht sich jedoch nicht auf Ton- oder Bildaufnahmen und“ in § 52 Abs. 1 StPO mit Ablauf des 31. Dezember 2013 wegen des Verstoßes gegen das in Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 lit. b EMRK garantierte Fairnessgebot sowie den in Art. 2 StGG gewährleisteten Gleichheitssatz als verfassungswidrig aufgehoben. Nach der Begründung des Erkenntnisses müsse dem Prinzip der Waffengleichheit folgend jeder Partei Gelegenheit gegeben werden, ihren Fall einschließlich aller ihrer Beweise unter solchen Bedingungen zu präsentieren, die keinen wesentlichen Nachteil gegenüber ihrem Gegner bedeuten. Dieser Grundsatz werde durch den unbeschränkten Zugang zu den Verfahrensakten und die Verwendung aller Aufzeichnungen – einschließlich der Möglichkeit, Kopien der relevanten Dokumente zu erhalten, sofern diese notwendig sind – gewährleistet.

Konkret müsse dem Beschuldigten (Angeklagten) hinlänglicher Zugang zu allen Beweisen der Strafverfolgungsbehörde ermöglicht werden, womit auch die Einräumung von ausreichend Zeit sowie das Bereithalten von Räumlichkeiten zur Vorbereitung der Verteidigung eingeschlossen ist, um nicht in eine gegenüber der Anklagebehörde nachteilige Position zu geraten. Somit müsse dem Beschuldigten jedenfalls das Recht zukommen, ohne wesentliche Privilegierung der Staatsanwaltschaft – also unter vergleichbaren Bedingungen – Zugang zu Bildaufnahmen zu erhalten.

Zwar könne ein Augenschein iSd § 51 Abs. 1 zweiter Satz StPO in Einzelfällen – vor allem, wenn nur wenige Bildaufnahmen betroffen sind – dem Grundsatz der Waffengleichheit Genüge tun, der generelle Ausschluss des Beschuldigten (Angeklagten) von der Möglichkeit der Erlangung von Kopien, wie ihn § 52 Abs. 1 StPO in der zuletzt geltenden Fassung normiert habe, stehe diesem Prinzip jedoch entgegen.

Einer allfälligen Begünstigung strafbaren Verhaltens oder einer Gefährdung der Rechte Dritter infolge Ausfolgung des kopierten Bildmaterials sei durch entsprechende legistische Vorkehrungen mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen.

Unzweifelhaft ist eine wirksame Verteidigung des Beschuldigten ohne Kenntnis des Inhalts und Umfangs des ihm gegenüber erhobenen strafrechtlichen Vorwurfs nicht denkbar. Dessen ungeachtet hat das Strafprozessrecht jedoch auch die Rechte anderer vom Verfahren Betroffener sowie das Strafverfolgungsinteresse zu berücksichtigen, das durch eine Weitergabe von Informationen an die Öffentlichkeit behindert werden könnte. Dazu tritt das Verfassungsgebot des Art. 1 Abs. 2 DSG 2000, das den Gesetzgeber verpflichtet, Daten, die ihrer Art nach besonders schutzwürdig sind, nur zur Wahrung wichtiger öffentlicher Interessen zu verwenden und gleichzeitig angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen festzulegen. Aufgabe des Strafverfahrens ist es daher, den Anspruch der Betroffenen auf Geheimhaltung der im Zuge der Strafverfolgung ermittelten Daten wirksam zu gewährleisten, ohne dadurch das Verteidigungsinteresse des Beschuldigten nach Art. 6 EMRK oder das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit nach Art. 10 EMRK zu beeinträchtigen.

Vor dem Hintergrund der bestehenden gesetzlichen Schutzmechanismen vor verbotener Veröffentlichung (§ 54 StPO, § 301 StGB, §§ 6ff MedienG, § 1328a ABGB) und dem hohen Verbreitungsrisiko sensibler in Ton- oder Bildaufnahmen enthaltener Daten durch deren Ausfolgung an den Beschuldigten bzw. dessen Verteidiger ist im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes der Persönlichkeitsschutz der von einer allfälligen Veröffentlichung der ausgefolgten Kopien von Ton- oder Bildaufnahmen betroffenen Person(en) gegenüber der unbedingten Möglichkeit zur Herstellung und Ausfolgung von Kopien derartiger Akteninhalte im Verteidigungsinteresse als höheres Gut zu bewerten. Besonders Augenmerk verdienen in dieser Hinsicht gerade auch die Ton- und Bildaufnahmen kontradiktorischer Vernehmungen (§ 165 StPO). Die Gefahr, dass Aufzeichnungen von Zeugenaussagen, die etwa von Kindern oder in ihrer Geschlechtssphäre verletzten Personen getätigt wurden, im Wege einer auch das Recht auf Herstellung von Kopien enthaltenden Gewährung von Akteneinsicht letztlich über Videoportale im Internet oder andere Kanäle an die Öffentlichkeit gelangen können, ist evident.

Nach dem genannte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs muss dem Beschuldigten jedenfalls das Recht zukommen, ohne wesentliche Privilegierung der Staatsanwaltschaft – also unter vergleichbaren Bedingungen – Zugang zu Ton- und Bildaufnahmen zu erhalten. Das generelle Vorenthalten der Möglichkeit, Kopien von Ton- oder Bildaufnahmen zu erhalten, verhindere jedoch bereits von vornherein eine Abwägung zwischen berechtigten Verteidigungsinteressen und schutzwürdigen Interessen Dritter, weshalb die (aufgehobene) Wortfolge mit dem in Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 lit. b EMRK garantierten Fairnessgebot, aber auch mit dem in Art. 2 StGG gewährleisteten Gleichheitssatz nicht vereinbar ist.

Die vorgeschlagene Neufassung des § 52 Abs. 1 StPO hat daher einerseits das grundsätzliche Recht des Beschuldigten, Kopien von im Akt befindlichen Ton- oder Bildaufnahmen zu erhalten, zum Ausdruck zu bringen; gleichzeitig soll der Staatsanwaltschaft jedoch auch die Möglichkeit eingeräumt werden, jene Ton- und Bildaufnahmen, die schutzwürdige Interessen Betroffener berühren, im Sinne einer Interessensabwägung mit einem Verbot der Veröffentlichung zu belegen. Dies wird dadurch erreicht, dass dem Beschuldigten eine Pflicht zur Geheimhaltung dieser Aufnahmen (§ 301 Abs. 2 StGB) auferlegt wird, sodass in diesen besonderen Fällen nicht nur die Berechtigung zur Verwertung im Sinne des § 54 erster Satz StPO nicht zum Tragen kommt, sondern auch ein Schutz durch strafrechtliche Sanktion bei Zuwiderhandeln besteht.

Als Beispiel für die Existenz besonders schutzwürdiger Interessen wären etwa Zeugenaussagen von Kindern, in ihrer sexuellen Integrität oder Selbstbestimmung oder sonstige in ihrer Menschenwürde verletzten Personen (beispielsweise durch Folter) zu nennen.

Vom Begriff „Kopien (Ablichtungen oder andere Wiedergaben des Akteninhalts)“ sind nicht nur „Kopien“ im körperlich-technischen Sinn (Tonkassetten bzw. -bänder, Fotografien, Filme) und den damit verbundenen zeitlich aufwändigen Kopier- bzw. Übertragungsvorgang (Achammer, WK-StPO §§ 51 bis 53 Rz 40), sondern jedenfalls auch die elektronische Datenübertragung (Übertragung digitalisierter Ton- oder Bildaufnahmen) umfasst.

Ganz allgemein soll nun auch präzisiert werden, dass dem Beschuldigten – soweit ihm Akteneinsicht zusteht – entweder auf Antrag und gegen Gebühr Kopien auszufolgen sind, oder ihm zu gestatten ist, Kopien nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten selbst herzustellen (auch hier unter Anwendung der Bestimmungen des GGG), sofern dieses Recht nicht durch einen Verteidiger ausgeübt wird (§ 57 Abs. 2). Durch die Wendung „nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten“ soll im Hinblick auf alle Kopien, also auch von schriftlichen Aktenstücken, berücksichtigt werden, dass eine Herstellung von Kopien unter Verwendung behördlicher Infrastruktur (Benutzung des Kopiergeräts) gerade bei kleinen Organisationseinheiten oftmals nicht möglich ist. Die Bestimmungen des GGG sind stets anwendbar, sodass die Herstellung von Kopien gänzlich in Eigenregie (also auch unter Verwendung eines eigenen Geräts zur Vervielfältigung wie Handscanner oder Kamera) keinen staatlichen Gebührenanspruch auslöst. Sofern es zur Gewährleistung der Datensicherheit erforderlich ist, dem Beschuldigten Kopien auf von den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellten Datenträgern zu übergeben, so hat dieser die Kosten deren Anschaffung zu ersetzen. Solche Datenträger sollen daher in diesem Fall (Verhinderung der Einbringung von Schadsoftware durch Datenträger des Beschuldigten) nur Zug um Zug gegen Ersatz der Aufwendungen ausgefolgt werden.

Kopien von Ton- und Bildaufnahmen, deren Besitz aufgrund des Inhalts bzw. der entsprechenden Darstellungen wie im Falle von Kinderpornographie (vgl. § 207a StGB) grundsätzlich strafbar und auch allgemein verboten ist, sollen generell von der Ausfolgung oder Herstellung ausgenommen bleiben. Im Fall von Aufnahmen, die Inhalte betreffen, die gemäß § 51 Abs. 2 erster Satz StPO der Akteneinsicht zum Schutz vor einer ernsten Gefahr für Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit (§ 162 StPO) nicht unterliegen, soll ebenfalls von der Ausfolgung von Kopien abgesehen werden können.

Als bloße Ergänzung zur schriftlichen Protokollführung anlässlich einer Vernehmung erstellte Ton- und/oder Bildaufnahmen, die nach Fertigstellung des Protokolls nicht zum Akt genommen werden, sind der Akteneinsicht grundsätzlich nicht zugänglich, weshalb auch keine Kopien dieser Datenträger herzustellen oder auszufolgen sind. Anderes gilt, wenn solche Datenträger samt Inhalt zu besonderen Dokumentationszwecken zum Akt genommen und damit Gegenstand des Verfahrens werden (für den Bereich des Ermittlungsverfahrens ist dies aus den Bestimmungen der §§ 96 und 97 StPO zu folgern, die anders als § 271a Abs. 2 StPO eben kein Recht vorsehen, die Übersendung der Aufnahme auf einem Datenträger verlangen zu können).

Zu Z 9 (§ 56):

Die vorgeschlagene Änderung des § 56 StPO stellt das Kernstück der Umsetzung der RL Dolmetsch, insbesondere deren Artikel 2, 3 und 7 dar. Nach der maßgeblichen Rechtsprechung des OGH wird das Recht auf Übersetzungshilfe mit Blick auf eine grundrechtskonforme Interpretation bereits sehr großzügig ausgelegt [vgl. u.a. OGH, 11.12.2012, 11 Os 139/12v (11 Os 140/12s, 11 Os 141/12p, 11 Os 142/12k)]. Auf dieser Grundlage kann von einer systemkonformen, auf die Vermeidung von Diskriminierungen wegen mangelnder Sprachkenntnisse gerichteten Weiterentwicklung gesprochen werden, die sich vor allem auf die schriftliche Übersetzung wesentlicher Aktenteile konzentriert.

In Abs. 1 wird zunächst grundsätzlich angeordnet, dass ein Beschuldigter, der die Verfahrenssprache nicht spricht oder sich in dieser nicht hinreichend verständigen kann, das Recht auf Verdolmetschung (Abs. 2) und auf schriftliche, innerhalb einer angemessenen Frist zu erteilende Übersetzung der wesentlichen Aktenstücke (Abs. 3) hat, soweit dies zur Wahrung der Verteidigungsrechte und eines fairen Verfahrens erforderlich ist. Damit soll einerseits die Benachteiligung der Amtssprache nicht mächtiger Beschuldigter vermieden und andererseits die Unterscheidung zwischen mündlicher Dolmetschleistung und schriftlicher Übersetzung der wesentlichen Aktenstücke getroffen werden. Letztere hat im Übrigen jedenfalls innerhalb einer angemessenen, zur Wahrung der Verteidigungsrechte geeigneten Frist zu erfolgen. Gegenüber dem Begutachtungsentwurf soll zum Ausdruck gebracht werden, dass je nach Umfang und Schwierigkeitsgrad sowie der Dringlichkeit der Übersetzung eine Frist für deren Fertigstellung zu setzen ist.

