596 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über den Antrag 615/A der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments (Europawahlordnung – EuWO), BGBl. Nr. 117/1996, geändert wird

Die Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 20. Mai 2009 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Pannen bei der Nationalratswahl 2008 haben verdeutlicht, dass die Briefwahl kein Segen für unsere Demokratie, insbesondere für die Prinzipien des Wahlrechts, darstellt. Briefwahlkarten, die bei der Post hinterlegt wurden, gingen verloren und auf der Verständigung der Hinterlegung wurde von Mitarbeitern der Post „nicht auffindbar“ vermerkt. Den Antragstellern von Briefwahlkarten wurden keine Stimmzettel zugesandt. Die sogenannten „Schummelwähler“ konnten ihre Stimme per Briefwahlkarten nach der ersten Hochrechnung und dem Schließen der letzten Wahllokale um 17 Uhr per Post abgeben.

Der Artikel 23a Absatz 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) „Die Mitglieder des Europäischen Parlaments werden in Österreich auf Grund des gleichen, unmittelbaren, persönlichen, freien und geheimen Wahlrechts der Männer und Frauen (… ) gewählt.“ ist in Verbindung mit dem Artikel 1 B-VG zu sehen, in dem normiert ist, dass Österreich eine demokratische Republik ist und dass das Recht vom Volk aus geht.

Bei der Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments sind die zuvor genannten Artikel des B-VG unabdingbar mit dem Artikel 189 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) verbunden. Der Artikel 189 EGV hält fest, dass das Europäische Parlament aus Vertretern der Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten besteht. Mit den Aufgaben des Europäischen Parlaments können daher nur Repräsentanten, die von ihren Völkern (Bürgern) gewählt sind, beauftragt werden.

Gemäß Artikel 23a Absatz 1 B-VG sind die Mitglieder des Europäischen Parlaments auf Grund des gleichen, unmittelbaren, persönlichen, freien und geheimen Wahlrechts zu wählen.

Die Richtlinie 93/109/EG hält in ihrem Artikel 2 Ziffer 1, gleich wie der Artikel 23a Absatz 1 B-VG, fest, dass die Wahlen zum Europäischen Parlament allgemein und unmittelbar zu sein haben.

Alle diese im B-VG, im EGV und in der Richtlinie 93/109/EG festgeschriebenen Garantien um Wahlen nach demokratischen Prinzipien durchzuführen, werden durch die Änderung der Europawahlordnung (EuWO) durch das BGBl. I Nr. 11/2009 stark beschädigt.

Folgende Prinzipien des Wahlrechts werden am stärksten in Mitleidenschaft gezogen:

-       Das allgemeine Wahlrecht (Art. 26 Abs. 1 und 4 B-VG, Art. 8 Staatsvertrag von Wien und Artikel 2 Ziffer 1 der Richtlinie 93/109/EG) durch verloren gegangene Briefwahlkarten und nicht zugestellte Stimmzettel. Das bedeutet, dass nicht alle Staatsbürger das Recht zu wählen und gewählt zu werden uneingeschränkt ausüben können.

-       Das freie Wahlrecht (Art. 26 Abs. 1 B-VG, Art. 8 Staatsvertrag von Wien und Art. 3 1. Zusatzprotokoll der Menschenrechtskonvention) wird verletzt, da die demokratische Willensbildung durch unzulässige Beeinflussung, was bei einer möglichen Stimmabgabe nach der ersten Hochrechnung möglich wäre, nicht möglich ist.

-       Das geheime Wahlrecht (Art. 26 Abs. 1 B-VG, Art. 8 Staatsvertrag von Wien und Art. 3 1. Zusatzprotokoll der Menschenrechtskonvention) wird verletzt, da nicht garantiert werden kann, dass die Stimmabgabe in einer für die Wahlbehörde und die Öffentlichkeit nicht erkennbaren Weise geschieht.

Mit diesem Antrag sollen genau diese Lücken in der Ausübung des allgemeinen, freien und geheimen Wahlrechts, die durch die Briefwahl im Inland entstehen, geschlossen und die Prinzipien des Wahlrechts wieder gefestigt werden.

Die Briefwahl soll nur den Wahlberechtigten zugänglich gemacht werden, die sich im Ausland aufhalten und nicht anders ihrem Wahlrecht nachkommen können.

Bezüglich der Briefwahl im Ausland wird jedoch mit dieser Abänderung sichergestellt, dass es auch hier, durch die 24 Stunden Frist, keine „Schummelwähler“ mehr geben kann.“

 

Der Verfassungsausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 21. Jänner 2010 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Mag. Harald Stefan die Abgeordneten Johann Singer, Herbert Scheibner, Mag. Wilhelm Molterer, Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher und Mag. Daniela Musiol sowie der Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Initiativantrag nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit.

 

Als Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter Johann Singer gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2010 01 21

                                  Johann Singer                                                               Dr. Peter Wittmann

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann