Vorblatt

Problem:

Der Europäische Gerichtshof hat im Fall HÜTTER (Urteil vom 18. Juni 2009, C 88/08) festgestellt, dass „die Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf dahin auszulegen [sind], dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die, um die allgemeine Bildung nicht gegenüber der beruflichen Bildung zu benachteiligen und die Eingliederung jugendlicher Lehrlinge in den Arbeitsmarkt zu fördern, bei der Festlegung der Dienstaltersstufe von Vertragsbediensteten des öffentlichen Dienstes eines Mitgliedstaats die Berücksichtigung von vor Vollendung des 18. Lebensjahrs liegenden Dienstzeiten ausschließt.“ Die Regelungen über die Anrechnung von Vordienstzeiten sind daher zu überarbeiten.

Ziel:

Mit der gegenständlichen Novelle sollen die Bestimmungen über die Anrechnung von Vordienstzeiten an die durch das Urteil des EuGH konkretisierten Anforderungen des Gemeinschaftsrechts angepasst werden.

Inhalt:

Schaffung von Bestimmungen betreffend die Anrechnung von Vordienstzeiten, die bezüglich der Untergrenze für die Anrechnung nicht mehr an ein bestimmtes Lebensalter, sondern an das objektive Kriterium der Erfüllung der Schulpflicht anknüpfen. Um den ebenfalls von der Vordienstzeitenanrechnung abhängigen Anfall des erhöhten Urlaubsausmaßes so weit wie möglich dem bisherigen Anfall anzunähern, wird dieser nicht mehr an eine Dienstzeit von 25 Jahren, sondern an den 43. Geburtstag gebunden.

Alternativen:

Keine.

Finanzielle Auswirkungen:

Keine.

Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Keine.

Auswirkungen auf die Verwaltungslasten für Unternehmen:

Keine.

Auswirkungen in umweltpolitischer Hinsicht, insbesondere Klimaverträglichkeit:

Keine.

Auswirkungen in konsumentenschutzpolitischer sowie sozialer Hinsicht:

Keine.

Geschlechtsspezifische Auswirkungen:

Keine.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine.

Verhältnis zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Mit der gegenständlichen Novelle erfolgt eine Anpassung der Regelungen über die einstufungswirksame Anrechnung von Vordienstzeiten an die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000, konkretisiert durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 18. Juni 2009, C 88/08.


Erläuterungen

I. Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:

Das gesamte Besoldungssystem des Bundes basiert auf einer mit der Vollendung des 18. Lebensjahres beginnenden Vorrückungslaufbahn. Der Zweck dieses Systems liegt darin, allen Bediensteten einer bestimmten Verwendungsgruppe unabhängig von der Art ihrer Ausbildung und ihrer einschlägigen Vortätigkeit eine gleichwertige Gehaltslaufbahn zu gewährleisten. Um dies zu erreichen, werden bestimmte, vor dem Beginn des Dienstverhältnisses liegende Zeiten durch Anrechnung für die Vorrückung so behandelt, als ob sie bereits im Dienstverhältnis zurück gelegt worden wären, sofern sie nach Vollendung des 18. Lebensjahrs zurück gelegt wurden. Altersunabhängig werden nur Dienst- und Ausbildungszeiten bei einer Gebietskörperschaft für die Vorrückung berücksichtigt.

Der Europäische Gerichtshof hat im Fall HÜTTER (Urteil vom 18. Juni 2009, C 88/08) festgestellt, dass „die Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf dahin auszulegen [sind], dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die, um die allgemeine Bildung nicht gegenüber der beruflichen Bildung zu benachteiligen und die Eingliederung jugendlicher Lehrlinge in den Arbeitsmarkt zu fördern, bei der Festlegung der Dienstaltersstufe von Vertragsbediensteten des öffentlichen Dienstes eines Mitgliedstaats die Berücksichtigung von vor Vollendung des 18. Lebensjahrs liegenden Dienstzeiten ausschließt.“

Das Urteil betrifft zwar seinem Wortlaut nach nur die Anrechnung von Dienstzeiten für Vertragsbedienstete, sein Tenor trifft jedoch zweifelsfrei auch auf sonstige Zeiten, die nur ab dem vollendeten 18. Lebensjahr für die Vorrückung berücksichtigt werden – in Betracht kommen neben Dienst- und Ausbildungszeiten insbesondere Schul- sowie Präsenz-, Zivil- und Ausbildungsdienstzeiten ‑, zu. Weiters ist davon auszugehen, dass nicht nur die Regelungen für Vertragsbedienstete, sondern auch die weitgehend wortgleichen Regelungen für Beamtinnen und Beamte nicht mit der „Gleichbehandlungsrichtlinie“ vereinbar sind.