Insgesamt erfolgt in der Terminologie der Abs. 1 und 2 gegenüber dem Begutachtungsentwurf eine stärkere Orientierung an den Wortlaut der des Art. 2 Abs. 1 „RL Dolmetsch“, wonach die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass verdächtigen oder beschuldigten Personen, die die Sprache des betreffenden Strafverfahrens nicht sprechen oder verstehen, unverzüglich Dolmetschleistungen während der Strafverfahren bei Ermittlungs- und Justizbehörden, einschließlich während polizeilicher Vernehmungen, sämtlicher Gerichtsverhandlungen sowie aller erforderlicher Zwischenverhandlungen, zur Verfügung gestellt werden. Für das Recht auf schriftliche Übersetzung soll auch iSv Art. 3 Abs. 1 „RL Dolmetsch“ besser herausgearbeitet werden, dass es auf die Wahrung der Verteidigungsrechte und eines fairen Verfahrens ankommt.

Die Zuständigkeit für die Gewährleistung mündlicher oder schriftlicher Übersetzungen soll sich grundsätzlich nach der allgemeinen funktionellen Zuständigkeitsverteilung im Bereich der Gewährung von Akteneinsicht orientieren (Verweis auf § 53 Abs. 1 erster Satz StPO). Insoweit soll daher auch die Kriminalpolizei mündliche Dolmetschleistungen und schriftliche Übersetzungshilfe zu gewähren haben. Maßgeblich soll sein, ob die konkret betroffene Amtshandlung von Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft oder Gerichts geleitet wird. Dass die Staatsanwaltschaft etwa eine Vernehmung durch die Kriminalpolizei angeordnet hat, lässt jedoch den Umstand unberührt, dass diese Vernehmung, für die die Beiziehung eines Dolmetschers erforderlich ist, sodann unter der Leitung der Kriminalpolizei stattfindet (s. auch die Bestimmung über die Führung des Protokolls nach § 96 Abs. 2 StPO).

Für die schriftliche Übersetzung der wesentlichen Aktenstücke nach Abs. 3 soll aber auch das Verursacherprinzip gelten, um zu verhindern, dass die Kriminalpolizei Anordnungen und Beschlüsse der Justiz oder umgekehrt etwa die Staatsanwaltschaft im Falle des § 171 Abs. 2 die schriftliche Begründung der Kriminalpolizei auf eigene Kosten schriftlich übersetzen lassen muss. Die wesentlichen Aktenstücke nach Abs. 3 sind daher, soweit nicht nach Abs. 5 oder 6 vorgegangen wird, im Fall des § 171 Abs. 2 durch die Kriminalpolizei, im Übrigen jedoch durch die Staatsanwalt oder im Fall der Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft und im Hauptverfahren (§ 210 Abs. 2) durch das Gericht schriftlich übersetzen zu lassen. Davon unberührt bleibt jedoch, dass für mündliche Dolmetschleistungen, die Entscheidung über das Verlangen der schriftlichen Übersetzung weiterer erforderlicher Aktenstücke (Abs. 4; nicht jene in Abs. 3) sowie für die Kostentragung die Leitung der jeweiligen Amtshandlung entscheidend sein und damit streng das Verursacherprinzip gelten soll. Die Kriminalpolizei soll aus Eigenem und ohne Einholung einer Entscheidung der Staatsanwaltschaft mündliche Dolmetschleistungen und schriftliche Übersetzungen gewähren können und im Falle der Antragstellung bei ihr auch für die Kosten der Dolmetschung bzw. Übersetzung von weiteren erforderlichen Unterlagen aufkommen.

Falls dem Verlangen des Beschuldigten nicht nachgekommen wird, muss diesem ein Rechtsbehelf, eben der Einspruch wegen Rechtsverletzung gemäß § 106 StPO offen stehen.Bestehen seitens der Kriminalpolizei Zweifel über den Umfang der Übersetzungen oder ein Verlangen nach Abs. 4, so kann natürlich auf kurzem Weg Kontakt mit der Staatsanwaltschaft aufgenommen werden. Die Erstattung außerordentlicher Anfallsberichte bloß infolge eines diesbezüglichen Begehrens wäre unverhältnismäßig und würde überdies der Intention des Abs. 1 widersprechen, wonach schriftliche Übersetzungen innerhalb einer angemessenen Frist zu erstatten sind. Dem nicht zufrieden gestellten Beschuldigten steht jedenfalls der Rechtsbehelf des Einspruchs wegen Rechtsverletzung nach § 106 StPO offen.

Das Recht auf mündliche Dolmetschleistungen soll in Abs. 2 näher umschrieben werden, wonach diese insbesondere für Beweisaufnahmen, an denen der Beschuldigte teilnimmt, für Verhandlungen und auf Verlangen auch für den Kontakt des Beschuldigten mit seinem Verteidiger, sofern dieser in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer Beweisaufnahme, einer Verhandlung, der Erhebung eines Rechtsmittels oder einem sonstigen Antrag steht, zu bestellen ist. Damit soll Art. 2 Abs. 2 der RL Dolmetsch umgesetzt werden. Als wesentliche Neuerung und Verbesserung der Beschuldigtenrechte ist hervorzuheben, dass die vorgeschlagene Regelung nicht bloß im Hinblick auf den Verfahrenshilfeverteidiger gilt, sondern auch die Kontakte mit Wahl- und Amtsverteidigern umfasst. In der Praxis wird dieser Regelung wohl am ehesten dadurch entsprochen werden können, dass dem Beschuldigten – je nach Komplexität des Verfahrens – für eine gewisse Zeit vor und nach der Vernehmung bzw. Verhandlung („in einem unmittelbaren Zusammenhang“) Dolmetschleistungen zur Verfügung gestellt werden.

Entsprechend Art. 2 Abs. 6 der RL Dolmetsch wird auch für die innerstaatliche Umsetzung vorgeschlagen, Dolmetschleistungen gegebenenfalls im Wege von technischen Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung (Videokonferenz oder vergleichbare technische Möglichkeiten) zu gewähren, wenn Dolmetschleistungen für die Sprache, die der Beschuldigte spricht oder versteht, am Ort der Vernehmung nicht binnen angemessener Zeit zur Verfügung gestellt werden können und die persönliche Anwesenheit des Dolmetschers für die Gewährleistung eines fairen Verfahrens nicht erforderlich ist.

Mit Blick auf die Rechtsbelehrung ist festzuhalten, dass ausführliche Regelungen dazu bereits in § 50 Abs. 2 StPO vorhanden sind.

Abs. 3 soll den Umfang schriftlicher Übersetzungen festlegen. Insgesamt sollen auch fremdsprachigen Beschuldigten annähernd gleiche Bedingungen für die Vorbereitung der Verteidigung durch Studium der wesentlichen Aktenstücke gewährt werden. Als wesentliche Aktenstücke sollen daher die Anordnung und gerichtliche Bewilligung der Festnahme, im Falle des § 171 Abs. 2 StPO die schriftliche Begründung der Kriminalpolizei, der Beschluss auf Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft, die Anklage (Anklageschrift und Strafantrag) sowie die Ausfertigung des noch nicht rechtskräftigen Urteils gelten. Letztere Einschränkung ist damit zu rechtfertigen, dass nach Abs. 2 während der gesamten Hauptverhandlung einschließlich Verkündung des Urteils ohnedies mündliche Dolmetschleistungen gewährleistet sind und der Anwendungsbereich der RL Dolmetsch mit rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens endet. Es soll daher nicht notwendig sein, die Urteilsausfertigung (gekürzte Urteilsausfertigung und Protokollvermerk) schriftlich zu übersetzen, wenn die Verfahrensbeteiligten keine Rechtsmittel angemeldet haben. Als weiteres Argument hierfür kann ins Treffen geführt werden, dass die Übersetzung des rechtskräftigen Urteils nicht für die Wahrung der Interessen an einer effektiven Verteidigung erforderlich ist, wie dies in der RL u.a. in Art. 3 Abs. 1 angeführt ist.

Abs. 4 soll dem Beschuldigten überdies ermöglichen, die schriftliche Übersetzung weiterer Aktenstücke verlangen zu können; dies – im Hinblick auf später hinzukommende Aktenbestandteile – auch für den Fall, dass er zunächst einen Verzicht auf Übersetzungsleistungen erklärt hat. Ein entsprechendes Begehren soll die gewünschten Aktenstücke konkret zu bezeichnen haben und zu begründen sein (Darlegung der Notwendigkeit einer schriftlichen Übersetzung zur Wahrung der Verteidigungsrechte, soweit dieser Umstand wegen der Bedeutung der Schriftstücke nicht ohnedies offenkundig ist). Darüber hinaus ist auf Art. 3 Abs. 4 der „RL Dolmetsch“ zu verweisen, wonach es nicht erforderlich ist, Passagen wesentlicher Dokumente, die nicht dafür maßgeblich sind, dass der Beschuldigte weiß, was ihm zu Last gelegt wird, zu übersetzen.

Gemäß Art. 3 Abs. 7 der „RL Dolmetsch“ legt Abs. 5 fest, dass eine schriftliche Übersetzung auch durch mündliche Übersetzung oder, wenn der Beschuldigte durch einen Verteidiger vertreten ist, durch mündliche Zusammenfassung ersetzt werden können, soweit eine solche mündliche Übersetzung oder mündliche Zusammenfassung einem fairen Verfahren nicht entgegensteht. Dabei versteht es sich von selbst, dass der Umfang der vom Dolmetscher zu leistenden mündlichen Zusammenfassung vom jeweiligen Leiter der Amtshandlung zu bestimmen ist (siehe § 96 Abs. 2 StPO). Das bedeutet für die Praxis zunächst, dass in Strafverfahren, in welchen der Beschuldigte durch einen Verteidiger vertreten ist, der seinerseits naturgemäß die Verfahrenssprache beherrscht, und dem für die maßgeblichen Kontakte mit seinem Mandanten eine mündliche Dolmetschleistung im Sinne des Abs. 2 zur Verfügung zu stellen ist, in aller Regel zusätzlich keine schriftlichen Übersetzungen gewährt werden müssen; vielmehr sollen dem Beschuldigten die wesentlichen Unterlagen zusammenfassend mündlich übersetzt werden können. Aber auch bei unvertretenen Beschuldigten werden dessen Verteidigungsrechte in der Regel in ausreichendem Maße gewahrt, wenn ihm die wesentlichen Aktenstücke des Verfahrens von einem bei maßgeblichen prozessualen Verfahrensabschnitten ohnedies anwesenden Dolmetsch mündlich übersetzt werden.

Aufträge zur schriftlichen Übersetzung ganzer Aktenstücke sollen im justiziellen Alltag daher die Ausnahme darstellen. Auch für den Fall eines Antrags auf Übersetzung weiterer Aktenteile kann daher – situativ bedingt – auf eine mündliche (allenfalls auch auszugsweise) Übersetzung iSd Abs. 5 zurückgegriffen werden. Eine Beeinträchtigung subjektiver Rechte durch eine solche Beschränkung wäre im Wege von Einspruch, Beschwerde oder im Hauptverfahren durch entsprechende Antragstellung (§ 281 Abs. 1 Z 4 StPO) geltend zu machen bzw. steht es dem Beschuldigten bereits im Ermittlungsverfahren frei, selbst die Übersetzung von Aktenstücken zu verlangen (s. Abs. 4).In Abs. 6 ist geregelt, dass der Beschuldigte nach Belehrung über sein Recht auf schriftliche Übersetzung auf dieses verzichten kann. Dieser Umstand ist schriftlich festzuhalten (§§ 95 und 96 StPO). Für die Belehrung ist allenfalls ein Dolmetscher beizuziehen. Damit werden Art. 3 Abs. 8 und Art. 7 der RL Dolmetsch umgesetzt. Der Verzicht kann sich danach nur auf schriftliche Übersetzungen beziehen und niemals auf (mündliche) Dolmetschleistungen; er ist ferner nur dann möglich, wenn der Beschuldigte zumindest über die Folgen des Verzichts belehrt wurde. Die besondere Situation eines Festgenommenen gebietet es hier jedoch auch, einen Verzicht nur wirksam werden zu lassen, wenn dem Beschuldigten die Möglichkeit geboten war, sich darüber mit seinem Verteidiger zu beraten.

Durch die §§ 95, 96 StPO ist bereits jetzt vorgesehen, dass Vorbringen von Personen und andere bedeutsame Vorgänge schriftlich festzuhalten und die Aufnahme von Beweisen zu protokollieren sind. Darüber hinaus kann der Beschuldigte jederzeit trotz einer vorangehenden Verzichtserklärung die schriftliche Übersetzung neuer Aktenstücken verlangen, worüber die jeweils zuständige Strafverfolgungsbehörde zu befinden hat.

Schließlich wird in Abs. 7 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass gehörlosen oder stummen Beschuldigten und Angeklagten keinerlei Nachteil aus ihren Einschränkungen erwachsen dürfen und die im Einzelfall adäquaten Maßnahmen gesetzt werden müssen, um eine möglichst authentische Kommunikation in beide Richtungen während des gesamten Verfahrens zu garantieren.