Der Zweck der geplanten Neuregelung besteht daher jedenfalls darin, im Interesse der Rechtssicherheit sämtliche Regelungen zur Anrechnung von Zeiten vor dem Dienstverhältnis für die Vorrückung bzw. zum „Vorrückungsstichtag“ richtlinienkonform zu gestalten. Dabei soll jedoch keine materielle Neuorientierung des gesamten Regelungskomplexes erfolgen, dies soll vielmehr einem noch zu erarbeitenden neuen Entgeltrecht des Bundes vorbehalten bleiben. Der Entwurf intendiert vielmehr, die aus dem geltenden Vorrückungsrecht resultierenden Rechtspositionen (konkret: die an die bisherige(n) Tätigkeit(en) und an das Dienstalter geknüpften Entgeltansprüche) so weit wie irgend möglich unverändert zu belassen. Technisch wird diese Zielsetzung dadurch erreicht, dass der Beginn der tatsächlichen oder gedachten Entgeltkarriere nicht an ein bestimmtes Lebensalter, sondern an einen sachlichen Zeitpunkt geknüpft wird, nämlich an den Tag der Vollendung der allgemeinen Schulpflicht. Die dadurch zusätzlich zu berücksichtigenden Zeiten betragen in einer Durchschnittsbetrachtung drei Jahre. Um zu gewährleisten, dass die für die einzelnen Bediensteten maßgebliche besoldungsrechtliche Stellung nicht verändert wird, werden die für die einzelnen Verwendungsgruppen maßgeblichen Gehaltstabellen um drei Jahre verlängert, indem die Dauer des für die Vorrückung von der jeweils ersten in die jeweils zweite Gehaltsstufe erforderlichen Zeitraums von zwei auf fünf Jahre angehoben wird.

Als „zeitabhängiges Recht“ hat die vorrückungswirksame Dienstzeit mittelbar Auswirkungen auf das Ausmaß des Anspruchs auf Erholungsurlaub: Bei einer Dienstzeit von bis zu 25 Jahren beträgt dieser 200 Stunden, darüber 240 Stunden. Das höhere Urlaubsausmaß fällt unter Zugrundelegung einer mit der Vollendung des 18. Lebensjahrs beginnenden Dienstzeit im Regelfall mit Vollendung des 43. Lebensjahrs an und wird daher in Zukunft direkt daran geknüpft. Für das Urlaubsausmaß gilt im Übrigen ein eigener Stichtag; die Neuregelung vermeidet damit auch die extrem verwaltungsaufwändige Neuberechnung sämtlicher Urlaubsstichtage und macht die Berechnung und Aufzeichnung dieses Stichtags in Zukunft überflüssig. Die Anknüpfung des Urlaubsausmaßes an ein bestimmtes Lebensalter ist sachlich durchaus zu rechtfertigen, da der individuelle Erholungsbedarf etwa ab dem 40. Lebensjahr unabhängig vom Ausmaß der Arbeitsbelastung tendenziell steigt. Die individuelle Arbeitsbelastung manifestiert sich dabei im Ausmaß des Anstiegs des Erholungsbedarfs. Es ist daher nicht zu befürchten, dass die Anknüpfung des höheren Urlaubsanspruchs an ein bestimmtes Lebensalter wiederum nicht mit der Gleichbehandlungsrichtlinie vereinbar ist. Entsprechende Regelungen finden sich auch in den neueren Dienstrechten der Länder und einer Reihe von EU-Mitgliedstaaten.

Ebenfalls vom Dienstalter und damit von der Anrechnung von Vordienstzeiten abhängig ist der Anfall der Jubiläumszuwendungen für treue Dienste. Zur Vermeidung der finanziellen Belastung, die aus dem früheren Anfall von Jubiläumszuwendungen infolge der zusätzlichen Anrechnung von Zeiten vor dem vollendeten 18. Lebensjahr resultieren würde, werden die sich aus der bisherigen Rechtslage ergebenden Anfallstermine für die bestehenden Bediensteten eingefroren. Für in Zukunft neu aufzunehmende Bedienstete mit anzurechnenden Zeiten vor dem vollendeten 18. Lebensjahr fällt die Jubiläumszuwendung zwar früher an, jedoch in geringerer Höhe als bisher, da sie nach einem ein bis zwei Gehaltsstufen niedrigeren Monatsbezug bzw. –entgelt bemessen wird. Unter Bedachtnahme auf die zusätzlichen Krediterfordernisse bzw. den zusätzlichen Zinsenaufwand ist die Neuregelung insgesamt aufwandsneutral.