Da als Dolmetscher gemäß § 126 Abs. 2a StPO vorrangig eine vom Bundesministerium für Justiz oder in dessen Auftrag von der Justizbetreuungsagentur (JBA) zur Verfügung gestellte, geeignete Personen zu bestellen sind, ist grundsätzlich im Sinne der RL Dolmetsch für Qualität gesorgt.

Steht eine geeignete Person iSd § 126 Abs. 2a StPO nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung, so kann auch eine andere geeignete Person als Dolmetscher bestellt werden. Gleiches gilt, wenn hinsichtlich aller Dolmetscher iSd § 126 Abs. 2a StPO Grund zur Annahme besteht, dass sie entweder befangen oder zur Übersetzungshilfe im konkreten Fall nicht ausreichend befähigt sind. Dabei ist vorrangig eine in die Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste eingetragene Person zu bestellen (§ 126 Abs. 2b). Erst wenn auch dort kein geeigneter Dolmetscher gefunden werden kann, ist eine sonstige geeignete Person als Dolmetscher heranzuziehen (Hinterhofer, WK-StPO § 126 Rz 32).

Nichts anderes kann für die Kriminalpolizei mit der Maßgabe gelten, dass eine gewisse Flexibilität in der Abwägung des Beschleunigungsgebots einerseits und der Anforderungen zertifizierter Qualitätsnachweise von Dolmetschern andererseits gewahrt werden muss. Zudem ist natürlich immer auch die Verhältnismäßigkeit gerade bei Haftsachen zu berücksichtigen.

Zu Z 10 (§ 66 Abs. 1 Z 5)

Die vorgeschlagene Änderung des Verweises auf die Übersetzungshilfe soll Opferrechte auf Dolmetschleistungen im bisherigen Umfang wahren. Was schriftliche Übersetzungen anbelangt, so wird deren Umfang mit der Umsetzung der Richtlinie 2012/29/EU über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI, ABl. Nr. L 315 vom 14.11.2012 S 57, die bis zum 16. November 2015 zu erfolgen hat, geregelt werden.

Zu Z 11 bis 14 (§§ 106 und 107):

Durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Dezember 2010, G 259/09 u.a., mit dem die Aufhebung der Wortfolge „… oder Kriminalpolizei“ im § 106 Abs. 1 StPO ausgesprochen wurde, konnte ein wesentliches Ziel, das der Gesetzgeber mit der Strafprozessreform 2008 verbunden hatte, nämlich die Schaffung eines einheitlichen Rechtsschutzes, mit dem Eingriffe der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft in subjektive Rechte Betroffener im Ermittlungsverfahren einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden sollten, nicht aufrecht erhalten werden.

Kriminalpolizeiliche Zwangsakte, die ohne gerichtliche oder staatsanwaltschaftliche Anordnung vorgenommen wurden, unterliegen nunmehr ausschließlich der Kognitionsbefugnis der Unabhängigen Verwaltungssenate und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (Fabrizy, StPO11 § 106 Rz 1). Anderes gilt jedoch noch immer für kriminalpolizeiliches Handeln aufgrund einer staatsanwaltschaftlichen Anordnung: In diesem Fall liegt nämlich ein Akt der Gerichtsbarkeit gemäß Art. 90a B-VG vor, weshalb in diesem Bereich ein Einspruch gemäß § 106 StPO weiterhin zulässig und dementsprechend von den Strafgerichten meritorisch zu erledigen ist (Burgstaller, JBl 2011, 171; Reindl-Krauskopf, UVS oder Strafjustiz: Wer kontrolliert die Kriminalpolizei? JBl 2011, 347; Wiederin, WK- StPO § 4 Rz 52). Lediglich im Fall einer offenkundigen Überschreitung der staatsanwaltschaftlichen Anordnung durch die Polizei im Sinn eines Exzesses läge ein der Verwaltung zuzurechnendes Organhandeln vor (VfGH 20. 9. 2012, B 1233/11; Hengstschläger/Leeb, AVG § 67a Rz 37 mwN).Die mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, erfolgte Änderung des Art. 94 Abs. 2 B-VG, wonach in einzelnen Angelegenheiten ein Instanzenzug von der Verwaltungsbehörde zu den ordentlichen Gerichten vorgesehen werden kann, erlaubt es nun, die ursprüngliche, mit der StPO-Reform 2008 eingeführte und durch den Verfassungsgerichtshof aufgehobene Rechtslage über den Einspruch gegen Handlungen der Kriminalpolizei wieder herzustellen und darüber hinaus auszubauen. Dies ist im Übrigen auch für die Gewährung eines von den Richtlinien „Dolmetsch und Rechtsbelehrung“ geforderten Rechtsschutzes unumgänglich, weil danach vorgesehen ist, dass dem Beschuldigten gegen die Verweigerung von Rechtsbelehrung, Dolmetschleistung und schriftlicher Übersetzung ein effektiver Rechtsbehelf zur Verfügung stehen muss.

Künftig sollen daher sämtliche Eingriffe der Kriminalpolizei in subjektive Rechte, sei es durch Zwangsmaßnahmen, sei es durch die Verweigerung von Verfahrensrechten im Sinne eines einheitlichen Rechtsschutzes über das Stadium des Ermittlungsverfahrens hinaus einer Kontrolle der ordentlichen Gerichtsbarkeit unterzogen werden.

Im Sinne eines weiteren Ausbaus des Rechtsschutzes soll nunmehr zum einen auch klargestellt werden, dass das Einspruchsrecht nach § 106 StPO auch nach dem Tod der betroffenen Person besteht und auf seine in § 65 Z 1 lit. b StPO erwähnten Angehörigen übergeht (Abs. 1). Zum anderen soll die Einbringung nicht mehr mit dem Ende des Ermittlungsverfahrens befristet sein. Folglich sieht der Vorschlag vor, dass der Einspruch stets binnen sechs Wochen ab dem Zeitpunkt der Kenntnis von der behaupteten Verletzung in einem subjektiven Recht eingebracht werden kann. Im Übrigen soll auch die Prüfung des Rechtsbehelfs durch die Staatsanwaltschaft an eine Frist von vier Wochen gebunden werden, nach deren Ablauf jedenfalls das Gericht zu befassen ist. Schließlich sollen vor Einbringen einer Anklage erhobene Einsprüche nicht mit Anklageerhebung gegenstandslos werden, um auch nicht beschuldigten Betroffenen einen effektiven Rechtsbehelf zu gewähren.

Die Einführung einer Befristung der Einbringung eines Einspruchs soll eine zeitnahe Bearbeitung ermöglichen und damit der Beschleunigung des Verfahrens dienen. Gleichzeitig soll damit ein Ausgleich für die nun nicht mehr an die Beendigung des Ermittlungsverfahrens gebundene Einbringungsmöglichkeit geschaffen werden. Andererseits soll (Abs. 5) die Staatsanwaltschaft binnen einer Frist von vier Wochen darüber zu entscheiden haben, ob sie dem Einspruch entspricht oder aber dem Gericht vorlegt.

Der Bedeutung der Verletzung subjektiver Rechte entspricht es, eine gerichtliche Entscheidung darüber auch in jenen Fällen zu ermöglichen, in denen das Ermittlungsverfahren bereits beendet wurde. Damit wird auch nicht beschuldigten Betroffenen von Zwangsmaßnahmen effektiver Rechtsschutz gewährleistet.

Bislang gilt, dass nach Beendigung des Ermittlungsverfahrens ein Einspruch nicht mehr zulässig ist und zuvor erhobene Einsprüche wegen behaupteter Verweigerung eines Rechtes nach diesem Gesetz (z. B. auf Gewährung von Akteneinsicht – § 106 Abs. 1 Z 1 StPO), als gegenstandslos zu betrachten sind. Künftig hin sollen auch solche Verletzungen in einem subjektiven Recht über das Stadium des Ermittlungsverfahrens hinaus einer gerichtlichen Entscheidung zugeführt werden.

Gemäß § 106 Abs. 2 zweiter Satz StPO hat das Beschwerdegericht, soweit gegen die Bewilligung einer Ermittlungsmaßnahme Beschwerde erhoben wird, auch über einen – nach § 106 Abs. 2 erster Satz StPO mit diesem Rechtsmittel zu verbindenden – Einspruch zu entscheiden. Die Absicht des Gesetzgebers, dass über die Behauptung von Rechtsverletzungen sowohl bei Bewilligung als auch bei Anordnung oder Durchführung ein und derselben Ermittlungsmaßnahme das Beschwerdegericht abzusprechen hat (Pilnacek/Pleischl, Das neue Vorverfahren [2005] Rz 436), ergibt sich nach den Ausführungen des OGH zu 13 Os 66/12y (13 Os 67/12w, 13 Os 68/12t, 13 Os 69/12i) bereits eindeutig aus der Genese dieser zur Erreichung des genannten Zwecks durch das Strafprozessreformbegleitgesetz I, BGBl I 2007/93, geänderten Vorschrift (JAB 273 BlgNR 23. GP 1 f; vgl. auch die bereits in die Richtung der späteren Gesetzesänderung weisenden Vorschläge von E. Fuchs, Rechtsschutz im Ermittlungsverfahren, ÖJZ 2007, 899, die § 106 Abs. 2 – entgegen dem Oberlandesgericht [AZ 18 Bs 161/11z, BS 36] – keineswegs „einen nicht vom Wortlaut des Gesetzes gedeckten Bedeutungsinhalt zuschreibt“, sondern auf die zu diesem Zeitpunkt geltende ursprüngliche Fassung des Strafprozessreformgesetzes 2004 Bezug nimmt).

Es erhebt sich nun die Frage, wie mit Einsprüchen nach Beendigung des Ermittlungsverfahrens vorzugehen ist, die schon meritorisch betrachtet gar nicht mit einer Beschwerde verbunden werden können, wie eben z. B. die Nichtgewährung von Akteneinsicht. Im Sinne von § 107 Abs. 1, wonach die Zuständigkeit zur Entscheidung durch das Einbringen der Anklage nicht berührt wird, steht in diesem Fall dem Betroffenen aber auch einem Angeklagten, der im Stadium des Hauptverfahrens gegen eine negative Einspruchsentscheidung Beschwerde erhebt, eine gesonderte Beschwerde gemäß §§ 87, 88 StPO zu.

Bei Einsprüchen wegen Rechtsverletzung nach § 106 Abs. 1 Z 2 StPO, die sich allein gegen durch die Kriminalpolizei ohne staatsanwaltliche Anordnung durchgeführte Maßnahmen richten, hat das Gericht bei Zulässigkeit eines solchen Einspruchs stets in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Staatsanwaltschaft einem solchen Begehren auf gerichtliche Feststellung und Bereinigung nicht iS des § 107 Abs. 1 erster Satz StPO entsprechen kann (14 Os 60/09v, 14 Os 63/09k, 14 Os 64/09g).

Zu Z 14a und 14b (§§ 126 Abs. 2a und 2b):

Wie bereits zu Z 9 (§ 56 StPO) ausgeführt, richtet sich die Zuständigkeit für die Gewährleistung mündlicher oder schriftlicher Übersetzungen grundsätzlich nach der allgemeinen funktionellen Zuständigkeitsverteilung im Bereich der Gewährung von Akteneinsicht (§ 53 Abs. 1 erster Satz StPO). Wird daher die betroffene Amtshandlung von der Kriminalpolizei geleitet, hat diese mündliche Dolmetschleistungen und schriftliche Übersetzungshilfe zu gewähren.

Zur Gewährleistung mündlicher oder schriftlicher Übersetzungen hat die Kriminalpolizei primär eine vom Bundesministerium für Inneres oder in dessen Auftrag von einem Dienstleister zur Verfügung gestellte geeignete Person zu bestellen. Auch für diese gilt § 127 Abs. 1 StPO nicht.

Steht eine geeignete Person nach Abs. 2a nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung oder besteht Grund zur Annahme, dass hinsichtlich aller nach Abs. 2a in Betracht kommenden Personen einer der Gründe des Abs. 4 vorliegt, so kann die Kriminalpolizei auch eine andere geeignete Person als Dolmetscher bestellt werden. Dabei ist vorrangig eine in die Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste (§ 2 Abs. 1 SDG) eingetragene Person zu bestellen. Werden andere Personen bestellt, so sind sie zuvor über ihre wesentlichen Rechte und Pflichten zu informieren. Der Anspruch auf Abgeltung dieser Dolmetscher richtet sich sodann bei der Kriminalpolizei jedoch nicht nach dem Gebührenanspruchsgesetz 1975, sondern nach § 53b des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG), BGBl. Nr. 51/1991.

Zu Z 15 (§ 164 Abs. 1):

Nach Art. 2 Abs. 4 der RL Dolmetsch müssen die Mitgliedstaaten sicher stellen, dass es ein Verfahren oder einen Mechanismus gibt, um festzustellen, ob ein Beschuldigter die Sprache des Strafverfahrens spricht und versteht und ob er die Unterstützung durch einen Dolmetscher benötigt, sodass eine diesbezügliche Klarstellung in § 164 StPO aufgenommen werden soll.