Finanzielle Auswirkungen:

Aus der Neuregelung resultieren grundsätzlich keine finanziellen Auswirkungen. Die Besoldungsansprüche der bestehenden Bediensteten bleiben, wie ausgeführt, unberührt, lediglich in Einzelfällen können sich marginale Erhöhungen der vorrückungswirksamen Dienstzeit ergeben (zB bei Ableistung des Präsenz-/Zivil-/Ausbildungsdienstes vor dem vollendeten 18. Lebensjahr). Auch die Änderungen im Urlaubsrecht sind insgesamt aufwandsneutral: Die aus der Vorverlegung des erhöhten Urlaubsanspruchs bei nicht durchgängiger Dienstzeit resultierenden Mehraufwendungen werden durch diejenigen Fallkonstellationen ausgeglichen, in denen der frühere Anfall des höheren Urlaubsanspruchs infolge zusätzlicher Anrechnung von Dienstzeiten durch die Anbindung des Urlaubsausmaßes an das vollendete 43. Lebensjahr verhindert wird.

Ebenfalls vom Dienstalter und damit von der Anrechnung von Vordienstzeiten abhängig ist der Anfall der Jubiläumszuwendungen für treue Dienste. Zur Vermeidung der einmaligen finanziellen Belastung, die aus dem früheren Anfall von Jubiläumszuwendungen infolge der zusätzlichen Anrechnung von Zeiten vor dem vollendeten 18. Lebensjahr im Jahr 2011 resultieren würde, werden die sich aus der bisherigen Rechtslage ergebenden Anfallstermine für die bestehenden Bediensteten eingefroren. Für in Zukunft neu aufzunehmende Bedienstete mit anzurechnenden Zeiten vor dem vollendeten 18. Lebensjahr fällt die Jubiläumszuwendung zwar früher an, jedoch in geringerer Höhe als bisher, da sie nach einem ein bis zwei Gehaltsstufen niedrigeren Monatsbezug bzw. –entgelt bemessen wird. Unter Bedachtnahme auf die zusätzlichen Krediterfordernisse bzw. den zusätzlichen Zinsenaufwand ist die Regelung insgesamt aufwandsneutral.

In Summe ist somit von der Aufwandsneutralität der Neuregelung auszugehen.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung des vorgeschlagenen Bundesgesetzes ergibt sich hinsichtlich der Art. 1 bis 4 (BDG 1979, GehG, VBG, RStDG) aus Art. 10 Abs. 1 Z 16 B-VG (Dienstrecht und Personalvertretungsrecht der Bundesbediensteten).

II. Besonderer Teil

Zu § 65 Abs. 1 BDG 1979, § 27a Abs. 1 VBG und § 72 Abs. 1 RStDG:

Das Urlaubsausmaß hängt nach geltender Rechtslage vom Dienstalter ab, zu dem sowohl tatsächliche Dienstzeiten als auch angerechnete Vordienstzeiten zählen. Das erhöhte Urlaubsausmaß von 240 Wochenstunden fällt mit einem Dienstalter von 25 Jahren und damit bei durchgängiger Dienstzeit ab dem vollendeten 18. Lebensjahr mit der Vollendung des 43. Lebensjahrs an. Die geplante Anknüpfung des erhöhten Urlaubsausmaßes an die Vollendung des 43. Lebensjahrs soll zunächst ausschließen, dass das erhöhte Urlaubsausmaß in Zukunft aufgrund der zusätzlichen Anrechnung von Zeiten zwischen der Vollendung der Schulpflicht und der Vollendung des 18. Lebensjahrs um bis zu drei Jahre früher anfällt als bisher. Die Anknüpfung an ein bestimmtes Lebensalter ist aufgrund des etwa ab dem 40. Lebensjahr steigenden Erholungsbedarfs sachlich durchaus zu rechtfertigen und schafft weiters für Bedienstete mit lückenhafter Erwerbsbiographie einen zusätzlichen Ausgleich für die Belastung durch Kindererziehung und Pflege von Angehörigen. Es ist daher nicht zu befürchten, dass die Anknüpfung des höheren Urlaubsanspruchs an ein bestimmtes Lebensalter nicht mit der Gleichbehandlungsrichtlinie vereinbar ist.

Das erhöhte Urlaubsausmaß fällt ab demjenigen Kalenderjahr an, in dem der 43. Geburtstag in der ersten Jahreshälfte liegt. Liegt der 43. Geburtstag in der zweiten Jahreshälfte fällt das erhöhte Urlaubsausmaß ab dem folgenden Kalenderjahr an. Für Richterinnen und Richter wird die erste Erhöhung des Urlaubsausmaßes auf 216 Stunden, die bisher nach 14 Dienstjahren gebührte (die weitere Erhöhung auf 240 Stunden nach 21 Dienstjahren), entsprechend an die Vollendung des 36. Lebensjahrs geknüpft.

Zu den §§ 65 und 72 BDG 1979, 27a und § 27b VBG und 72 und 72a RStDG:

Aufhebung bzw. Anpassung von Bestimmungen, die an die Urlaubsbemessung aufgrund des Dienstalters anknüpfen, sowie Zitatanpassungen.

Zu § 242 Abs. 2 Z 2 BDG 1979, § 82b VBG und § 207 Abs. 54 RStDG:

Behalteregelungen für Bedienstete, die bis zum 31. Dezember 2010 erhöhte Urlaubsansprüche nach der bisherigen Rechtslage erworben haben.

Zu den §§ 8, 12, 42 und 158 GehG, 19 und 49v VBG und 66, 168, 190 und 197 RStDG:

Die Neuregelung ist von der Intention getragen, die bestehenden Vorrückungslaufbahnen so weit wie möglich zu erhalten bzw. die Regelungen für die Anrechnung von Vordienstzeiten so zu gestalten, wie sie voraussichtlich festgelegt worden wären, wenn das durch die Gleichbehandlungsrichtlinie und das Urteil des EuGH im Fall HÜTTER konkretisierte Verbot der Altersdiskriminierung bereits bei ihrer Schaffung in dieser Form bestanden hätte. Die das Kernstück der Neuregelung bildenden Bestimmungen haben folgenden Inhalt:

1.     Die Anrechnung von Vordienstzeiten wird zeitlich nach unten begrenzt durch den 1. Juli desjenigen Jahres, in dem eine neunjährige Schulpflicht tatsächlich oder fiktiv vollendet wurde; dies gilt damit etwa auch für Personen mit tatsächlich kürzerer (nur acht Schuljahre Schulpflicht bis 1966, längere tatsächliche Schulpflicht in einigen EU-Mitgliedstaaten). Dadurch werden in einer Durchschnittsbetrachtung bei Vorliegen entsprechender anrechenbarer Zeiten vor dem vollendeten 18. Lebensjahr – insbesondere kommen Dienst- und Lehrzeiten bei einer Gebietskörperschaft in Betracht sowie Schulzeiten, wenn eine bestimmte Schulausbildung ein Ernennungserfordernis bildet - drei Jahre an zusätzlichen Vordienstzeiten angerechnet. Bei der Qualität der anzurechnenden Zeiten selbst erfolgt keine Änderung (§ 12 Abs. 1 GehG, § 26 Abs. 1 VBG).

2.     Zur Wahrung der bestehenden besoldungsrechtlichen Stellung werden sämtliche Gehaltstabellen um drei Jahre verlängert. Erreicht wird dies durch eine Verlängerung der Vorrückungsdauer von der jeweils ersten in die jeweils zweite Gehaltsstufe jeder Verwendungs- bzw. Entlohnungsgruppe um drei Jahre. Im Biennalsystem beträgt der für die Vorrückung in die Gehaltsstufe 2 erforderliche Zeitraum in Zukunft damit fünf statt bisher zwei Jahre (§ 8 Abs. 1 GehG, § 19 Abs. 1 VBG).

3.     Die besoldungsrechtliche Stellung von Bediensteten mit entsprechenden zusätzlich anrechenbaren Zeiten vor dem 18. Lebensjahr ändert sich damit grundsätzlich nicht. Um eine Verschlechterung der besoldungsrechtlichen Stellung derjenigen Bediensteten auszuschließen, die nicht über entsprechende anrechenbare Zeiten vor dem vollendeten 18. Lebensjahr verfügen, werden in Zukunft bis zu drei Jahre „sonstiger“ Zeiten zur Gänze für die Vorrückung angerechnet. Die Zeit zwischen Abschluss der Schulpflicht und Vollendung des 18. Lebensjahrs ist damit entweder als an sich anrechenbare Zeit oder als sonstige Zeit für die Vorrückung anzurechnen (§ 12 Abs. 1 GehG, § 26 Abs.1 VBG), womit die Verlängerung der Gehaltstabellen um drei Jahre grundsätzlich ausgeglichen wird. Die bereits bestehende Halbanrechnung sonstiger Zeiten im Ausmaß von bis zu drei Jahren bleibt unberührt.

4.     Das Zusammentreffen von anrechenbaren Zeiten vor dem vollendeten 18. Lebensjahr und von sonstigen Zeiten im Ausmaß von insgesamt mehr als drei Jahren würde zu einer sachlich kaum zu rechtfertigenden Verbesserung der besoldungsrechtlichen Stellung führen (Bsp.: Abschluss einer höheren Schule, dann Studium mit Überschreitung der Mindeststudiendauer um drei Jahre würde eine zusätzliche Anrechnung von sechs Jahren bewirken). Um dies auszuschließen, wird die Anrechnung von Schul-, Lehr- und sonstigen Zeiten mit insgesamt viereinhalb Jahren beschränkt. Bei längerer Mindestdauer der Ausbildung (13. Schulstufe bei berufsbildenden höheren Schulen, mehr als drei Jahre Mindestlehrzeit bei bestimmten Lehrberufen) erhöht sich dieses Höchstausmaß entsprechend (§ 12 Abs. 1a GehG, § 26 Abs. 1a VBG).

Die Neuregelung vermeidet durch die Loslösung von jeglicher Anknüpfung der Anrechnung von Vordienstzeiten an ein bestimmtes Lebensalter jegliche direkte Altersdiskriminierung. Die Anbindung an den Abschluss der Schulpflicht könnte zwar infolge ihrer mittelbaren Altersabhängigkeit als mittelbare Diskriminierung betrachtet werden, sie ist aber durch ihren engen Zusammenhang mit europarechtlichen und innerstaatlichen Jugendschutzbestimmungen wohl sachlich gerechtfertigt und auch angemessen und erforderlich im Sinne des Art. 2 der Gleichbehandlungsrichtlinie.

Zu § 113 Abs. 10 bis 12 GehG und § 82 Abs. 10 bis 12 VBG:

Diese Bestimmungen enthalten die für die Umsetzung der Neuregelung erforderlichen verfahrensrechtlichen Bestimmungen.

Eine Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages erfolgt zunächst nur auf Antrag. Sie ist weiters dann ausgeschlossen, wenn die aktuelle besoldungsrechtliche Stellung nicht durch den Vorrückungsstichtag bestimmt wird. Dies trifft in zwei Fällen zu, nämlich wenn im Dienstklassensystem eine freie Beförderung erfolgt ist (s. dazu auch das Erk des VwGH vom 12. November 2008, Z. 2005/12/0241) oder wenn sich die bestehende besoldungsrechtliche Stellung aus einer tabellarischen Überleitung ergibt (zB bei Überleitung von der Allgemeinen Verwaltung in den Allgemeinen Verwaltungsdienst gemäß § 134 GehG).

Die Anrechnung von Vordienstzeiten ist ein hochkomplexes Rechtsthema, dessen richtige Anwendung umfangreiche Expertise und Detailkenntnisse in einer Reihe von Rechtsgebieten außerhalb des Dienstrechts wie etwa Studien- und Schulrecht voraussetzt. Da die Anzahl der über entsprechende Qualifikationen verfügenden Bediensteten begrenzt und auch nicht beliebig erweiterbar ist, dient die Antragspflicht zunächst der Vermeidung einer kaum und jedenfalls nicht im vorgesehenen Zeitrahmen bewältigbaren Belastung der Personalverwaltung des Bundes, die aus einer amtswegigen Umsetzung resultieren würde.

Allein bei den Dienstbehörden und Personalstellen des Bundes liegen aber zur Zeit bereits zehntausende von Anträgen auf Berücksichtigung von Zeiten, insbesondere von Schulzeiten, vor dem vollendeten 18. Lebensjahr zur Behandlung auf. Ob die Rechtslage, auf deren Bestand bei der Antragstellung offensichtlich vertraut wurde und die im Wesentlichen in der Nichtanwendung der Altersbeschränkung bei sämtlichen Anrechnungstatbeständen zu bestehen schien, jemals in dieser Form bestanden hat – das Ausschlag gebende Urteil des EuGH bezieht sich etwa auf Dienstzeiten von Vertragsbediensteten und in keiner Weise auf Schulzeiten von Beamtinnen und Beamten – kann nunmehr dahingestellt bleiben, da die Rechtslage rückwirkend ab 1. Jänner 2004, dem Monatsersten nach dem mit 2. Dezember 2003 festgelegten Ende der Umsetzungsfrist (Art. 18 der RL), richtlinienkonform neu gestaltet werden soll. Die vorliegenden Anträge beziehen sich damit auf eine jedenfalls nicht mehr bestehende Rechtslage.

Die Frage, ob eine Antragstellung nach der neuen Rechtslage sinnvoll und ratsam ist oder nicht, kann nur nach umfassender Information über diese und die allfälligen Konsequenzen einer Antragstellung beantwortet werden. Diese Information soll durch ein vom Bundeskanzler mit Verordnung fest zu legendes und für die Antragstellung zwingend zu verwendendes Formular gewährleistet werden. Um die durchgängige Verwendung des Formulars zu gewährleisten, wird die Verpflichtung zur Verwendung des Formulars auch auf bereits vor Kundmachung der Neuregelung gestellte Anträge erstreckt, indem diese als mangelhaft im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG behandelt werden. Die Verbesserung ist im öffentlich-rechtlichen Bereich in sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 AVG durchzuführen und führt letztlich zur ursprünglich richtigen Einbringung korrekt gestellter oder zur Zurückweisung weiterhin fehlerhafter Anträge; bei Vertragsbediensteten tritt anstelle der letzteren die gesetzlich vermutete Zurückziehung des Antrags. Dieser nur leichte Eingriff in die Antragsfreiheit ist im Hinblick darauf, dass sich im Formularzwang quasi die Manuduktionspflicht und die Treuepflicht des Dienstgebers manifestieren, durchaus sachlich zu rechtfertigen.

Für Richterinnen, Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte gilt § 113 GehG aufgrund der §§ 41 und 42 GehG.

Zu § 113 Abs. 13 bis 15 GehG und § 82 Abs. 13 und 14 VBG:

Diese Bestimmungen enthalten die erforderlichen Übergangs- und Begleitregelungen zur Umsetzung der neuen Rechtslage. Die §§ 113 Abs. 13 GehG und 84 Abs. 13 VBG sehen den üblichen Verjährungsverzicht für die Zeit zwischen dem 18. Juni 2009 (Tag des Ergehens des Urteils im Fall HÜTTER) und dem Tag der Kundmachung der Neuregelung vor. Die §§ 113 Abs. 13 GehG und 84 Abs. 14 VBG enthalten die erforderlichen Anpassungen für Bedienstete, für deren Vordienstzeitenanrechnung gemäß § 113 Abs. 5 GehG bzw. § 84 Abs. 5 VBG noch die bis 30. April 1995 geltende Rechtslage gilt. § 113 Abs. 15 GehG friert schließlich für bereits im Dienststand befindliche Bedienstete die Anfallstermine von Jubiläumszuwendungen entsprechend der bisherigen Rechtslage ein, um den hohen finanziellen Aufwand zu verhindern, der sich aus dem gleichzeitigen Fälligwerden mehrerer „Jahrgänge“ von Jubiläumszuwendungen im Jahr nach der Kundmachung der Neuregelung infolge zusätzlicher Anrechnung von jubiläumswirksamen Zeiten ergeben würde.

Zu § 284 Abs. 76 BDG 1979, § 175 Abs. 66 GehG, § 100 Abs. 56 VBG und § 207 Abs. 53 RStDG:

Diese Bestimmungen regeln das Inkrafttreten. Die Neuregelungen im Urlaubsrecht treten mit 1. Jänner 2011 in Kraft, die die Anrechnung von Vordienstzeiten betreffenden Neuregelungen rückwirkend mit 1. Jänner 2004. Da die rückwirkende Anwendung der Neuregelungen nur auf Antrag und damit auf Initiative der Betroffenen erfolgt, kann die Regelung nicht unmittelbar in bestehende Rechtsansprüche eingreifen. Die Rückwirkung ist damit nicht nur verfassungsrechtlich unproblematisch, sondern darüber hinaus aufgrund der bis 2. Dezember 2003 befristeten verpflichtenden Umsetzung der Gleichbehandlungsrichtlinie auch europarechtlich geboten.