Die Prüfung, ob Übersetzungshilfe gemäß § 56 StPO erforderlich ist, hat das die Vernehmung leitende Organ (Gericht, Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei) unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls auf geeignete Art und Weise durchzuführen, wobei im Zweifel stets im Sinne der Gewährleistung eines fairen Verfahrens darauf zu achten ist, dass eine unbeeinträchtigte Verständigung sichergestellt ist.

Zu Z 16 und 17 (§ 171):

Art. 4 der „RL Rechtsbelehrung“ regelt die schriftliche Erklärung der Rechte bei der Festnahme. Demnach ist der Beschuldigte umgehend über seine allgemeinen Rechte als Beschuldigter sowie über seine Rechte auf Akteneinsicht, auf Unterrichtung seiner konsularischen Vertretung und auf den Zugang zu dringender medizinischer Versorgung zu unterrichten. Weiters hat die Belehrung auf die zulässige Höchstdauer des Freiheitsentzugs bis zur Vorführung vor eine Justizbehörde hinzuweisen.

Die Neufassung des § 171 Abs. 4 StPO dient der Umsetzung dieser Bestimmung. Zunächst wird im Einleitungssatz im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der RL entsprechend der bisherigen Rechtslage durch den Verweis auf § 50 StPO klargestellt, dass eine Belehrung über die allgemeinen Rechte als Beschuldigter gemäß §§ 49, 164 Abs. 1 StPO zu erfolgen hat, während in weiterer Folge die von der RL geforderten zusätzlichen Belehrungen angeführt werden, soweit sie nicht bereits in § 50 StPO enthalten sind, wie beispielsweise das aus § 49 Z 4 und 5 StPO resultierende Recht auf ein vertrauliches Gespräch mit dem Verteidiger. Hinsichtlich der medizinischen Betreuung geht die österreichische Rechtslage über die Richtlinie hinaus, weil §§ 66 bis 74 StVG eine umfassende und nicht bloß die dringend benötigte medizinische Betreuung während der Untersuchungshaft gewährleisten.

In Hinblick auf die RL Dolmetsch ist auch hier festzulegen, dass jedenfalls eine mündliche Belehrung über die Rechte in einer dem Beschuldigten verständlichen Sprache und auf eine für ihn verständliche Art und Weise zu erfolgen hat. Die schriftliche Fassung kann erforderlichenfalls auch nachgereicht werden, insbesondere dann, wenn für die benötigte Sprache kein vorgefertigtes Formblatt aufliegt, sondern erst unter Beiziehung eines Dolmetschers hergestellt werden muss.

Auch diese Belehrungen sind jedenfalls im Protokoll über die Vernehmung oder Haftverhandlung oder – falls die Belehrung außerhalb einer solchen erfolgt – mittels Aktenvermerk (§ 95 StPO) oder im Protokoll (§ 96 StPO) zu dokumentieren.

Zu Z 18 und 19 (§ 381 Abs. 6 und § 393 Abs. 2):

Die RL Dolmetsch sieht in Art. 4 vor, dass mündliche und schriftliche Übersetzungshilfe kostenlos zu gewähren ist; dem Beschuldigten soll durch den Umstand, dass er die Verfahrenssprache nicht versteht oder nicht spricht, kein Nachteil erwachsen. Aufgrund dessen dürfen die Kosten für die Übersetzungshilfe nicht in die Pauschalkosten aufgenommen werden.

Als Folge der umfassenden Novellierung des § 56 StPO soll schließlich auch der Verweis in § 393 Abs. 2 StPO von § 56 Abs. 1 dritter Satz StPO auf § 56 Abs. 2 StPO geändert werden, damit für nach § 61 Abs. 2 StPO beigegebene Verteidiger die Möglichkeit besteht, die Vergütung von nötig gewesenen und wirklich bestrittenen Dolmetschkosten, die außerhalb des Anwendungsbereiches des § 56 Abs. 2 StPO entstehen, zu begehren.

Zu Z 20 (§ 514 Abs. 23):

Aufgrund des Inkrafttretens der Änderungen im B-VG (Verwaltungsgerichtsbarkeit) mit 1. Jänner 2014 und dem Umstand, dass v.a. der vorgeschlagene § 106 Abs. 1 StPO an diese Novelle anknüpft, wird ein Inkrafttreten insgesamt zum 1. Jänner 2014 vorgeschlagen, um einen einheitlichen Rechtsschutz gewährleisten zu können. Dies sollte auch im Hinblick auf die Umsetzungsfrist vertretbar sein, zumal davon auszugehen ist, dass das Bezug habende BGBl bis 1. Oktober 2013 kundgemacht wird.

Zu Artikel 2 (Änderung des Strafregistergesetzes 1968):

Zu Z 1 und 2 (§§ 10 Abs. 1a und b, 11 Abs. 4a):

Art. 10 Abs. 2 der RL sexueller Missbrauch sieht vor, dass Arbeitgeber bei der Einstellung einer Person für berufliche oder organisierte freiwillige Tätigkeiten, bei denen es zu direkten und regelmäßigen Kontakten mit Kindern kommt, das Recht haben, Informationen über im Strafregister eingetragene bestehende Verurteilungen nach den Artikeln 3 bis 7 oder über aufgrund solcher Verurteilungen bestehende Verbote der Ausübung von Tätigkeiten, bei denen es zu direkten und regelmäßigen Kontakten mit Kindern kommt, zu erhalten. Die Vorlage der Information durch die betreffende Person wird in der RL als taugliche Maßnahme zur Sicherstellung der Berechtigung des Arbeitgebers genannt.

Da die Artikel 3 bis 7 der RL sexueller Missbrauch für bestimmte Delikte zwar Mindestobergrenzen für die vorzusehenden Strafrahmen, jedoch keine entsprechenden Untergrenzen festlegen, kann der Fall eintreten, dass derartige Delikte – die materiellrechtliche Umsetzung der RL erfolgt mit dem Sexualstrafrechtsänderungsgesetz 2013 – mit Strafen geahndet werden, die unter die Auskunftsbeschränkungen des § 6 Tilgungsgesetz fallen und somit nicht in Strafregisterbescheinigungen nach § 10 Abs. 1 Strafregistergesetz 1968 aufzunehmen sind. Ebenso finden sich in derartigen Strafregisterbescheinigungen keine Angaben über rechtskräftige Tätigkeitsverbote nach § 220b StGB sowie gemäß vergleichbarer Bestimmungen anderer Mitgliedstaaten ausgesprochene Tätigkeitsverbote (§ 2 Abs. 1 Z 8 Strafregistergesetz 1968). Mit Ausnahme der in § 9a Abs. 2 Strafregistergesetz 1968 genannten öffentlichen Stellen besteht daher für Arbeitgeber nach geltender Rechtslage keine Möglichkeit, sich im Wege des Verlangens der Vorlage einer Strafregisterbescheinigung durch die betroffene Person selbst Kenntnis von allen einschlägigen Verurteilungen und bestehenden Tätigkeitsverboten zu verschaffen.

Aus diesem Grund soll jede Person im Hinblick auf die Prüfung deren Eignung zur Ausübung einer beruflichen oder organisierten ehrenamtlichen Tätigkeit, bei der es zu direktem und regelmäßigem Kontakt mit Kindern kommt, ausdrücklich beantragen können, dass ihr eine gesonderte Strafregisterbescheinigung („Strafregisterbescheinigung Kinder- und Jugendfürsorge“) über sämtliche gemäß § 2 Abs. 1a Strafregistergesetz 1968 gekennzeichneten Verurteilungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung sowie sie betreffende Daten gemäß § 2 Abs. 1 Z 7 und 8 Strafregistergesetz 1968 oder darüber, dass sich im Strafregister keine solche Verurteilungen oder Einträge finden, ausgestellt wird. Für diese Strafregisterbescheinigung gelten die Auskunftsbeschränkungen des § 6 Tilgungsgesetz nicht. Unter „Prüfung der Eignung zur Ausübung“ ist sowohl das Stadium der Bewerbung um die Tätigkeit als auch eine Überprüfung im Rahmen einer bereits ausgeübten Tätigkeit zu verstehen.

Unabdingbare Voraussetzung der Ausstellung einer Bescheinigung nach § 10 Abs. 1a Strafregistergesetz 1968 ist die Vorlage einer an den Antragsteller ergangenen schriftlichen Aufforderung, in der der Aussteller [in aller Regel der (potentielle) Arbeitgeber] bestätigt, dass die Bescheinigung für die Prüfung der Eignung zur Ausübung einer bestimmten in seinem Verantwortungsbereich liegenden beruflichen oder organisierten ehrenamtlichen Tätigkeit, die hauptsächlich die Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung, Pflege oder Ausbildung Minderjähriger umfasst, benötigt wird. In Betracht kommen beispielsweise Tätigkeiten in Schulen, Kindergärten, Kinder- oder Lehrlingsheimen, Jugendzentren, Ferienlagern, bei den Pfadfindern, in Jugendgruppen, SOS-Kinderdörfern, Einrichtungen zur Betreuung jugendlicher Straftäter oder zur Nachmittagsbetreuung, Sportvereinen oder Kinderabteilungen in Spitälern oder Rehabilitationszentren. So sind etwa auch kirchlich oder von privaten Rechtsträgern bestellte Lehrkräfte ebenso wie Freizeitpädagoginnen und Freizeitpädagogen vom Anwendungsbereich der Bestimmung umfasst. Auf jene Tätigkeiten, bei denen es nur zeitweise und in relativ geringem Umfang zu Kontakten mit Minderjährigen kommt sowie auf rein private Tätigkeiten ist die Bestimmung nicht anzuwenden. Dies betrifft beispielsweise Tätigkeiten im Rahmen der betrieblichen Ausbildung einzelner Lehrlinge oder die fallweise Beaufsichtigung der Kinder von Bekannten.

Da der Zentralstelle eines anderen Mitgliedstaates die Verpflichtung zur Überprüfung der in § 10 Abs. 1b Strafregistergesetz 1968 normierten Voraussetzung zum Erhalt einer „Strafregisterbescheinigung Kinder- und Jugendfürsorge“ nicht auferlegt werden kann, würde diese Voraussetzung im Fall eines Informationsersuchens nach § 10b Strafregistergesetz 1968 nicht zur Anwendung kommen. Die Prüfung dieser Voraussetzung sowie die Ablehnung des Antrages bei Nichtvorliegen kann nur durch die österreichischen Strafregisterbehörden erfolgen. Aus diesem Grund scheint es unabdingbar, dass der Betroffene selbst einen Antrag auf Ausstellung einer „Strafregisterbescheinigung Kinder- und Jugendfürsorge“ bei einer österreichischen Vertretungsbehörde (oder einer Strafregisterbehörde in Österreich) stellt. Entgegen der Fassung des Begutachtungsentwurfs wird daher vorgeschlagen, die ursprüngliche Fassung des § 10b Strafregistergesetz 1968 beizubehalten.

Zu erwarten ist, dass Personen in Bezug auf eine konkrete Tätigkeit, die hauptsächlich die Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung, Pflege oder Ausbildung Minderjähriger umfasst, künftig sowohl eine Strafregisterbescheinigung nach § 10 Abs. 1 als auch eine solche nach 1a Strafregistergesetz 1968 beantragen werden. Nach geltender Rechtslage ist für jede dieser Bescheinigungen eine gesonderte Gebühr zu entrichten, womit eine Schlechterstellung dieser (potentiellen) Arbeitnehmer gegenüber jenen anderer Sparten verbunden wäre. Daher soll der zugleich mit einem Antrag nach § 10 Abs. 1 gestellte Antrag nach § 10 Abs. 1a Strafregistergesetz 1968 keine zusätzlichen Gebühren und Verwaltungsabgaben nach sich ziehen.

Zu Z 3 (§ 14 Abs. 12):

Die RL Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs ist bis zum 18. Dezember 2013 innerstaatlich umzusetzen. Die Änderung des Art. 94 Abs. 2 B-VG und damit die Möglichkeit der Erweiterung des Rechtsschutzes durch die ordentliche Gerichtsbarkeit auf Akte der Kriminalpolizei im Dienste der Strafrechtspflege wird jedoch erst zum 1. Jänner 2014 wirksam, weshalb ein damit übereinstimmendes Datum des Inkrafttretens vorgeschlagen wird.

Zu Artikel 3 (Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes):

Zu Z 1 (§ 76 Abs. 6)

Mit dem Entfall des Klammerzitats und der angeführten Wortfolge soll nunmehr klargestellt werden, dass auch nach Aufhebung des § 74 Abs. 1 und Abs. 2 für die Veranlassung jeglicher Löschung erkennungsdienstlicher Daten auf Antrag des Betroffenen (§ 27 DSG) die Landespolizeidirektion zuständig ist, in deren Wirkungsbereich die Daten verarbeitet wurden.

Zu Z 2 (§ 94 Abs. 34)

Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten.